22 - Säulenkampf
Warme Kissen umgaben ihren müden Körper und Brya grummelte in die Seide ihrer Laken hinein.
Die Geräusche, die in ihrem Gemach waren, ignorierte sie gekonnt, indem sie sich eines der Kissen über den Kopf legte.Auch als die Schritte neben ihrem Bett ankamen, verhielt sie sich weiterhin ruhig und blieb regungslos liegen. Es war einfach zu früh.
»Aufstehen«, Azarels Stimme war tief und grimmig.
Er hatte definitiv erwartet, dass sie bereits fertig war.
»Noch ein paar Minuten«, murmelte Brya in den kuscheligen Stoff der Decken hinein. »Kannst du vergessen.«
Mit einem Ruck zog Azarel die Decke von Bryas Körper weg und schmiss sie quer durch den Raum. Mehrmaligen Händeklatschen erfüllte ihre empfindlichen Ohren und so machte er ihr weiß, sie solle aufstehen, was sie dann auch Widerwillen tat. Ihre Füße schleifend ging sie in ihr Bad und erledigte alles, was man an einem Morgen nun mal tat.
Als sie wieder herauskam, lag ihre Montur auf ihrem Frisiersessel.
»Na los, wir haben schon genug Zeit vertrödelt.«
Azarel verließ ihr Schlafzimmer und wartete in ihrem Vorraum auf sie, bis sie fertig angezogen war, was sich auf Hemd, Hose und Stiefel beschränkte.
Gähnend folgte Brya dem grimmigen Kerl durch die Korridore des Palastes und gähnte für Azarels Geschmack wohl zu oft, denn er seufzte mehrere Male genervt.
Um Brya herum war die Welt noch immer nicht ganz klar, eher verschwommen und sie rieb sich des Öfteren ihre goldenen Augen.
Mit einem lauten Gähnen flocht sie sich auf dem morgendlichen Marsch durch die Gänge des Palastes ihr Haar.
Nun konnte sie deutlicher sehen, dass sie sich nicht mehr in den ihr bereits bekannten Gängen befanden. Sie sahen noch immer unglaublich schön aus, doch waren sie schon einige Treppen heruntergestiegen.
Großartig.
Die müsste sie nach dem Training auch wieder hochsteigen.
Zwei Wachen öffneten ihnen eine große Holztür, sodass ein frischer Luftzug hereinkam.
Draußen zeigte sich ein großer Platz aus Erde und ein wenig Kies. Er war umringt von einer weißen Mauer, auf der Wachen Patrouille marschierten.
Neben dem Platz standen verschiedene Ständer mit Waffen und Tische, auf denen Schilde oder Bögen lagen. Außerdem gab es eine Art Schießstand mit Übungspuppen aus Stroh, die wahlweise Eimer als Helme trugen oder sogar ein Schwert aus Holz parat hatten.
»Kommst du?«
Azarel stand vor einer weiteren großen Tür, die von diesem Platz abging. Rückwärts näherte sie sich ihm und betrachtete weiterhin dir Umgebung. Instinktiv richtete sie ihren Blick für einen kurzen Moment auch gen Himmel und bereute dies sofort.
Der Mond war noch immer schwach in dem heller werdenden Himmel zu erkennen.
Seufzend schritt sie mit Azarel durch die Tür und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Der Raum war gespickt mit verschiedenen Geräten, die Brya noch nie zuvor gesehen hatte.
Es gab Säulen mit hölzernen Stangen und Zacken, die bis an die mindestens zehn Meter hohe Decke gingen.
Dieser Parkour, wenn man es so nennen konnte, zog sich außen herum durch den ganzen Raum und bildete somit eine Art Kreis.
Außerdem gab es auch hier Übungspuppen und Zielscheiben, die in verschiedenen Positionen von der Decke hingen.
In der Mitte des Raumes befand sich ein Ring.
Es gab eine klare Linie, die man nicht überschreiten durfte, ein Kampfring.
An den Wänden des Raumes, die mit Holz vertäfelt waren, hingen vereinzelt riesige goldene Schädel dieser Löwen-Adler.
»Diese Monster aus den Bergen scheinen das Wahrzeichen von Elvandros zu sein«, sagte sie im Vorbeigehen und betrachtete einen der Köpfe noch einmal genauer.
Überall fand man das Abbild dieser Wesen in dem Königreich, sogar als Helm.
»Der Greif ist das Wappentier des Sommers.«
So nannten sie diese Bestien also.
Greifen.
»Sie sind gefährlich und doch wunderschön und majestätisch. Passt zu den Altelfen.«
Azarel nickte auf Bryas Bemerkung hin und führte sie zu dem Kampfring.
»Also, kleine Brya«, sein schelmisches Grinsen war mal wieder nicht zu übertreffen.
»Wie du um dich herum bereits gesehen hast, ist das hier ein Trainingsraum der Extraklasse. Hier trainieren nur die Härtesten der Harten. Und zu eben so Einer werde ich dich machen.«
Ein abschätzender Blick ging an ihrem Körper herunter.
»Nun einen Anfang haben wir ja schon. Du hast zugenommen, fällst also wohl nicht mehr so schnell auseinander.«
Schnaubend akzeptierte Brya seinen blöden Spruch und versuchte ihre aufkommende Wut zu ignorieren.
»Fürs Erste wirst du lernen müssen, wie man ordentlich kämpft. Ich habe dir zwar gesagt, dass dir das Kämpfen im Blut liegt, doch wird dein Blut allein dich im Kampf gegen einen echten Dämon nicht retten.«
Sie verschränkte ihre Arme und nickte stumm, denn was er sagte, ergab durchaus Sinn.
Er hatte ihr damals gesagt, dass sie ihren Gegner auch umbringen müsste und es dann selbst in die Hand genommen. Das war einer der Momente, in dem Brya schon klar wurde, dass sie noch am Anfang ihrer Karriere als Dämonenbekämpferin stünde.
»Also womit fangen wir an?«
Diese Frage war mehr an ihn selbst, als an Brya gerichtet, denn sein Blick wanderte über die verschiedenen Geräte.
Als er sich wohl entschieden hatte, pfiff er Brya zu und sie folgte ihm zu den großen Säulen.
Er bedeute ihr sich in die Mitte einiger Säulen zu stellen, denn es waren mindesten hundert von ihnen, die verteilt um den Raum herum standen.
Sie sahen sich an und Brya wurde tatsächlich zunehmend nervöser.
»Was jetzt? Klettern?«
»Keine Magie, okay?«, Azarel lachte und betätigte mit einem einzigen Handgriff einen Schalter.
Sofort knatschen die Dielen und mehrere Mechanismen klickten schnell aufeinander durch den gesamten Raum.
Die Säulen begannen sich zu drehen, sodass jede der hölzernen Sprossen in ständiger Bewegung stand. Erst als sich die Säulen nach vorne und hinten bewegten, da bemerkte Brya, dass im Boden Schlitze waren, durch die die Säulen sich fortbewegen konnten.
Die Technik hinter diesem Trainingsraum war phänomenal.
Eine der Säulen raste auf Brya zu und die sich drehenden Sprossen machten einen furchteinflößenden Eindruck.
Sie fluchte einmal laut und duckte sich unter den Sprossen hinweg, nur um von denen einer anderen Säule direkt im Gesicht geschlagen zu werden.
Ächzend fiel sie zu Boden und rieb sich ihre glühende Wange.
»Bleib in Bewegung!«
Azarel hatte leicht Reden. Er war es schließlich nicht, der sich durch diese Tortur bewegen musste.
Als Brya einer weiteren Säule mit einem Sprung nach hinten auswich, traf sie etwas Hartes im
Rücken, sodass sie vorwärts in die Sprosse fiel, der sie gerade entfliehen wollte.
Stöhnend richtete sie sich auf und versuchte einen Ausweg zu erkennen, doch je öfter sie versuchte durch einige Lücken zu hasten, desto öfter wurde sie auch von einer urplötzlich auftretenden Sprosse beinahe erschlagen.
Es dauerte nicht mal mehr eine halbe Stunde, bis Azarel den Hebel erneut betätigte und Brya sich so aus dem Wirrwarr der Säulen heraus zwängen konnte.
»Das mache ich nicht nochmal.«
Er grinste.
»Ich habe tatsächlich gedacht ich müsste dich früher befreien.«
»Vielen Dank für die netten Worte, Az!«, zischte Brya ihn an.
Verdutzt sah er sie an.
»Der Spitzname gefällt mir.«, und schon setzte er wieder dieses selbstgefällige Grinsen auf, dem wohl kaum eine Frau widerstehen könnte.
»Oh nein, ich habe mich versprochen! Vergiss das ganz schnell wieder, klar?«, versuchte sie ihm drohend klar zu machen. Die Tatsache, dass sie sich versprochen hatte, betonte sie dann noch einmal mit ihrem erhobenen Zeigefinger.
»In Ordnung, kleine Brya.«
Sie schnaubte und wandte sich von ihm ab.
Ihr Körper schmerzte und war sicherlich übersät mit Prellungen und Blutergüssen. Als wäre es nicht schon Strafe genug, dass sie ihre Regel hatte.
»Wo denkst du, gehst du hin?«, sein schnippischer Unterton ließ Brya anhalten, die gerade dabei war die Tür zum Trainingsplatz zu öffnen.
»Ich hab genug für heute.«
»Da missverstehst du etwas.«
Ihr Kopf drehte sich zu ihm und sie zuckte zusammen, als ein Windzug aufkam, der die Tür mit einem lauten Knallen schloss.
»Ich habe mich deiner als Schüler angenommen. Und der Schüler hört auf seinen Meister. Prinzessin hin oder her. Netter Hintern hin oder her.«
Bei seinem letzten Satz wurde sie rot und gleichzeitig wütend.
Er fand ihren Hintern nett?
Ohne Umschweifen fragte sie sich, was er wohl noch an ihr nett finden würde.
Doch dann kam der Gedanke seiner Frau in ihren Kopf und sie formte ihre Hände zu Fäusten.
Brya wusste nicht, was es bedeutete jemanden zu ehelichen oder gar zu lieben.
Doch sie wusste, dass das Verhalten von Azarel einer Frau, seiner Frau, definitiv missfallen würde.
»Wag es nicht solche Dinge zu sagen, du Widerling!«
Sie ging auf ihn zu und wollte ihn maßregeln, doch er ging rückwärts und provozierte sie mit seinem charmanten Lächeln.
»Darf man einer Frau denn nicht sagen, wenn sie eine wirklich anschauliche hintere Partie bekommen hat, seit sie ordentliches Essen zu sich nehmen kann?«
Sie schnaubte und versuchte zu ihm aufzuholen, indem sie nach vorne hastete, doch er wich ihren Sprung geschickt aus.
»Nicht, wenn man verheiratet ist!«
»Ich spreche nur aus, was die Wahrheit ist, kleine Brya.«
Sie schnaubte und blieb stehen, um ihren geflochtenen Zopf festzuziehen.
Durch ihre hektischen Sprünge und unglücklichen Stürze bei den Säulen saß er ganz locker.
»Du denkst, du bist was besseres, oder?«
Azarel hob seine ebenmäßigen Augenbrauen an und öffnete verhöhnend seinen Mund.
»Und was willst du dagegen tun?«
Mittlerweile standen sie beide in dem Ring und gingen im Kreis, ihre Oberkörper zueinander gerichtet.
Wie zwei Raubtiere, die sich mit ihren goldenen Augen verbrennen wollten.
»Oh mir fällt schon was ein. Vielleicht erzähle ich deiner Frau von deinen dummen Sprüchen!«
»Und du meinst, sie glaubt einer dahergelaufenen Prinzessin?«
Brya wurde wütend, auch obwohl sie wusste, wie recht er hatte.
Sie war dahergelaufen und hatte schon öfter Gebrauch von ihrer Herkunft gemacht, als ihre Moral es eigentlich zulassen wollte.
»Ich werde mich nicht auf dein Niveau herab lassen, Azarel. Lass es einfach sein.«
Er schmunzelte.
»Nun gut. Keine Komplimente mehr.«
Seufzend dankte Brya ihm und rieb sich einen Arm, der auf einmal ziemlich weh tat.
»Lass mal sehen.«
Besorgt trat Azarel zu ihr und tastete erst vorsichtig, bevor er ihr Hemd hochzog und sie die bläulich violette Prellung ansah.
»Autsch.«
Bei jeder noch so sanften Berührung zuckte sie zusammen und knirschte mit den Zähnen.
»Cara kennt sich gut mit sowas aus. Ich kann ihr sagen, dass sie doch einmal vorbeischauen soll. Es sei denn du hättest lieber eine der Heilerinnen.«
Auf der einen Seite wirkte es beruhigend, wenn eine richtige Heilerin ihren Arm versorgen würde, doch so würde sie die Chance verpassen mit einer der Jägerinnen zu sprechen.
»Ich würde gerne mit Cara reden.«
Azarel nickte und legte behutsam den Stoff wieder über ihren Arm.
Die geringe Distanz, die gerade zwischen ihnen war, würden manche als Tabu bezeichnen, doch auch, obwohl Brya ihm gegenüber, aufgrund seiner Frau, abgeneigt war, wirkte es natürlich.
»Du bist auch ziemlich alt, oder?«
Er blinzelte einige Male, da er wohl ebenso überrascht, wie Brya selbst über diese Frage war.
»Nun, das könnte man so sagen. Wobei ich mit meinen 298 Jahren wohl sehr viel jünger bin als die Königin.«
Brya nickte ehrfürchtig und überlegte einige Sekunden, bevor sie ihre nächste Frage stellte.
»Du bist aber nicht irgendwie mein Vater, oder?«
Er brach in lautes Gelächter aus.
»Oh nein. Königin Ismera war mir gegenüber stets abgeneigt, es wäre also unmöglich, dass sie mich in ihre Laken lassen würde. Ganz abgesehen davon, dass es mir als General moralisch, sowie gesetzlich nicht unbedingt erlaubt war.«
Erleichtert atmete Brya auf und lächelte verlegen.
»War nur so ein Gedanke. Du hattest ja erwähnt, dass mein Zimmer zwischen deinem und dem meiner Mutter lag.«
Azarel leckte sich einmal nachdenklich über seine vollen Lippen und rieb diese aufeinander.
»Das war nur so, weil meine Magie und meine körperliche Kunst so überragend waren, nein, sind, dass sie mich mit dem Schutz ihrer einzigen Tochter beauftragen wollte.«
Brya musste aufgrund seiner unglaublichen Überheblichkeit kichern und schlug ihm einmal sanft auf die Schulter.
»Wo schläfst du eigentlich? Jetzt, wo ich in deinem Gemach hause.«
»Deine Mutter war so lieb und gewährte mir ein kleines Zimmer in der Kaserne. Es tut gut unter den Soldaten zu sein und sich nicht mit den Politikern abgeben zu müssen. Zwar habe ich nur eine kleine Truhe, doch ich glaube deine Kleider sind in dem großen Kleiderschrank eh besser aufgehoben, als meine Wämser.«
Sie tauschten ein warmes Lächeln aus, bevor Bryas verklang und sie nervös auf ihrer Lippen kaute.
»Hey. Was beschäftigt dich?«
Unsicher schaute sie erst auf den Boden, dann auf ihre linke Handfläche, auf der nur eine leichte weiße Linie zu sehen war, wo sie auf dem Gipfel ihre Handfläche aufgeschnitten hatte, um Elvandros zu enthüllen.
»Es klingt vielleicht dumm. Oder naiv oder kindisch. Doch ich frage mich, wer mein Vater ist? Meine Mutter ist die Königin des Sommers und mein Vater?«
Azarel sagte einige Sekunden lang nichts.
Ob es war, weil er überlegte oder trauerte, seiner Miene nach zu urteilen, war Brya unklar.
»Dein Vater lebt nicht mehr, Brya. Er war einst ein guter Mann, doch er starb noch vor deiner Geburt. Es tut mir leid, dass du ihn nicht kennenlernen konntest.«
Sie nickte und fragte sich, ob es gut oder schlecht war, einen toten Vater zu haben. Immerhin musste sie sich so nur mit einem unbeholfenen Elternteil abgeben und nicht noch einen Vater ertragen, der versuchte sie zu integrieren. Brya hatte noch immer ihre Mutter nicht ganz anerkannt, es standen zu viele unausgesprochene Dinge in der Luft, bei denen Brya nicht genau sagen konnte, ob sie diese jemals vergessen oder verzeihen konnte.
»Alles gut. Es hatte mich nur interessiert. Nichts weiter.«
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