Kapitel 131
Sicht Paluten
Müde öffnete ich meine Augen. Ein komisch klackerndes Geräusch hatte mich geweckt. Manu lag weder an mich gekuschelt, noch neben mir, seine Wärme fehlte, die Seite neben mir war leider leer und kalt. Ich schaute mich um und fand auch den Ursprung des komischen Geräuschs. Manu saß auf dem Bett, hatte Cerberus' Laptop auf seinem Schoß und tippte auf der Tastatur herum. Seit wir vor ein paar Monaten Handys für die Führungspitze organisiert hatten, wollten die anderen auch welche. Also waren wir mittlerweile dabei Handys für alle aufzutreiben, was leider etwas dauerte. Nachdem wir unsere Handys damals eingerichtet und mit Prepaidkarten ausgestattet hatten, sind Manu und ich zu Cerberus' Hütte gegangen um seinen Drucker ins Houndsquartier zu bringen. Wir hatten uns Druckermaterial organisiert und hatten alle Ordner kopiert. Jetzt stand in jedem Hauptquartier alles. Zusätzlich kam Manu noch auf die Idee alles einzuscannen und auf Cerberus' Laptop zu speichern. Manu hatte angefangen all unsere Aufzeichnung zu digitalisieren und jetzt nutzte er Excell Tabellen, Word und co um alles zu planen. Alles digital zu organisieren gefiel ihm besser und er war so noch schneller, als er es ohnehin schon war. Mittlerweile hatte er sich das Ziel gesetzt gleich noch einen Laptop zu organisieren und diesen im Catsquartier zu lassen, dann müsste er nicht immer den Laptop mit rumschleppen. Immer noch etwas verschlafen bewegte ich mich zu Manu. Ich lag immer noch im Bett, jetzt allerdings auf meinem Bauch und umklammerte mit meinen Armen Manu während ich meinen Kopf gegen seine Seite lehnte.
„Wieso bist du schon wach?“, fragte ich ihn. Normalerweise war ich vor ihm wach und musste ihn aus dem Bett schmeißen, damit er endlich aufstand. Manu lenkte kurz seinen Blick zu mir, lächelte und richtete seinen Blick sofort wieder auf den Bildschirm. Seine Finger schwebten über der Tastatur und ich warf einen Blick auf das Display des Laptops. Da der Laptop keine Internet Verbindung hatte mussten wir uns auch keine Sorgen um Hacker machen. Manu arbeitete an einer großen Exell Tabelle auf der er die Treffen mit den Kunden explizit verewigte. Alles was wichtig ist, hatte eine eigene Zeile in Manus System bekommen, dementsprechend hatte die Tabelle recht viele Spalten. Der Junge machte keine halben Sachen, glücklicherweise konnte ich mich schnell an sein ausführlicheres System gewöhnen.
„Konnte nicht mehr schlafen, da dachte ich, ich mache mich gleich mal nützlich“, meinte Manu und fokussierte immer noch die Tabelle vor sich und füllte die Zeilen mit Zahlen und Worten die zu den Überschriften der jeweiligen Spalte passten.
„Hast du keinen Hunger?“ Ein Grinsen stahl sich auf Manus Gesicht und eine Hand löste sich von der Tastatur um mir liebevoll durch die Haare zu wuscheln.
„Dass du immer ans Essen denken musst“, amüsiert sah er zu mir und ich machte einen Schmollmund woraufhin er lachte. Ich beobachtete wie er den Cursor der Maus auf das Speichersymbol bewegte, dann legte er den Laptop zur Seite. Ich setzte mich jetzt auch hin und Manu zog mich zu sich, um seine Lippen auf meine zu legen. „Na dann lass uns mal was Essen gehen, aber vorher sollten wir uns wahrscheinlich umziehen“, sagte er nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. Zufrieden nickte ich und verschwand im Bad. Manu folgte mir und wir zogen uns schnell an, danach gingen wir in den Aufenthaltsraum. Wir bereiten uns schnell etwas zu Essen vor und setzten uns an die Anrichte. Ein paar unserer Mitglieder tummelten sich im Aufenthaltsraum rum und unterhielten sich entweder durch Gespräche oder spielten Kartenspiele. Sie hatten unseren Vorschlag der Namensänderung gut aufgenommen. Nightmare Hounds hatte allen gefallen, nachdem sie den Schock der Änderung überwunden hatten. Unser Symbol war jetzt ein Hundegebiss, das von lila und blauen Flammen umgeben war. Lila weil es die Mischung aus Rot und Blau war, weil Manu und ich das passend fanden, ansonsten wären die Flammen nur in Blautönen gewesen, um die Farbe der Cats zu representieren.
Nachdem wir gegessen hatten machten wir uns schnell wieder auf den Weg in unser Zimmer und von dort aus direkt mit Laptop bewaffnet in den Garten. Manu beschäftigte sich wieder mit den Tabellen und ich half ihm dabei. Meinen Kopf hatte ich auf seiner Schulter abgelegt und ich war kurz davor doch tatsächlich einzudösen, als ein Klingelton mich hochschrecken ließ. Manu lachte amüsiert, ehe er in seiner Hosentasche nach seinem Handy kramte und es hervorzog. _Eagle_ mit einem Alder Emoji war auf dem Display zu sehen. Sofort nahm Manu ihren Anruf an.
„Was gibt's?“, fragte er in sein Handy und aktivierte den Lautsprecher.
„Xain und mir sind ein paar Dealer aufgefallen, die es tatsächlich wagen in unserem Gebiet zu ticken“, sie klang wütend und im Hintergrund konnte ich mehrere Stimmen ausmachen. „Kommt zu uns. Ich schick euch den Standort.“ Ein kurzer Benachrichtigungston erklang und sofort öffnete Manu WhatsApp, um sich den Standort anzusehen.
„Haben die euch schon gesehen?“, fragte ich Egale.
„Noch nicht, nein. Wir wollen warten bis ihr hier seit. Es sind fünf Leute und Xain und ich wollen kein Risiko eingehen“, ertönte es leicht knisternd aus dem Telefon. Manu hatte mittlerweile Google Maps geöffnet und schloss es kurz darauf wieder.
„Das ist nicht weit entfernt“, murmelte er zu mir und zu Eagle sagte er, dass wir uns auf den Weg machten, bevor er auflegte. Wir gingen ins Gebäude zurück und Manu legte den Laptop nach den Abspeichern auf den Schreibtisch neben unserem Bett und schaltete ihn aus. Danach gingen wir in den Waffenraum, während ich mir ein Messer schnappte, sah ich im Augenwinkel wie Manu auf einen Gegenstand zu steuerte.
„Nein, Manu tu mir das nicht an“, fing ich gequält an, aber es half nichts, denn er hielt eisern seinen Basey in der Hand.
„Was denn?“
„Ach nichts“, fing ich an. „Ist nur nicht unbedingt unauffällig dein Basey.“
„Es ist doch ein total normaler Baseballschläger“, versuchte er mich zu überzeugen, aber ich zog nur eine Augenbraue nach oben und er seufzte. „Bitte. Sonst kann ich den nie benutzen, lass mir den Spaß.“ Jetzt war ich es, der seufzte und nachgab. Wir verließen kurz darauf das Waffenzimmer und dann das Houndsquartier. Catsquartier und Houndsquartier. An den Namen hatten wir nichts geändert, weil wir sie so besser auseinander halten konnten.
Sicht GLP
Wir folgten der Straße, die vom Houndsquartier wegführte, bis wir in belebtere Gegenden kamen. Ab hier mussten wir darauf achten, nicht gesehen zu werden. Palle hatte Recht, mit dem Baseballschläger waren wir nicht gerade unauffällig, aber bei unserem Glück wären wir auch ohne erkannt worden, wenn uns jemand gesehen hätte. Es änderte also sowieso nichts, ob ich den jetzt mitnahm oder nicht. Es war immer noch derselbe Basey, den wir damals Nigan abgenommen hatten, nur deutlich sauberer als vorher. Einige der herausragenden Nägel waren zwar abgeknickt und generell war die Sache mit den Nägeln etwas makaber, aber es fühlte sich nicht richtig an, den Schläger zu entsorgen, egal, was damit vermutlich alles getan wurde. Wir hatten noch zwei weitere Baseballschläger, einen im Catsquartier und einen zweiten im Houndsquartier. Paluten davon zu überzeugen, war schwer gewesen, aber letztlich hatte er wohl gehofft, so würde ich wenigstens von Nigans altem Schläger ablassen. Ich bekam nicht oft die Chance, überhaupt einen davon zu benutzen, aber wenn ich mal die Möglichkeit hatte, hatte ich wirklich versucht, nicht Nigans zu nehmen, sondern einen der harmloseren. Aber auch das fühlte sich für mich nicht richtig an. Es war einfach nicht dasselbe. Mir gefiel zwar das Gefühl, den Basey zu benutzen, aber es machte eben doch einen Unterschied, ob man etwas persönliches mit der potentiellen Waffe in seiner Hand verband oder nicht. Shit, ich hörte mich fast schon an wie ein sadistischer Mörder. Auf irgendeine Art und Weise war ich das ja auch, zumindest ein Mörder. Genossen hatte ich es nicht, aber ich bereute es auch nicht. Es musste getan werden, um meine Familie zu beschützen. Ich kam klar damit, es belastete mich nicht.
Das gute war, dass der Standort, den Eagle uns gesendet hatte nicht allzu weit vom Houndsquartier entfernt war. Das schlechte war, dass der Standort nicht sehr genau war. Eagle und Xain befanden sich irgendwo in der Mitte des Park, den wir gerade ansteuerten. Also mussten wir wohl etwas suchen. Wir folgten den Parkwegen, bis Paluten mich anstieß und auf Eagle und Xain deutete, die schon auf uns zuliefen.
„Die stehen einfach dahinten, mitten auf dem Basketballfeld. Total sorglos. Wie respektlos kann man bitte sein!“, echauffierte Eagle sich sofort, als die beiden vor uns zum stehen kamen. Sie hatte ihre Stirn gerunzelt und ihre Hände zu Fäusten geballt. Mich wunderte es fast schon, dass sie auf uns gewartet hatte. Wahrscheinlich war Xain daran nicht ganz unschuldig. Im Gegensatz zu ihr war er ruhiger. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sichtlich angepisst, aber weniger aufgebracht.
„Fünf Leute, scheinen relativ strukturiert zu sein, jedenfalls gibt's da 'ne Hackordnung. Keiner kommt mir bekannt vor, entweder sind die verdammt unauffällig oder zum ersten Mal hier unterwegs. Zwei Kunden bis jetzt gehabt, schien mir nicht nach 'nem festen Termin sondern eher zufällig gewesen zu sein. Und ähm. Ah genau. Die sehen nicht so aus, als würden die sich verziehen, wenn man sie nett darum bittet“, skeptisch musterte Xain uns und dann den Baseballschläger in meiner Hand. „So wie's aussieht, hattet ihr das aber auch nicht vor.“ Er grinste etwas, Paluten seufzte und ich zuckte mit den Schultern.
„Wir sind nur auf alle Eventualitäten vorbereitet. Das ist alles“, winkte ich ab. „Woher weißt du das mit der Rangordnung?“
„Beide Male wurde das Geld von den Dealern an die gleiche Person weitergeleitet. Außerdem hat eben dieser Typ Anweisungen gegeben und innerhalb der Gruppe scheint es auch, ja, nennen wir's mal Differenzen, zu geben“, antwortete Eagle für ihn. Sie war immer noch aufgebracht. Verständlich. Ratten in unserem Gebiet und dann auch noch eine Fünfergruppe. Wie dreist konnte man sein? Wir duldeten schon einzelne Dealer nicht hier, da würden wir erst recht keine Gruppe dulden.
„Dann lasst uns die besser mal verjagen, was? Bevor die denken, sie könnten sich hier ungehindert breit machen“, meinte Paluten und die anderen nickten. Ich spielte mit dem Basey. Es war lange her, seit ich ihn zuletzt in der Hand hatte, viel zu lange, aber trotzdem fühlte es sich so an, als hätte ich meinen Griff darum nie gelockert. Ich schaute zu Paluten, der skeptisch meinen Baseballschläger musterte. Als ihm bewusst wurde, dass ich seinen Blick bemerkt hatte, schüttelte er den Kopf und folgte Xain und Eagle, die vorgelaufen waren, um uns zu dem Basketballplatz zu führen. Ich holte die drei auf und zusammen liefen wir das letzte Stück zum Feld. Schon auf einiger Entfernung konnte man drei Personen sehen, die sich innerhalb des umzäunten Feldes befanden, während zwei weitere von außen gegen den Zaun lehnten, den ich auf knapp fünf Meter Höhe schätzte. Eagle und Xain ließen sich jetzt hinter uns fallen, sodass Paluten und ich die Führung übernahmen. Die drei innerhalb des Feldes schienen keine Notiz von uns zu nehmen, dafür schauten die beiden außerhalb zu uns rüber. Erst, als wir schon fast den Platz erreicht hatten, bemerkten die anderen drei uns und traten näher zum Ausgang, allerdings verließen sie den Platz nicht. Wir waren noch nicht mal bei ihnen angekommen, doch selbst auf die Entfernung konnte ich sehen, dass wir es da wohl gleich mit typischen Wannabee-Gangstern zu tun bekommen würden: Kleine Fische, die von nichts 'ne Ahnung haben und denken, uns zu verarschen wäre easy. Keine wirkliche Herausforderung, aber unterschätzen sollte man sie trotzdem nicht, immerhin waren sie zu fünft und -so wie ich das einschätzte- ziemlich leichtsinnig. Überstürztes Handeln wäre also nicht verwunderlich, sondern eher zu erwarten.
„Kann man euch irgendwie weiterhelfen?“, einer der beiden Typen hatte sich vom Zaun abgestoßen und kam vor uns zum stehen, der andere folgte, blieb aber knapp hinter ihm. Die anderen drei hatten ebenfalls ihre Umzäumung verlassen. Ich musterte sie jetzt richtig. Die zwei vor uns sahen sich ähnlich, wahrscheinlich Brüder oder irgedwie sonst verwandt. Ich schätze sie nicht älter als fünfundzwanzig, eher jünger. Die anderen drei beobachteten uns neugierig. Auch sie waren definitiv nicht älter als fünfundzwanzig. Das einzige Mädchen der Gruppe war wahrscheinlich gerade mal an die zwanzig, der Typ mit dem Basketball wahrscheinlich auch. Bei dem letzten fiel es mir etwas schwerer, sein Alter genau einzuschätzen. Auf den ersten Blick sahen sie nicht anders aus als andere in ihrem Alter und ich würde nicht unbedingt erwarten, dass sie Drogen vertickten, hätten Xain und Eagle es nicht selbst gesehen.
„Ihr könnt eure Ärsche aus unserem Gebiet entfernen!“, Eagle wirkte gereizt, hatte ihre Hände wieder zu Fäusten geballt. Xain stieß ihr mit dem Ellbogen leicht in die Seite. Typ Nummer Eins zog eine Augenbraue hoch, Nummer Zwei wirkte desinteressiert und die anderen drei fingen an, aufgeregt miteinander zu tuscheln. Typ Nummer Eins war offensichtlich derjenige, den Xain und Eagle schon als Anführer klassifiziert hatten. Sein vermeintlicher Bruder schien so 'ne Art zweite Instanz zu sein und die anderen drei waren wahrscheinlich nur Mitläufer.
„Sorry Süße, aber warum genau sollten wir das machen?“, Typ Eins zog fragend die Augenbraue hoch. Währenddessen liefen die anderen drei auf Typ Zwei zu und flüsterten ihm etwas zu. Er musterte sie, dann musterte er uns. Eagle stieß hörbar einen genervten Laut aus, allein schon wegen dem Süße , sagte aber ansonsten nichts. Wahrscheinlich, weil sie diesmal uns die Chance geben wollte, das Wort zu erheben.
„Seid ihr Hellhounds oder seid ihr Nightmare Cats?“, Typ Nummer Zwei mischte sich in das Gespräch ein, immer noch musterte er uns skeptisch, hauptsächlich Paluten und mich.
„Nightmare Hounds“, korrigierte ich ihn, „Und ihr befindet euch in unserem Territorium. Hat euch keiner davor gewarnt, dass wir keine Ratten hier haben wollen?“ Demonstrativ drehte ich den Baseballschläger in meiner Hand und ließ die Nägel dabei etwas über den Boden schaben. Ich wollte nicht unbedingt noch mehr der Nägel verbiegen, als sowieso schon. Die harmloseren drei wichen etwas zurück, während die anderen beiden sich nicht viel anmerken ließen.
„Oder habt ihr gedacht, wir wären dumm und würden es nicht merken?“, Palutens Stimme hatte etwas bedrohliches an sich. Typ Nummer Zwei stellte sich jetzt neben Typ Nummer Eins und schaute abwertend.
„Also wollt ihr vier euch jetzt mit uns fünf anlegen, oder was? Mag ja sein, dass ihr hier lange Zeit alles kontrolliert habt, aber alles hat mal ein Ende. Euer Zusammenschluß wird euch da auch nicht viel helfen“, Typ Zwei verschränkt die Arme.
„Ziemlich große Klappe für irgendwelche zweitklassigen Dealer“, Paluten nickte scheinbar nachdenklich. Wenn es ein Zeichen gab, dann hatte ich es wohl verpasst. Beinah gleichzeitig stürzten Typ Eins und Zwei auf uns zu. Nummer Eins wurde durch eine gezielte, aber relativ harmlose Stichverletzung von Palutens Messer gestoppt, welches er blitzschnell hervorgezogen hatte, Nummer Zwei bekam die weniger schmerzhafte Seite meines Baseys in den Magen gerammt. Überstürztes Handeln, wie vermutet. Typ Eins hielt sich die Schulter und Blut quoll zwischen seinen Finger hervor, während er fluchte. Typ Zwei krümmte sich und schien so, als würde er sich jederzeit übergeben. Ich hatte wohl doch etwas mehr Wucht in den Schlag gelegt, als geplant. Das Mädchen schrie erschrocken auf, als sie das Blut aus der Verletzung von Palles Angreifer sah, während die anderen beiden nur fluchten. Die Verletzung schätzte ich als nicht wirklich tief ein, aber Blut ist Blut und um sie zu verängstigen reichte es.
„Also entweder, ihr verpisst euch jetzt und kommt auch nicht mehr wieder, oder wir machen ernst“, drohte Paluten, während Typ Eins wieder nur fluchte und weiter die Hand auf seine Verletzung drückte. Typ Zwei schien seinem Drang nachzugeben und stolperte etwas nach hinten, um sich in ein Gebüsch unweit der Mitläufer zu übergeben. Das Mädchen quietschte überrascht, der Basketball-Typ verzog angeekelt sein Gesicht und der andere murmelte widerlich.
„Angenehm“, ich verzog ebenfalls etwas das Gesicht. Damit hätte er jetzt auch ruhig warten können, bis die fünf nicht mehr in unserer Nähe waren. „Also was jetzt: Verschwindet ihr freiwillig oder müssen wir euch dabei helfen?“ Drohend hob ich meinen Basey an und Palle sein Messer.
„Ist ja gut, ist ja gut. Wir hauen ab“, das Mädchen hob beschwichtigend ihre Hände.
„Was? Das kannst du nicht einfac-“
„Guck dir deinen Bruder an, wie will der uns noch groß helfen? Der kotzt doch nur alles voll und du blutest“, sie unterbrach Typ Nummer Eins. Er schien protestieren zu wollen, knirschte dann aber mit den Zähnen und wandte sich wieder uns zu.
„Schön. Dann verschwinden wir halt“, gab er nach und entfernte sich etwas von uns.
„Zuerst gibst du uns das Geld, das ihr hier verdient habt, dann verpisst ihr euch und kommt nicht mehr wieder“, hielt ich ihn zurück und er riss die Augen auf, wollte protestieren.
„Ihr habt unerlaubterweise Geld in dem Gebiet der Nightmare Hounds durch Drogenhandel verdient. Findet ihr nicht, dass das Geld uns zusteht?“, Paluten musterte sie geringschätzig. Die drei nickten heftig, Typ Zwei stöhnte nur leise und Typ Eins ballte seine Faust, gab aber nach.
„Dann nehmt's halt“, grummelte er und zog einige Scheine aus seiner Tasche, die er Paluten reichte. Er nahm es entgegen und steckte es in seine eigene Tasche. Wir ließen die fünf ziehen. Es war unwahrscheinlich, dass sie noch hierbleiben würden. Typ Zwei war immer noch ziemlich bleich und Typ Eins sollte wohl mal seine Verletzungen versorgen. Wir machten uns zusammen mit Xain und Eagle wieder auf den Weg ins Houndsquartier und beschlossen, dass nähere Gebiet hier in der nächsten Zeit zu überwachen. Außerdem sollten wir wohl dafür sorgen, dass mehr Leuten bekannt wurde, dass wir uns zusammengeschlossen hatten. Es war wohl Zeit dafür, unser neues Logo überall in der Stadt zu hinterlassen.
Sicht Maudado
Ich lag auf dem Bett und hielt ein Buch in meinen Händen. Shadow hatte es mir empfohlen und bis jetzt gefiel es mir recht gut. Zombey neben mir war irgendwann eingeschlafen. Sein Arm lag auf meinem Bauch und sein Kopf lag halb auf meiner Schulter. Nachdem wir gefrühstückt hatten, hatte ich mir das Buch geschnappt und hoffte es jetzt zu Ende lesen zu können. Zombey hatte am Anfang nicht neben mir gelegen, sondern hatte etwas mit Scar abgeklärt, danach war er zwar ins Zimmer gekommen, hatte sich aber nicht neben mich gelegt. Er hatte das Zimmer gekehrt und Staub gewischt. Ich hatte ihn gefragt, ob ich mich auch hätte nützlich machen können, aber er lehnte lächelnd ab und sagte ich könne weiterlesen, was ich auch tat. Als Zombey fertig war, hatte er irgendwas auf ein Blatt geschrieben und es abfotografiert. Vermutlich hatte er Scars neuen Auftrag verschriftlich und das dann Manu zur Übersicht geschickt.
Manu und Palle hatten nach unseren Handy Plänen für die Führungspitze schnell realisiert, dass es besser war, wenn jeder von uns ein Handy hätte um erreichbar zu sein. Deswegen rüsteten wir nach und nach auf, mein Handy lag auf dem Schreibtisch neben Zombeys. Es spielte ganz leise Musik ab, während es am laden war. Ich fand es cool auch ein Handy zu haben, als nur Zombey eins hatte, hatte er seinen Code mit mir geteilt und sogar einen Fingerabdruck für mich eingerichtet, sodass ich immer unkompliziert das Handy entsperren konnte. Als die Entscheidung fiel für alle Handys zu organisieren, lag ich krank im Bett, weswegen ich nichts davon wusste und Zombey überglücklich angestrahlt hatte, weil er mir ein Handy hinhielt und sagte, dass es meins wäre. Da ich ihn vor lauter Freude küsste und mich an ihn drückte, lag er danach krank im Bett.
Leise kicherte ich bei der Erinnerung. Zombey hatte dann als er wieder gesund war mein Handy zusammen mit mir eingerichtet. Er kannte meinen Code und hatte auch einen Fingerabdrück eingespeichert. Ich hatte schließlich auch vollen Zugriff auf sein Handy, da war es nur fair, wenn er den auch hatte. Zombey hatte das ziemlich glücklich gemacht und mich freute es auch unheimlich. Wenn ein Handy klingelte und der andere es gerade nicht entgegen nehmen konnte, ging der andere wie selbstverständlich dran. Am Anfang war diese Selbstverständlichkeit noch nicht vorhanden, aber mittlerweile war sie da. Zombey hatte sich ziemlich aufgeregt, als er eines Tages festgestellte, dass ich es irgendwie geschafft hatte an die Telefonnummer der Mamba zu kommen. Ich habe es eigentlich nicht wirklich vor ihm geheim gehalten, aber richtig gesagt habe ich es ihm auch nicht.
Als ich mal duschen war, hatte sie mir wohl geschrieben und Zombey hatte sich mein Handy geschnappt, weil er dachte, dass es Palle wäre, dann aber schnell realisiert, dass es definitiv nicht Palle war. Er war ziemlich wütend gewesen und hatte mich sofort zur Rede gestellt, als ich aus der Dusche kam. Mein Handy hielt er mir vorwurfsvoll mit dem geöffnet Chat der Mamba entgegen. Was soll das? hatte er gefragt. Reiche ich dir nicht? Tränen hatten seine Augen gefüllt und er sah mich so verletzt an, dass es mir das Herz zerbrach. Ich hätte ihn definitiv darüber informieren sollen. Ich verstand zwar nicht ganz wie er sofort den Schluss zog, dass er mir nicht reichen würde, da der Chat nicht mal mit Herzen gefüllt war. Wir schrieben zwar mit Emojis, aber nichts Liebemäßges, schließlich war da nichts zwischen mir und ihr. Trotzdem war Zombey verletzt und als ich ihm nicht sofort antwortete, wollte er schon den Raum verlassen, aber ich hatte ihn noch rechtzeitig aufgehalten. Ich hatte ihm gesagt, dass zwischen mir und ihr nichts lief und da auch nie was laufen würde, er aber doch bitte respektieren sollte, dass wir befreundet waren. Er sah nicht begeistert aus, also erzählte ich ihm seufzend von dem Gespräch, das ich mit der Mamba auf meinem Zimmer geführt hatte, als er mich ignoriert hatte. Verblüfft sah er zu mir, auch wenn ich ihm ansah, dass er eigentlich weiter wütend bleiben wollte. Die Tatsache, dass die Mamba, die erste war mit der ich offen über meine Gefühle für ihn geredet hatte, schien ihn etwas zu beruhigen. Er ließ mich mit ihr schreiben und ich war mir ziemlich sicher, dass er immer unseren Chat las, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Ich konnte es ihm nicht verübeln und hatte auch nichts dagegen, schließlich hatte ich nichts zu verbergen. Die Mamba war immer noch ein wunder Punkt und er vertraute ihr nicht. Er hatte so Angst sie könnte mich ihm irgendwie wegnehmen und verletzen oder in eine Falle locken oder so. Und als die Mamba fragte, ob wir uns mal treffen wollten, war Zombey außer sich.
Irgendwie fand ich es zwar süß, aber hauptsächlich nervte es mich. Es war eine Zeit lang echt anstrengend mit ihm gewesen, aber wenn er plötzlich wieder Kontakt zu einer seiner Exen oder einem neuen Mädel hätte, wäre ich genauso irrational. Nicht weil ich ihm nicht vertraute, sondern weil ich dem Mädchen nicht trauen würde und ich wusste, dass es bei der Mamba bei Zombey dasselbe war. Am Schluss ist Zombey also mitgekommen und dieses Treffen hat dafür gesorgt, dass er sich in Zukunft keine Sorgen mehr machen würde. Die Mamba oder Amanda hatte nämlich ebenfalls eine Begleitung dabei. Eine junge Frau mit Brille. Die beiden waren zusammen. Bei der jungen Frau, die Lisa hieß, handelte es sich um die Cousine des Freundes bei der sie damals unterkam. Es war wohl ein ziemliches hin und her gewesen, aber sie hatten dann doch zueinander gefunden. Als Amanda das sagte und zu Zombey all die Implikationen durchdrangen, entspannte er sich sofort. Sie war offiziell keine Bedrohung mehr, obwohl sie das ja sowieso nie wirklich war. Wir hatten uns wirklich gut unterhalten und Amanda war froh zu sehen, dass es bei mir und Zombey auch geklappt hatte. Nach diesem Treffen hatte Zombey kein Problem mehr damit, dass ich hin und wieder mal mit ihr schrieb, um auf dem Laufenden zu bleiben. Amanda machte eine Ausbildung zur Automechanikerin, während Lisa irgendwas mit Fahrzeugtechnik studierte. Sie planten in Zukunft eine eigene Werkstatt zu gründen und vielleicht auch eigene Autos herzustellen. Es war interessant zu sehen wie sich ihr Leben entwickelte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein Handy klingelte. Mein Blick fiel auf den Nachttisch und dann auf Zombeys Handy. Ein kurzer Blick zu Zombey, der immer noch schlief und dann nahm ich den Anruf an.
„Shadow, was gibt's? Zombey schläft gerade“, fing ich an.
„Dann weck ihn bitte“, ihr Stimme alamierte mich sofort. Irgendwas stimmte nicht. Im Hintergrund vernahm ich eine laute Stimme, ohne zu zögern rüttelte ich Zombey wach, der genervt brummte.
„Man Dado, wieso weckst du mich?“, verschlafen sah er zu mir, kuschelte sich an mich und schien so als wolle er direkt weiterschlafen.
„Shadow. Irgendwas stimmt nicht, sie klingt verängstigt“, teilte ich ihm mit und hielt ihm sein Handy entgegen. Sofort war er wach. Er nahm mir das Handy aus der Hand, aktivierte den Lautsprecher und fragte Shadow was los ist.
Sicht Zombey
„Zombey? Kannst du bitte sofort herkommen?“, Shadow klang gehetzt, beinah schon ängstlich und das versetzte mich ebenfalls in Panik. Maudados Hand legte sich beruhigend auf meine, aber auch in seinen Augen stand deutlich die Sorge um sie. In den letzten Monaten hatten die beiden viel miteinander gesprochen und sich angenähert, wobei ihre Konversationen hauptsächlich aus dem Fachsimpeln über Bücher bestanden.
„Wo bist du und was ist los?“ wollte ich wissen, während ich mich vom Bett erhob, in dem ich zuvor noch friedlich geschlafen hatte. Maudado stand ebenfalls vom Bett auf und fing die Jacke auf, die ich gerade aus dem Schrank gezogen und ihm zugeworfen hatte. Egal was es war, seine Unterstützung dabei wäre nicht verkehrt. Er sollte mitkommen.
„Den Standort hab ich dir gerade geschickt“, teilte sie mir mit und zeitgleich zu ihrer Aussage erhielt ich auch die Nachricht mit besagtem Standort. Aus dem Handy drang Gebrüll; laut genug, um es zu hören, aber zu leise, um es zu verstehen. „Ich-“, setzte sie an, wurde dann aber durch einen erschriekten Aufschrei unterbrochen, der definitiv von ihr selbst kam. Danach brach die Verbindung ab. Eine dumpfe Taubheit breitete sich in meinem Körper aus. Shadow war in Gefahr und diesmal brauchte sie wirklich Hilfe. Das war keine kleine Spinne, die ich einfach nur einfangen und draußen aussetzen musste, sondern irgendwas anderes. Irgendjemand anderes. Maudado griff nach meinem Arm und sofort kehrte das Leben in meinen Körper zurück. Die Taubheit verschwand doch anstelle des üblichen unangenehmen Kribbelns fühlte es sich eher so an, als wäre mein Blut gerade dabei sich zu erhitzen. Ich zog mir die Jacke an, so wie Maudado es schon getan hatte und checkte dann sofort den Standort, den Shadow mir gesendet hatte. Eine kurze Gasse in einem weniger wohlhabenden Viertel der Stadt. Viel Zeit um mich darüber zu wundern, was sie dort überhaupt wollte hatte ich nicht. Maudado riss die Tür des Zimmers auf, während ich das Handy unachtsam in meine Jackentasche steckte. Zusammen verließen wir mein Zimmer. Bevor wir das Catsquartier verließen lotste ich Maudado noch mal in den Vorbereitungsraum, damit er sich Messer schnappte. Zufrieden stellte ich fest, dass er sich ohne zu zögern bediente. Er runzelte zwar leicht die Stirn, aber von dem Zittern, welches ihn lange Zeit begleitet hatte, sobald er auch nur ein Messer anfassen sollte, war nichts mehr zu sehen. Es hatte viele Gespräche und einige Situationen benötigt, in denen er gar keine andere Wahl hatte, aber mittlerweile war er zumindest wieder in der Lage, sich auszurüsten.
Wir eilten aus dem Catsquartier und machten uns auf den Weg zu Shadow. In unserer Sorge hatten wir gar nicht darüber nachgedacht, jemandem Bescheid zu geben. Wir mussten das, was uns bevorstand, wohl alleine bewältigen. Mich machte es wahnsinnig, dass der Anruf einfach so unterbrochen wurde. Das letzte, was wir von ihr gehört hatten war ein Schrei und in diesem Moment war meine größte Angst, dass ich nie wieder etwas anders von ihr hören würde. Die Ungewissheit nagte an mir und wüsste ich nicht, dass Maudado bei mir ist, würde ich wohl vollends durchdrehen.
Der Weg durch die Stadt zog sich. Immer wieder mussten wir kleinere Umwege laufen, um nicht von Passanten gesehen zu werden. Gerade jetzt wäre das fatal. Die knappen fünfzehn Minuten kamen mir vor wie eine Ewigkeit. In meinem Kopf spielten sich die schlimmsten Szenarien ab, bis Maudado meinte, ich solle mich nicht selbst verrückt machen. Ich versuchte, die wirren Gedanken zu unterdrücken, doch es gelang mir eher semi gut. Die Sorge um meine quasi-Schwester ließ jedenfalls nicht nach.
Ich atmete erleichtert auf, als die Gasse in Sicht kam und zog scharf die Luft ein, als wir sie betraten. Shadow stand mit dem Rücken zur Wand und ein Typ, der deutlich älter als sie war, hatte sich vor ihr aufgebaut. Sie wirkte verdammt eingeschüchtert, von dem Gesicht des Mannes konnte man nicht viel sehen, aber er schien energisch auf sie einzureden. Maudado und ich eilten auf die Beiden zu. Schon von weitem roch man Alkohol. Ich hatte den Mann an der Schulter zu mir umgedreht und wollte ihn von Shadow wegzerren, als sie leise wimmerte. Er hatte ihren Arm gepackt und das nicht gerade sanft. Er lockerte seinen Griff nicht, eher verstärkte er ihn noch, sodass Shadows Wimmern fast schon ein schmerzerfüllter Schrei wurde. Ich tat das einzige, was mir in dem Moment einfiel, um ihn zum loslassen zu bewegen: Ich schlug ihn mit der Faust ins Gesicht und der Typ torkelte nach hinten. Maudado stellte sich schützend vor Shadow, die versuchte, zitternd und mit Tränen in den Augen noch mehr Abstand zwischen sich und den Mann zu bringen. Ich hatte Angst, dass sie umkippen würde aber da hatte sie sich schon haltsuchend etwas an Maudado festgehalten, während sie sich mit der anderen Hand an der Wand abstütze. Jemand zischte auf und ich richtete meinen Blick auf den Typen, der gerade seine blutende Nase betastete. Er ließ seine Arme sinken und torkelte etwas nach vorne, in Richtung Shadow, die sofort weiter zurückwich. Maudado legte eine Hand an die Tasche, in der er seine Messer aufbewahrte und ich stellte mich vor sie, um den Mann am weitergehen zu hindern. Erst jetzt schien er überhaupt zu bemerken, dass wir hier waren. Er blieb stehen, musterte uns desorientiert und kniff dann die Augen zusammen.
„Chiara, was soll das? Schick die weg und mach endlich das, wofür ich dich jahrelang großgezogen hab, du undankbares Balg!“, lallte er und machte wieder einige Schritte nach vorne. Shadow entfuhr ein ersticktes Wimmern und ich konnte hören, wie Maudado ihr beruhigend zuredete. Dann hörte ich Schritte, als er sie langsam weiter nach hinten führte, um sie von dem Typen zu entfernen. Der schien damit allerdings nicht wirklich zufrieden zu sein. „So dankst du's mir also, dass ich mich um dich gekümmert habe, als deine Mutter sich verpisst hat? Ich hätte das nicht tun müssen, weißt du? Da kann man doch eine Gegenleistung erwarten!“, er wurde lauter, stapfte weiter nach vorne und da reichte es mir. Ich griff nach dem Kragen seines abgeranzten Pullis und er machte ein erschrockenes Geräusch, als ich ihn näher zu mir zog. Der Geruch nach Alkohol wurde immer stärker und es wunderte mich fast, dass er überhaupt noch stehen, geschweige denn reden konnte. Aber auch nur fast. Seitdem er angefangen hatte zu reden war mir schon klar, dass Shadows Stiefvater vor mir stand. Sie hatte mir genug über ihn erzählt um zu wissen, was er für ein verdammtes Arschloch war.
„Lass mich los, du Penner. Die Schlampe da soll das machen, wofür ihre Mutter zu dumm-", war mein Blut eben noch dabei, sich aus Sorge um Shadow zu erhitzen, kochte ich gerade vor Wut. Ich hatte genug gehört. Jetzt reichte es mir wirklich. Wieder knallte meine Faust in sein Gesicht, doch dieses Mal ließ ich ihn nicht los. Ich schlug nochmal zu. Und nochmal. Immer wieder schlug ich auf den Mann vor mir ein, der nichts tat, außer schwach die Arme zu heben, um sie schützend vor sich zu halten. Ich wusste, dass er Shadow bis heute nie angerührt hatte. Aber ich wusste auch, dass er sie ständig angesehen hatte, auf eine Art und Weise, auf der ein Erwachsener niemals ein Kind ansehen sollte, vor allem dann nicht, wenn es eine Schutzbefohlene war. Ich wusste, dass er ständig Kommentare losgelassen hatte, die immer schlimmer wurden, je älter Shadow wurde. Ich wusste, dass er sich mehrfach an ihrer Mutter vergriffen hatte und ich wusste auch, dass er dasselbe bei Shadow getan hätte, früher oder später, wäre sie nicht mit fünfzehn abgehauen. Ich wusste, dass der Typ vor mir ein krankes Schwein war und ich wusste, dass er jeden Schlag verdient hatte. Er hatte noch viel mehr verdient als das.
„Zombey!“, Maudados Stimme klang drängend, als ich sie wahrnahm. Ich stockte in meiner Bewegung und stieß Shadows Stiefvater von mir. Er stolperte nach hinten und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er lag vor mir auf dem Boden und am liebsten hätte ich auf ihn eingetreten. Das hätte ich wirklich. Aber mir war selbst klar, dass Maudado mich gerade schon vor schlimmeren bewahrt hatte. Ich hatte mich wieder triggern lassen. Ich hatte mich meiner Wut hingegeben und alles andere ausgeblendet. Wahrscheinlich hatte Maudado auch mehr als einmal meinen Namen gerufen. Aber das schlechte Gewissen, welches ich normalerweise bekam, blieb aus. Ich wünschte diesem Mann vor mir wirklich nur das schlechteste, aber es sollte nicht durch mich passieren. So wie ich das einschätzte, war er momentan auf dem besten Wege, sich selbst zu Grunde zu richten. Wie er es verdient hatte. Ich hockte mich vor den Mann, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte. Erst jetzt nahm ich mir die Zeit, ihn wirklich zu mustern. Sein Äußeres war schäbig. Anders konnte man es einfach nicht beschreiben. Seine Kleidung war abgetragen, sein Gesicht eingefallen und seine Haut blass. Laut Shadows Schilderung musste er knapp vierzig sein, aber er sah viel älter aus. Seine Lippe war aufgeplatzt und Blut strömte aus seiner Nase. Er wimmerte vor sich hin und der beinah schon unerträgliche Geruch nach Alkohol und Schweiß hatte auch nicht nachgelassen. Fast hätte man Mitleid mit ihm bekommen können. Ich dachte daran zurück, wie Shadow war, als sie zu uns kam. Zurückgezogen und ängstlich. Sie hatte sofort einen Beschützerinstinkt in mir geweckt. Ich erinnerte mich daran, wie überrascht ich war, als sie sich mir plötzlich anvertraut hatte. Es war nicht geplant gewesen. Ich war in ihr Zimmer marschiert, weil ich sie etwas fragen wollte und habe sie beim Weinen erwischt. Danach ist ihr alles rausgeplatzt. Wie schlecht sie sich gefühlt hatte, weil ihre Mutter ihr die Schuld an allem gab, nur um dann kurz darauf abzuhauen. Sie hatte die Blicke bemerkt, die ihr Mann Shadow zuwarf, aber anstatt ihrer Tochter zu helfen, war sie eifersüchtig gewesen. Shadow hatte immer noch nicht ganz damit abgeschlossen, kein Wunder, sie war erst vor knapp drei Jahren abgehauen. Ich wusste nicht, warum Shadow mich damals so schnell akzeptiert hatte, obwohl sie bei anderen so zurückhaltend war. Vielleicht lag es daran, dass sie ihren älteren Bruder und ihren richtigen Vater früh bei einem Unfall verloren hatte, vielleicht war es was vollkommen anderes. Der Grund war auch nicht wichtig. Wichtig war nur, dass sie wie eine Schwester für mich war und der Typ vor mir kein Mitleid verdient hatte. Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie uns nicht hätte anrufen können. Nein, der Mann vor mir blutete zurecht.
„Wenn du dich ihr noch einmal näherst erwürge ich dich eigenhändig, ist das klar?“, meine Wut verrauchte langsam aber sicher und das einzige, was zurück blieb war die Abscheu für diesen Typen. Er antwortete nicht, starrte nur stumpf vor sich hin und schien mich gar nicht wahrgenommen zu haben. Ich wollte mich wiederholen, doch dann nickte er hektisch. Nie wieder murmelte er immer wieder und ich erhob mich. Ich lief zurück zu Shadow und Maudado und zusammen verließen wir die Gasse. Ich wollte nicht wissen, was die beiden über meinen Ausbruch dachten. Es war nicht das erste Mal, dass sie sowas miterlebten, aber es war wohl der heftigste Ausbruch gewesen. Trotzdem fühlte ich mich nicht schlecht deswegen. Meine Drohung war keine leere Drohung gewesen. Sollte er sich Shadow noch ein einziges Mal nähern, hätte ich kein Problem damit, ihn wirklich zu erwürgen. Schweigend näherten wir uns wieder dem Catsquartier, als Shadow die Stille unterbrach.
„Danke, dass ihr wirklich sofort gekommen seid“, sie lächelte. Zwar schwach, aber sie lächelte. Maudado erwiderte ihr Lächeln und ich betrachte die beiden kurz, bis ich meine Frage nicht mehr zurückhalten konnte.
„Wie ist das überhaupt passiert? Wo kam der plötzlich her?“, wollte ich wissen und ihr Lächeln erstarb.
„Ich war nur unterwegs, als wir uns zufällig begegnet sind. Ich hab ihn sofort erkannt und wollte weg, er mich aber scheinbar auch. Er ist mir gefolgt, deswegen bin ich Umwege gelaufen. Ich konnte ihn ja schlecht zu einem der Quartiere führen. Ich hab dich angerufen, ihn kurz aus den Augen verloren, dann wurde ich plötzlich in die Gasse gezogen und angeschrien. Und dann wart ihr zum Glück da“, berichtete sie uns und ich nickte schwach. Trotzdessen was gerade eben passiert war, hatte sie sich einigermaßen gefasst. Irgendwie machte mich das stolz. Aber andererseits machte es mich auch unfassbar wütend. Solange es Leute wie Shadows Stiefvater gab, gab es auch Kinder mit schrecklichem Schicksal. Kinder, die ähnliches erlebt hatten wie wir. Kinder, auf die in unserer Gesellschaft keinen Wert gelegt wurde.
Im Catsquartier angekommen boten wir Shadow an, bei ihr zu bleiben, aber sie bestand darauf, dass alles gut sei und sie keine Babysitter brauchte. Sie wollte ihre Ruhe und wir verübelten es ihr nicht. Wahrscheinlich musste sie doch erstmal alles verarbeiten, nachdem alte Wunden aufgerissen wurden. Maudado und ich zogen uns in mein, beziehungsweise mittlerweile unser, Zimmer zurück und redeten darüber, was passiert war. Er wusste, warum ich so gehandelt hatte und ich bedankte mich dafür, dass er auf Shadow aufgepasst und sie beruhigt hatte. Wir redeten noch etwas darüber, wie viele Kinder und Jugendliche da draußen wohl noch schreckliches durchlebten und kamen zu dem Schluss, dass es definitiv zu viele waren. Es litten unzählige Menschen da draußen, dabei war einer schon zu viel. Und trotzdem hatte kaum jemand Interesse daran, es zu ändern. Im Laufe des Tages gesellte sich Shadow doch wieder zu uns und Maudado und sie unterhielten sich wieder unbeschwert über ein Buch. Ich hörte den beiden lächelnd zu, obwohl ich keine Ahnung hatte, worum es überhaupt ging, aber es störte mich nicht sonderlich. Ich war einfach nur froh zu sehen, dass es den beiden und allen anderen Nightmare Hounds gut ging. Mir war klar, dass manche noch unter ihrer Vergangenheit litten, aber sie alle waren auf dem richtigen Weg, es hinter sich zu lassen. So wie's sein sollte.
Ich weiß nicht was ich sagen soll ;-; (Silberschwingen)
Kurz vor dem Ende nochmal Shadows Background. Ich fand, er müsse auch mal gezeigt werden, wenn man schon die anderen kennt. Nicht mehr lange und es ist wirklich vorbei.
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