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Bonus Chapter III

Songempfehlung: Lana del Rey - Say Yes To Heaven

- Julian -
1 Tag vorher

Laney war nicht mehr da.
Ich wusste es, noch bevor ich die Haustür öffnete und eintrat.
Sie war weg. Gegangen. Ohne ein Wort.

Ich war ein Vollidiot. Ein absoluter Vollidiot. Ich hatte sie für Daphne sitzen lassen. Für meine Exfrau, die mich mit meinem besten Freund betrogen hatte.

Doch ich konnte nicht anders.

Daphne war ein Wrack. Sie war niemals über den Unfall damals hinweg gekommen. Sie hatte niemals verkraftet, für den Zustand ihrer kleinen Schwester und den Tod meines Bruder verantwortlich zu sein. Dabei war es nicht einmal ihre Schuld.

Es war meine.

Es war einzig und allein meine Schuld, weil ich meine Gefühle nicht im Griff gehabt hatte. Weil ich sie in dem Auto angeschrien hatte. Weil ich eifersüchtig gewesen war.

Es war nicht fair, dass sie sich dafür die Schuld gab. Genauso wenig, wie es fair war, dass ein paar Sekunden alles verändert hatten. Ein paar Sekunden der Unachtsamkeit, die vier Leben zerstörten.

Ja, das Leben konnte so schnell vorbei sein... Dieser Gedanke beängstigte und belebte mich gleichermaßen.

Ich trat ein, begrüßte Sam und schaute mich im Haus um, nur um sicherzugehen, dass Laney auch wirklich nicht mehr hier war.

Du musst gar nichts, hatte Laney zu mir gesagt, du bist nicht für sie verantwortlich. Nicht mehr.

Laney hatte Recht.

Ich war nicht mehr für Daphne verantwortlich. Aber trotzdem verspürte ich Schuldgefühle, die mich dazu trieben, ihr immer wieder helfen zu wollen. Trotz allem, was sie mir angetan hatte. Was Sie und Misha mir angetan hatten.

Zu gut erinnerte ich mich an den Tag vor zwei Jahren, als ich früher nach Hause gekommen war und die beiden - wie in einem schlechten Film - auf dem Küchentresen entdeckt hatte.

Daphne war mir hinterhergerannt. Sie war nackt vor mir auf die Knie gefallen und hatte mich angefleht, sie nicht zu verlassen. Dass Misha nur ein Ausrutscher gewesen wäre. Dass ich der Einzige für sie sei... Doch in dem Moment, als ich die beiden miteinander erwischt hatte, wusste ich, dass ich Daphne nie wieder auch nur anfassen wollte. Ich hatte alles für sie getan. Ich hatte ihr die Welt zu Füßen gelegt und versucht, ihr in all den Jahren beizustehen. Der Dank hierfür war ein Fick mit meinem besten Freund - dem ich daraufhin - nebenbei bemerkt - die Nase und den Kieferknochen gebrochen hatte. Danach reichte ich die Scheidung ein und brach den Kontakt zu beiden ab.

Doch Daphne ließ nicht locker. Immer wieder kam sie angekrochen und versuchte sich in mein Leben zu schleichen. Und da ich ein verdammter Gutmensch war, fiel ich immer wieder drauf rein. Wie vorhin auch. Wir waren einen Kaffee trinken gewesen und ich hatte ihr zum hundertsten Mal ans Herz gelegt, sich wieder einen Therapeuten zu suchen. Doch stattdessen hatte sie permanent nur vom Thema abgelenkt und versucht, mehr über mein jetziges Leben in Erfahrung zu bringen. Wie es mir ging... Wie die Arbeit lief... Ob ich eine neue Freundin hätte... Natürlich gab ich ihr darüber keine Auskunft, denn das ging sie alles nichts mehr an. Und Misha... Ja, selbst Misha kreuzte hin und wieder mal auf und versuchte sich meine Gunst zu erschleichen. Doch Misha war für mich gestorben. Es war nicht sonderlich verwunderlich, dass er sich an Daphne rangemacht hatte. Misha machte kein Geheimnis daraus, dass er Daphne schon seit ich die beiden bekannt gemacht hatte, ziemlich heiß fand. Außerdem war Misha ein Frauenheld, wie er im Buche stand, der seine Affären öfter wechselte, als seine Unterhosen. Aber dass er tatsächlich diese letzte Grenze überschritt und wahrhaftig mit ihr in die Kiste stieg, hätte ich niemals erwartet.

Ich lenkte meine Gedanken zurück zu Laney, die nirgends zu finden war. Als ich auch das letzte Zimmer im Haus leer vorgefunden hatte, griff ich mit einem resignierten Seufzen nach meinem Handy und versuchte sie anzurufen. Ich musste Schadensbegrenzung betreiben.

Der verletzte Ausdruck auf ihrem Gesicht, als ich ihr sagte, dass ich sie zurücklassen würde, hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen...
Doch hinterher war man immer schlauer.

Natürlich nahm Laney den Anruf nicht entgegen.

Auch die Anrufe, die darauf folgten, wurden nicht beantwortet. Nicht einmal die Nachrichten, die ich ihr schickte und in denen ich mich für mein Verhalten entschuldigte. Vor dem zu Bett gehen starrte ich nun schon zum hundertsten Mal an diesem Tag vergeblich auf mein Telefon und verfluchte meine durchschnittliche Bildschirmzeit, die heute rapide in die Höhe steigen würde. Ein frustriertes Seufzen entwich meinen Lippen.

Laney konnte wirklich ein verdammter Starrkopf sein, aber eines musste man ihr lassen - sie wusste genau was sie wollte. Sie war zielstrebig, ehrgeizig und gab sich nicht mit weniger zufrieden, als sie verdiente. Außerdem war sie überdurchschnittlich klug, wunderschön und der ehrlichste Mensch, den ich seit langem getroffen hatte. Auch wenn mir ihre Art, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, anfangs gehörig auf den Zeiger gegangen war, so hatte es mich dennoch gereizt.

Sie war in so vielerlei Hinsicht ganz anders als Daphne. Und obwohl ich es nach dem Verrat meiner Ex niemals für möglich gehalten hätte, mich noch einmal in eine Frau zu verlieben, auch noch in eine, die so viel jünger war als ich, war es dennoch passiert.

Ich wusste nicht einmal genau wann.
Oder wie.
Oder warum.

Aber ich wusste, dass der erste Gedanke, mit dem ich morgens aufstand, ebenso wie der letzte, bevor ich schlafen ging, Laney Taylor galt. Ich wusste, dass ich sie am liebsten an mich ziehen und küssen wollte, sobald ich sie nur sah. Und ich wusste, dass ich noch nie in meinem Leben einen anderen Menschen so begehrt hatte, wie sie. Ich kannte niemanden, der einerseits so herrlich unschuldig und gleichzeitig so unanständig war. Sie trieb mich buchstäblich in den Wahnsinn und stellte meine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe.

Ich würde mit ihr reden müssen.

Auch wenn Laney nicht mehr viel Zeit blieb, so wollte ich verdammt sein, wenn ich diese Zeit nicht nutzte. Und vielleicht... Aber nur vielleicht, konnte ich sie davon überzeugen, dass das Leben so viel mehr war, als nur ein paar Stichpunkte auf einer Bucket Liste.

Oder aber sie würde ihrer Bucket Liste noch einen Punkt hinzufügen. Einen Punkt, der ihr ein langes, zufriedenes Leben versprechen könnte...

Als ich am Montag Morgen im Vorlesungssaal auf meine Studenten wartete, flogen meine Augen immer wieder unruhig zur Tür, in der Hoffnung, dass Laney endlich erschien.

Es dauerte etwas und ich befürchtete bereits, sie würde sich vor einer Begegnung mit mir drücken - aber dann betrat sie den Saal.

Und die Welt um mich herum hörte auf zu existieren. Es war, als würde nach einem langen regnerischen Tag endlich die Sonne aufgehen.

Meine Augen wanderten über die blonden Wellen, die ihr mittlerweile über die Schulter reichten und ihr herzförmiges Gesicht umrahmten. Dann schaute ich in diese wunderschönen braun-grünen Augen, die heute viel zu müde für meinen Geschmack wirkten und direkt in meine Richtung blickten.

Sie trug ein gestreiftes Shirt und eine blaue baggy Jeans, die ihr locker auf den Hüften saß. Sie war zu schön, um wahr zu sein und ich verfluchte das Schicksal dafür, dass sie ausgerechnet in meinen Kurs gelandet war. Dass sie überhaupt hier in Yale studieren musste. Doch täte sie das nicht, wären wir uns wiederum niemals begegnet. Der Gedanke tröstete mich ein kleines bisschen.

Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf ihr Gesicht und erneut stellte ich fest, dass sie ungewöhnlich blass war. Sofort begann ich mir Sorgen zu machen. War ich etwa der Grund für ihr erschöpftes Erscheinungsbild oder ging es ihr gesundheitlich nicht gut?

In diesem Moment hätte ich nichts lieber getan, als mir ihr zu reden. Mich mit ihr auszusprechen und zu fragen, was los war. Mit Augen versuchte ich ihr mitzuteilen, was mit Worten nicht möglich war.

Aber Laney wandte einfach den Blick ab.

Als wäre ich niemand Besonderes.
Als hätten wir uns nicht unsere dunkelsten Geheimnisse anvertraut und den atemberaubendsten Sex aller Zeiten gehabt.

Wütend starrte ich sie nieder. Doch mein Zorn verflog recht schnell, als ich mitbekam, wie sie ihrer Kommilitonin Charlotte Brown erzählte, dass sie krank sei, was wohl auch der Grund für ihr erschöpftes Erscheinungsbild war.

Ihre Stimme klang nasal und immer wieder wurde sie von heftigen Hustanfällen gepackt. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Es gefiel mir gar nicht, sie in einer solchen Verfassung zu sehen, ohne ihr helfen zu können. Ohne für sie da zu sein. Ohne sie berühren zu können.

Obwohl Laney eine kleine Nervensäge war und so stur wie ein Esel sein konnte, weckte sie meinen Beschütezrinstinkt. So sehr, dass ich fürchtete, jeden Moment die Kontrolle verlieren zu können. Zudem verstand ich nicht, wieso sie sich zur Vorlesung schleppte, wenn es ihr offensichtlich nicht gut ging. Manchmal war sie wirklich ein wenig unbedarft, was ihre Gesundheit betraf. Das wäre eines der ersten Dinge, die ich ihr austrieb, sobald sie mein war.

Wieder sammelte sich Wut wegen ihrer Verantwortungslosigkeit in meinem Bauch und ich unterdrückte das Bedürfnis, auf sie zuzugehen, sie über meine Schulter zu werfen und sie einfach nach Hause zu bringen, um sie wieder zur Besinnung zu vögeln. Stattdessen schlüpfte ich in meine Rolle, leitete die Vorlesung ein und versperrte meine Gefühle für sie in den dunkelsten und tiefsten Ecken meines Verstandes.

Ich konnte mich jedoch nicht davon abhalten, ihr immer wieder verstohlene Blicke zuzuwerfen.

Im Laufe der Vorlesung ging es ihr zunehmend schlechter. Ich konnte regelrecht dabei zusehen, wie sie sich weniger konzentrierte. Schweiß rann ihr über die Stirn und ihr Blick wurde trüber und trüber. Als sie sich plötzlich auch noch die Hand auf die Brust legte, zog sich etwas in mir schmerzhaft zusammen.

»Warum machst du das immer?«, fragte ich Laney, als mir auffiel, dass sie wieder einmal die Hand auf ihre Brust legte. Das machte sie ziemlich oft. Ertappt hob sie den Kopf, um mich anzuschauen.
»Was meinst du?«
»Du legst immer eine Hand auf deine Brust«, ich zog die Brauen zu einer schmalen Linie zusammen. »Als wolltest du sichergehen, dass dein Herz noch schlägt.«
»Ja«, sie lächelte verlegen. »Ich zähle meinen Herzschlag. Das beruhigt mich irgendwie, weißt du?«

Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und ich konnte nicht mehr an mir halten.

Ich musste ihr helfen.

»Miss Taylor, geht es Ihnen gut?«, fragte ich sie über den Vorlesungssaal hinweg. Meine Stimme riss sie aus ihrer Trance und erschrocken sah sie mich aus verschleierten Augen an.

Ihr Gesicht war leichenblass. Ihre Lippen besaßen einen bläulichen Schimmer.

»Ja, ich muss nur...«, aus irgendeinem mir völlig unbegreiflichen Grund, machte sie Anstalten aufzustehen. Doch ihre Beine schienen ihr nicht mehr gehorchen zu wollen und ihre Knie knickten ein. Ein heftiges Husten kam aus ihrer Kehle und gleichzeitig fasste sie sich schmerzerfüllt an die Brust. Mit letzter Kraft hielt sie sich mit der anderen Hand an der Tischkante fest, um nicht die Stufen zu meinem Pult herunter zu stürzen.

Ein lautes, entsetztes Raunen ging durch die Menge und schneller, als irgendjemand sonst hätte reagieren könnten, trugen mich meine Füße zu ihr.

»Ich glaub... mir geht's... nicht so gut«, brachte sie erschöpft hervor. Hastig legte ich ihr eine Hand auf den Rücken, während ich mit der anderen nach ihrem Arm griff, um sie zu stützen. Endlich konnte ich sie berühren.

»Komm her«, mit einem Ruck zog ich sie hoch und half ihr beim Laufen. Ich dirigierte sie nach unten und ließ sie auf einem Stuhl neben meinem Vorlesungspult Platz nehmen. Ich ging vor ihr in die Hocke und legte meine Hand auf ihr Knie - eine riskante Berührung, von der ich mich allerdings nicht abhalten konnte.

»Bist du krank?«, fragte ich, wenngleich ich die Antwort darauf natürlich schon wusste. Rastlos ließ ich meinen Blick über sie hinweg schweifen, als könnte ich auf diese Weise verstehen, was mit ihr los war.

»Ich... ja... Erkältung«, antwortete sie benommen und hatte alle Mühe, sich auf dem Stuhl zu halten. Ihre Körperspannung war dahin.

Wie in Trance griff sie wieder an ihre Brust, als hätte sie fürchterliche Schmerzen.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus und ich betete zu Gott, dass mit ihrem Herz alles in Ordnung war. Ich würde es nicht verkraften, sie erneut so leiden zu sehen, wie vor ein paar Wochen auf dem Sportfest.

»Soll ich einen Krankenwagen rufen?«, fragte Miss Brown, ihre Freundin und Sitznachbarin, die uns nach vorne gefolgt war. Laney machte Anstalten zu protestieren, aber sie besaß weder die Energie noch die Kraft, sich dagegen zu wehren. Also nickte ich Charlotte knapp zu, die sogleich ihr Handy zückte und mit dem Rettungsdienst telefonierte. Unterdessen wandte ich mich den restlichen Studenten zu, die das Geschehen aus großen Augen beäugten.

Unglaublich, wie sensationsgeil und neugierig manche Menschen doch waren...

»Die Vorlesung ist beendet«, rief ich ihnen verärgert zu und gab ihnen somit zu verstehen, dass sie sich aus meinem Saal zu entfernen hatten. Erneut erklang lautes Gemurmel. Doch nach und nach begannen sie sich von ihren Plätzen zu erheben und verließen den Saal. Natürlich gab es hier und da vereinzelt ein paar Schaulustige, die ich jedoch mit einem einzigen vernichtenden Blick zum Gehen bewegen konnte. Mit gesenkten Köpfen taten sie ihr tunlichstes, durch die Tür zu verschwinden.

Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Laney richtete, warf sie ihren Kopf unruhig hin und her.

»Ich warte draußen auf den Rettungsdienst«, hörte ich Miss Brown sagen und eine Sekunde später verschwand auch sie nach draußen. Ich war Laneys Freundin zutiefst dankbar dafür, dass sie so schnell reagiert hatte und einen kühlen Kopf bewahrte. Denn im Gegensatz zu ihr war ich das reinste Nervenbündel.

»Laney«, ermahnte ich sie erneut, als ich glaubte, sie könnte jeden Moment das Bewusstsein verlieren. »Laney, versuche wach zu bleiben, hörst du?«

Unter größter Anstrengung wandte sie den Kopf in meine Richtung. Doch es wirkte nicht, als würde sie mich wirklich wahrnehmen, eher, als würde sie durch mich hindurch schauen.

Keine Ahnung, wie viel Zeit verging, bis Miss Brown endlich wieder gemeinsam mit zwei Sanitätern den Saal betrat und auf uns zukam. Vor Sorge hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren.

»Was haben wir?«, fragte einer der Sanitäter, als er seine Tasche abstellte und sich vor Laney hinkniete. Ich begann zu sprechen und urplötzlich ereilte mich ein ungutes Déjà-Vu. Es war haargenau wie vor einigen Wochen auf dem Sportfest.

Mir wurde übel.

»Das ist Laney Taylor, sie ist neunzehn Jahre und leidet an Herzinsuffizienz im dritten Stadium. Sie hat einen grippalen Infekt und ist eben in meiner Vorlesung zusammengebrochen«, erklärte ich. »Sie ist aber noch bei Bewusstsein.«

Der Sanitäter nickte, ehe er sich wieder Laney zuwandte.

»Miss? Können Sie mich hören?«, fragte er und leuchtete ihr mit einem Lämpchen in die Augen. Sie nickte träge und blinzelte ein paar Mal gegen das Licht an. Dann maß der Sanitäter ihren Puls, den Blutdruck und führte weitere Test durch.

»Die Pupillenreaktion ist normal«, erklärte er schließlich, als er seine Utensilien wieder einpackte. »Aber Ihre Herzfrequenz ist erhöht. Wir müssen Sie mit ins Krankenhaus nehmen, um eine Herzmuskelentzündung aufgrund des grippalen Infekts und der Herzinsuffizienz auszuschließen.«

Sofort wurde mir ganz schwer ums Herz. Insbesondere, als ich den Widerwillen auf Laneys Gesicht entdeckte. Ich verstand, dass die vielen Krankenhausaufenthalte ihr an die Substanz gingen. Dass sie es satt hatte, ihr halbes Leben dort zu verbringen. Aber da musste sie nun durch. Es war mir lieber, sie im Krankenhaus zu wissen, wo man sie ordentlich versorgte, statt hier, wo sie jeden Moment zusammenbrechen könnte, ohne Aussicht auf Hilfe.

»In Ordnung, machen wir sie für den Transport bereit und...«, sagte der Notfallsanitäter, aber Laney schien ihm gar nicht mehr zuzuhören. Stattdessen tat sie das Unklügste, was sie in diesem Moment hätte tun können. Sie versuchte alleine aufzustehen.

Sofort drohte sie die Orientierung zu verlieren und geriet ins Straucheln.

Und dann geschah alles wie in Zeitlupe.

Ein lautes, schmerzerfülltes Ächzen kam über ihre Lippen und benommen taumelte sie ein paar Schritte rückwärts, wo sie gegen den Stuhl prallte, auf dem sie zuvor noch gesessen hatte.

Vor Schock setzte mein Herz kurz aus und ich machte einen Schritt nach vorne, um sie festzuhalten.

Doch meine Hände griffen ins Leere.

Laney stürzte zu Boden.

Ihr Kopf schlug hart auf, doch sie schien es gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen griff sie sich atemlos an die Brust und rang nach Luft. Nach Luft, die ihre Lungen nicht aufzunehmen vermochten. Der erstickte Laut, der sich ihrer Kehle entriss, erschütterte mich bis ins Mark.

»Laney!«, rief ich entsetzt und ließ mich neben ihr auf den Boden sinken.

In diesem Augenblick wurde ihr Körper erneut von einem Beben erschüttert und unter Schmerzen bäumte sie sich auf. Ich kannte diese Reaktion ihres Körpers. Ich hatte es schon zweimal erlebt.

Ihr Defibrillator löste aus.

»Sofort einen Zugang legen!«, hallte der Befehl des Sanitäters an seine Kollegin durch den Vorlesungssaal. »Halten Sie ein Milligramm Adrenalin und den Defibrillator bereit.«

»Laney?«, meine Stimme wurde hektisch. Regelrecht panisch. Angst breitete sich in mir aus, fraß sich durch meinen Körper wie flüssiges Gift. Es war dieselbe Angst, die ich schon vor ein paar Wochen auf dem Sportfest gefühlt hatte und wiederum dieselbe Angst, die ich damals verspürt hatte, als mein kleiner Bruder in meinen Armen starb.

Und in diesem schicksalshaften Moment begriff ich, dass Laney auch sterben würde.

Ich sah es in ihren Augen.
Überall auf ihrem Gesicht.
Ich fühlte es.

Ihr Herz gab auf - und es gab nichts, das ich tun konnte.

Ein Laut entrang sich ihrem Mund, während ich das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.

Ein weiterer Schock erschütterte ihren Körper und ich wusste, dass sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren würde. Dass sie nicht mehr lange durchhalten würde.

Ihr Pupillen weiteten sich und ein kurzer Anflug von Furcht huschte über ihr Gesicht. Doch so schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder und ein friedlicher, ausgeglichener Ausdruck trat an dessen Stelle. Ein Ausdruck, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Laney gab auf.

Sie würde nicht nur sterben.
Sie wollte auch sterben.
Sie war bereit.

Ihr Kopf drehte sich in meine Richtung. Als wollte sie mich noch ein letztes Mal anschauen. Unsere Augen trafen aufeinander und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.

»Laney, bleib bei mir, bitte«, meine Stimme zitterte und meine Finger verkrampften sich um ihre Hand, als könnte ich sie am Leben halten, wenn ich sie nur fest genug hielt.

Doch leider war der Mensch machtlos gegen den Tod.
Er kam und ging, wie es ihm beliebte.
Er hatte mir damals schon meinen Bruder genommen.
Und nun würde er mir Laney auch noch nehmen.

Dabei hatten wir uns doch gerade erst gefunden...

Laneys Lippen formten sich zu einem letzten Lächeln, als versuchte sie mir mitzuteilen, dass es okay war, zu gehen. Dass es in Ordnung war, wenn ich sie losließ. Dass ich ihre Entscheidung respektieren musste...

Unwillkürlich erinnerte ich mich an den Abend, als sie in meinen Armen eingeschlafen war. Daran, wie ich sie gefragt hatte, ob sie Angst vor dem Tod hatte. Daraufhin hatte Laney mir von der Geschichte des kleinen Prinzen erzählt.

»"Hast du Angst vor dem Tod?"
fragte der kleine Prinz die Rose.
Darauf antwortete sie:
„Aber nein.
Ich habe ja gelebt,
ich habe geliebt,
ich habe geblüht
und meine Kräfte eingesetzt
so viel ich konnte.
Und Liebe
tausendfach verschenkt,
kehrt wieder zurück zu dem,
der sie gegeben.
So will ich warten
auf das Leben
und ohne Angst
und Verzagen verblühen.«

Laney hatte gelebt, oh ja, und wie. Unwillkürlich musste ich an ihr Lächeln und ihre aufgeweckte Art denken. Sie war das pure Leben. Sie hatte geliebt und geblüht und ihre Kräfte eingesetzt, so viel sie konnte. Sie hatte Liebe tausendfach verschenkt. An ihre Eltern. An ihre Freunde. An mich. Sie hatte mir beigebracht, mich wieder auf das Leben einzulassen. Aber diese Liebe, die sie verschenkt hatte, war auch tausendfach wieder zurückgekehrt zu ihr. Und so würde sie nun ohne Angst und Verzagen gehen. Verblühen. Wie die Rose in dem Gedicht des kleinen Prinzen.

Laneys Freundin, die ein paar Meter hinter mir stand, begann fürchterlich zu schluchzen. Doch ich hatte keinen Nerv, mich um sie zu kümmern. Sie war mir egal. Alles was zählte, war Laney. Ich spürte, wie ihre Hand in meiner an Spannung verlor, wie sie kraftlos in meiner zusammenfiel. Fassungslos starrte ich in ihr Gesicht, sah dabei zu, wie das Leben aus ihr entwich.

Unwillkürlich musste ich an die vielen Momente mit ihr denken. Momente, in denen sie mich zur Weißglut getrieben hatte. Zum Verzweifeln. Aber auch Momente, in denen sie mich zum lachen brachte. In denen, sie mich mein ganzes Leben hinterfragen ließ. Momente, in denen sie mich reizte. Mich erregte. Mich liebte...

Blitzartig drehte ich mich zu den Sanitätern, um sie anzuschnauzen, warum zum Teufel sie ihr nicht halfen! Doch ich verstummte sofort, als ich sah, dass man Laney bereits einen Zugang gelegt hatte. Ebenso wenig hatte ich mitbekommen, wie ihr Shirt aufgeschnitten worden war und man Elektroden auf ihrer Brust befestigt hatte.

Aber dann begann Laneys Körper zu krampfen. Er zuckte heftig, Schaum trat ihr aus dem Mund und wie auf dem Sportfest schon, entstand ein nasser Fleck an ihrer Hose. Die Krämpfe hielten jedoch nicht lange an und ihr Körper erschlaffte langsam wieder.

»Kammerflimmern, Schock empfohlen«, hörte ich den Sanitäter sagen. »Sir, treten Sie zurück!«, befahl mir der Mann und riss meine Hände von Laney weg. Laney in diesem Moment loszulassen, war das schwerste, was ich jemals hatte tun müssen. Aber ich tat es, wenn es ihr nur das Leben retten würde.

Laneys Körper wurde von einem heftigen Beben erfasst, als der Defbrillator einen Stromschlag durch ihre Brust jagte. Zwischenzeitlich fuhr der Sanitäter mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung fort.

Das Ganze wurde zwei Mal wiederholt.

Erfolglos.

Der Notfallsanitäter setzte gerade dazu an, Laney ein weiteres Mal zu schocken, als seine Kollegin ihn unterbrach.

»Stopp!«, rief sie abrupt und hielt ihre Hände über Laneys Körper, um ihren Kollegen davon abzuhalten, Laney weiterhin zu helfen.

»Was soll das, Liz? Willst du sie umbringen?«, der Sanitäter, der offenbar das Sagen hatte, wirkte verwirrt. Vor Anstrengung, die mit einer Reanimation einherging, stand ihm bereits der Schweiß auf der Stirn. Ich wusste das aus erster Hand, da ich bereits zwei Mal versucht hatte, einen Menschen wiederzubeleben.

»Wir dürfen sie nicht behandeln«, entgegnete die Kollegin steif und hob, um ihre Aussage zu unterstreichen, Laneys Arm in die Höhe. Sie deutete auf ein Armband, das an Laneys linkem Handgelenk hing.

»Sie hat ein DNR Armband.«

Der Blick des Notfallsanitäters verweilte einen Augenblick lang auf dem Armband, ehe er ein lautes Fluchen ausstieß und sofort die Hände von Laney nahm.

Fassungslos starrte ich zwischen den beiden hin und her.

Dann auf das Armband.

Ich wusste, was ein DNR Armband war.

Es bedeutete Do Not Resuscitate (Nicht reanimieren). Gemeinsam mit einer Patientenverfügung regelte es den letzten Willen des Patienten. Menschen, die ein solches Armband trugen, durften nicht reanimiert werden. Tatsächlich galt dieses Recht in einigen Staaten der USA nicht für den Rettungsdienst, aber leider zählte Connecticut nicht dazu. In Connecticut war der letzte Wille des Patienten oberste Priorität und wer ein solches Armband trug, durfte nicht wiederbelebt werden. Auch nicht von Notfallsanitätern.

Wie in Trance wanderten meine Augen zu Laney.

Ich hatte gewusst, dass sie sich nicht mehr operieren lassen wollte.
Ich hatte gewusst, dass sie nicht mehr kämpfen wollte.
Aber ich hatte nicht gewusst, dass sie eine Patienten- und eine DNR-Verfügung unterschieben hatte.

Sie hatte es mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt.

Oh Laney. Wieso hast du das getan?

Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen und während ich hier saß und Laney beim Sterben zusehen musste, wurde ich an einen Ort vor elf Jahren katapultiert. Eine nasse Straße. Ein Auto, das im Graben lag. Und der Körper meines Bruders, auf den ich zutaumelte. Ich kniete mich ins nasse Gras und rief seinen Namen.

Jacob. Jacob. Jacob.

Immer wieder. Doch er reagierte nicht.

Da war Blut. So viel Blut. Überall.

Schweiß brach mir aus, als ich mehrfach blinzelte, bis ich wieder im Hier und Jetzt war. Mein Blick wanderte auf den kleinen Monitor, auf dem Laneys Herzaktivität angezeigt wurde und als plötzlich eine gerade Linie erschien, gefolgt von einem lauten, stetigen Piepen, wusste ich, dass es vorbei war.

Laneys Augen schlossen sich.
Und dann hörte ihr Herz auf zu schlagen.
Einfach so.
Und meines brach in Stücke.

»Asystolie«, rief die Sanitäterin ihrem Kollegen aus großen Augen zu.

Laney...

Zitternd stieß ich den Atem aus.
Meine Augen brannten verräterisch, während sich Erinnerung und Realität vermischten.

Eine nasse Straße. Ein Herzmonitor. Ein Auto, das im Graben lag. Ein stetiges, endgültiges Piepen. Der leblose Körper meines Bruders. Eine Nulllinie. Blut, überall Blut...

Aber...

Jacob durfte nicht sterben.

Laney durfte nicht sterben.

Wie vom Donner gerührt fuhr ich zu dem Sanitäter herum und packte ihn am Kragen.

»Helfen Sie ihr!«, flehte ich ihn an und deutete auf Laney. »Sie müssen ihr helfen!«

»Es tut mir leid«, der Sanitäter sah mich aus großen Augen an. »Ich darf nicht, ich...«

»Helfen. Sie. Ihr!«, brüllte ich direkt vor seinem Gesicht. Doch der Sanitäter schüttelte nur entschuldigend den Kopf und ein Ausdruck von Angst huschte über sein Gesicht.

Er hatte Angst.
Vor mir.
Weil ich vollkommen die Beherrschung verlor.
Doch das war mir egal.
Ich durfte nicht zulassen, dass Laney starb.
Ich durfte sie nicht verlieren.
Nicht noch jemanden...

Verzweifelt, da die Sanitäter ihren Job nicht taten, wirbelte ich zu Laney zurück, starrte auf die gerade Linie des Monitors - und dann schaltete ich auf Autopilot.

Ich rückte an sie heran, legte meine Hände auf ihre Brust und begann, sie wiederzubeleben.

»Professor Wright!«, schluchzte Miss Brown hinter mir, kam näher und berührte meine Schulter, als wollte sie mich davon abhalten, einen riesigen Fehler zu begehen.

Begriff sie denn nicht, dass Laney gerade starb? Dass das Herz ihrer Freundin aufgehört hatte zu schlagen? Jemand musste ihr helfen! Wie in Trance schlug ich Miss Browns Hand weg und fuhr unbeirrt fort.

Dreißig Mal Drücken und zwei Mal Beatmen.

Ich spürte, wie Laneys Rippen unter dem Druck meiner Händen brachen. Spürte, wie Schweißperlen in meine Augen liefen. Wie ich vollkommen in einem Wahn versank, aus dem ich nicht herausfand.

Eine nasse Straße. Ein Herzmonitor. Ein Auto, das im Graben lag. Ein stetiges, endgültiges Piepen. Der leblose Körper meines Bruders. Eine Nulllinie. Blut, überall Blut...

Alles was in diesem Moment zählte, war es Laney das Leben zu retten.

Koste es was es wolle...

Erneut veränderte sich die Umgebung um mich herum und ich befand mich wieder auf dem Graben neben der alten Landstraße, wo mein Bruder vor mir lag.

Blut bedeckte meine Hände, während ich permanent auf seine Brust eindrückte. Wie ich versuchte, ihm das Leben zu retten und doch so kläglich scheiterte. Ein Wimmern entrang sich meiner Kehle und ich fürchtete, jeden Moment zusammenzubrechen vor Erschöpfung.

Doch ich machte weiter.

Und dann, als hätte Gott meine Gebete erhört - wenn es denn so etwas wie einen Gott wirklich gab - erklang wieder ein gleichmäßiges Piepsen. Verwirrt blickte ich mich auf der Landstraße um, aber ich konnte nicht erkennen, woher das Geräusch kam.

»Sie hat wieder einen Rhythmus!«, hörte ich die schrille Stimme des Sanitäters, die mich gewaltsam aus der Erinnerung riss.

Abermals blinzelte ich, kniff verwirrt die Augen zusammen, bis ich begriff, dass es Laney war und nicht Jacob, die ich wiederbelebt hatte.

Und ihr Herz schlug wieder...

Fassungslos wanderten meine Augen zu dem kleinen Gerät, auf dem eine schwache Herzaktivität angezeigt wurde.

Ich sank zurück auf die Knie und langsam nahm ich meine vor Anstrengung zitternden Hände von ihrer Brust, als könnte es sofort wieder aufhören zu schlagen, sobald ich sie nur wegnahm.

Ich schluckte schwer, während mein Blick über sie hinweg wanderte und an dem silbernen Armband an ihrem linken Handgelenk verharrte.

Laneys Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Sie war gestorben.
Sie war tot gewesen.
Und nun war sie wieder zurück.
Wegen mir.
Ich hatte sie zurückgeholt.
Ich hatte nicht versagt.
Dieses Mal hatte ich es geschafft.

Doch zu welchem Preis?

Das Armband an ihrem Handgelenk schimmerte silbern und die Buchstaben, die darauf eingraviert waren, schienen mich zu verhöhnen.

Connecticut
EMS - Do not
Resuscitate
Order in Purse.

(Connecticut
Rettungsdienst -
Nicht reanimieren
Verfügung in Portemonnaie)

Ich hatte Laney vor dem Tod bewahrt.
Aber ich hatte auch ihren Wunsch, endlich sterben zu wollen, nicht respektiert.

Das Gefühl, dass ich Laney trotzdem verloren hatte, obwohl ich ihr gerade das Leben gerettet hatte, überkam mich mit einer solchen Wucht, dass ich zu ersticken drohte.

Und diese Erkenntnis traf mich mitten ins Herz - Laney würde mir das niemals verzeihen...

- Ende des ersten Bandes -
Fortsetzung folgt ...

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