Kapitel 23
Songempfehlung: Lova - Lonely Ones
Ich starrte geradewegs in ein Gesicht das mir schmerzlichst vertraut war und das ich in den letzten Wochen fürchterlich vermisst hatte. Ein Gesicht mit warmen, braunen Augen, die mich nun voller Liebe aber auch voller Sorge anschauten. Ein Gesicht, das ich schon kannte, seit ich als Kind noch in die Windeln machte. Meine Augen wanderten über eine Nase, die fast perfekt war, wäre da nicht der leichte Höcker, den er sich zugezogen hatte, als er im Kindesalter vom Fahrrad gefallen war. Die rundlichen Wangen, die ihn schon immer hatten jünger wirken lassen, als er eigentlich war, überzogen eine leichte Röte.
»Laney!«, seine Lippen formten sich zu einem breiten, umwerfenden Lächeln, das wohl sicher dem ein oder anderen Mädchen schlotternde Knie bescherte. Mein Blick schweifte über ihn hinweg. Er war relativ hochgewachsen, schlank und sehnig, was in der blauen Jeans und dem Stanford Merchandise T-Shirt umso mehr auffiel. Er war gutaussehend. Nicht auf diese rohe, männliche Art, wie es bei Julian der Fall war, sondern mehr auf diese Tom Holland Art und Weise.
»Josh?«, der überraschte Unterton in meiner Stimme verriet, dass er die letzte Person war, mit der ich gerechnet hatte. Nie und nimmer wäre ich darauf gekommen, dass ausgerechnet mein bester Freund vor der Tür stehen würde. Dass er vom anderen Ende des Landes, von Kalifornien, hierher nach Connecticut reisen würde. Und schon gar nicht nach unserem Streit. Nachdem ich ihm das Herz gebrochen hatte.
»Was tust du hier...«, noch ehe ich aussprechen konnte, lief Josh an Julian vorbei, ließ sich auf der Kante meines Krankenbetts nieder und schloss mich in eine stürmische Umarmung.
Ein ersticktes hmpf kam über meine Lippen und obwohl Josh behutsam die Arme um mich legte, wurde mein Brustkorb von einem stechenden Schmerz durchzuckt.
»Verdammt Laney, ich habe mir solche Sorgen gemacht«, murmelte er an meinem Ohr, ehe er mich wieder freigab. Aus funkelnden Augen sah er mich an. »Ich habe mir sofort einen Flug gebucht, als ich es erfahren habe!«
Wie von selbst schlang sich Joshs Hand um die meine.
Aus großen Augen erwiderte ich seinen Blick. Ich war so überrumpelt, dass mir keine Antwort über die Lippen kommen wollte.
»Was zur Hölle hast du dir nur dabei gedacht, an einem Sportfest teilzunehmen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr er damit fort, mir eine Standpauke zu halten.
Benommen schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter, während ich vollkommen überfordert mit der Situation war. Obwohl ich mich über Joshs Besuch freute, kam ich nicht umhin, an ihm vorbei zu Julian zu spitzeln, der noch immer an der Tür stand, durch die er gerade hatte verschwinden wollen, bevor Josh erschienen war.
Doch Julian erwiderte meinen Blick nicht.
Nein, seine Augen waren auf meine und Joshs ineinander verschlungenen Hände gerichtet und als mir klar wurde, wie das Ganze auf Julian wirken musste, entzog ich Josh blitzartig meine Hand. Für mich persönlich war nichts dabei, die Hand meines besten Freundes zu halten. Josh und ich hatten schon oft Händchen gehalten. Im Kindergarten. Jedes Mal, wenn ich im Krankenhaus war. Auf dem Abschlussball der High School... Es war eine freundschaftliche Geste. Aber in so manch Außenstehenden mochte diese Geste einen anderen Eindruck erwecken.
Josh meine Hand zu entziehen sorgte dafür, dass Julian den Blick wieder hob und mich direkt ansah.
Sein Gesicht ließ nicht die geringste Gefühlsregung erkennen. Sie war eine pure Maske blanker Gleichgültigkeit. Julian beherrschte die Rolle des unnahbaren Professors nahezu perfekt.
Aber seine Augen...
Himmel. Seine Augen funkelten in einem solchen Giftgrün, dass ich fürchtete jeden Moment an einem Giftmord statt einem schwachen Herzen zu sterben.
Die Tatsache, dass ich Josh so ruckartig meine Hand entrissen hatte, sorgte zudem leider nicht nur dafür, dass Julian mich nun anstarrte, als sei ich der Teufel höchstpersönlich, sondern es veranlasste Josh auch dazu, wiederum in Julians Richtung zu schauen.
Julian würdigte Josh keines Blickes. Stattdessen schenkte er mir ein distanziertes Nicken und verabschiedete sich mit den Worten »Bis bald, Laney«.
Eine Sekunde später war er auch schon verschwunden.
Jegliche Wärme, die zuvor noch das kleine, weiße Zimmer ausgefüllt hatte, löste sich mit Julians Abwesenheit in Luft auf. Die starke Präsenz, die den gesamten Raum eingenommen hatte - weg.
Wenngleich ich mich darüber freute, Zeit mit Josh zu verbringen, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen, als wollte es mir sagen, dass Julian gefälligst hier bleiben sollte. Dass es ein bisschen mehr im Takt schlug, wenn er in meiner Nähe war.
Verrückt.
Mom verließ mit den Worten, dass sie sich unten in der Cafeteria einen Kaffee holen würde, ebenfalls den Raum. Nun war ich mit Josh alleine.
»Wer war das denn?«, verlangte Josh zu wissen und drehte sich mit einem leicht verkniffenen Gesichtsausdruck zu mir herum. »War das einer deiner Kommilitonen?«
Ich brauchte keine Gedanken lesen zu können, wie Edward Cullen in Twilight, um genau zu wissen, was gerade in Josh vorging.
Eifersucht.
»Oh ähm... nein«, erwiderte ich und widerstand dem Drang, mich unruhig zu winden. »Das war mein Professor.«
»Dein Professor?«, stieß Josh überrascht aus, während ein kurzer Ausdruck von Erleichterung über sein Gesicht huschte. Offenbar schätzte er Julian aufgrund der Tatsache, dass es sich bei ihm um meinen Lehrer handelte, nicht als Gefahr ein.
Welch Fehler.
Oh Josh...
»Ist der nicht noch ein bisschen jung, um Professor zu sein?«
»Ähm ja, er ist... noch recht jung«, stimmte ich zu. Es war mir sichtlich unangenehm mit Josh über Julian zu sprechen.
»Krass«, entgegnete Josh. »Meine Profs sind alle steinalt und super streng.«
»Naja, Julian kann auch ziemlich streng sein«, ich schnaubte und noch während ich die Worte aussprach, erkannte ich meinen Fehler.
»Julian?«, hakte Josh nach und seine Brauen verzogen sich zu einer verwirrten Linie.
»Äh«, verhaspelte ich mich und geriet ins Schwitzen. »Professor Wright. Seine Name ist Professor Wright. Ich meinte Professor Dr. Wright. Ich... Er sieht das ziemlich locker. Obwohl er eigentlich ziemlich streng ist und großen Wert auf seinen Namen legt. Ich meine... Ich darf ihn beim Vornamen nennen. Natürlich nur manchmal. Zumindest hat er mir das angeboten. Wahrscheinlich auch nur deshalb, weil ich seine Forschungsassistentin bin und...«, ich redete mich um Kopf und Kragen und wenn Josh nicht spätestens jetzt bemerkte, dass ich eine ziemlich große Schwäche für Julian Wright besaß, musste er wirklich schwer von Begriff sein.
Joshs Brauen wanderten so weit nach oben, dass sie beinahe mit seinem Haaransatz verschmolzen. Ein seltsamer Ausdruck trat auf sein Gesicht und er öffnete die Lippen, als wollte er etwas sagen.
Ich kam ihm zuvor.
»Aber erzähl doch mal von dir! Wie läuft es an der Stanford? Wolltest du nicht erst in zwei Wochen kommen?« Es war ein Versuch, vom Thema abzulenken. Ein Versuch, der kläglich scheiterte.
»Stehst du auf ihn?«, Joshs Lippen verzogen sich zu einer schmalen, gepressten Linie. »Warum war er überhaupt hier?«
»Was? Auf Jul... Professor Wright? Spinnst du?« Empört richtete ich mich etwas auf, was sofort Schmerzen in meiner Brust verursachte. Zudem war mein Tonfall ein wenig zu hoch. Zu schrill. »I-ich stehe doch nicht auf meinen Professor! Er war hier, weil er mir das Leben gerettet hat auf dem Sportfest. Er wollte nur mal nach mir sehen. Mehr nicht.«
»Okay«, Josh schien nicht ganz so überzeugt zu sein und Unsicherheit flammte in seinen Augen auf, die heller glühte, als die Eifersucht, von der er sicherlich gerade zerfressen wurde.
»Josh...«, ich seufzte und rückte mir das Kissen im Rücken zurecht, um es mir ein bisschen gemütlicher zu machen. »Ich glaube, es gibt da etwas, worüber wir sprechen sollten.
Josh sog scharf die Luft ein, nickte aber.
»Ich glaube, da hast du recht.«
Kurz herrschte ein bedrücktes Schweigen zwischen uns. Ein Schweigen, das lauter war, als jegliche Worte, die unausgesprochen zwischen uns in der Luft hingen. Doch ich erinnerte mich an die Worte meines Dads.
Weißt du Laney, jedes nicht ganz klare nein bleibt wohl für immer ein vielleicht.
All meinen Mut zusammennehmend räusperte ich mich und begann zu sprechen.
»Es tut mir unglaublich leid, dass ich dich ausgenutzt und verletzt habe, Josh. Ich habe Scheiße gebaut und möchte mich dafür entschuldigen. Ich wusste, wie du für mich empfindest und habe dich trotzdem darum gebeten, eine Nacht mit mir zu verbringen. Das war falsch. Ich hätte das nicht tun dürfen«, betreten schüttelte ich den Kopf. Feige wie ich war, senkte ich den Blick und starrte auf meine Hände.
»Laney«, begann Josh und griff erneut nach meiner Hand. »Ich wusste, worauf ich mich einlasse und ich bereue nichts. Im Gegenteil. Ich würde mich jederzeit wieder von die ausnutzen lassen.«
»Josh...«, ruckartig schüttelte ich den Kopf und ich sah ihm eindringlich in die braunen Augen. »Sag so etwas nicht. Ich dachte, du hättest jemanden kennengelernt und...«
»Laney, du brauchst dich nicht zu erklären. Ich weiß, dass du wegen deiner Krankheit keine Beziehung eingehen möchtest, aber... für mich gibt es nur dich. Schon immer. Dieses andere Mädchen war nur ein Versuch, von dir loszukommen. Ich habe allerdings begriffen, dass ich gar nicht von dir loskommen möchte. Ich will mit dir zusammen sein. Ich will mit dir kämpfen und dir zeigen, dass es das Leben wert ist. Dass es wert ist, um eine Zukunft zu kämpfen. Gib nicht auf, Laney. Gib uns nicht auf. Und selbst wenn du kein Spenderherz findest oder daran festhältst, dich nicht operieren zu lassen, dann lass uns wenigstens die Zeit genießen, die noch bleibt«
Joshs warme Augen hatten einen flehenden Ausdruck angenommen und seine Hände schlossen sich fester um meine. Sein gesamter Körper war eine reinste Metapher der Hoffnung. Eine Hoffnung, die es nicht gab. Die schon so unendlich lange verloren war.
Zu wissen, dass ich Josh erneut das Herz brechen musste, brachte mich um.
Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer und schwerer, sodass ich ihn gar nicht mehr herunterschlucken konnte. Tränen traten mir in die Augen, als ich Josh meine Hände entzog.
Enttäuscht nahm er Notiz davon, ehe er mir wieder ins Gesicht schaute.
»Josh«, ich schüttelte den Kopf und versuchte die Tränen wegzublinzeln. »Du bist mein bester Freund und ich liebe dich. Aus tiefstem Herzen. Aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Ich trage so viel Ballast mit mir herum, den ich dir nicht zumuten möchte. Ganz gleich, ob du bereit wärst, ihn auf dich zu nehmen. Ich will das nicht. Ich möchte einfach nur mit dir befreundet sein. Verstehst du?«
Unwillkürlich trifteten meine Gedanken an Julian ab.
Zwischen meinen Gefühlen für ihn und für Josh lagen Welten und allein diese Tatsache zeigte mir, dass ich niemals mit Josh würde zusammen sein können.
Ich empfand nichts Romantisches für Josh.
Da war absolut keine Aufregung. Keine Schmetterlinge im Bauch. Kein Nervenkitzel. Es mochte sein, dass so mancher genau dies für eine richtige und gesunde Partnerschaft hielt. Aber wie sollte ich mit jemandem zusammen sein, bei dem ich nicht einmal einen Hauch Anziehung verspürte? Allein wenn ich mir vorstellte, noch einmal mit Josh zu schlafen, begann alles in mir zu rebellieren.
Es fühlte sich nicht richtig an.
Die Traurigkeit, die sich bei meinen Worten auf Joshs Gesicht ausbreitete, schnürte mir regelrecht die Kehle zu. Es war, als verletzte ich mich selbst und doch war es notwendig, Josh das noch einmal ins Gesicht zu sagen.
Seine Schultern sanken herunter und spiegelten einen Ausdruck absoluter Mutlosigkeit wider. Sein Adamsapfel hüpfte aufgeregt, während er die Abweisung, die ich ihm soeben entgegen geschleudert hatte, herunter schluckte.
Aber er nickte akzeptierend. Schließlich blieb ihm auch nichts anderes übrig.
Wieder hüllte uns eine unangenehme Stille ein. Eine Stille, die niemand so richtig zu durchbrechen wusste.
»Laney?«, fragte Josh irgendwann und nahm das Gespräch wieder auf.
»Ja?«
Auf Josh Gesicht spiegelte sich etwas wider, dass mich unwillkürlich innehalten ließ.
Es war ein letzter Hoffnungsschimmer.
Das letzte bisschen, das er noch besaß.
Und ich wusste, dass er mich jeden Moment vor die Wahl stellen würde, auch noch diesen letzten Funken Zuversicht entweder zu zerstören oder zu nähren.
»Glaubst du, aus uns hätte etwas werden können, wenn du gesund wärst?«
Instinktiv hielt ich die Luft an.
Joshs Frage überrumpelte mich. Nahm mir jeglichen Wind aus den Segeln und zunächst blieb mir die Sprache weg. Stattdessen starrte ich ihn nur aus großen Augen an. Ich überlegte, ob ich uneingeschränkt ehrlich sein und ihm endgültig das Herz herausreißen sollte oder ob ich ihn verschonen und in dem Glauben lassen sollte, dass meine Gefühle sich vielleicht anders entwickelt hätten, wäre ich nicht todkrank.
»Ich... Ich weiß nicht... Vielleicht.«
Ich war eine Idiotin. Absolut erbärmlich. Bemitleidenswert. Feige.
Natürlich wusste ich sehr genau, dass selbst ohne meine Erkrankung meine Gefühle nicht anders lägen. Ich wusste, dass meine Knie nicht weich wurden in seiner Nähe. Dass mein Bauch nicht kribbelte, wenn ich ihn nur ansah. Dass nicht Josh derjenige war, von dem ich berührt werden wollte.
Unbewusst schlichen sich ein paar grüne Augen in meine Gedanken und die Tatsache, dass ich ausgerechnet jetzt an Julian denken musste, bereitete mir Angst.
»Ich verstehe«, sagte er niedergeschlagen und sein Blick wanderte ins Leere. »Ich wünschte, die Dinge lägen anders. Ich wünschte, wir hätten eine Chance.«
»Es tut mir so leid, Josh...«, meine Stimme brach und nun war ich diejenige, die nach seiner Hand griff. Tränen spiegelten sich in seinen braunen Augen wider. Tränen, die nun auch in meinen Augen ihr Unwesen trieben.
Noch eine ganze Weile verharrten wir in dieser Position, ehe Josh begann, mir von seinem Chemiestudium an der Stanford zu erzählen. Er berichtete mir von seinen Kursen, den Professoren und seinen Kommilitonen, unter denen immer wieder der Name Kelly fiel. Ich vermutete, dass es sich bei ihr um besagtes Mädchen handelte, mit der Josh ein Date hatte. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass Josh endlich sein Glück finden würde und mich vergaß...
Gerade, als ich Josh von Yale zu erzählen begann, klopfte es erneut an der Tür. Eine Sekunde später traten Caya und Yuki ein und sofort begann ich glücklich zu grinsen. Die beiden waren wie Tag und Nacht.
Während Caya hochgewachsen war und äußerst kurvig, was sie mit ihrer figurbetonten Kleidung deutlich zur Schau stellte, war Yuki eher klein, zierlich und versteckte sich in ihren Hoodies.
Ein Ausdruck purer Glückseligkeit legte sich über Cayas Gesicht, als sie hereingestürmt kam und mich in eine herzliche Umarmung zog. Yuki hingegen rang sich ein schmales Lächeln ab. Sofern man es als Lächeln bezeichnen konnte.
»Du bist wach! Dem Himmel sei Dank!«, juchzte Caya und lehnte sich einen halben Meter zurück, um mich zu betrachten.
»Wie fühlst du dich? Geht es dir besser? Du hast uns so einen Schrecken eingejagt, weißt du das eigentlich? Wann darfst du endlich wieder zurück? Mit Yuki alleine ist es schrecklich langweilig«, Caya redete wie ein Wasserfall, was für gewöhnlich mein Talent war.
»Es geht mir schon besser. Schön, dass ihr mich besuchen kommt«, ich lächelte breit und freute mich aufrichtig, meine beiden Freundinnen zu sehen.
»Ich bitte dich«, Caya machte ein wegwerfende Handbewegung. »Wir sind jeden Tag hier. Und weißt du, wen wir unten getroffen haben? Professor Sexy, der dir übrigens das Leben gerettet hat und scheiße, weißt du eigentlich, dass er Moto...«
Ich hüstelte laut und kniff Caya unauffällig in die Seite.
Sofort verstummte sie und in ebendiesem Augenblick schien sie zu begreifen, dass wir nicht alleine waren. Ihr Blick wanderte zu Josh, der mittlerweile auf einem Stuhl neben dem Bett saß und neugierig zwischen Caya, Yuki und mir hin und her schaute.
»Oh, hallo«, Caya lächelte Josh an und bot ihm ihre Hand an. »Ich kenne dich irgendwoher! Bist du nicht Laneys bester Freund?«
Josh lächelte und schüttelte Caya die Hand. »Richtig. Und du bist?«
»Caya. Schön dich endlich mal kennenzulernen. Laney hat schon viel von dir erzählt.«
»Ach ja?«, Josh errötete leicht und warf mir einen kurzen Seitenblick zu. »Ich hoffe doch nur Gutes.«
Innerlich verfluchte ich Caya für diese Aussage, denn es war nicht schwierig zu erraten, dass Josh sich darauf garantiert etwas einbilden würde.
»Klar doch«, Caya zwinkerte, dann wandte sie sich an Yuki. Josh tat es ihr gleich.
»Hi, ich bin Josh.« Josh schenkte auch Yuki ein freundliches Lächeln und bot ihr zur Begrüßung die Hand an.
Yuki ignorierte es eiskalt. Stattdessen positionierte sie sich im Raum etwas um, sodass sie möglichst viel Abstand zwischen sich und uns brachte. Es verwunderte mich nicht weiter, denn ich kannte Yuki. Sie war scheu und mochte Menschen nicht gerne um sich. Josh hingegen wirkte etwas verwirrt über ihr Verhalten.
»Das ist Yuki«, stellte Caya die Dritte in unserem Bunde vor. »Sie ist ein bisschen schüchtern, nimm's ihr nicht übel«, erklärte sie und hüpfte im hohen Bogen auf meine Bettkante.
»O-okay«, erwiderte Josh und warf einen letzten verunsicherten Blick in Yukis Richtung.
Sie ignorierte ihn weiterhin.
»Also Laney, wie siehts aus? Wann darfst du wieder zurück?«, fragte Caya erneut und richtete ihre Aufmerksamkeit auf mich.
»Ich schätze das dauert noch ein Weilchen«, gestand ich bedrückt.
Um ehrlich zu sein fühlte ich mich auch überhaupt noch nicht fit. Jedenfalls nicht so fit, um wieder zur Uni zu gehen. Schließlich war ich auch gerade erst aus dem künstlichen Koma erwacht. Es würde noch ein bisschen dauern, bis Dr. Heyck mir erlaubte, wieder nach Hause gehen zu dürfen.
»Ich hatte echt Angst um dich, Laney«, sagte Caya plötzlich mit einer Ernsthaftigkeit, die ich noch nie an ihr gesehen hatte. Und in diesem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, dass mein Ableben nicht nur ein Loch in die Herzen meiner Familie schlagen würde, sondern auch in die meiner neuen Freunde. Kurz flackerte Angst in meinem Inneren auf. Ich hatte alle Bemühungen darin gesteckt, mich nicht zu verlieben, weil ich geglaubt hatte, dass die Liebe meine Entscheidung in Wanken bringen würde.
Was aber war, wenn es meine Freunde waren?
Was, wenn Josh, Caya und Yuki diejenigen waren, die die Macht besaßen, mich umzustimmen? Ein ungutes Gefühl überkam mich und schwermütig ließ ich die Schultern sinken.
Daran durfte ich nicht einmal denken. Hastig schob ich diesen Gedanken beiseite und konzentrierte mich darauf, Caya Antwort zu geben.
»Ich weiß«, flüsterte ich. »Tut mir leid, dass ihr das durchmachen musstet wegen mir.«
Ich griff nach Cayas Hand und mein Blick wanderten in die Ecke des Raumes, wo Yuki stand. Sie brauchte nichts zu sagen, ich wusste auch so, dass sie mir ohne Worte dasselbe mitzuteilen versuchte, wie Caya. Ich nickte ihr zu.
Im nächsten Moment räusperte Caya sich und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, als wollte sie diese deprimierte Stimmung mit einem fröhlichen Gesicht einfach wegwischen.
»Also, Josh«, sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf meinen besten Freund. »Wie lange bist du denn hier?«
»Ich wurde nur für ein paar Tage befreit wegen eines familiären Notfalls«, seine Augen wanderten zu mir. »Aber ich komme übernächstes Wochenende nochmal zu Besuch.«
»Wow okay, kackst du Geldscheine aus oder wie kannst du dir die Flüge jedes Mal leisten? Du studierst doch an der Stanford oder?« Cayas Wortwahl ließ Josh laut auflachen.
»Ja, ich bin an der Stanford. Und nein, ich kacke keine Geldschein, aber meine Eltern sind finanziell ganz gut gestellt und wollen mich regelmäßig sehen, also bezahlen sie mir die Flüge.«
Cayas Brauen schossen in die Höhe.
»Verdammt«, sie schüttelte lachend den Kopf. »Während du der Fluggesellschaft hunderte von Dollar in den Rachen steckst, krebse ich mit meinem Stipendium und einem Nebenjob in der Bibliothek herum. Ich mache irgendetwas falsch.«
»Seit wann arbeitest du in der Bibliothek?«, stieß ich überrascht aus. Cayas Kopf fuhr zu mir herum. »Seit gestern. Ich brauchte dringend einen Job, um über die Runden zu kommen.«
»Sind Jobs in der Bibliothek nicht super begehrt?«, meldete sich Josh verwundert zu Wort. »Wie bist du daran gekommen?«
»Na mit meinem unwiderstehlichen Charme natürlich«, sie klimperte ein paar Mal mit den falschen Wimpern, was Josh ein Lachen entlockte.
Es war schön zu sehen, dass meine Freunde sich auf Anhieb so gut verstanden.
»Also, Joshy«, Caya deutete mit dem Finger auf ihn. »Wenn du übernächstes Wochenende zu Besuch kommst, müssen wir dir unbedingt Yales Nachtleben zeigen. Bist du dabei?«
Josh verzog sofort das Gesicht.
»Ich weiß nicht. Feiern ist nicht so meins und außerdem muss ich in der Woche danach noch eine Hausarbeit abgeben und...«
»Gott, du bist ja fast noch spießiger, als Yuki«, Caya schnaubte empört. »Stell dich nicht so an, wir werden Party machen, wenn du wieder im Lande bist. Basta!«
Josh warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, aber ich zuckte nur mit den Schultern, um ihm zu signalisieren, dass man gegen Cayas Willen nicht den Hauch einer Chance hatte.
Die drei blieben noch eine ganze Zeit lang, quatschten und lernten sogar meine Eltern kennen. Es war schön, alle wichtigen Menschen um mich zu haben und ich saugte jeden Moment, den ich mit ihnen erlebte auf, als sei es mein letzter.
Caya plauderte wie immer aus dem Nähkästchen, erzählte mir den neusten Klatsch und Tratsch und verriet mir in einer ruhigen Minute der Zweisamkeit sogar, dass sie es endlich geschafft hatte, ihre Fernbeziehung zu beenden. Die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, verrieten mir, dass es alles andere als einfach gewesen sein musste und hastig schloss ich sie in eine tröstende Umarmung.
Als Yuki sich wieder zu uns gesellte und auch Josh zurückkam, der sich einen Kaffee geholt hatte, verkündete Caya lautstark, dass Ren Rochana Yuki seine Handynummer gegeben hätte.
Alle Blicke richteten sich auf Yuki, die sich sichtlich unwohl dabei fühlte, im Mittelpunkt zu stehen. Oder aber es lag daran, dass die Sprache auf Ren Rochana gefallen war, der seltsamerweise die Macht besaß, Yuki in Verlegenheit zu bringen.
Ob er ihr gefiel?
Unzählige Fragen lagen mir auf der Zunge. Fragen, die ich mir allerdings verkniff, da ich genau wusste, wie sehr Yuki ihre Privatsphäre schätzte. Und Josh war nun einmal ein Fremder für sie, wenngleich sie in seiner Gegenwart absolut nichts zu befürchten hatte.
Caya hingegen besaß herzlich wenig Taktgefühl, was Yukis Wünsche anging. Dies stellte sie sogleich unter Beweis.
»Ich finde ja, sie sollte Luan abschreiben und sich mit Ren treffen. Ren ist eindeutig die bessere und vor allem heißere Wahl«, sagte sie nonchalant.
»Caya«, mahnte ich und versuchte sie somit zum Schweigen zu bringen.
»Was denn?«, sie zuckte schamlos mit den Achseln. »Ist doch die Wahrheit.«
Kurz herrschte Schweigen in dem Raum, während jeder auf eine Entschuldigung seitens Caya wartete. Ein Schweigen, das unerwartet unterbrochen wurde.
»Wenn du Noah sagst, dass du in ihn verknallt bist, werde ich Ren um ein Date bitten«, erklang plötzlich Yukis zarte Stimme aus der Ecke.
Völlig perplex drehten sich alle Köpfe nacheinander in Yukis Richtung.
»Sie kann ja sprechen«, flüsterte mir Josh fassungslos zu, während er Yuki betrachtete, als sei sie ein Alien. Oder als wäre ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen.
Cayas Gesichtsausdruck verrutschte für einen kurzen Moment und ihre Wangen erröteten sich.
»Ich habe mich gerade von meiner Freundin getrennt. Ich bin nicht in Noah verliebt, ich...«
»bin eine Lügnerin«, beendete Yuki Cayas Satz. Yukis Augen funkelten verdächtig und überrascht stellte ich fest, dass sie noch nie in Gegenwart eines Fremden so viel gesprochen hatte.
»He! Das war unter der Gürtellinie«, rief Caya aufgebracht.
»Du teilst doch selbst schon die ganze Zeit unter der Gürtellinie aus«, erinnerte ich Caya und sofort blickte sie zerknirscht drein. »Komm schon, wir wissen alle, dass du in Noah verliebt bist. Du brauchst es nicht abzustreiten.«
Caya rollte mit den Augen, aber die Art und Weise, wie sie nervös ihre Beine über der Bettkante hin und her baumeln ließ, sprach Bände.
»Ich kann Noah nicht sagen, dass ich ihn mag«, gestand sie ehrlich.
»Dann werde ich auch nicht mit Ren ausgehen«, erwiderte Yuki ruhig.
»Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?«, Caya wirkte verwirrt.
»So ist es nun einmal, wenn man eine Wette abschließt«, mischte sich Josh nun ein und verteidigte Yuki zu meiner Verwunderung. »Ich finde den Deal lustig.«
»Ich auch«, stimmte ich Josh zu und wir grinsten uns breit an.
Caya wirkte nicht ganz angetan von Yukis Vorschlag, schien jedoch kurz darüber nachzudenken, als würde sie den Vorschlag in Betracht ziehen. Um ehrlich zu sein wusste ich nicht einmal, ob Yuki ihre Idee selbst so guthieß. Denn so wie ich sie kannte, würde sie eigentlich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um nicht auf ein Date gehen zu müssen. Außerdem mochte sie Ren ja nicht einmal. Zumindest hatte es den Anschein. Aber ich wusste nur zu gut, dass man jemanden, den man am liebsten verfluchen würde, gleichzeitig auch begehren konnte.
Scheiße, und wie ich das wusste...
Caya und Yuki sahen sich eine ganze Weile lang in die Augen.
Sie schienen nonverbal miteinander zu kommunizieren und die Idee der Wette auf sich wirken zu lassen.
Und dann, völlig unerwartet, schlich sich ein hämisches Grinsen auf Cayas Gesicht.
»Na schön, ich bin dabei. Die Wette gilt«, Cayas Grinsen wurde breiter. »Such dir lieber schon mal ein heißes Outfit für dein Date heraus, Yuki. Oder sollte ich lieber Miss Rochana sagen?«
Wir brachen alle in lautes Gelächter aus.
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