Kapitel 103
Sicht Maudado
Zombey war aus dem Raum rausgestürmt und ich wollte ihm hinterher, wollte wissen was ihn gerade dazu brachte sich fluchtartig zurückzuziehen, aber ich unterdrückte diesen Drang. Er wollte nicht mehr mit mir befreundet sein, also würde es ihm nicht gefallen, wenn ich ihm folgen würde. Aber trotzdem machte ich mir Sorgen, verdammt. Erst als Scar und Shadow ihm hinterher gingen, konnte ich meinen Blick wieder von der Tür weglenken.
„Schon krass, was Cerberus da alles über uns zusammengetragen hat“, hörte ich Xain murmeln, als ich mich wieder auf die Anwesenden konzentrierte.
„Ja. Und was da alles für Geschichten aufgedeckt wurden. Butter in der Mikrowelle“, lachte Sniper sofort und ich musste grinsen. Das mit der Butter war wirklich nicht das Klügste was er je getan hatte.
„Und so jemanden lasst ihr in die Küche“, gab Manu gespielt schockiert von sich, wodurch er sich einen kleinen, leichten Seitenhieb von Palle einfing.
„Von dir gibt's auch noch genügend Stories, die gerade nicht erwähnt wurden. Die gibt's von jedem hier!“, beharrte Palle und schon hatten wir es uns auf den Sofa bequem gemacht und schwelgten in Erinnerung beziehungsweise erzählten uns verdammt interessante Geschichten. Ich wusste gar nicht was alles im Quartier abgegangen war, aber zu dem Zeitpunkt kannte ich ja auch noch nicht viele.
Nach einer Weile löste sich die Gruppe immer weiter und auch ich beschloß mich in mein Zimmer zurückzuziehen und mich aufs Bett zu schmeißen. Das war alles ziemlich viel Input gewesen. Vorallem Cerberus letzter Nachtrag bei seinen Notizen über mich, hatte einen verdammt bitteren Nachgeschmack. Cerberus hat noch an seinen Bruder geglaubt, hat gehofft, dass es Natrix leid tun würde und wurde von ihm umgebracht. Was Cerberus wohl in dem Moment gedacht hat, als sein eigener Bruder plötzlich eine Waffe auf ihn gerichtet hat? Ist er wütend auf ihn oder ist er enttäuscht von sich selbst, weil er es besser hätte wissen müssen und uns jetzt alleine gelassen hat? Es brachte mir nichts darüber nachzudenken und ehrlich gesagt war es auch nicht sonderlich angenehm, aber dadurch dachte ich wenigstens nicht an Zombey und schon gar nicht an die Kreuzotter. Was Cerberus wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass ich jemanden das Leben genommen habe? Cerberus hatte uns trotz unser kriminellen Tätigkeiten immer auf der richtigen Bahn gehalten. Er hat uns moralische Grundsätze vermittelt, uns Werte beigebracht. Und was hatte ich getan? Ich hatte jemanden ermordet. Mörder. Shit. Meine Gedanken waren so schwer. Ich will mit Zombey reden. Zombey würde mich beruhigen, würde irgendwie meinen Kopf von diesen Gedanken befreien oder zumindest einfach bei mir sein. Aber nein das ging nicht, weil ich mich ja besoffen an ihn ranmachen musste und er jetzt zurecht die Schnauze voll von mir hat! Verdammt, was hatte ich nur getan? Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich blinzelte sie weg. Ich will nicht weinen. Das bin ich doch selbst schuld, also hab ich nicht das Recht dazu erbärmlich zu flennen. Ich unterdrückte die Tränen erfolgreich, lag einfach weiter regungslos auf dem Bett und starrte Löcher in die Decke.
Ein Klopfen riss mich aus meinem Trance ähnlichen Zustand. Mit einem simplen ja gestattete ich der Person Zutritt und ein winziger Teil in mir hoffte, dass es Zombey war. Natürlich war er es nicht. Das war mir klar gewesen, aber trotzdem war ich deprimiert als Lilly den Raum betrat.
„Hey, Dado“, sie lächelte sanft und Venom folgte ihr in mein Zimmer. „Wir wollen ein Brettspiel spielen und brauchen noch 'ne dritte Person. Hast du Lust?“, erst jetzt fiel mir die Box in Venoms Händen auf. Ich betrachtete die beiden kurz, dann nickte ich lächelnd. Das war ihre Art mich aufzuheitern und mir zu zeigen, dass sie für mich da waren. Ablenkung würde mir wirklich gut tun. Venom und Lilly setzten sich zu mir aufs Bett und fingen an das Spiel aufzubauen. Wir spielten relativ lange und bis jetzt hatte jeder einmal gewonnen, also würde diese Runde alles entscheiden. Die Runde näherte sich dem Ende zu und es sah gut für mich aus, aber dann überholte Venom mich doch noch. Er freute sich und ich lächelte, während ich ein Gähnen unterdrückte. Es war schon recht spät. Die Dämmerung war schon fast vorbei und einzelne Sterne leuchteten schon schwach. Wir packten das Spiel zusammen und dann gingen Lilly und Venom zur Tür.
„Na, dann schlaf mal gut, Dado“, verabschiedete sich Venom und zusammen mit Lilly schritt er durch die Tür.
„Ihr auch und Danke“, sagte ich und ich wusste, dass sie verstehen würden wofür ich mich bedankte, als ich Lillys Lächeln sah.
„Immer wieder gerne“, sanft blickte sie zu mir. Sie hatten mich erfolgreich abgelenkt und dafür war ich ihnen dankbar. Das wussten die beiden. Das musste ich nicht noch mit Worten verdeutlichen. Mein Danke reichte da vollkommen aus. Die Tür schloss sich hinter den beiden und ich war wieder alleine. Ich ging ins Badezimmer und machte mich bettfertig. Ich schaltete das Licht aus und kuschelte mich unter meine Bettdecke. Mein Blick fiel auf die Schlaftabletten. Das Gefühl, was die Tabletten auslösten gefiel mir nicht. Man fühlt sich nach dem Aufwachen irgendwie so schwer. Ich glaube ich versuche es mal ohne. Wenn ich Albträume habe oder gar nicht einschlafen kann, dann kann ich ja immer noch eine Schlucken. Also legte ich mein Kissen wieder neben mich um es mit geschlossenen Augen zu umklammern. Schon komisch, dass ein Kissen mir auch ein bisschen Geborgenheit vermitteln konnte. Okay, in meinen Gedanken war es kein Kissen, sondern Zombey. Gott, wie erbärmlich kann man nur sein? Aber was soll ich tun? Ich liebe den Jungen und ich brauche ihn so verdammt sehr, dass es mir weh tut. Dieser innere Schmerz wurde nur noch dadurch verstärkt, dass Zombey momentan absolut nichts von mir wissen will. Verdammt er hatte gesagt es wäre selbstverständlich, dass er bei mir wäre, wenn ich Manu und Palle von der Kreuzotter erzählte. Er war nicht da. Er wäre nie wieder für mich da.
Ich hörte wie meine Zimmertür sich öffnete und zuerst wollte ich die Person anmotzen, aber dann blieb ich still. Die Person würde schon verschwinden, wenn sie denkt, dass ich schlafen würde. Die Tür wurde wieder geschlossen. Na also, genauso wie ich es mir dachte. Ich hörte leise Schritte, die mir näher kamen. Okay. Die Person ist doch hier. Ich wollte mich gerade zu Wort melden, als die Person anfing zu reden.
„Du schläfst wieder“, flüsterte Zombey und ich bemühte mich nicht sofort meine Augen aufzureißen. Wieso war er hier? Und wieso wieder? Dann legte sich seine Hand sachte auf meine Wange und sein Daumen strich sanft über meine Haut. „Gut, dass du auch ohne mich schlafen kannst“, er klang irgendwie leicht traurig oder bildete ich mir das nur ein? Egal. Meine Hand umschloss seine und ich öffnete meine Augen. Erschrocken wollte er seine Hand wegziehen, aber ich hielt sie weiterhin an meine Wange gedrückt. Seine warme Hand fühlte sich gut an.
„Nein, kann ich nicht“, warum ich auch flüsterte wusste ich nicht, schließlich schlief in diesem Raum ja keiner, aber irgendwie war meine Stimme leise geblieben. Ich hatte mich etwas aufgerichtet.
„Maudado lass meine Hand los“, Zombey wollte sich aus meinem Griff lösen, allerdings konnte er es nicht jedenfalls nicht ohne ruckhafte Bewegungen und er wollte sich nicht gewaltsam von mir befreien.
„Nur wenn du nicht direkt abhaust“, ich blickte ihm in die Augen, jedenfalls versuchte ich es, immerhin war es dunkel.
„Okay“, seufzte er und ich ließ seine Hand los. Wir schwiegen.
„Wieso schleichst du dich nachts in mein Zimmer?“, fragte ich in die Stille hinein und musterte ihn.
„Du hast das gestern mitbekommen?“, er spannte sich an und er klang ertappt.
„Nein, aber du hast gesagt, dass ich wieder schlafe, also musst du in der letzten Nacht auch hier gewesen sein“, schlussfolgerte ich.
„Du hast also nichts mitbekommen?“, er klang nervös. Vermutlich weil es ihm unangenehm war, dass ich jetzt von seinen nächtlichen Besuchen wusste.
„Nein, hab ich nicht. Ich habe geschlafen wie ein Stein. Schlaftabletten übrigens. Anders kann ich vermutlich nicht schlafen“, sagte ich und sah wie seine Körperhaltung sich erleichtert etwas lockerte. „Aber wieso bist du nachts in meinem Zimmer, wenn du davon ausgehst, dass ich am Schlafen bin?“, und schon spannte er sich wieder an.
„Ich, weil- also“, stammelte er und ich richte mich jetzt ganz auf, sodass ich aufrecht in meinem Bett saß.
„Das ist ziemlich unfair von dir, weißt du das?“, fing ich an. „Du hast den Kontakt doch abgebrochen, da darfst du dich nicht heimlich in mein Zimmer schleichen während du mir quasi verbietest in deine Nähe zu kommen. Was soll das?“, durchdringend sah ich ihn an, obwohl er meinen Blick im Dunkeln eh nicht deuten konnte.
„Ich will mich nur vergewissern, dass es dir gut geht“, gestand er leise. Ich machte ein abfälliges Geräusch.
„Denkst du wirklich, dass es mir gut geht?“
„Ich hatte es gehofft.“
Gehofft hatte er es also. So so. Ich verstand ihn einfach nicht. Offensichtlich wollte er doch in meiner Nähe sein, also warum stößt er mich von sich?
„Weißt du wodurch es mir wieder besser gehen würde?“, es war eine rhetorische Frage und ich ließ ihm keine Gelegenheit dazu fälschlicherweise darauf zu antworten. „Wenn du mich wieder zu dir lässt.“
„Maudado“, er klang gequält, „das geht nicht.“
„Warum?“
„Du weißt warum.“
„Das war nicht deine Schuld Zombey und ich verstehe nicht warum du dir das einredest. Du hast nic-“, er unterbrach mich.
„Lass es Maudado. Ich will nicht darüber reden“, er klang bedrückt. Ich hasste es. Ich hasste einfach alles. Dieses ganze Gefühlswirwarr in mir drin, die Tatsache, dass Zombey im Zwiespalt mit sich selbst stand und vorallem die Tatsache, dass ich dem Jungen trotz alledem nicht mal ansatzweise böse sein konnte. Ich sollte wütend werden. Verdammt noch mal, er schlich sich mitten in der Nacht in mein Zimmer! Ich sollte ausrasten! Aber nein. Es freute mich irgendwie auf eine sehr verkorkste Art und Weise. Das hier ist nicht gesund. Für keinen von uns. Dieses hin und her. Diese Unsicherheit. Wir kamen beide nicht mit seiner Entscheidung klar. Ich seufzte.
„Okay. Dann reden wir nicht darüber“, kurz pausierte ich. „Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten Zombey: Entweder du legst dich jetzt zu mir und wir vergessen die Sache einfach oder du gehst aus meinem Zimmer raus und bleibst draußen. Es gibt kein dazwischen. Ganz oder gar nicht. Du kannst dich nicht nachts in mein Zimmer schleichen.“
Es war ein Ultimatum. Mein letzter Versuch das was zwischen uns war irgendwie zu retten. Meine letzte Möglichkeit Zombey noch in meinem Leben zu behalten. Bitte leg dich einfach zu mir. Wir vergessen einfach diese Nacht, auch wenn sie sich verdammt gut angefühlt hat und ich sie eigentlich nicht vergessen will. Eher im Gegenteil: Ich will das noch mal erleben nur diesmal richtig. Aber ich unterdrücke das. Ich vergesse das. Deine Freundschaft ist mir wichtiger. Ich will in deiner Nähe sein dürfen. Also leg dich zu mir. Bitte, bitte leg dich zu mir. Bitte, le—
„Ich kann das nicht einfach vergessen. Es tut mir leid“, und damit wandte er sich zum Gehen. Ich konnte seinen Tonfall nicht deuten, war zu beschäftigt damit nicht laut loszuheulen. Ich drückte meine Faust gegen meinen Mund, um alle Geräusche zu unterdrücken, die meinen Mund verlassen wollten. Es gelang mir bis Zombey die Tür hinter sich schloss ruhig zu bleiben, danach schluchzte ich auf. Scheiße. Ich ließ mich in mein Bett fallen, dämpfte so die Geräusche, die meinen Mund verließen und weinte mir die Augen aus. Das war's. Jetzt hatte ich wirklich alles zerstört. Jetzt würde er nicht mal mehr nachts zu mir schleichen. Scheiße. Ich will nicht denken. Ich will nichts fühlen. Mein Blick lenkte sich zu den Schlaftabletten. Ich griff nach der Packung und nahm eine Tablette, um mit ihr ins Badezimmer zu stolpern damit ich sie mit Wasser runterspülen konnte. Beim Schlafen kann ich nicht denken. Ich will nicht denken. Ich legte mich wieder in mein Bett, drückte mich an das Kissen und weinte stumme Tränen. Irgendwann schlief ich ein.
Sicht Zombey
Nachdem der letzte Bericht vorgelesen wurde, verließ ich den Aufenthaltsraum. Das wurde mir gerade alles zu viel. Diese scheiß Berichte. Ich wollte nicht vorgelesen bekommen, dass ich früher Probleme gemacht hatte. Das wusste ich selbst. Mehr noch, dieser letzte verdammte Zusatz hatte Maudado in Schwierigkeiten gebracht. Lilly klang so enttäuscht und es tat weh, Maudado mal wieder in so eine Lage gebracht zu haben. Selbst wenn ich nichts tat litt er darunter. Ich sagte ja, je weniger Kontakt er zu mir hatte, desto besser. Und dann noch der letzte Teil von Cerberus Notizen. Seine Gedanken über Natrix. Cerberus klang so verzweifelt, als er sich an die Hoffnung klammerte, sein Bruder hätte sich geändert. So kannte ich ihn nicht, so war er nie gewesen. Und anstatt das diese Hoffnungen erfüllt werden, hatte Natrix ihn einfach umgebracht. Dieser Bastard. Hoffentlich hatte er gelitten beim verrecken. Ich betrat mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Sofort ließ ich mich auf mein Bett fallen und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen. Ich könnte schreien. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, die ich unter mein Kissen schob und presste es weiter in mein Gesicht. Am liebsten würde ich meinen Kopf ein paar Mal gegen die Wand hauen, aber dann hätte ich auch nichts davon. Ich wäre höchstens etwas ruhiger, hätte mich dann aber definitiv selbst verletzt und das würde mir auch nicht weiterhelfen. Diese scheiß Situation würde es auch nicht lösen. Die Tür öffnete und schloss sich wieder. Schritte ertönten und dann senkte sich die Matratze etwas.
„Nein, ich will nicht darüber reden. Verpiss dich Scar“, grummelte ich gedämpft durch das Kissen, in welches ich mich immer noch drückte. Es beruhigte mich. Einfach nur atmen und nichts von der Außenwelt mitbekommen.
„Dann reden wir nicht drüber“, ertönte die Stimme direkt neben mir, doch zu meiner Überraschung war es nicht Scar, sondern Shadow, die da neben mir saß.
„Genau, wir sind nur hier, um die Wand vor dir zu beschützen“, fügte eine weitere Stimme hinzu, die irgendwo schräg vor mir war. Kurz überlegte ich das Kissen, welches sich immer noch in meinem Gesicht befand auf Scar zu werfen, der sich doch irgendwo im Zimmer befand. Ich wusste nicht genau wo, aber ich schätze, bei der Fensterbank. Den Kommentar sparte ich mir auch, dafür hatte ich jetzt gerade absolut keinen Nerv. Stattdessen führte ich einfach die Symbiose zwischen mir und dem Kissen fort und konzentrierte mich aufs Atmen. Shadow und Scar verließen währenddessen nicht das Zimmer, sondern blieben dort, wo sie waren. Irgendwann setzte ich mich dann doch auf und lehnte mich an die Wand. Die Blicke der beiden Eindringlinge klebten förmlich an mir. Scar lehnte sich tatsächlich an die Fensterbank, von der er sich jetzt allerdings entfernte und sich, genauso wie Shadow es längst tat, auf mein Bett setzte. Beide saßen jetzt vor mir, Shadows Blick eher mitleidig, Scars auffordernd und genervt.
„Du bist ein absoluter Idiot, weißt du das?“, fing er auch sofort wieder mit Standpauke Nummer ich-hab-kein-bock-mehr-mitzuzählen an. Dabei hatte ich eben noch gesagt, ich wolle nicht darüber sprechen. Und Shadow hatte zugestimmt. Trotzdem kam das Thema auf, ich hätte es mir ja denken können.
„Können wir mal das Thema wechseln?“, seufzte ich leise. Shadow drückte aufmunternd meine Hand, während Scar genervt die Augen rollte.
„Nein, können wir nicht. Das ist absolut dumm. Du leidest drunter, der Hound leidet drunter. Deine Entscheidung ist komplett irrational!“, regte er sich wild gestikulierend auf.
„Falls du's nicht mitbekommen hast, ich mach das damit Maudado eben nicht mehr leiden muss“, verteidigte ich meine Entscheidung. Maudado würde es besser gehen, sobald wir hier weg waren. Sobald ich hier weg war.
„Indem du ihn leiden lässt, willst du ihn davor schützen zu leiden? Ja, merkste selbst ne?“, triumphierend zog er eine Augenbraue hoch und erwartete wahrscheinlich, dass ich sofort aufspringen würde, um mich bei Maudado zu entschuldigen. Aber das tat ich nicht. Ich hatte doch gesehen, dass Maudado mich nicht brauchte. Ich hatte doch gesehen, dass ich nur in seiner Nähe sein müsste, damit irgendeine Scheiße passiert, die negative Auswirkungen auf ihn hat.
„Was ist überhaupt passiert, dass du dich so anstellst?“, Shadow hatte ihre Hand mittlerweile wieder von meiner gelöst und musterte mich nun enttäuscht. Natürlich, war ja klar, dass nicht mal sie noch zu mir halten würde. Warum sollte sie auch. Warum sollte das überhaupt jemand tun? Keiner wusste, was vorgefallen war und ich hatte auch nicht vor, es ihnen zu sagen. Ich hatte nur auf etwas mehr Vertrauen gehofft, anstatt das die beiden und Manu mir permanent an den Kopf schmissen, wie dämlich meine Entscheidung wäre.
„Maudado geht's doch gut. Und wenn wir hier weg sind, geht's ihm noch besser“, ignorierte ich Shadows Frage und wandte den Blick ab. Statt immer wieder zwischen den beiden hin und her zu gucken, starrte ich einfach zwischen den beiden durch an die Wand.
„Maudado geht's nicht gut. Wie kommst du darauf, ihm würde es gut gehen?“, beschwerte sich Shadow. Zugeben, dass ich nachts in seinem Zimmer war, um zu sehen ob er schlief, konnte ich jetzt auch nicht. Dann würden sie nur noch mehr darauf beharren, dass ich mich bei Maudado entschuldigen sollte. Außerdem war's weird, und das wusste ich selbst.
„Dem Hound geht's scheiße. Und wolltest du ihn nicht genau davor bewahren? Nicht deine Anwesenheit macht ihm zu schaffen, sondern deine Abwesenheit. Ist das so schwer zu verstehen? Mach mal deine Augen auf“, genervt schüttelte Scar seinen Kopf. „Lassen wir das. Das Thema langweilt mich und du willst es ja eh nicht einsehen. Außerdem werde ich müde. Ich kann mich nur wiederholen: Je länger du brauchst, um festzustellen was du für'n Idiot bist, desto mehr verletzt du Maudado. Also streng mal dein Gehirn an.“ Scar erhob sich von dem Bett und verließ das Zimmer. Die Tür ließ er offen. Shadow seufzte leise, erhob sich ebenfalls langsam vom Bett und näherte sich dem Ausgang. Kurz bevor sie die Tür hinter sich schloss, steckte sie ihren Kopf nochmal ins Zimmer.
„Denk wirklich mal darüber nach, was Maudado mehr verletzt“, ernst musterte sie mich, schenkte mir dann aber doch noch ein kleines Lächeln und schloss die Tür hinter sich. Warum beharrten alle darauf, dass Maudado litt? Es schien ihm doch gut zu gehen. Er hatte doch ruhig geschlafen, und das ohne mich. Und verheult sah er auch nicht aus. Oder war das nur gestern gewesen und Maudados Zustand hatte sich verschlechtert? Aber eben sah er auch in Ordnung aus. Außer, als er sich wegen mir vor Lilly rechtfertigen musste. Irgendwie machte ich mir jetzt doch Sorgen, wie es Maudado ging. Ich wollte ihn nicht verletzten, erst recht nicht in das Loch stoßen, in das Manu damals gefallen war. Ich schaute aus dem Fenster, draußen war es dunkler geworden. Es war schon ziemlich spät. Seufzen stand ich vom Bett auf. Ich würde noch mal nach Maudado sehen. Ich wollte mich nur versichern, dass es ihm wirklich gut ging.
Leise trat ich auf den Flur hinaus und schlich wie beim letzten Mal zu Maudados Zimmer. Ich wollte nicht erklären müssen, was ich hier tat. Ich schlüpfte ins Zimmer und schloss die Tür schnell hinter mir. Maudado lag ruhig in seinem Bett und erleichtert atmete ich auf. Ihm schien es doch gut zu gehen. Trotzdem näherte ich mich seinem Bett, um ganz sicher zu gehen.
„Du schläfst wieder“, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst als zu ihm. Gut so. Ich sollte aufhören, mich von den anderen so beeinflussen zu lassen. Lächelnd legte ich meine Hand wie am Vortag auf seine Wange. Maudado ging's gut. Er brauchte mich also wirklich nicht, und das war das beste so. Maudado brauchte mich nicht.
„Gut, dass du auch ohne mich schlafen kannst“, kurz verweilte ich noch so, dann wollte ich mich zurück ziehen. Allerdings kam ich nicht mal soweit. Schnell schloss sich Maudados Hand um meine, und seine Augen öffneten sich. Sofort wollte ich sie wegziehen, doch wenn ich das getan hätte, hätte ich eventuell Maudado weh getan, der meine Hand an seine Wange drückte. Er hatte sich leicht aufgerichtet, und die Berührung seiner Haut brannte förmlich. Schuld überkam mich und wurde mit jeder Sekunde, in der ich ihn berührte schlimmer.
„Nein, kann ich nicht“, flüsterte er leise, doch alles, worauf ich mich konzentrieren konnte war diese verdammte Hitze, die von Maudado ausging und meine Schuldgefühle ihm gegenüber.
„Maudado, lass meine Hand los“, bat ich ihn und versuchte erneut meine Hand zu befreien. Erfolglos.
„Nur wenn du nicht direkt abhaust“, verlangte er, also blieb mir nichts anderes übrig, als seufzend zu zustimmen. Stille trat ein und ich überlegte mir, wie ich am besten wieder hier raus kam.
„Wieso schleichst du dich nachts in mein Zimmer?“, fragte er und ich spannte mich an. Scheiße. Er war wach, als ich ins Zimmer kam, hatte aber nichts gesagt, sondern gewartet, bis er mich festhalten konnte. Hatte er das gestern mitbekommen? Alles? Wenn er jetzt fragen würde, warum ich ihn auf die Stirn geküsst hatte, wäre ich am Arsch. Ich wusste es ja selbst nicht.
„Du hast das gestern mitbekommen?“, presste ich hervor und widerstand dem Drang, aus dem Zimmer abzuhauen.
„Nein, aber du hast gesagt, dass ich wieder schlafe, also musst du in der letzten Nacht auch hier gewesen sein.“
„Du hast also nichts mitbekommen?“, versicherte ich mich. Bitte sag einfach nein und lass es dann auch die Wahrheit sein.
„Nein, hab ich nicht. Da hab ich geschlafen wie ein Stein. Schlaftabletten übrigens. Anders kann ich vermutlich nicht schlafen“, teilte er mir mit und Erleichterung überkam mich. Maudado hatte nichts mitbekommen. Aber Schlaftabletten? Maudado brauchte Schlaftabletten wegen mir? „Aber wieso bist du nachts in meinem Zimmer, wenn du davon ausgehst, dass ich am schlafen bin?“ Fuck.
„Ich, weil- also“, verdammt, wie sollte ich ihm das bitte erklären? Maudado richtete sich im Bett auf, saß jetzt richtig.
„Das ist ziemlich unfair von dir, weißt du das? Du hast den Kontakt doch abgebrochen, da darfst du dich nicht heimlich in mein Zimmer schleichen, während du mir quasi verbietest in deine Nähe zu kommen. Was soll das?“, Maudado klang ziemlich verurteilen und verdammt, ich verstand ihn ja. Ich wäre an seiner Stelle wahrscheinlich absolut angepisst.
„Ich will mich nur vergewissern, dass es dir gut geht“, gestand ich und Maudado machte ein abfälliges Geräusch.
„Denkst du wirklich, dass es mir gut geht?“
„Ich hatte es gehofft“, antwortete ich ihm leise. Es war also immer noch nicht genug, mich zu distanzieren. Ich musste wohl wirklich erst hier weg, damit es Maudado gut ging.
„Weißt du, wodurch es mir wieder besser gehen würde? Wenn du mich wieder zu dir lässt“, er beantwortete sich seine Frage selbst. Und ich wusste, dass er so dachte, aber irgendwann würde er verstehen, dass ich nur in seinem besten handelte.
„Maudado, das geht nicht.“
„Warum?“
„Du weißt warum“, oder zumindest wirst du es irgendwann selbst verstehen, wenn du meiner Beteuerung nicht glaubst.
„Nein. Das war nicht deine Schuld Zombey und ich verstehe nicht, warum du dir das einredest. Du hast nicht-“
„Lass es Maudado. Ich will nicht darüber reden“, unterbrach ich ihn. Ich redete mir nichts ein, es war nicht zu übersehen, dass das alles meine Schuld war.
„Okay, dann reden wir nicht darüber“, stimmte er zu und stoppte dann. Ich wollte gehen, sollte es am besten auch, aber Maudado redete weiter. „Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten Zombey: Entweder du legst dich jetzt zu mir und wir vergessen die Sache einfach oder du gehst aus meinem Zimmer raus und bleibst draußen. Es gibt kein dazwischen. Ganz oder gar nicht. Du kannst dich nicht nachts in mein Zimmer schleichen.“ Maudado klang ernst, und ich wusste ja, dass er recht hatte. Ich konnte ihn nicht einerseits verstoßen und andererseits dann selbst seine Nähe suchen. Das war dumm von mir, das wusste ich selbst. Am liebsten würde ich einfach auf sein Angebot eingehen und mich neben ihn legen, wie die letzten Wochen auch. Einfach die ganze Scheiße hinter uns lassen. Ich vermisse ihn. Aber das bedeutete auch, dass ich alles was passiert war, vergessen musste. Und das konnte ich nicht. Maudados Berührung hatte mich eben schon fast wahnsinnig gemacht. Ich würde diese Schuld niemals los werden. Und selbst wenn ich es könnte, ich wollte nicht. Ich wollte das nicht vergessen. Ich wollte nicht vergessen, was zwischen mir und Maudado passiert war. Warum? Warum hatte sich das so verdammt tief festgebrannt, dass es zwischen uns stand? Ich war nicht mal in der Lage, darüber zu stehen, wenigstens so zu tun, als wäre es nie passiert. Ich musste unweigerlich jedes Mal daran denken, wenn ich Maudado ansah, wenn er mich berührte war's zehnmal so schlimm. Eine Freundschaft war so nicht möglich.
„Ich kann das nicht einfach vergessen. Es tut mir leid“, ich verschwand so schnell aus dem Zimmer, wie ich konnte, damit ich ja nicht erst auf die Idee käme, meine Meinung zu ändern. Ich wollte mich neben Maudado legen, ich wollte ja bei ihm bleiben. Aber das wäre definitiv die falsche Entscheidung gewesen. Maudado wollte es vergessen, und ich klammerte mich an diese eine scheiß Nacht und ich wusste nicht mal, warum.
Natürlich wollte er es vergessen, das wäre auch das einzig richtige. Aber ich kann's nicht. Ich konnte ihn ja nicht mal mehr ansehen, ohne mich scheiße zu fühlen. Das hatte keinen Sinn. Solange ich hier war, bestand nur die Gefahr, dass ich mich andauernd Maudado näherte. Das konnte so nicht weitergehen. Ich musste hier weg, allein schon für Maudado. Der Junge musste mittlerweile schon Tabletten nehmen wegen mir. Natrix war keine Gefahr mehr, die Kreuzotter auch nicht. Ich scheiß auf die anderen Schlangen. Es war mir alles egal, Hauptsache ich konnte hier weg. Ich muss mit Manu reden. Wir können doch zurück nach Hause, wieder in unser Quartier. Er musste einfach einsehen, dass wir zurück konnten, ohne uns zu gefährden. Geh ich jetzt zu ihm oder erst morgen? Es ist verdammt spät. Scheiß drauf, dann mach ich Manu und Paluten notfalls wach, aber ich musste hier einfach weg. Schlimmstenfalls gehe ich alleine.
Ich lief an meinem Zimmer vorbei und platzte stattdessen in das von Paluten und Manu. Beide saßen auf dem Bett und blickten überrascht auf, als ich ins Zimmer stürmte.
„Zombey was-“, weiter ließ ich Manu nicht reden.
„Manu, wir müssen hier weg. Natrix und die Kreuzotter sind doch kein Problem mehr. Die anderen wollen doch auch weg und-“
„Hey, warte. Mach mal'n Punkt. Beruhig dich erst mal. Hier geht's dir doch sicher wieder um Maudado, oder?“, mutmaßte er. Ich brauchte kurz Zeit, um über eine Antwort nachzudenken, aber leider deutete Paluten mein Schweigen richtig.
„Klär das doch einfach mit Maudado? Das ist sicherlich das beste für alle.“
„Ja, ich helfe dir sicher nicht dabei, jetzt so einen feigen Abgang zu machen. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber einfach abzuhauen wäre einfach scheiße von dir“, stimmte Manu ihm zu und zerschmetterte gleichzeitig auch meine Hoffnung auf eine baldige Rückkehr ins Catsquartier.
„Wenn du nicht alle gehen lässt, dann geh ich alleine. Unser Quartier ist mir sicher genug, ich bleibe keine Sekunde länger hier“, teilte ich ihm meine Entscheidung mit und verließ das Zimmer wieder.
„Jetzt warte doch mal!“, rief Manu mir hinterher, während ich die Tür schloss. Nein, ich warte ganz bestimmt nicht. Wir waren sicher, wir konnten zurück in unser Hauptquartier. Ich verstand nicht, warum Manu unbedingt seine Zeit hier verschwenden wollte. Ich verschwand in meinem Zimmer und begann damit, mein Zeug zusammenzusuchen. Dann geh ich halt alleine, ist mir auch egal. Besser als hier zu bleiben und ständig Gefahr zu laufen, Maudado noch mehr zu verletzen. Außerdem brauchte ich meine Ruhe, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich brauchte Ablenkung, es konnte doch nicht sein, dass ich permanent nur über Maudado nachdachte. Das war langsam schon nicht mehr gesund. Ich musste einfach weg.
Well shit. Das Gespräch zwischen Zombey und Dado lief nicht so gut. (Silberschwingen)
Tja... Dann wird Zombey wohl abhauen.
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