Kapitel 75
Sicht Paluten
Die Schlangen zogen sich zurück. Natrix ist abgehauen, aber wir hatten unsere Base erfolgreich verteidigt. Plötzlich spannte Manu sich neben mir an und preschte los. Ich rannte ihm hinterher. Was hatte er gesehen? Er rannte auf den Zaun zu und ich ihm hinterher. Dann sprang mir Maudado ins Auge der auf dem Boden kniete. Sein Oberteil hatte er ausgezogen und drückte es abwesend auf den Kopf einer am Boden liegenden Person. Fuck. Das war Zombey der da lag!
„Maudado was ist passiert?“, wir waren noch mehrere Meter von den beiden entfernt. Der Blondhaarige antwortete mir nicht. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ein paar andere Cats und Hounds waren uns verwundert gefolgt und alle redeten durcheinander als wir Zombey und Maudado erreicht hatten. „Maudado?“, wieder reagierte er nicht. Ich rüttelte an seinen Schultern. „Maudado!“, keine Reaktion. Er starrte immer noch starr auf Zombey und drückte ihm sein Oberteil auf den blutenden Kopf. Ich schaute zu Manu der nur geschockt auf Zombey starren konnte. Dann bückte er sich und wollte nach Zombeys Arm greifen, der leicht bläulich zu sein schien. Aber plötzlich reagierte Maudado und schlug seine Hände weg und dann schien er uns zu erkennen und ließ Manu machen. Maudados Blick schien kurz durch die Gesichter aller umstehenden zu gehen, so als ob er jetzt erst bemerkt hatte, dass wir es waren. Er drehte seinen Kopf zu mir. Blut. Seine linke Gesichtshälfte war blutverschmiert. Er starrte sofort wieder auf Zombey und dann rannen Tränen aus seinen Augen die sich ein bisschen mit dem Blut vermischten und so rostfarben erschien. Er fing hemmungslos an zu schluchzen. Was zur Hölle war nur passiert? Zombey wurde auf eine Liege gelegt und weggebracht und Maudado lief neben ihm her, den Blick immer auf den älteren fixiert der regungslos auf der Liege lag. Immer wieder schauten unsere Mitglieder zu den beiden.
„Er hat doch auch Blut im Gesicht.“
„Hat er sich auch am Kopf verletzt?“
Sie deuten auf Maudado und ich hatte das Gefühl, dass dieser etwas in sich zusammensackte als er die Blicke und Gesten der anderen mitbekam. Wir schritten durch den Eingang unserer Base und befanden uns im Aufenthaltsraum. Alle Cats und Hounds sollten hierbleiben, um gleich untersucht zu werden. Artery und Nephri waren sowas wie unsere Ärzte. Sie würden definitiv erst Zombey untersuchen, bevor sie nach den anderen schauten. Trotzdem hatte ich Angst, dass Artery und Nephri nicht wirklich viel tun konnten.
„Sniper!“, der blondharrige Junge mit den roten Spitzen kam gerade den Gang entlang. Er hatte oben auf dem Dach gestanden, also hatte er definitiv keine Verletzungen. „Hol einen Arzt!“
„Aber Neph-“, dann fiel sein Blick auf Zombey der gerade in sein Zimmer getragen wurde. „Bin unterwegs!“, und damit sprintete er aus dem Raum. Sniper hatte gute Connections und er kannte auch einen Arzt, der uns nicht mit Fragen nerven würde. Er würde einfach nur die Person untersuchen. Sniper kannte ihn schon recht lange, ich glaube er hat ihm mal geholfen als er überfallen wurde und seitdem hält der Arzt zu uns. Er besorgte Venom auch machmal seine Chemikalien und auch Nephri kam so an ein paar Medikamente ran. Wie Artery seine Medikamente bekam, wusste ich nicht, schließlich gehörte er den Cats an. Manu und ich betraten Zombeys Zimmer. Artery und Nephri hatten ihn schon auf sein Bett in der stabilen Seitenlage gelegt und verbanden zuerst seinen Kopf.
„Keine Fremdkörper“, sagte Artery an Nephri gewandt. „Stumpfe Gewalteinwirkung.“
Nephri nickte und drehte sich dann zu Maudado. „Womit wurde er angegriffen? Das ist wichtig Maudado. Was ist passiert?“
„Ein Baseballschläger. Er konnte ihn nicht mehr halten. Den ersten Schlag hat er noch mit seinem Arm abgefangen“, Maudado starrte auf Zombey. Vor seinem inneren Auge schien sich die Szene zu wiederholen. Seine Stimme klang mir so fremd. Er musste sich bemühen um die Worte verständlich rauszubringen.
„Wenn er aufwacht, hat er vermutlich eine Gehirnerschütterung“, Nephri sah zu Artery, der nickte.
„Ja gut möglich. Hoffentlich ist es nur das. Er ist bewusstlos“, Artery blickte auf Zombey. Ich konnte seine Augen nicht sehen, aber ich glaube das wollte ich auch gar nicht. Seine Worte waren schon genug gewesen.
„Ja...“, hatte Nephri gehaucht und eine bedrückende Stille entstand. „Wir sollten seinen Arm verbinden“, Nephri bemühte sich um eine feste Stimme, aber es gelang ihr nicht so recht.
„Ja, hast Recht“, und damit beschäftigten sich die beiden mit seinem Arm. „Vermutlich geprellt“, sagte er dann nach einer Weile. Nephri nahm einen Kühlakku und legte ihn auf den Arm.
„Denkst du PECH klappt noch?“, Artery warf ihr einen skeptischen Blick zu.
„Vermutlich nicht, aber man weiß ja nie“, sie zuckte mit ihren Schultern und kühlte weiter seinen Arm. Während die beiden Zombey behandelten schaute ich zu Manu. Er hatte bis jetzt nicht wirklich was gesagt und diese Situation schien ihm nicht gut zu tun. Er starrte nur auf Zombey. Der Junge musste aus diesem Raum raus.
„Komm“, sagte ich leise und hoffentlich einfühlsam. Manu schüttelte seinen Kopf, aber immerhin reagierte er im Gegensatz zu Maudado. Ich packte ihn sanft am Arm und zog ihn aus dem Raum raus. Vor der Tür blieb ich mit ihm stehen. Er sagte nichts stand einfach nur stumm da. Aber er musste auch gar nichts sagen der Ausdruck in seinen Augen zeigte mir deutlich was in ihm vorging. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, um ihn irgendwie zu beruhigen, also zog ich ihn in eine Umarmung. Er erwiderte sie nicht. Stand einfach nur schlaff da. Shit. Was soll ich tun? Ich weiß nicht genau wie lange wir so im Gang standen, aber ich löste mich von ihm. „Komm. Du brauchst frische Luft“, ich zog wieder sanft an seinem Arm und wollte mich gerade in Bewegung setzten, als ich Sniper auf uns zu kommen sah. Der Arzt mit einer großen Tasche schritt ihm zügig hinterher. Er hatte schwarze wirre Haare, die an den Ansätzen allmählich grau wurden und trug eine Brille. Er trug eine Jeans und ein Pullover. Vermutlich hatte er schon Feierabend und jetzt hatten wir ihn hier herbestellt. Seine blauen Augen musterten die Umgebung intensiv. War er jemals in unserem Hauptquartier gewesen? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, aber es war jetzt auch egal.
„Hier lang“, sofort öffnete ich die Tür zu Zombeys Zimmer. Und zog Manu wieder mit rein. Der Arzt folgte mir. Sniper blieb vor der Tür stehen. Artery und Nephri konnte ich nicht mehr sehen. Wo waren die denn hin verschwunden? Dann hörte ich das Waschbecken im Bad. Vermutlich reinigten sie gerade alles oder so. Mein Blick fiel auf Maudado der mittlerweile nicht mehr stand sondern saß. Das Blut in seinem Gesicht war weg und er hatte wieder ein Shirt an. Vermutlich hat Nephri ihn dazu gebracht nachdem sie ihn untersucht hatte. Er hatte keinen Verband. Es war also nicht sein Blut gewesen. Der Doktor hatte sich ans Bett gestellt und untersuchte Zombey.
„Ihr habt an die PECH-Regel gedacht, wie ich sehe. Das ist gut. Die Prellungen wird durch die Methode wahrscheinlich nicht allzu schlimm werden“, meinte er dann mit seiner ruhigen Stimme und deutete auf Zombeys Arm. „Aber die Kopfverletzungen...“, er griff nach dem Verband und löste ihn vorsichtig. „Mhm, die Wunde ist groß, aber das kann oft täuschen. Die Kopfhaut blutet immer sehr heftig und wirkt dadurch meist ernster als es ist“, vorsichtig legte er ihm einen neuen, sterilen Verband aus seiner Tasche um. „Aber, dass er bewusstlos ist, ist gar nicht gut“, seine Stimme klang sachlich. Jahrelange Arzt Erfahrung sorgte wohl dafür, dass er manchmal gar nicht mehr mitbekam wie schlimm die Sachen, die er da aussprach, für die Angehörigen waren.
„Das heißt?“, fragte Manu besorgt, obwohl er sich bemühte ruhig zu bleiben, zitterte seine Stimme leicht. Ich blickte ihn von der Seite an. Seine Haltung war wieder etwas straffer geworden. Das beruhigte mich etwas.
„Dass heißt, dass er eigentlich unverzüglich in ein Krankenhaus sollte“, ernst sah der Arzt Manu an und schob seine Brille wieder richtig auf seine Nase, da sie beim Verband anlegen etwas verrutscht war. „Bewusstlosigkeit bei Kopfverletzungen ist lebensbedrohlich.“
Es war still im Raum. Lebensbedrohlich. Fuck. Ich spürte wie Tränen sich in meinen Augen sammeln wollten, aber ich ließ es nicht zu. Ich musste jetzt ruhig bleiben.
„Das geht nicht. Es muss eine andere Möglichkeit geben“, Manu hatte sich wieder gefangen und auch in seinen Augen sah ich einen Tränenschleier, den er ebenso wie ich zu unterdrücken versuchte.
„Ich kann nicht wirklich viel tun. Wenn ihr ihn nicht in ein Krankenhaus schicken könnt, dann könnt ihr nur abwarten“, er wühlte in seiner großen Tasche her und zog einen Glasbehälter hervor. Danach befreite er eine Spritze aus ihrer Verpackung und stach sie vorsichtig in den elastischen Deckel des Gefäßes. Er drehte den Glasbehälter um und füllte die Spritze sorgfältig mit der darin enthaltenen Substanz. „Ich spritze ihm jetzt ein Schmerzmittel. Seine Atmung scheint normal zu sein, also vielleicht habt ihr Glück und euer Kumpel wacht von selbst wieder auf. Falls seine Atmung langsamer wird, sollte er in ein Krankenhaus oder er wird nie wieder aufwachen“, wieder redete er ganz ruhig und sachlich, als er die Spritze in Zombeys Arm pikste und ihm so das Mittel injizierte. Hatte er überhaupt überlegt wie diese Worte auf uns wirkten. Ich sah wie Manu sich neben mir verkrampfte und griff nach seiner Hand. Sofort übte er Druck auf sie aus. Es tat verdammt weh, aber ich ließ seine Hand nicht los, sondern drückte sie und hoffte, dass es irgendwie beruhigend auf ihn wirkte. Der Arzt kramte währenddessen wieder in seiner Tasche und präparierte erneut eine Spritze mit irgendeiner Substanz, die er in Zombeys Bauch injizierte. „Gegen Thrombose“, sagte er an uns gewandt und sofort ließ Manu meine Hand wieder los. „schließlich wissen wir nicht wie lange er hier noch liegen wird. Wechselt die Verbände regelmäßig und spritzt ihm das“ er schrieb etwas auf das Etikett eines Behälters, „morgens und abends“ und dann notierte er die Anweisungen noch auf dem anderen Behälter, „und das einmal am Tag. Mehr kann ich nicht für ihn tun.“
Er hielt Manu die Medikamente entgegen, die dieser überfordert an sich nahm. Der Arzt packte seine Sachen und ließ uns noch verpackte Spritzen und Verbände hier.
„Wenn sein Zustand sich verschlechtert, ruft mich noch mal. Vielleicht bekommen wir das auch ohne Krankenhaus hin, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist. Es tut mir leid, aber so ist es leider“, seine Stimme war immer noch ruhig, aber diesmal schwang noch etwas anderes mit. Bedauern. Er bedauerte es nichts weiter tun zu können.
„Danke, dass Sie überhaupt so schnell gekommen sind“, sagte ich und zwang mich zu einem schwachen Lächeln, das er ebenso schwach erwiderte. Die Situation war ernst. Ich öffnete ihm wieder die Tür und Sniper führte ihn wieder raus. Ich betrat wieder den Raum. Manu stand so verloren im Raum mit allen Medikamenten in seinem Armen und den Blick starr auf Zombey gerichtet. Ich wollte gerade etwas sagen, aber kam nicht dazu.
„Das ist alles meine Schuld“, das war Maudado dessen Stimme so leise war, dass ich Mühe hatte ihn überhaupt zu verstehen, „wegen mir liegt er hier und wegen mir könnte er- könnte er-“, er brach ab. Wollte es nicht aussprechen.
„Lass es. Dir sowas einzureden macht es auch nicht besser“, erwiderte Manu, schien aber abwesend zu sein. Er hatte momentan nicht die Kraft andere weiter aufzubauen oder zu beruhigen. Maudado sagte nichts dazu.
„Wir sollten den anderen Bescheid sagen und das mit den Medikamenten sollten Artery und Nephri übernehmen“, ich war zu Manu getreten und betrachte die kleinen Glasbehälter in seiner Hand. Der Arzt hatte noch Milliliter Angaben auf die Etiketten geschrieben.
„Ja...“, er starrte abwesend auf die Behälter in seinen Händen. „Das sollten wir machen.“
In dem Moment kamen Artery und Nephri aus dem Bad und wir überreichten den beiden die Medikamente und ich erzählte kurz was der Arzt gemeint hatte. Danach gingen Manu und ich zum Aufenthaltsraum.
Sicht GLP
Sobald wir den Aufenthaltsraum betraten, ruhten alle Augen auf Paluten und mir. Die Blicke schienen sich in meine Haut zu brennen. Angst und Neugier darüber, was mit meinem Stellvertreter passiert war, spiegelte sich in ihren Gesichtern. Der erste, der sich zu uns bewegte war Scar. Paluten ließ uns alleine und schaute nach seinen Hounds, nicht ohne mich nochmal besorgt anzuschauen, bevor er ging.
„Die meisten sind nur leicht verletzt. Keine schweren Verletzungen, außer Zombey. Die Docs dürften also genügend Zeit haben, um sich um ihn zu kümmern. Nur bei manchen sollten sie nochmal vorsichtshalber drüber gucken“, teilte Scar mir bemüht ruhig mit. Die Sorge um Zombey war ihm anzusehen, aber er versuchte, die anderen nicht noch mehr zu verunsichern. Ich nickte ihm zu und gemeinsam gingen wir zu einzelnen Cats, schauten uns ihre Verletzungen an und hörten zu, was sie uns erzählten. Ihre Erzählungen bestätigten mir, wie brutal und rücksichtslos die Schlangen gekämpft hatten. Natrix Leute waren definitiv genauso hinterhältig und blutrünstig wie er. Wie viele ihnen wohl schon zum Opfer gefallen waren? Wie viele Menschen hatten diese Bastarde wohl schon auf dem Gewissen? Grausam verletzt, wenn nicht sogar umgebracht? Mich interessierte wirklich, wie viel Blut an den Händen dieser Monster klebte. Andererseits, wollte ich das wirklich wissen? Besser nicht. Fakt war, Natrix würde dafür bezahlen, was er Zombey angetan hatte. Das schwor ich mir. Er hatte mir Cerberus genommen. Er konnte mir nicht auch noch Zombey nehmen. Das ging nicht. Zombey war ein Kämpfer, er hatte doch sonst alles überstanden. Das ging einfach nicht, das war... Das war einfach-
„Manu?“, riss Paluten mich aus meinen Gedanken. Er stand wieder an der Tür zum Aufenthaltsraum, während ich noch bei Scar, Xain, Eagle und Shadow stand. Shadow hatte in den letzten Minuten beinah genügend Tränen produziert, um das komplette Hound Quartier zu überschwemmen. Beruhigend sprach Eagle auf sie ein, während sie ihre eigenen Tränen zurück hielt. Xain starrte nur abwesend auf den Boden, und selbst Scar hielt seine Sprüche zurück. Den anderen Cats ging es ähnlich. Keiner verspürte Freude über den heute errungenen Sieg. Alle wussten, dass das nicht das letzte Mal war, dass wir die Schlangen gesehen hatten. Sie alle plagten dieselben Fragen: Wann kommen sie wieder? und Wann wacht Zombey wieder auf? Und das schlimmste daran war, dass ich keine dieser Fragen beantworten konnte. Ich wusste nicht, wann wir die Schlangen Wiedersehen würden. Ich wusste nicht, wann Zombey wieder aufwacht. Verdammt, vielleicht wachte er auch gar nicht mehr auf. Die Verletzungen war lebensbedrohlich, er könnte daran sterben. Brutal getötet, um jemanden anderen zu schützen. Wie Cerberus damals. Es konnte doch nicht sein, dass diese Schlangen immer wieder auftauchten und Leichen hinterließen, wenn sie verschwanden. Sie konnten uns doch nicht jedes Mal jemanden nehmen, der uns wichtig war. Wieso? Wieso schafften wir es nie, Natrix zu überwältigen? Er konnte doch nicht jedesmal einfach so davon kommen. Nein, er würde dafür bezahlen. Das nächste Mal, wenn er vor mir stehen würde, würde er leiden und dann elendig an seinen Verletzungen verrecken. Und wenn ich selbst dabei drauf gehen würde.
„Geh schon“, murmelte Scar ruhig und schubste mich in Palutens Richtung, der immer noch an der Tür auf mich wartete. In der Mitte des Raumes ließ ich meinen Blick nochmal kurz über die Hounds und Cats gleiten, ehe ich wirklich zu Paluten ging.
„Wie gehts deinen Cats?“, fragte er, sobald ich vor ihm zu stehen kam. Der besorgte Blick blitze wieder auf, als er mich ansah und ich hoffte einfach nur, er würde mich jetzt nicht drauf ansprechen. Ich wollte keine tröstenden Worte, das würde gerade alles einfach nur schlimmer machen.
„Keine ernsten Verletzungen. Ich weiß nicht wie, aber die meisten sind gerade so an schlimmen Verletzungen vorbei gekommen. Bei einigen sollten unsere Ärzte trotzdem nochmal drauf schauen. Ein paar haben schon recht tiefe Messerstiche abbekommen“, klärte ich ihn über den Zustand meiner Cats auf. Normalerweise würde ich sagen, wir hätten Glück gehabt. Aber Zombeys Zustand warf Schatten auf unser 'Glück'. „Wie sieht's bei den Hounds aus?“
„Ähnlich. Einige tiefere Schnitte oder Prellungen durch Baseballschläger“, antwortete er mir. Den leicht tadelnden Blick als er zu der Sache mit den Baseys kam, ignorierte ich. Schnell wandelte sich dieser in Besorgnis um, und irgendwie fühlte sich das überhaupt nicht gut an. Als würden sich tausend heiße Nadeln in meine Haut bohren.
„Nimm's mir nicht übel, aber ich brauche Ruhe“, verabschiedete ich mich von Paluten und lief an ihm vorbei, ohne ihn nochmal zu Wort kommen zu lassen. Meinen Cats ging's gut, Scar würde sich schon um sie kümmern, bis ich wieder kam. Ich war ja nicht ganz weg, sondern immer noch im Hounds Quartier. Zielstrebig lief ich zu dem einzigen Ort, der mir momentan Ruhe versprach.
Der Baum stand einsam wie immer auf der Wiese, keine Menschenseele befand sich in der Nähe. Wahrscheinlich lag das daran, dass man durch Palutens Zimmer laufen musste, um herzukommen. Wusste überhaupt sonst noch jemand über diesen Ort Bescheid? Vermutlich schon. Aber seit ich hier war, war mir hier niemand begegnet, außer Paluten selbst. Zielstrebig erklomm ich den Baum und ließ mich gegen seinen Stamm sinken. Laut seufzte ich aus und schloss meine Augen. Sofort hatte ich Zombey vor meinem inneren Auge, weshalb ich sie schnell wieder aufriss. Was sollte ich nur tun, wenn er wirklich nie wieder aufwachte? Wie sollte ich das den anderen erklären? Wie sollten wir damit umgehen? Wie sollte ich mit dieser Schuld leben? Hätten wir es geschafft, Natrix unter Kontrolle zu bringen, wäre das nie passiert. Zombey wäre nicht niedergeschlagen worden, wäre nicht ohnmächtig. Er stünde nicht vor der Tür zum Tod.
Frustriert schrie ich auf. Ich hatte Angst. Ich wollte nicht nochmal den Schmerz fühlen, denn ich bei Cerberus Tod fühlen musste. Was sollte aus Shadow werden? Die beiden waren wie Geschwister. Sie würde daran zerbrechen. Und Scar? Der würde durchdrehen. Sein bester Freund wurde niedergeschlagen, als sie eigentlich Seite an Seite kämpften. Ich hatte nicht nur Angst um mich. Ich hatte nicht nur Angst um Zombey. Ich hatte Angst um alle. Sie würden es nicht verkraften, sich verschließen. War das nicht der Grund, warum wir uns zusammengeschlossen hatten? Um unsere scheiß Vergangenheit zu vergessen? Um ein Leben zu führen, das sich lohnte? Um nicht alleine zu sein? Was brachte uns das, wenn sich plötzlich jeder wieder verschließen würde? Natürlich ging das Leben weiter. Aber ohne Zombey wäre es nicht dasselbe. Es wäre anders.
Die ersten Tränen liefen meine Wange runter, unmöglich für mich, mich zusammenzureißen. Ich schaffte es ja nicht mal, mich selbst vom Heulen abzuhalten. Wie sollte ich da den anderen helfen? Sie brauchten ihren Leader, gerade jetzt. Und was tat ich? Ließ sie einfach alleine. Warum musste ausgerechnet ich in dieser Position sein? Sie zählten alle auf mich, vertrauten mir. Und alles, was ich tun konnte, war abhauen. Wie damals in der Lagerhalle. Während Cerberus an seiner Verletzung krepierte.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da saß und nachdachte. Meine Gedanken waren gefangen in einem Kreislauf aus Zombey, Cerberus und den Cats. Das nächste Mal, als ich bewusst meine Umgebung wahrnahm, war es schon dunkel. Der Mond spendete sein leichtes Licht und ließ die Umgebung weniger düster wirken. Das änderte aber nichts daran, dass es schon spät war. Ich sollte lieber rein gehen, bevor Paluten noch nach mir suchen würde...
Sobald ich vom Baum geklettert war, spürte ich erst die Kälte, die jeder Windstoß mit sich brachte. Wie konnte ich so lange draußen bleiben? Es war scheiße kalt. Als ich die Tür hinter mir schloss, umgab mich zwar keine wirkliche Wärme, es war aber auch nicht so kalt wie draußen. Ich lief den Korridor entlang, bis ich vor Palutens Zimmertür ankam. Ich atmete nochmal tief durch, für den Fall, das Paluten noch wach war. Ich wollte ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten, als ohnehin schon. Er sollte denken, es ginge mir gut. Ich griff nach der Klinke, als sich die Tür vor mir öffnete. Paluten stand mir gegenüber, überrascht musterte er mich. Zum Glück konnte man mein Gesicht in der Dunkelheit nicht genauer erkennen. So wie es sich anfühlte, waren meine Augen ziemlich krass geschwollen. Er trat zur Seite, damit ich eintreten konnte und schloss die Tür wieder, sobald ich mich im Zimmer befand. Sofort zog ich mich um und kroch unter meine Decke. Ich wollte nicht reden. Die Wahrscheinlichkeit war ziemlich hoch, dass ich wieder in Tränen ausbrach und darauf konnte ich gerade verzichten. Ich hörte es knarzen und kurz darauf ein leises Seufzen, als Paluten sich vermutlich auf sein Bett setzte. Ich konnte es nicht sehen, aber es fühlte sich so an, als würde er mich immer noch so besorgt mustern. Ich zog meine Decke höher und schloss meine Augen, nur um sofort wieder Zombey vor mir zusehen. Blut floss aus der Kopfplatzwunde und sein Mund war schmerzverzerrt, während seine Augen geschossen waren. Shit. Jedesmal hatte ich dieses Bild im Kopf.
Ich zwang mich dazu, ruhig zu atmen. Unaufhaltsam schossen mir die ersten Tränen in die Augen, während ich qualvoll versuchte, die Schluchzer zu unterdrücken. Wieder erklang ein leises quietschen, erst von Palutens Bett und dann von meinem, als er sich neben mich setzte.
„Manu. Du zitterst“, teilte er mir leise mit. Ich lag immer noch mit dem Rücken zu ihm, sodass ich seinen besorgen Blick, mit dem er mich heute schon mehrfach betracht hatte, nicht sehen musste. Dafür hörte ich die Besorgnis in seiner Stimme mitschwingen. Das war auch nicht viel besser.
„Alles gut, mir- mir ist nur kalt“, versuchte ich ihn zu beruhigen und könnte mich am liebsten selbst dafür schlagen. Meine Stimme klang verdammt schwach und zittrig, keine Chance, dass er mir glauben würde.
„Du musst nicht so tun, als ob alles okay wäre, wenn nichts okay ist“, ertönte es wieder hinter mir. Und verdammt, er hatte Recht, nichts war okay. Aber ich konnte nicht permanent heulen. Ich hatte eine Aufgabe zu erledigen. Ich musste die Erwartungen meiner Cats erfüllen und sie leiten. Dafür sorgen, dass es ihnen gut geht. Das konnte ich nicht, wenn ich in Selbstmitleid versank. Die Erfahrung hatte ich schon hinter mir. Ich konnte von Glück sprechen, dass Zombey und Scar mich damals aus diesem Loch gezogen hatten.
Wenn seine Atmung langsamer wird, sollte er in ein Krankenhaus oder er wird nie wieder aufwachen. Das ging nicht. Das war nicht möglich. Wir wurden gesucht, sobald Zombey in ein Krankenhaus käme, würde er danach direkt im Knast landen. Und wer weiß, für wie lange. Wir hatten noch nie jemanden umgebracht, aber unsere Westen waren alles andere als weiss. Und Zombey? Gerade er war einer der Bekanntesten von uns. Nach mir die zweitmeist gesuchte Cat. Das würde nicht gut ausgehen.
„Wisst ihr was? Ich würde lieber sterben als mich jemals von den Bullen schnappen zu lassen. Aber pah, die bekommen uns eh nie!“, verkündete Zombey uns, als er über die Mauer neben mir lief. Stolz schwang in seiner Stimme mit. Das erste Mal hatte die Polizei uns als GLP, Zombey und Scar erkannt. Sie wussten, wer wir waren, als sie uns durch die verwinkelten Gassen der Stadt gejagt hatten.
„Jungs, wir haben uns offiziell einen Namen gemacht!“, lachte Scar, ebenso begeistert wie Zombey. Und auch ich konnte eine gewisse Begeisterung nicht zurückhalten.
„Scheiß auf die Hounds! Scheiß auf die Bullen! Jetzt sind wir dran. Diese Stadt wird den Cats gehören!“, prophezeite ich aufgeregt. Das Adrenalin verschwand langsam aus meinem Körper, aber die Freude und der Stolz, als wir zum ersten Mal erkannt wurden, hielt verdammt lange.
Er würde lieber sterben, als in den Knast zu wandern. Das hatte er mir oft genug gesagt. Und ich wusste, dass unter all den Scherzen, die er darüber gemacht hatte, auch die Wahrheit steckte. Er würde es mir nie verzeihen, wenn er wegen mir im Knast landen würde. Und ich könnte mir selbst nicht verzeihen, dass ich es nicht geschafft hätte, Zombey als sein Leader, als sein Freund, zu beschützen, obwohl das meine Aufgabe war.
Wieder entfuhr mir ein Schluchzer, lauter als vorher und diesmal hatte Paluten ihn definitiv gehört. Neben mir knarzte es wieder, als er seufzend seine Position von einer sitzenden in eine liegende veränderte, und er vorsichtig mit einer Hand über meinen Rücken strich. Zuerst zuckte ich weg, drehte mich dann aber zu ihm und ließ es zu, dass er mich in eine beruhigende Umarmung zog. Seine Hand strich mir immer noch über den Rücken, während er seine andere an meinem Hinterkopf platzierte. Keiner von uns sagte was. Das einzige was man hörte, war mein gedämpftes Schluchzen, als ich meinen Kopf an Palutens Schulter drückte und hin und wieder beruhigendes Murmeln von Paluten, bis ich irgendwann einschlief.
Hach, ist das alles traurig.
Und das nächste Kapitel kommt erst wieder am Freitag.
Falls wir mal wieder 20 Kapitel weit vorschreiben, uploaden wir wieder täglich, aber das kann dauern xD (Silberschwingen)
Oh man, alle sind betrübt und Zombey ist lebensbedrohlich verletzt... läuft ja mega gut.
Und die täglichen Uploads sind auch erstmal vorbei... meh, heute gibt's leider nichts positives hier xD
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