Kapitel 43
Sicht Paluten
Ich starrte geschockt auf die Tür und Manu erging es nicht anders. Zombeys Worte schwirrten durch meinen Kopf und ich sah ihn wieder vor mir und all den Hass den seine Augen versprüht hatten. Ich schüttelte leicht meinen Kopf, um die Worte wieder aus meinem Kopf zu bekommen.
„Ich wusste ja, dass er mich hasst“, fing ich ernüchtert an, „aber dass er mich so sehr hasst, hätte ich nicht gedacht.“
Manu sagte nichts, sondern brummte nur. Ich blickte zu ihm und sah, dass er immer noch auf die Tür starrte. Und dann erinnerte ich mich wieder an die letzten Worte die Zombey an Manu gerichtet hatte. Shit. Manu war gerade völlig neben sich. Sein bester Freund hatte ihm gerade gesagt, dass er nicht wieder zu ihm kommen sollte, falls ich ihn verletzten würde. Das war hart.
„Hey“, fing ich irgendwie fürsorglich an obwohl ich keine Ahnung hatte was genau ich sagen sollte. „Alles okay bei dir?“, ich könnte mir ja gerade so dermaßen ins Gesicht schlagen! Natürlich ist nichts okay! Jeder im Umkreis von 100 Kilometern erkennt, dass nichts okay ist, aber nein ich Vollidiot frag natürlich die dümmste Frage, die man in so einem Moment stellen kann!
„Mhm, jaja, klar“, antworte er total abwesend. Hatte er meine bescheuerte Frage überhaupt verstanden? Normalerweise hätte er nämlich bemerkt wie dumm sie doch gewesen ist. Fuck. Es ging ihm total beschissen und ich stellte nur unnötige Fragen! Ich muss ihn doch irgendwie trösten oder so. Irgendetwas musste ich doch sagen können.
„Das meinte er bestimmt nicht so. Er ist ja eigentlich nur wütend auf mich“, ja. Das hat ihn definitiv getröstet. Super gemacht du Idiot! Shit. Was mach ich denn nur? Er steht immer noch total abwesend hier und murmelt irgendetwas was ich nicht verstehen kann. Sein Blick war immer noch auf die Tür gerichtet. Wir mussten aus diesem Raum raus.
„Hey, willst du in den Garten?“, fragte ich vorsichtig, aber Manu reagierte gar nicht erst. Mein Herz zog sich bei diesem Anblick zusammen. Wir müssen hier weg. Ich schnappte mir sein Handgelenk und zog ihn hinter mir her. Er ließ sich einfach von mir ziehen, stolperte mir hinterher. Wir mussten sofort zum Garten. Wenn irgendeine Cat ihn so sehen würde, dann- ich weiß nicht was dann wäre, aber es wäre bestimmt nicht gut. Schnell schritt ich mit Manu im Schlepptau durch die Gänge immer in Richtung des Gartens. Dieser Ort beruhigte ihn, sobald er wieder auf seinem Baum sitzt, fängt er sich bestimmt.
Wir kamen im Garten an und vor dem Baum ließ ich Manus Handgelenk wieder los. Er blieb regungslos stehen, starrte in den trüben Teich und sein Blick- Oh Gott sein Blick war so leer und doch lag ein kleiner Wasserfilm über seinen Augen. Ich konnte das nicht länger mit ansehen.
„Willst du nicht hochklettern?“, fragte ich verunsichert. Bitte, bitte kletter den Baum hoch.
„Was?“, er löste seinen Blick vom Teich und es schien mir so, als ob er erst jetzt mitbekommen hatte, dass wir uns im Garten befanden. „Ach so, ja gleich“
„Okay“, sagte ich, aber es war nicht okay. Fuck. Manu war so gerade so aufgelöst, dass ich heulen könnte. Es fühlte sich so an als könnte ich fühlen was er fühlte, wenn ich ihn nur betrachtete. Ich war so dermaßen überfordert, dass ich einfach nichts machen konnte und ich hätte auch nicht gewusst was ich hätte tun sollen. Ihn umarmen vielleicht? Dafür schien er mir zu weit weg zu sein, zu weit woanders. Er war nicht im Hier und Jetzt. Und die Frage in welcher Zeit er sich gerade befand, machte mir Angst. So große Angst, dass ich nur stumm daneben stehen konnte. Ich beobachtete Manu, betrachtete ihn, nahm jede noch so kleine Bewegung war. Vor 5 Jahren hätte ich genau gewusst was ich hätte tun sollen. Ich hätte genau die richtigen Worte gefunden und irgendwie hätte ich es vermutlich geschafft ihn zum Lachen zu bringen. Aber jetzt? Er kam mir so fremd vor, obwohl er eigentlich so vertraut war. Ich hasste diese Distanz, diese innerliche Distanz für die ich verantwortlich bin. Das ist alles meine Schuld, das ist- stop. Nicht in Selbstmitleid versinken. Manu braucht mich jetzt. Auch wenn ich nicht genau wusste wie ich ihm helfen konnte und ob ich dazu überhaupt in der Lage war, aber irgendetwas musste ich tun. In diesem Moment kehrte wieder Leben in Manu und schon kletterte er auf dem Baum und lehnte sich im nächsten Moment gegen dessen Stamm und schloss die Augen. Sofort kletterte ich ihm hinterher und setzte mich neben ihn. Ich hatte Angst, dass er diesmal wirklich runterfallen würde. Und so saßen wir schweigend auf dem Baum, tausend Gedanken schweiften durch meine Kopf. Sollte ich was sagen? Wenn ja was? Worüber er wohl nachdachte? Soll ich ihn umarmen? Soll ich überhaupt etwas tun oder würde er das gar nicht wollen? Aber eine Frage war permanent im meinem Kopf: Was hatte Zombey gemeint? Wie war Manu denn gewesen, als die Hellhounds sich getrennt hatten? Aber könnte ich diese Frage stellen. Sie ausgerechnet jetzt stellen? Andererseits: Vielleicht beschäftigte Manu sich ja gerade damit und wenn er das wirklich tun würde, würde reden ihm dabei bestimmt helfen. Okay. Ich frag ihn einfach.
„Was hat Zombey eigentlich gemeint, als er sagte, dass dein Zustand ziemlich labil war?“, meine Stimme klang mir irgendwie fremd, als ich die Frage aussprach.
Sicht GLP
Zombeys Worte verletzten mich, bohrten sich wie Messer in mein Herz. Aber war ich nicht selbst Schuld daran? Hatte ich überhaupt richtig gehandelt?
Die Tür knallte zu, doch ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr abwenden. Vielleicht hoffte ich ja, sie würde sich wieder öffnen. Vielleicht hoffte ich, Zombey käme zurück und wir würden das wie Erwachsene klären. Alles wäre vergeben und vergessen.
Vielleicht hoffte ich aber auch, die Tür würde sich öffnen und Cerberus würde den Raum betreten. Wie früher, wenn er mal wieder alleine unterwegs war und Paluten und ich auf der Couch saßen und auf ihn warteten. Jedes mal haben wir uns mehr gefreut, als kleine Kinder, wenn der 'Weihnachtsmann' vor ihnen steht. Wir hatten uns schrecklich einsam ohne ihn gefühlt. Wir haben uns gegenseitig abgelenkt, aber zugeben wollte es keiner von uns.
Aber das war Unsinn. Weder würde Zombeys Wut einfach so verfliegen, noch würde Cerberus zurück kommen. Diese Tür würde wohl nicht mehr von den beiden geöffnet werden.
Ich konnte einfach nur hoffen, dass ich bei Zombey noch nicht ganz verkackt hatte. Hätte ich nicht lieber zu Zombey, meinem besten Freund, der für mich da war, als alles schief lief, halten sollen? Hätte ich nicht seine Meinung vertreten sollen? War es ein Fehler, Paluten zu verzeihen? Scheiße, warum war dieser ganze Mist so kompliziert?
„Komm bloß nicht wieder angekrochen, wenn er dich erneut fallen lässt!“ Zombeys Worte hallten in meinem Kopf nach. Und verdammt, er hatte Recht. Mich in solch einer Situation schon wieder an Zombey zu klammern, das hätte er nicht verdient. Er hat mir schon mal geholfen, er hatte mich aufgebaut, mich aufgefangen. Aber trotzdem. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Paluten mich nochmal so verletzten würde.
„Willst du nicht hochklettern?“, riss Paluten mich aus meinen Gedanken. Ich schreckte hoch und blickte mich etwas verwundert um. Seit wann sind wir im Garten? Wie tief war ich bitte in Gedanken?
„Ach so, ja gleich“ bestätigte ich seine Frage, kletterte allerdings nicht sofort auf den Baum. Ich driftete wieder in Gedanken ab, die ich nicht abschütteln konnte. Oder wollte.
Letztendlich entschied ich mich doch dazu, den Baum zu erklettern. Wenn ich meine Gedanken ordnen wollte, brauchte ich einfach einen erhöhten Platz. Das war schon immer so, das würde auch vermutlich immer so bleiben.
Ich lehnte mich gegen den Stamm und schloss meine Augen. Sollte ich hier oben einschlafen, müsste ich wenigstens nicht so viel darüber nachdenken. Jedenfalls für einen kurzen Augenblick.
Paluten kletterte mir wohl nach, den kurz darauf spürte ich ihn neben mir. Bemerkte die Wärme, die von ihm ausging und die ich schon als Kind immer wahrgenommen hatte.
Schweigend saßen wir nebeneinander, ich hörte nichts außer dem leisen Rascheln einiger Blätter, die im Wind hin und her wehten. Die Atmosphäre beruhigte mich und von mir aus hätte es jetzt erst mal so bleiben können. Paluten dachte da scheinbar anders.
„Was hat Zombey eigentlich gemeint, als er sagte, dass dein Zustand ziemlich labil war?“
Diese Frage kam nicht plötzlich, sie war eigentlich ziemlich vorhersehbar und trotzdem hatte ich sie gerade nicht erwartet.
Innerlich haderte ich mit mir, ob ich ihm davon erzählen sollte. Nicht, weil es mir schwer fallen würde. Aber ich wusste ganz genau, dass er sich die Schuld geben würde für etwas, das ich eigentlich längst hinter mir gelassen hatte.
„Also, du musst natürlich nicht. Ich-“, seine Stimme klang leicht schuldbewusst, als würde er es bereuen, überhaupt gefragt zu haben.
„Als wir damals abgehauen sind, waren wir grade mal zu neunt. Ich, Zombey, Scar, Xain, Eagle, Itami, Hana, Mori und Seishin. Wir mussten ein komplett neues Leben anfangen. Wir haben mit der Zeit immer neue Member bekommen. Unser Gebiet erweitert. Neue Kunden gewonnen und andere Gangs verjagt“, ich unterbrach meine Rede selbst mit einem kleinen Seufzer.
„Aber eigentlich waren das Zombey und Scar. Ich hab kaum etwas dazu beigetragen. Während die anderen Cerberus Tod wenigstens einigermaßen verkraftet hatten, es zumindest versuchten, hab ich einfach nur in Selbstmitleid gebadet. Sein Tod und die Trennung der Hounds, unsere 'Trennung', hat mich fertig gemacht. Ich kam nicht damit klar.“
Ich spürte, wie Paluten sich neben mir etwas verkrampfte. Wie gerne ich an diesem Punkt hier stoppen würde, aber er wollte die Wahrheit. Ich musste alles erzählen.
„Zombey und Scar haben den anderen in meinem Namen Befehle erteilt, sie geleitet. Sie haben meinen Zustand vor den anderen verheimlicht, leicht war das bestimmt nicht. Sie haben alleine dafür gesorgt, dass die Cats das sind, was wir jetzt sind. Ich hab mich am Anfang kaum bei den anderen blicken lassen. Ich bin alleine in meinem Zimmer geblieben, bis ich mich letztendlich auf's Dach geflüchtet hatte. Ich versank einfach weiter in meinem kleinen Loch und wäre am liebsten gar nicht mehr rausgekommen. Alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich hinter mir gelassen hatte, kam schlagartig wieder auf mich herein geprasselt.“
Paluten zog scharf die Luft ein und unterbrach mich so. Wahrscheinlich erinnerte er sich an die Worte, die er mir entgegen spuckte und was sie wohl bewirkt haben mussten.
„Zombey und Scar haben immer wieder versucht, mich aufzumuntern. Sie haben sich verdammt viel Mühe gegeben. Aber egal was sie taten, es hat nichts gebracht. Ich habe mich in meinen Gedanken verkrochen und nichts an mich rangelassen. Der Kontakt zu meinen Cats wurde sogar noch weniger.
Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich mich entscheiden musste. Entweder, ich reiße mich zusammen oder ich haue ab. Lasse meine Cats alleine und verschwinde einfach. Und glaub mir, ich war kurz davor zu verschwinden. Sie brauchten mich ja eh nicht. Es hatte doch auch ohne mich funktioniert. Zombey und Scar hätten das schon hinbekommen. Aber trotzdem- irgendwas in mir trieb mich an. Ich konnte und wollte sie nicht alleine lassen. Ich riss mich also zusammen. Ich hab angefangen, das Kommando zu übernehmen. Die Aufträge kamen wieder von mir, ich suchte den Kontakt zu meinen Cats und wurde wieder ihr Leader“, ich machte eine Pause, um Paluten die Chance zugeben, nachzuhaken, aber er ließ mich reden. Hörte einfach nur zu und versuchte zu verstehen. Und dafür war ich ihm dankbar.
„Dennoch, ich war nicht so, wie ein Leader sein sollte. Natürlich hab ich sie angeführt, ihre Probleme beseitigt und dafür gesorgt, dass die Cats sich verbreiteten. Aber ich war kalt. Ich habe ihnen nicht richtig zugehört, mir nicht so viel Zeit genommen, wie ich mir hätte nehmen sollen. Ich habe nie an eine einzelne Cat gedacht, sondern nur an die Gruppe. Ich habe kein Individuum beachtet, sondern nur das Kollektiv. Alles andere war mir egal. Es ging sogar so weit, dass manche Angst vor mir hatten. Vor ihrem eigenen Leader. So wollte ich eigentlich nie sein, und trotzdem ist es so gekommen.
Zombey hat mich dann irgendwann zur Seite genommen. Mich zusammengeschissen. Kein Mitleid mehr, keine netten Worte. Nein, er hat mir die Wahrheit ins Gesicht gebrüllt. Und ich hab zurück geschrien. Alles geleugnet und ihn gefragt, wie er es wagen kann, mich in Frage zu stellen. Es kam, wie es kommen musste: wir haben uns geprügelt. Scar ist dann dazwischen und hat uns auseinander gezerrt.
Aber anders als erwartet hab ich in dem Moment keinen Hass verspürt, kein Selbstmitleid und keine Selbstzweifel. Alles war weg. Jegliche bedrückende Gedanken waren zumindest kurzzeitig einfach verschwunden. Ich hab einfach nur gelacht. Und Zombey und Scar? Die haben mich perplex angeguckt, weswegen ich noch mehr lachen musste. Irgendwann fingen die beiden auch an zu lachen. Naja, du kennst sie ja. Zombey hat beinahe direkt gelacht und Scar hat uns erstmal für verrückt erklärt und sich die Hand vor die Stirn geschlagen.
Die beiden waren zwar schon vorher für mich da, aber irgendwie war's ab da noch schlimmer. Ich weiß nicht, die beiden waren einfach
immer da. Egal wo ich hingegangen bin, ich hatte die beiden am Arsch kleben. Und immer wieder haben sie mich zum Lachen gebracht. Wir wurden wirklich beste Freunde.
Ich wurde mit der Zeit etwas ruhiger, etwas zugänglicher. Die Verbindung zwischen mir und den Cats wurde so, wie sie von Anfang an eigentlich hätte sein sollen und wir wuchsen noch mehr.
Bis zu diesem Punkt.“
Ich beendete lächelnd meinen elendig langen Monolog. Zombey und Scar waren die Menschen, die mir in den letzten Jahren am meisten ans Herz gewachsen waren. Das wurde mir gerade mal wieder bewusst.
Umso schmerzhafter der Gedanke, dass Zombey mich hassen könnte.
Ich öffnete meine Augen, nachdem ich sie den ganzen Monolog über geschlossen hatte. Mein Blick wanderte zu Paluten, der mir während meiner Rede immer näher gekommen war. Oder war ich näher an ihn gerutscht? Ich wusste es nicht. Fakt war, dass die von ihm ausgehende Wärme immer noch Trost spendete.
Sein Blick gefiel mir aber überhaupt nicht. Er blickte mich wieder so schuldbewusst an, und war wahrscheinlich wieder kurz davor, sich zu entschuldigen.
„Wenn du dich jetzt bei mir entschuldigst, schwöre ich dir, dann lernst du fliegen!“, drohte ich ihm halb spaßend halb ernst.
„Aber ich- okay“, nach einem erneuten drohenden Blick gab er sich geschlagen und lächelte mich vorsichtig an.
„Irgendwie verstehe ich Zombey jetzt noch besser als vorher. Der denkt doch bestimmt, du würdest ihn ersetzten wollen“, nachdenklich blickte Paluten mich an. Ich zuckte bei dieser Erkenntnis zusammen. Verdammte Scheiße, der Junge könnte sogar Recht haben!
Aber als ob ich Zombey jemals ersetzten könnte! Das konnte der doch nicht wirklich denken, oder? Er wusste doch bestimmt, dass er und Scar meine besten Freunde waren.
Trotzdem, vielleicht war ja daran doch etwas Wahres. Es würde seine Reaktion erklären. Verdammt, wie konnte er nur so was dummes denken!
Es ist so schlimm jemanden total deprimiert zu sehen und total überfordert daneben zu stehen. Man weiß einfach nicht was genau man machen soll und was man sagt und macht kommt einem falsch vor. Und das habe ich versucht im Palutens Gedankengängen zu zeigen. Ich hoffe es ist mir einigermaßen gelungen ^^ (Silberschwingen)
Wie bitte? Die Gang Namen sind hauptsächlich Englisch und Japanisch? Ich weiß nicht, wovon ihr redet. Don't judge me! xD
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