Kapitel 125
Sicht GLP
Zur Abwechslung wurde ich mal vor Palle wach, was vermutlich daran lag, dass die Sonne gerade erst aufging und es dementsprechend ziemlich früh sein musste. Ich drehte mich etwas, um den Himmel beobachten zu können. Die Sonne leuchtet nur schwach durch die Wolken und der Horizont verlief von blau in pink und ging anschließend in orange über. Lächelnd beobachtete ich das sich mir bietende Schauspiel etwas und richtete mich dann vorsichtig auf, um Paluten nicht zu wecken. Langsam aber sicher kehrte auch wieder das Leben in die Stadt zurück. Die ersten Fahrzeuge bewegten sich durch die Straßen, gefüllt mit Leuten, die wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit waren oder auch mit jenen, die ihre Schicht gerade hinter sich hatten und sich nach ihrem Bett sehnten. Lange würde es nicht mehr dauern und aus den noch vereinzelt anzutreffenden Autos würde wieder der altbekannte Verkehrsstrom werden. Der sich stetig steigernde Lärm der Stadt würde schon bald die noch herrschende Ruhe ablösen, spätestens dann, wenn auch der letzte Pendler sich auf den Weg machen würde. Solche Momente gehörten zu denen, in denen ich besonders froh war, kein Teil der Norm zu sein. Anstatt mein Leben nach fremden Erwartungen zu leben, hatte ich zumindest ein gewisses Gefühl von Freiheit. Mit jedem Tag, der verging, näherten wir uns zwar dem Zeitpunkt, an dem unser Leben so nicht mehr tragbar wäre und unsere Freiheit enden würde, doch davon ließ ich mich nicht stören. Alt würde vermutlich keiner von uns werden, außer, wir würden im Knast landen, aber unser Leben war verdammt noch mal auch wirklich lebenswert gewesen. Ich würde mich jederzeit wieder für diesen Alltag entscheiden, alleine schon wegen meiner Familie, zu der mittlerweile zum Glück auch wieder Paluten zählte, der sich gerade grummelnd auf den Rücken drehte. Ich warf noch einen letzten Blick auf die Stadt, die stetig belebter wurde, und kuschelte mich dann wieder an Paluten, der immer noch friedlich vor sich hin schlief. Keine zwei Minuten später war ich erneut eingeschlafen.
Als ich einige Zeit später wieder aufwachte, war von dem vorherigen Farbverlauf des Himmels und von der Ruhe der Stadt nichts mehr zu sehen. Der Himmel hatte sich zugezogen und es sah nach Regen aus, was ich sehr begrüßen würde. Paluten war dieses Mal vor mir aufgewacht und schaute auf die Stadt runter. Sobald ich damit begonnen hatte mich zu bewegen, fuhr sein Kopf zu mir herum und er wünschte mir lächelnd einen guten Morgen. Ich richtete mich vollends auf und küsste Paluten kurz, um anschließend meinen Kopf auf seiner Schulter abzulegen. Schlaf war schon eine komplizierte Sache, entweder, man hatte zu viel oder zu wenig davon. Ich wusste nicht, was genau davon gerade auf mich zutraf, Fakt war aber, dass der Schlaf zwar erholsam war, ich mich aber trotzdem etwas müde fühlte. Paluten lachte nur leise und legte einen Arm um mich, dann herrschte wieder Schweigen zwischen uns. Es war angenehm so, aber alles hat irgendwann ein Ende. Als die Wolken sich immer weiter zuzogen und der Morgen voranschritt, entschieden wir uns dazu, Frühstücken zu gehen und anschließend zu besprechen, wie wir an die Handys kommen sollten. Ich hatte beim letzten Gespräch mit ihm die Gelegenheit verpasst, Maudado zu fragen, ob er Pläne für in Frage kommende Geschäfte hatte. Sollte er welche haben, wäre zumindest ein Großteil der Planung schon abgeschlossen, sollte er keine haben, mussten wir uns darum auch noch bemühen.
„Na dann, gehen wir gleich mal runter, oder?“, fragte Paluten, gerade als ich hinter ihm durchs Fenster im mein Zimmer kletterte.
„Ja, chill. Nicht so eilig, Du verhungerst schon nicht“, ich musste grinsen, als ich merkte, dass Paluten ziemlich ungeduldig wurde. Ich begann damit mich fertig zu machen, immerhin waren wir bis jetzt die ganze Zeit auf dem Dach gewesen, auch wenn wir nun schon etwas länger wach waren.
„Haha, sehr witzig“, murmelte er, allerdings sah ich genau, dass auch er grinste, als er im Bad verschwand. Sobald wir beide fertig waren, machten wir uns auf den Weg in den untersten Stock. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich gerade nicht genau wusste, wer momentan fürs Frühstück zuständig war, allerdings war das nicht schwer herauszufinden, nachdem wir den Speiseraum betreten hatten. Auf den Tischen verteilt zwischen den einzelnen Gegenständen befanden sich immer wieder kunstvoll gefaltete Origami Figuren. Es war eine Angewohnheit von Harpy, sie auf den Tischen zu verteilen, wenn sie Dienst hatte. Nicht wirklich verwunderlich, ihr Zimmer war überfüllt mit den Figuren, zu denen ständig neue hinzukamen. Für sie war das wahrscheinlich einfach nur eine Möglichkeit, mehr oder weniger unauffällig Platz zu schaffen, aber die anderen freuten sich drüber und mich störte es auch nicht, solange das Quartier nicht plötzlich von ihnen überflutet wurde. Manchmal platzierte sie auch Figuren extra so, dass eine bestimmte Person sie bekäme. So war's wahrscheinlich auch jetzt gewesen, denn Eagle betrachtete lächelnd einen kleinen Adler, den sie in der Hand hielt. Es war nicht der erste, den Harpy gemacht hatte und auch nicht der erste, den sie Eagle geschenkt hatte, aber sie übertraf sich einfach immer wieder damit. Auf mehreren Tellern standen weitere Origami Figuren, die darauf warteten, von bestimmten Membern eingesammelt zu werden, während andere auf den Tischen verteilt waren und somit frei für jeden waren. Harpy war nicht die einzige, die hin und wieder kleine Aufmerksamkeiten für den Rest von uns hatte. Jeder gab sich auf seine Art irgendwie Mühe, es den anderen so angenehm wie möglich zu machen, manche eben so wie sie und wieder andere dadurch, dass sie darauf achteten, wie sie ihre Aufgaben erledigten.
„Na komm“, lachend stupste ich Paluten an, der neben mir stehen geblieben war und sich in dem sich langsam füllenden Raum umsah. Wir waren also genau im richtigen Moment hergekommen, um noch mit den anderen zu essen.
Sicht Paluten
Fasziniert musterte ich die kleinen Origami-Figuren, die auf jedem Platz standen. Ich schaute mich im Raum um betrachtete die einzelnen Figuren, ein Löwe, ein Hase, ein Drache und noch viel mehr Papiergestalten zierten die Tische. Erst als Manu mich lachend anstieß, konnte ich meinen Blick von den Figuren lösen. Leicht angespannt folgte ich Manu zu einem Tisch. Es war so ungewohnt für mich nicht im Houndsquartier zu essen. Hier waren so viele Menschen, die ich nur flüchtig vom Aussehen her kannte. Ich war hier fremd. Wieso durfte ich hier sein? Wollten die Cats das überhaupt? Nervosität breitete sich in mir aus. Oh Gott, was ist los mit mir? Worüber machte ich mir Gedanken! Wir sind wieder eine Gang. Ich werde alle hier anwesenden Menschen in Zukunft kennenlernen. Diese Menschen werden ebenso meine Familie sein wie meine Hounds. Das hier ist Manus Familie. Und bald würde es unsere Familie sein. Trotzdem nahm die Nervosität nicht ab, eher im Gegenteil sie nahm zu. Ich verletzte Leute, die mir nahe stehen. Erst vorgestern hatte ich Maudado verletzt. Was wenn ich wieder sowas dummes tue? Manu riss mich aus meinen Gedanken indem er seine Hand vor meinem Gesicht bewegte.
„Willst du dich auch mal setzen?“, fragte er amüsiert und ich schreckte etwas auf und setzte mich sofort neben ihn an den Tisch auf dem ein Tablet mit Brötchen und Aufschnitt sowieso Marmeladen stand. Manu lachte und peinlich berührt, richtete ich meine Blick nach unten, wodurch ich die kleine Figur wahrnahm, die auf meinem Teller stand. Lächelnd nahm ich vorsichtig die Figur in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten. Es war ein detaillierter Hund. Ein stolz wirkender Hund. Unwillkürlich musste ich lächeln, dann bewegte sich eine andere Papierfigur in mein Blickfeld. Eine Katze, die ebenso stolz wirkte wie der Hund, den ich in den Händen hielt. Jetzt schaute ich zu Manu, der mich sanft anlächelte. Wo kam dieser dumme Gedanken her, dass ich hier fremd war? Ich lehnte mich zu Manu und drückte kurz meine Lippen gegen seine. „Mhm, wofür war das denn?“, fragte er leise mit einem zufrieden Lächeln auf den Lippen.
„Brauche ich einen Grund dafür?“, fragte ich und Manu wollte etwas antworten, aber da mischte sich plötzlich jemand ein.
„Könnt ihr nicht woanders flirten?“, fragte eine Cat und der Ausdruck in Manus Augen änderte sich leicht und ich wusste, das wir dasselbe dachten. Keinen Augenblick später lagen Manus Lippen auf meinen. Es war nur ein kurzer Kuss, aber scheinbar lange genug um ein paar Cats sagen zu lassen, dass wir uns ein Zimmer suchen sollten. Manu und ich brachen in schallendes Gelächter aus. Es dauerte etwas bis wir uns beruhigt hatten. Schnell aßen wir etwas und dann machten wir uns auf den Weg in Manus Zimmer. Wir mussten noch viel erledigen. Den kleinen, stolzen Hund hielt ich vorsichtig in meiner Hand, als wir uns auf den Weg ins Zimmer machten. Manu hatte mir zwar gesagt, dass Harpy immer wieder neue Figuren macht, aber dieser Hund war einfach eine so pure Geste gewesen, dass ich ihn nicht einfach stehen lassen konnte.
„Gefällt dir der Hund?“, fragte plötzlich jemand, als Manu und ich den Flur entlang gingen. Ein Mädchen mit dunkelblonden, schulterlangen Haaren, blickte mich abwartend an. Ich betrachtete den Hund in meiner Hand lächelnd und nickte dem Mädchen zu. „Gut, ich wusste zuerst nicht was ich machen sollte, aber ein Hund hat doch gepasst, oder?“
„Du hast den gemacht?“, anerkennend sah ich zu dem Mädchen, das dan wohl Harpy hieß. „Einfach der Wahnsinn, dass du soviel Detail in das Papier bringen kannst. Ich bin schon froh wenn einer meiner Papierflieger einigermaßen symmetrisch ist“, sagte ich und Harpy lachte, bevor sie sich glücklich von uns verabschiedete. Danach gingen Manu und ich schnell in sein Zimmer und behutsam stellte ich den kleinen Hund auf Manus Schreibtisch ab.
„So. Die Handys?“, fragte Manu und ich nickte.
„Wäre glaube ich ganz gut, wenn wir das planen würden“, er seufzte. „Ich geh Zombey und Scar holen“, und schon öffnete er die Tür.
„Bring Dado mit.“
„Geht klar“, er warf mir kurz ein Lächeln über seine Schulter zu und dann schloss er die Tür. Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür wieder und die vier betraten den Raum.
„Hast du zufällig Pläne für 'nen Elektronikladen?“, hoffnugsvoll sah ich zu Dado, der kurz überlegte und dann zaghaft nickte.
„Ja, aber aus dem Laden können wir keine sechs Handys erbeuten“, murmelte Maudado. „Sechs Handy mitgehen zu lassen wird schwer. Wir sollten vielleicht nur zu zweit in einem Laden zwei oder auch nur ein Handy klauen. Am besten überfallen wir mehrere Läden zeitgleich, damit sie sich nicht vorbereiten können.“
„Mhm, schon 'ne Ahnung welche Läden?“, fragte ich und er zuckte mit den Schultern.
„Wie wär's mit dem an der Kreuzung vor dem Park?“, schlug Scar vor. Maudado sah ihn nur irritiert an. Weder er noch ich wussten über welchen Laden er da sprach.
„Und direkt gegenüber ist doch noch 'n Laden, oder nicht?“, meinte Zombey sich zu erinnern und Scar nickte langsam.
„Ich glaube schon, ja“, schaltete Manu sich ein. Scar und Zombey schlugen immer wieder Läden vor, die mir meistens nichts sagten. Maudado schienen diese Läden und Beschreibungen sogar gar nichts zu sagen. Klar, er war ja noch nie im Catsgebiet. Ich war wenigstens hin und wieder mal im Catsterritorium um Manu zu triggern, also kannte ich mich ganz grob hier aus. Ich schlug auch einen Laden vor und beobachtete wie Maudado erleichtert aufatmete weil endlich der Name eines Geschäfts fiel, das er kannte.
„Wir sollten die Läden vielleicht auschecken bevor wir festlegen, welche wir um ein paar Handys erleichtern“, meinte Dado nach einer Weile. Vermutlich, weil es ihn störte, dass er keinen Laden den Zombey oder Scar vorschlugen, kannte.
„Mhm, ja wäre besser“, Manu war noch in Gedanken versunken, was ich hauptsächlich an seinem Zähneknirschen erkannte. „Scar sagst du Xain Bescheid, dass er sich die Läden ansehen soll? Er kann auch Eagle und Shadow mitnehmen, wenn er will.“
„Jo, mach ich“, und damit verabschiedete sich Scar von uns. Kurz darauf verschwanden auch Maudado und Zombey.
„Müssen wir sonst noch was besprechen?“, fragte ich Manu und er schüttelte schwach den Kopf. „Okay und was machen wir jetzt?“, wollte ich von ihn wissen und er grinste.
„Wir können uns ja wieder die Ordner anse-“, ich boxte ihm leicht gegen die Schulter.
„Ey!“, und jetzt boxte er mich leicht. Ich boxte zurück. Er boxte mich. Ich, er, ich und jetzt war es eher ein Schubsen als ein Boxen. Manu schubste zurück und ich verlor mein Gleichgewicht, landete aber glücklicherweise auf dem Bett. Manu befand sich innerhalb von Sekunden über mir und küsste mich was ich lieben gerne erwiderte. Er drückte mir noch ein paar Küsse auf, bevor er sich von mir runter rollte. Er lag jetzt auf seinem Rücken neben mir und starrte die Decke an. Eine Weile blieb er still liegen und ich hatte schon die Vermutung er wäre eingeschlafen, aber dann sprang er plötzlich auf. „Komm schon, lass uns 'n bisschen durch Stadt wandern“, auffordernd sah Manu zu mir. Ich lenkte meinen Blick auf das Fenster und sah die dunklen, dicken Wolken, die den Himmel bedeckten.
„Du willst nur wieder im Regen sein.“
„Erwischt. Kommst du mit?“, er legte seinen Kopf leicht schief und lächelte mich an. Ich seufzte. Gegen dieses Lächeln hatte ich nicht den Hauch eine Chance.
„Nur weil du es bist“, sagte ich und stand auf. Manu küsste mich und dann machten wir uns auf den Weg nach draußen. Ich schnappte mir noch einen Regenschirm, was Manu grinsen ließ. Ich hatte so ein Gefühl ich würde trotz dem Regenschirm nass werden.
Oh, wenn ihr wüsstest was wir wüssten ;-; (Silberschwingen)
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