Kapitel 88
Sicht Paluten
Als wir wieder im Hauptquartier ankamen, leuchteten schon die Sterne am Himmel. Abgesehen von der Nachtwache war niemand mehr wach. Wir aßen schnell noch was kleines und dann gingen wir alle schlafen.
„Jetzt weiß er, dass wir seine Quartiere kennen“, sagte Manu sobald er die Tür hinter sich zu zog.
„Früher oder später hätte er's sich eh denken können“, erwiderte ich und ging ins Bad.
„Aber denken ist nicht wissen, Palle“, hörte ich Manu gedämpft durch die Tür sagen.
„Wir können es eh nicht mehr ändern“, antwortete ich und zog mich um.
„Stimmt schon“, fing Manu an, „trotzdem hätten wir anders reagieren sollen, als die Schlange vor uns stand.“
„Ja wir haben uns echt bescheuert verhalten“, ich musste unwillkürlich lachen, als ich daran dachte wie wir und die Würfelnatter uns fast eine Minute regungslos angestarrt hatten. Ich putzte meine Zähne und hörte Manu weiterhin durch die Tür zu. Gerade erzählte er mir, dass er doch tatsächlich mitbekommen hatte wie Zombey eine Schlange dazu gebracht hat zu miauen und wieder prustete ich los.
„Ernsthaft?“, fragte ich noch leicht lachend nach, als ich das Badezimmer verließ und wieder vor Manu stand der amüsiert grinste.
„Jup“, und damit ging er an mir vorbei ins Bad. „Natrix weiß Bescheid und er könnte uns in eine Falle locken“, er klang wieder ernst von dem vorherig amüsierten Tonfall war nichts mehr zu hören. Ich hatte mich mittlerweile unter die Bettdecke verkrochen.
„Dann sind wir morgen besonders vorsichtig“, antwortete ich und wusste, dass es ihn nicht wirklich beruhigen würde. Er antwortete nicht mehr und kam kurze Zeit später aus dem Badezimmer. Er knipste das Licht aus.
„Ich hoffe vorsichtig sein reicht“, murmelte er dann, als er durch den -nur durch den Mond erhellten- Raum schritt.
„Das wird schon reichen“, meinte ich und hoffte, dass es wirklich so war. Manu hob gerade die Decke an und legte sich neben mich. Es gefiel mir wie selbstverständlich er das tat. Sofort zog ich ihn näher zu mir und er kuschelte sich etwas an mich. Ich war kurz vorm Einschlafen, als ich plötzlich ein mir nur zu gut bekanntes Geräusch hörte.
„Hör auf dir den Kopf darüber zu zerbrechen und schlaf, Manu. Wir müssen morgen beide fit sein“, sagte ich müde und unterdrückte gerade so ein Gähnen.
„Woher-“, wollte Manu ertappt nachfragen, aber ich unterbrach ihn. Der Junge knirschte einfach immer unterbewusst mit seinen Zähnen, wenn er über mögliche Pläne und unvorhersehbare Zwischenfälle nachdachte.
„Ich weiß es halt“, meinte ich mit einem Lächeln auf den Lippen, das er eh nicht sehen konnte.
„Hast du keine Angst davor, dass wir wirklich in eine Falle tappen?“, fragte Manu plötzlich ganz leise. Vermutlich war es ihm unangenehm sich einzugestehen, dass er Angst hatte, dabei war seine Angst absolut verständlich.
„Doch, natürlich hab ich das“, gestand ich. „Aber ich weiß, dass egal was passiert, wir das schon irgendwie hinbekommen. Wir werden uns in so einer Situation schon was ausdenken können.“
„Und was wenn nicht?“, Zweifel lagen in seiner Stimme und das gefiel mir nicht.
„Manu“, ich blickte ihm ins Gesicht, fixierte meinen Blick auf seine Augen auch wenn das in der Dunkelheit nicht wirklich viel brachte. Das schwache Mondlicht reflektierte sich kaum in seinen Augen, aber immerhin konnte ich seine Augen dadurch trotzdem besser erkennen. „Ich habe vollstes Vertrauen in dich und darauf, dass wir das schon irgendwie hinbekommen, falls mal etwas nicht nach Plan laufen sollte.“
Er schwieg kurz. Ich meinte zu sehen wie er lächelte, aber ich war mir nicht ganz sicher. Dann drückte er sich noch ein kleines bisschen mehr an mich und auch ich verstärke meinen Griff um ihn etwas. Nach einer Weile entspannte sein Griff sich etwas, was zusammen mit seiner ruhigen Atmung ein sicheres Zeichen dafür war, dass er schlief. Im fahlen Licht des Mondes erkannte ich seine Konturen schwach. Ich ließ meine Hand über seinen Rücken gleiten. Es fühlte sich verdammt gut an wieder so neben ihm zu liegen. Damals haben wir auch oft zusammen gelegen, meistens wenn Cerberus lange wegblieb und wir uns insgeheim Sorgen um ihn machten. Auch jetzt half Manus Nähe mir dabei meine innere Ruhe zu bewahren. Solange er ruhig neben mir schlief war alles in Ordnung. Aber wie lange würde er noch so neben mir liegen? Es fehlten nur noch zwei Gebäude und dann würden wir unausweichlich Natrix gegenüber stehen und ihn hoffentlich ohne weitere Verluste überwältigen können. Und danach? Danach würde Manu wieder zusammen mit seinen Cats zu seinem Hauptquartier gehen und mich hier zurücklassen. Der Gedanke schmerzte. Mein Griff um Manu verstärkte sich erneut und ich kuschelte mich an ihn. Ich will nicht das er geht, er soll bei mir bleiben, er soll- Gott, war das egoistisch von mir. Er sehnte sich wahrscheinlich schon danach wieder abzuhauen und in sein eigenes Quartier zurückzukehren. Ich würde ihn nicht aufhalten. Dazu hatte ich nicht mal ansatzweise das Recht. Es würde verdammt schwer werden wieder ohne ihn zu leben. Ich hatte mich schon wieder viel zu sehr an ihn gewöhnt. Vermutlich sollte ich nicht die ganze Zeit neben ihm schlafen, denn das würde alles nur noch schwerer machen, wenn er wieder gehen würde. Allerdings waren das hier die letzten Tage in denen ich so neben ihm liegen konnte und die würde ich noch genießen. Das würde den Abschied wahrscheinlich schwieriger machen, aber ich konnte und wollte jetzt einfach nicht auf seine Nähe verzichten. Manu könnte, wenn er es denn wollte, jederzeit hierher kommen, schließlich wusste er wo das Houndsquatier lag. Aber ich? Ich könnte nicht einfach zu ihm gehen, wenn ich ihn vermisse und ich würde ihn vermissen. Meine Gedanken drehten sich noch weiter um dieses Thema bis ich irgendwann einschlief.
Am nächsten Morgen frühstücken wir schnell und brachen sofort auf. Es würde etwas dauern bis wir das ruinenhafte Bürogebäude erreichen würden und wir wollten definitiv früh da sein, um zu verhindern, dass Schlangen uns auflauerten. Schon aus einiger Entfernung konnte man die mickrigen Reste des Wolkenkratzers sehen. Man hatte das Gefühl das Gebäude könnte jederzeit durch einen Windstoß umgestoßen werden. Es hatte einfach eine Jengaturm ähnliche Ausstrahlung und wirkte dementsprechend ziemlich instabil.
Mittlerweile standen wir wieder vor dem Zaun, der das Gebiet abgrenzte und suchten das Loch im Zaun durch welches wir auch gegangen waren, als wir nach Maudado und Zombey gesucht hatten. Der Rost hatte das Loch noch um ein paar Zentimeter vergrößert.
Wir ließen Zombey und Maudado vorgehen, schließlich waren die beiden in dem Gebäude gewesen und hatten sich erfolgreich nach draußen gekämpft. Zombey hatte uns über die Wachen informiert und die anhaltende Dunkelheit in dem betretbaren Teil des Gebäudes. Die Tür durch die die beiden vor ein paar Wochen in die Freiheit getreten waren, war wieder abgeschlossen. Möglichst leise beschäftigte ich mit dem Schloss und es gelang mir es zu knacken.
Sofort übernahm Zombey von Maudado gefolgt die Führung. Wir schlichen durch das Gebäude.
„Noch keine Wache bis jetzt“, flüsterte Maudado und schaute irritiert zu Zombey.
„Ja und das gefällt mir nicht“, erwiderte Zombey angespannt. Manu neben mir spannte sich ebenfalls an und warf mir einen Blick zu, der darauf schließen ließ, dass er sich in seiner Angst bestätigt sah.
„Vielleicht haben sich alle ins Zentrum zurück gezogen“, überlegte ich laut. „Egal warum sie nicht hier sind, wir sollten den Moment nutzen.“
„Hast recht“, stimme Manu mir leise zu, aber ich hörte wie er mit den Zähnen knirschte.
„Dann sollten wir uns hier mal umschauen“, das war Venom und im nächsten Moment blitzte ein Taschenlampe auf.
„Spinnst du?!“, zischte Lilly. „Du verrätst nur unsere Position!“
„Uns im Dunkeln umzusehen bringt uns aber auch nichts, Lil“, meinte Venom und da hatte er recht.
Wir bewegten uns trotzdem vorsichtig durch die Gänge öffneten Türen leise und betraten Räume vorsichtig. Bis jetzt hatten wir keine interessanten Entdeckungen gemacht. Es war schon ziemlich deprimierend keinerlei Hinweise in den letzten Orten gefunden zu haben. Ich hatte innerlich schon aufgegeben auch nur irgendwas zu finden, aber dann stießen wir doch auf etwas interessantes.
„Die Tür ist abgeschlossen“, meinte Sniper und drückt noch mal die Klinke runter um sie zu öffnen, was ihm aber nicht gelang. Sofort näherte ich mich dem Schloss und Sniper machte mir Platz. Das Schloss war etwas hochwertiger, als ich es für so einen Ort erwartet hätte, aber das hielt mich nur kurz auf. Nach ein paar Minuten war das Schloss geknackt und wir betraten den Raum.
Venom leuchte mit seiner Taschenlampe erst durch den kompletten Raum damit wir uns einen Überblick verschaffen konnten. Regale standen an jeder Wand des Raumes und auch ein paar standen in der Mitte des Raumes. Die Regale waren überfüllt mit Ordner in verschieden Größen. Scheinbar war das hier ein Aktenlager.
„Das wird ewig dauern sich hier umzusehen“, meinte Venom und leuchtete immer wieder alle Regale an und ja das würde wirklich lange dauern zumal wir nur eine Taschenlampe hatten. Zumindest dachte ich, dass wir nur eine hätten, aber Venom hatte scheinbar mehrere dabei und schon war jede zweite Person mit einer Taschenlampe ausgestattet. Nur Manu und ich hatten je eine Taschenlampe in der Hand. Sofort teilten wir uns in dem Raum auf und leuchten die einzelnen Ordner an. Bei einigen war die Schrift verwaschen. Die Ordner schienen teilweise wirklich alt zu sein. Aber die Bezeichnung der Ordner waren interessant. Sämtliche Schulen in unserer Stadt hatten einen Ordner hier. Ich sah sogar meine alte Grundschule. Sofort zog ich den Ordner raus. Manu lenkte seinen Blick zu mir und trat näher an mich heran. Vermutlich dachte er ich hätte etwas zu den Schlangen gefunden. Ich öffnete den Ordner, suchte meinen Jahrgang und fand ihn. Ich blätterte langsam und sah mir jede Seite genau an. Die Schrift war etwas verwaschen und unordentlich, aber man konnte sie entziffern. Plötzlich stand mein Name da und ich verkrampfte etwas. Ich meine klar war mein Name da, aber es war schon seltsam. Wieso habe ich diesen Ordner noch mal aufgeschlagen? Manu war noch näher an mich heran getreten. Er stand hinter mir und hatte seinen Kopf auf meine Schulter gelegt, um bequem mitlesen zu können.
15. September
Patrick verlor seine Eltern kurz nach seiner Einschulung durch einen Autounfall. Er hat sich zurückgezogen, wenig geredet. Hin und wieder hörten Lehrer wie er im Präsens über seine Eltern gesprochen hat.
05.Oktober
Ich wurde involviert und sollte mit ihm reden, da die Lehrer Angst hatten er würde alles verdrängen. Es dauerte eine Weile bis er sich mir öffnete, aber ich erfuhr, dass er nur im Präsenz redete, weil er es komisch fand mit den anderen Kindern von seinen Eltern in der Vergangenheit zu reden. Er verstand, dass sie tot waren, was die Lehrer beruhigte. Für sie war das Thema damit erledigt. Patrick kam hin und wieder zu mir, wenn er reden wollte.
25. Oktober
Eines Tages stellte ich fest, das er mehrere blaue Flecken hatte. Ich fragte danach, aber er spielte es runter und wollte nicht darüber reden. Er schien Angst zu haben. Ich wurde aufmerksam. Er wohnte bei seiner Tante. Ich sprach mit den Lehrern über meinen Verdacht, aber diese nahmen meine Besorgnis nicht ernst. Seine Tante schien in ihren Augen eine gute Frau zu sein was vermutlich daran lag, dass sie regelmäßig hohe Summen an die Schule spendete.
05.November
Ich kommunizierte mit meinem Kollegen. Sie sollten sich bitte Patricks Verhalten anschauen und urteilen. Sie kamen alle zu der selben Vermutung wie ich. Ich hatte gehofft mit den professionellen Diagnosen meiner Kollegen die Lehrer überzeugen zu können, aber es brachte nichts. Patrick hatte immer mehr blaue Flecken und er verriet mir immer noch nicht wo er sie her hatte.
01. Dezember
Ich kontaktierte das Jugendamt und beantragte einen Hausbesuch, der mir recht schnell gestattet wurde. Ich besuchte ihn und seine Tante unangekündigt. Das Haus war sauber. Der Kühlschrank voll, aber trotzdem sah Patrick abgemagert aus. Seine Tante verhielt sich übertrieben nett und ihre Stimme klang so freundlich. Allerdings zuckte Patrick immer zusammen, wenn sie ihre Hand bewegte.
05. Dezember
Endlich hatte mir das Jugendamt die nötigen Papiere gegeben, um Patricks Tante vorübergehend das Sorgerecht zu entziehen. Ich machte mich sofort auf den Weg. Ich hatte schon eine Unterkunft im Jugendheim organisiert, aber als ich ankam war Patrick nicht mehr da. Seine Tante meinte er wäre abgehauen. Er sei nach meinem Besuch rausgegangen und seitdem nicht wieder gekommen. Kurz verlor ich meine Beherrschung und schrie sie an warum sie nicht die Polizei angerufen hatte, aber mein Ausraster ließ sie völlig kalt. Ich informierte sofort die Polizei.
06. Dezember
Die polizeiliche Suche, hatte noch keinen Erfolg. Die zuständigen Polizisten teilten mir mit, dass Patricks Überlebenschance bei dieser Kälte nicht sehr hochlagen, zumal er schon mehrere Tage verschwunden sei.
07. Dezember
Augenzeugen haben berichtet einen kleinen, etwas mageren Jungen im Bus gesehen zu haben. Sofort erweiterte die Polizei das abzusuchende Gebiet. Wenn er mit einem Bus gefahren ist könnte er schon viel weiter weg sein als sie angenommen hatten.
15. Dezember
Keine Augenzeugen hatten sich gemeldet. Vermutlich sei Patrick verhungert oder erfroren,teilte mir die Polizei mit. Die Polizei hat die Suche eingestellt.
20. Dezember
Ich habe Patricks Tante verklagt, weil sie ihre Aufsichtspflicht missachtet hatte und zu dem nicht die Polizei informiert hatte.
28. Januar
Diese Frau hat viel zu gute Anwälte, aber ich werde nicht aufgeben.
12. März
Ich habe eine Petition gestartet und die Öffentlichkeit über den Fall aufgeklärt. Das Ansehen von der Frau ist gesunken, aber ihre Anwälte sind trotzdem gut.
28. Juni
Sie windet sich aus jeder Anschuldigung raus.
01. Dezember
Der Fall wurde wieder von den Medien aufgegriffen. Der Druck auf die Frau steigt, trotzdem lächelt sie überlegen.
12. Mai
Endlich hat das Gericht sie für schuldig gesprochen. Jetzt lächelte sie nicht mehr. Aber mir war auch nicht nach Lachen zumute. Ich hatte gewonnen. Der Gerichtsprozess war nervenaufreibend gewesen, aber ich hatte gewonnen. Das erhoffte Glücksgefühl blieb aus. Das brachte Patrick auch nicht zurück. Ich hätte früher reagieren sollen. Ich hatte versagt.
Ich zitterte. Tränen hatten sich in meinen Augen gebildete und ich schlug den Ordner zu. Ich wollte nicht mehr weiterlesen. Ich hätte diesen scheiß Ordner nie in die Hand holen sollen. Manu hatte während dem Lesen irgendwann seine Arme um mich gelegt und sich an mich gedrückt.
„Alles ist gut, Palle“, flüsterte er. Ich bemühte mich darum nicht sofort loszuheulen. Ich hatte gedacht mein Verschwinden wäre niemanden aufgefallen, aber dem war nicht so. Annette. So hieß die Sozialarbeiterin mit der ich damals gesprochen hatte. Annette hat nach mir gesucht und hält sich wegen mir für eine Versagerin.
„Ich wusste nicht, dass- ich wusste nicht-“, meine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen und hörte sich verdammt zerbrechlich an.
„Shhhhh“, machte Manu um dann möglichst einfühlsam mit mir zu reden. „Palle, ich weiß das klingt jetzt hart, aber du darfst dich jetzt nicht ablenken lassen. Wir reden darüber, wenn wir wieder im Hauptquartier sind, okay?“
„Ja, ha-hast recht“, ich versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Manu umarmte mich weiterhin. Die Lichtpegel der Taschenlampen tanzten an den Wänden, als die anderen weiterhin nach Hinweisen suchten. Manu löste sich erst wieder von mir, als er sich sicher war, dass ich mich wirklich beruhigt hatte.
„Ich glaube wir haben hier was!“, das war Maudado. Sofort gingen alle zu ihm. Er stand zusammen mit Zombey an einem Regal und hatte einen aufgeschlagen Ordner in der Hand.
„Was ist das für ein Ordner?“, fragte Manu sofort.
„Berichte von Sozialarbeitern und Psychologen über Kinder in einem Waisenhaus. 19-hundert-irgendwas. Die Schrift ist verwaschen“, erklärte Zombey.
„Und wieso steht das in Verbindung mit Natrix?“, fragte Lilly skeptisch.
„Es könnte in Verbindung mit ihm stehen“, verbesserte Maudado. „Nigan hat mit euch doch über die Vergangenheit der beiden geredet, oder?“, fragte er Manu und mich.
„Ja“, antwortete ich knapp und Manu warf mir einen leicht besorgten Blick zu. Maudado drückte mir den Ordner in die Hand und zusammen mit Manu laß ich den Bericht von den Hoffer Brüdern.
25. Juli
Elias schwänzt des öfteren die Schule. Sein Bruder scheint sich negativ auf ihn auszuwirken. Vielleicht sollten wir die Brüder trennen, schließlich streiten sie sowieso meistens, was uns allen hier auf die Nerven geht.
27. August
Die Brüder verbringen mehr Zeit miteinander. Ziemlich ungewöhnlich, aber endlich herrschte mal Ruhe. Der letzte Streit der beiden um dieses Buch war verdammt anstrengend gewesen.
13. Oktober
Ben verbringt weniger Zeit mit Nils und Miriam. Dafür waren er und Elias öfter und länger draußen unterwegs. Egal mit was wir ihnen drohten sie verrieten nichts über ihre Ausflüge.
01. Januar
Ben kam mit Nils zu uns. Ben sah übel zugerichtet aus. Hatte sich wahrscheinlich mit der falschen Person angelegt, geschieht im Recht, hoffentlich lernt der Junge daraus.
02. Januar
Elias war am Morgen nicht in seinem Zimmer. Sein Schrank war leer, sein Rucksack weg. Eine Sorge weniger. Ben schien sich nicht um seinen Bruder zu sorgen.
10. Februar
Nils verbrachte wieder mehr Zeit bei Ben. Der Junge soll bitte seine eigene Familie nerven und nicht unsere Angestellten.
28. Mai
Ben war nicht in seinem Zimmer. Der Schrank war leer genau wie unser Kühlschrank. Dieser Drecksjunge. Aber immerhin ist es jetzt ruhig ohne die Hoffer Geschwister.
Manu und ich tauschen einen Blick. Es waren Ähnlichkeiten zwischen diesem Bericht und Nigans Erzählung gewesen. Wir wollten gerade darüber reden, als von draußen ein Geräusch ertönte. Sofort schalteten wir die Taschenlampen aus. Ich nahm die Seiten zu den beiden leise aus dem Ordner heraus und faltete sie sorgfältig, um sie in meine Hosentasche zu tun. Danach stellte ich den Ordner vorsichtig zurück ins Regal. Ich deutete den anderen sich in die Ecke des Raumes hinter die Regale in der Mitte zu bewegen. Wenn wir unentdeckt blieben, wäre es umso besser. Ich hörte Schritte vom draußen und vernahm wie einer von uns leise die Klammern eines Ordners öffnete um etwas auszuheften und einzustecken. Hatte noch jemand wichtige Informationen gefunden? Ich hätte gerne nachgefragt, aber die Schritte kamen immer näher.
Sicht GLP
Shit. Shit shit shit shit! Ich wusste hier stimmte was nicht! Zusammen mit Paluten schlich ich zu den anderen, duckte mich hinter dem wenigen Schutz, den wir vor uns hatten. Was sollten wir tun? Wie kamen wir jetzt unbemerkt raus? Ruhig bleiben. Nicht aufregen. Wer auch immer da draußen rumlief wusste vielleicht nicht, dass wir hier waren. Einfach nur abwarten und hoffen, dass sich die Schritte wieder entfernten, die Personen da draußen an diesem Raum vorbei laufen würden. Fuck. Warum sind sie stehen geblieben? Ich erstarrte, als sich die Tür des Raumes langsam öffnete. Das leise Quietschen der Scharniere war schon eine Tortur, aber diese Geschwindigkeit machte alles nur noch schlimmer.
„Na, wen haben wir denn da?“, erklang eine Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam. Zeitgleich ging das Licht im Raum an. Wer war der Kerl? Die Spitzen seiner schwarzen Haare hingen aus seiner Kapuze heraus, eine davon verlief knapp neben seinem Auge und endete gerade so über seinem neongrünen Mundschutz. Hinter ihm versammelten sich einige andere Schlangen, deutlich erkennbar an den neongrünen Akzenten ihrer Kleidung. Der Typ war so auffällig, aber trotzdem konnte ich ihn nicht zuordnen. Aber seine Stimme...
„Wisst ihr, wenn ich schon rumschnüffelt, müsst ihr's euch nicht so schwer machen. Das Gebäude ist alt, aber das Licht funktio-“, der Satz brach ab, als ein leises Surren durch den Raum hallte. Der Mundschutz-Typ wich nur wenige Millimeter zur Seite, gerade als das Messer an ihm vorbei flog und in der Wand hinter ihm landete. Sofort flog sein Blick auf Maudado, der ihn hasserfüllt anschaute. Zombey blickte irritiert von Maudado zu der Schlange, als ihm ein Licht aufzugehen schien und er ebenfalls etwas vor trat und die Schlange ebenso hasserfüllt musterte.
„Das ist aber unhöflich Hündchen. Und der Straßenköter ist ja auch da. Huh... Beim nächsten Mal muss ich wohl fester zuschlagen.“ War das der Typ, der Zombey verletzt hatte? Dumme Frage, offensichtlich war er's ja. Aber woher kenne ich diese Stimme? Ich war nicht dabei, als Zombey niedergeschlagen wurde. Von daher konnte ich sie also nicht kennen. Trotzdem klingelte da irgendwas in meinem Unterbewusstsein.
„Leider hab ich meinen Baseballschläger gerade nicht dabei, aber dein Leader da leiht mir seinen doch bestimmt gerne, oder? Natrix würde es ziemlich freuen, wenn ich eure Schädel damit zertrümmer“, redete er weiter und wandte sich Paluten und mir zu. Und genau in dem Moment, indem er Natrix' Namen aussprach, fiel mir ein, woher ich ihn kannte.
„Kreuzotter“, murmelte Paluten neben mir und der schwarzhaarige fokussierte ihn sofort. Paluten war also auch aufgefallen, dass wir die Stimme kannten und er wusste auch woher.
„Naw süß. Was für eine Ehre das der Leader der Hounds meinen Namen kennt. Das kommt in meinen Lebenslauf. Und darunter wird stehen, dass ich euch alle umgebracht hab und Natrix eure Leichen auf 'nem Silbertablett serviert habe“, seine Aussage wurde durch das dumpfe Kichern, das hinter seiner Maske erklang nur noch psychotischer. Aber was hatte ich von Natrix' rechter Hand auch erwartet.
„Findest du das nicht etwas überheblich? Das wirst du nämlich nicht schaffen, nicht mal mit denen da hinter dir“, setzte ich an und deutete auf die Schlangen, die sich teilweise noch außerhalb des Raumes aufhielten. Ich hatte keine Ahnung, wie viele da noch waren, aber ich konnte nur hoffen, dass es nicht mehr waren als wir. Die Situation war so schon gefährlich genug.
„Und selbst wenn, ich glaube nicht, dass die zufrieden damit wären, wenn du den Ruhm dafür nur für dich beanspruchst.“
„Ich beanspruche, was ich will. Die haben zu kuschen. Und wenn du versucht, die gegen mich aufzuhetzen, dann hast du leider Pech. Das funktioniert nicht“, winkte er ab. „So, können wir das Gelaber jetzt hinter uns lassen? Ich würde euch nämlich jetzt gerne umbringen. Wir spielen sogar fair und benutzen keine Schusswaffen. Dann ist es witziger. Also für mich. Ihr werdet keinen Spaß daran haben.“ Ich musste seine untere Gesichtshälfte nicht sehen, um zu wissen, dass er grinste. Er trat zu Seite, und seine restlichen Schlangen betraten den Raum. Ich atmete auf, als ihre Anzahl unsere nicht überstieg. Der Kampf war also einigermaßen ausgeglichen. Die Kreuzotter trat vor, wollte sich Paluten und mir nähern aber sofort befand sich Zombey vor ihm, dicht dahinter Maudado.
„Ich würde dir ja gerne nochmal meinen Basey auf den Schädel hämmern, und mich dann um deinen Freund da kümmern, aber eure Leader haben leider Vorrang. Danach können wir das aber definitiv nachholen, ich steh nämlich nicht so darauf, wenn man mir ein Messer in die Schulter rammt“, zischte er zuerst Zombey und dann Maudado entgegen. Bei der Kälte seiner Stimme lief sogar mir ein Schauer über den Rücken, und Paluten schien es genauso zu gehen. Unsere Member verteilten sich ebenfalls in dem Raum, bereit es mit den Schlangen aufzunehmen, sollten sie ihren Angriff starten.
„Und ich steh nicht so darauf, wenn man mir 'nen Basey überzieht. Denkst du nicht, ich dürfte mich dafür revanchieren?“, Zombeys Stimme war beinah schon ein Knurren
gewesen, doch die Schlange schien überhaupt nicht beeindruckt. Eher belustigt.
„Jaja, wir können gleich spielen. Erst mal die beiden da“, zuckte die Kreuzotter mit den Schultern und wollte sich an Zombey und Maudado vorbei drücken, aber die beiden versperrten ihm erneut den Weg. Genervt seufzte Kreuzi auf und stieß einen kurzen aber scharfen Pfiff aus. Die restlichen Schlagen begannen sich auf unsere Member zu stürzen und drei warfen sich auf Maudado und Zombey. Innerhalb von Sekunden brach ein erbitterter Kampf zwischen Hounds und Cats gegen die Schlangen aus. Die Kreuzotter drückte sich an dem ZomDadoSchlangenknäul vorbei und schritt auf mich und Paluten zu. Seine zuerst langsamen Bewegungen verschnellerten sich, bis er direkt vor uns stand und Paluten ganz knapp seinem Schlag ausweichen konnte. Sein nächster Hieb war auf mich gezielt, doch ich wich ebenfalls einige Schritte nach hinten aus. Paluten nickte mir unauffällig zu und gleichzeitig schmissen wir und auf die Kreuzotter. Paluten hatte ihn am Arm getroffen, und auch mein Basey hatte ihn ganz leicht an der Seite gestriffen, allerdings beeinträchtigte ihn das nicht wirklich.
„Zwei gegen einen? Hatten wir nicht gesagt, wir spielen fair?“, überlegte er laut und genau in diesem Moment nahm ich eine heftige Bewegung neben mir war. Mein Blick schnellte zu Paluten, der gerade von einer Schlange weggerissen wurde. Er konnte sich zwar aus dem Griff reißen, allerdings wurde er ziemlich von der Schlange beansprucht.
„So, jetzt ist es fair“, lenkte die Kreuzotter meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Beinah sofort stand er wieder nur wenige Zentimeter vor mir und ich musste seinen Schlägen ausweichen. Sie waren verdammt präzise, sodass ich nur wenige Sekunden Zeit hatte und nicht mal die Gelegenheit bekam, ihn anzugreifen.
„Weißt du, Natrix freut sich schon auf dich. War er nicht wegen dir im Gefängnis? Eigentlich sollte ich mich ja erst um alle anderen kümmern, dann kannst du schön dabei zusehen, wie sie leiden und an ihren Schmerzen verrecken. Und du wirst hilflos dabei stehen und nichts tun können. Wie bei Cerberus“, lachte er auf, während er weitere Schläge austeilte. Scheiße. Ich musste ihn angreifen, ich musste. Aber ich konnte nicht. Diese verdammte Kreuzotter war ziemlich fordernd.
„Aber weißt du noch was? Am meisten Spaß werde ich ja dabei haben, deinen Baseballschläger immer wieder auf den Schädel eures blonden Messerwerfers krachen zu lassen. Ja, und danach ist der andere dran! Ich hatte nicht damit gerechnet, den nochmal untern den Lebenden wandeln zu sehen“, fuhr er seine Gedanken weiter fort. Ich wusste, was er vorhatte. Er wollte mich ablenken, mich dazu bringen, Fehler zu machen, sodass seine Schläge mich mal treffen würden. Aber das würde nicht passieren. Mittlerweile hatte ich es geschafft, ihm ebenfalls hin und wieder den Basey gegen diverse Körperteile zu knallen, aber davon schien die Kreuzotter überhaupt nicht beeindruckt zu sein. Selbst als ich ihm den Schläger in den Magen gerammt hatte, zeigte er kaum Reaktion, außer ein leichtes zurückzucken. Es war nicht viel, aber es reichte mir, um die Initiative zu ergreifen. Meine nächsten Schläge waren gezielter und diesmal war es die Kreuzotter, welche größtenteils nur ausweichen konnte. Und trotzdem hielt es ihn nicht davon ab, zu reden.
„Und die letzte Person, der du beim Sterben zu sehen wirst, ist der andere Leader. Wahrscheinlich wärst du davon gelangweilt, wenn auch er nur den Basey abbekommt... hm. Ah genau, ich hab eine Idee. Wir schlitzen Paluten einfach mit den Messern des Blonden auf, was hälst du davon? Natürlich schön langsam und gerade so, dass er nicht direkt stirbt sondern noch mitbekommt, wie-“ weiter kam er nicht. Die Schlange hatte erreicht, was sie erreichen wollte. Ich war sauer. Richtig sauer. Der nächste Schlag den die Schlange abbekam war heftiger als die davor. Der Basey knallte auf seine Schulter und die Schlange zischte schmerzerfüllt auf. Den getroffenen Arm ließ er etwas hängen. Und hatte Maudado nicht bei seiner Begegnung mit Kreuzi ein Messer in eben diese Schulter gerammt? Sicher, es waren einige Tage vergangen, aber bei der Menge an Blut, die Maudado ins Gesicht gespritzt war, musste er das Messer verdammt tief reingerammt haben. Die Wahrscheinlichkeit war also groß, dass die Verletzung noch nicht komplett geheilt war und sein Arm noch angeschlagen war.
Meine nächsten Schläge versuchte ich so zu präzisieren, dass sie seine Schulter trafen. In den meisten Fällen gelang mir das auch und die Kreuzotter wich immer weiter zurück. Kurz konnte ich mir einen Überblick über die Lage verschaffen, während Kreuzi verschnaufte und seine Schulter hielt. Hounds und Cats hatten sich verdammt gut durchgesetzt. Maudado und Zombey kamen ziemlich gut mit ihren drei Widersachern zurecht. Mein Blick fiel auf Paluten, der gerade die Schlange weg stieß, die ihn vorhin von mir weggerissen hatte. Die Schlange stolperte ziemlich weit nach hinten, und zu seinem Pech genau in Scars Reichweite, der gerade seine Schlange auf den Boden befördert hatte. Paluten ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und stand innerhalb von Sekunden neben mir, genau dann, als Kreuzi sich wieder gefangen hatte. Er nutzte die paar Meter Abstand zwischen uns, um sich ebenfalls im Getümmel umzusehen. Es reichten wenige Sekunden, damit auch er Begriff, dass gerade alles auf einen Sieg für uns hinauslief. Sein Blick fiel wieder nach vorne, auf Paluten und mich, die sich ihm wieder näherten. Er schien nicht erfreut darüber, uns wieder beiden gegenüber zu stehen. Die Kapuze, die ihm während unseres Kampfes runtergerutscht war, hochziehend pfiff er wieder. Der Pfiff war dumpf, leicht gedämpft durch seinen Mundschutz, aber trotzdem hallte er im Raum wieder. Sobald er verklungen war, stürmten die Schlangen in Richtung Ausgang und strömten aus der Tür. Als letzter hechtete die Kreuzotter zur Tür.
„Freu dich auf unsere nächste Begegnung, denn da werde ich alles wahrmachen, was ich dir heute erzählt habe“, und mit diesen Worten verließ auch er uns, die Tür knallte hinter ihm zu und wir blieben regungslos zurück. Gefühlte Stunden vergingen, ehe wir uns sicher waren, dass die Schlangen nicht nur den Raum, sondern auch das komplette Gebäude verlassen hatten. Sobald das aber der Fall war, wich die Anspannung aus jedem. Eagle ließ sich erschöpft an der Wand runterrutschen, Shadow stützte sich an einem Regal ab, Zombey klopfte Maudado auf die Schulter, Xain und Scar öffneten die Tür und warfen gemeinsam mit den Hounds einen Blick auf den Flur, um ganz sicher zu gehen und Paluten erkundigte sich erstmal, ob jemand Verletzt war. Und ich... tja, ich beobachtete das ganze. Paluten kam zu dem Ergebnis, dass zum Glück niemand ernsthaft verletzt war.
„Wir hatten ziemlich viel Glück“, schnaufte Zombey, als er zusammen mit Maudado zu Paluten und mir trat.
„Ja, aber dafür haben wir den Angriff hinter uns und haben sogar noch Informationen bekommen, die uns weiterhelfen könnten“, versuchte Paluten das Positive aus der ganzen Sache zu ziehen. Eins stand fest, sobald wir wieder im Hauptquartier waren, hatten wir verdammt viel zu erledigen. Wir mussten diese Infos sortieren. Und ich musste nochmal mit Paluten reden, wegen seiner Akte. Ich glaube nicht, dass er das ganze so leicht weggesteckt hatte.
„Trotzdem würde ich gerne schnellstmöglich hier verschwinden“, merkte ich an und zustimmend nickten die anderen. Sobald wir wirklich wussten, dass das Gebäude komplett verlassen war, machten wir uns schnell aber vorsichtig auf den Rückweg.
Well, diesmal hab ich mir spontan eine ungeplante Backstory ausgedacht...passiert xD
Heute ist ein armer kleiner Vogel (eine weibliche Amsel) mit voller Geschwindigkeit gegen unsere Fensterscheibe geflogen...rip ;-; (Silberschwingen)
Also... irgendwie wirkt das für mich sehr offensichtlich, wer sich das Aussehen von Kreuzi überlegt hat xD (Yeah, indeed. It was me xD)
Und wisst ihr, wie schwer das ist, 'nen Psycho zu schreiben, dabei aber Silber-freundlich zu bleiben? Das is beinah unmöglich! xD
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