21 - Ein kleines Lachen
Bis besagter Ball stattfinden könnte, würden noch einige Tage, wenn nicht Wochen vergehen.
Die Vorbereitungen für so eine Feier waren übermäßig anspruchsvoll und sorgten bei allen Angestellten der Königin für Aufruhr und Durcheinander.
Seither waren zwei Tage vergangen, in denen Brya ihre Zeit mit dem Lesen von Büchern verbracht hatte. Es war angenehm, sich vollkommen auszuruhen und die Seele baumeln lassen zu können. Abgesehen von dem Lesen vertrieb sie sich auch die Langeweile damit, die verschiedensten Köstlichkeiten aus der Küche zu bestellen und zu bewerten.
Obwohl sie keine große Liebe für Fleisch gehabt hat, vergötterte sie die Speise nun umso mehr.
Sie hatte es vermutlich einfach immer falsch zubereitet, es war trocken und ungewürzt. Doch was sich die Köche des gläsernen Palastes einfallen ließen, war eine unglaubliche Gaumenfreude.
Dieser Morgen jedoch war anders.
Als Brya ihre Augen öffnete, zog sich ihr ganzer Körper zusammen.
Ihr Bauch krampfte fürchterlich und sie rollte sich in jede erdenkliche Position, um den Schmerzen zu entgehen. Am optimalsten erwies sich dann eine Stellung, bei der ihr Kopf auf dem Kissen lag und sie kniete. Der Druck ihrer Beine in ihrem Unterleib linderte das Krampfen, doch es verschwand nicht.
Nach einigen schmerzhaften Minuten entschied sie sich aufzustehen und ihren morgendlichen Toilettengang zu erledigen.
Als sie dort saß, erschrak sie.
Rot.
Blut in ihrer Unterhose.
Es war unglaublich lange her gewesen, dass Brya das gesehen hatte.
Zuletzt, als sie vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen war. Ihr Körper stand seitdem unter so einem Stress und physischen Strapazen, dass er sich weigerte das zu tun, was gerade geschah.
Brya hatte ihre Regel.
Sie hatte diese Schmerzen nicht vermisst.
Grummelnd ging sie nach ihrer Erleichterung in ihr Gemach und stöhnte genervt auf. Gleichzeitig stieg ihr der Schweiß ins Gesicht.
Das würde unangenehm werden.
~
Die Dienstmädchen hatten alles gesäubert und nein bezogen, sodass der Blutfleck auf ihrem Laken nun nicht mehr zu sehen war.
Nun saß die junge Frau auf ihrem Ledersessel und bekam von einer der Bediensteten ein Tablet mit verschiedenen Utensilien auf den Tisch gestellt.
»Ich habe hier alles, was eine Frau für den monatlichen Zyklus benötigt.«
Heraus stellten sich diese Utensilien, als verschiedene Mittel um die Blutung davon abzuhalten unentwegt ihren Lauf zu nehmen und Brya versuchte sich einzuprägen, wie diese watteähnlichen Dinger funktionierten.
Allerdings machte sie sich einige Gedanken.
Das sollte sie... da rein?
Des Weiteren bekam Brya einige Tabletten, von denen sie eine am Tag nehmen sollte, falls die Schmerzen nicht auszuhalten waren. Nachdem dies alles geklärt war, gingen alle Frauen mit ihren wehenden Kleidern hinaus und ließen Brya mit ihrer Freundin allein.
Sie lag auf einem der Sofas, als es an der Tür klopfte.
Grummelnd legte sie das Buch weg, das sie gerade las.
»Ja!«
Vorsichtig öffnete sich die Tür und ein Mann mit schwarzen Haaren trat herein. Dieses Mal ohne die Lederrüstung, sondern in der alt bekannten Montur.
»Ich habe gehört, dass du heute nicht in guter Verfassung bist.«
Stöhnend drehte sie sich von der Tür weg und betrachtete das leise knisternde Feuer.
»Lass mich.«
Er kicherte und setzte sich neben ihr auf die Lehne des Sofas.
»Daher habe ich dir etwas mitgebracht.«
Azarel hielt Brya einen Teller mit Kuchen entgegen.
Schokoladenkuchen.
Und dazu ein Glas warme Milch.
Sofort setzte sie sich auf und nahm beides an sich, ehe sie begann den Kuchen in sich hineinzuschaufeln. Die Milch schmeckte unglaublich gut und sie musste lächeln, da er sich daran erinnert hatte, dass es ihr in der Taverne so geschmeckt hatte.
»Hast du starke Schmerzen?«
Sie war etwas verwirrt und kaute genüsslich weiter.
»Wieso interessiert dich das?«
»Darf ich mich nicht nach deinem Wohlergehen erkundigen?«
Sie schluckte herunter und bekam eine Gänsehaut. Es schmeckte so gut.
»Wenn man bedenkt, dass ich dir nicht vertraue, dann nicht.«
Er lächelte augenverdrehend und stand auf.
»Es gibt bei den Heilern sicher einen Trank, der die Blutung lindert.«
Es war Brya unangenehm, dass er so offen darüber sprach und sie quittierte seine Aussage nur mit einem: »Aha.«
»Meine Frau hatte diesen Trank immer genommen, da es ihr auch so schlecht ging. Ganz abgesehen davon bekam sie schreckliche Launen und auch das linderte der Trank. Wenn du willst, besorge ich ihn dir.«
Seine Frau?
Mehrere Gedanken schossen Brya durch den Kopf. Er war verheiratet? Wieso hatte er das nicht erwähnt? Nun, es war ja auch nicht so, als wäre er dazu verpflichtet, aber man hätte es zumindest in einem Nebensatz erwähnen können. Sie war sauer. Er hatte mit ihr geflirtet, obwohl er eine Frau hatte. Was ein Arschloch, dachte sie sich. Gleichzeitig war sie aber auch etwas bestürzt über die Tatsache, dass er eine Frau hatte.
Es war dumm.
Aber ein kleiner Teil von ihr war enttäuscht und mochte Azarel ohne Frau lieber.
»Gerne.«
Er nickte und stöberte durch die Bücherregale.
»Wie gefallen sie dir?«
Brya schaute über die Lehne ihres Sofas zu ihm und beobachtete, wie seine Finger über die Einbände der Bücher glitten.
»Sie sind gut. Ziemlich kitschig, aber na ja.«
Er kicherte ein wenig und nahm sich eines heraus.
»Hör auf zu lachen.«
»Wieso? Es sind doch meine Bücher, die dir so sehr gefallen. Ich lache, weil ich es amüsant finde, dass du meine Bücher kitschig findest. Ich hatte immer gedacht das würde den Frauen gefallen, ein bisschen Romantik.«
Sie musste zu ihrem Pech ein wenig lächeln.
»Man könnte dich auch für ein Weichei halten.«
»Weichei? Na dann lies mal dieses Buch!«, er gab es ihr in die Hand.
»Die Nächte der Leidenschaft. Klingt als hättest du eine Vorliebe für erotische Lektüre.«
Er schlug abwertend mit seiner Hand in die Luft.
»Diese Geschichte ist grausam! Wenn du wüsstest, was mit dem Soldaten geschieht, als er versucht seine Geliebte-"
Wütend stand Brya auf: »Erzähl es mir nicht!«
Er schmunzelte und nickte zufriedengestellt. Der Einband des Buches war schön und schien dennoch alt zu sein. Ziemlich alt.
So wie alles in diesem Reich. Brya seufzte.
»Azarel?«, ihre Stimme klang leise und beinahe heiser.
»Hm?«, er durchsuchte noch immer die Regale.
»Kann ich dich etwas fragen?«, wieder hatte sie das Gefühl unglaublich leise zu sprechen, doch er würde sie mit seinen Elfenohren dennoch hören.
Er schaute kurz zu ihr, wie sie mit ihren Armen über der Lehne des Sofas hing.
»Sicher.«, und er widmete sich wieder dem Regal.
»Hat jeder Altelf so eine Magie? So wie das, was du bei der Besprechung gemacht hast.«
Seine Hand, die eben noch über die Buchrücken verschiedenster Romane gewandter war, hielt inne.
Er ließ seine Schultern fallen und atmete mit seinem Kopf im Nacken einmal kräftig durch, ehe er sich wieder zu Brya gesellte.
Schwungvoll fiel er in einen der Sessel und faltete die Hände ineinander.
»Nicht so, wie ich. Nein.«
Er pulte an seinen Fingerkuppen und sprach dann weiter: »Es ist so, dass ein jeder Altelf Magie in sich trägt, doch nur die Wenigsten können sie kanalisieren, so wie du und ich.«
Brya schaute auf ihre eigenen Hände, sie tat das gleiche wie er. Sie war auch nervös. Ihre Kräfte, so nützlich sie ihr bereits gewesen waren, machten ihr Angst. Was, wenn sie die Kontrolle verlor, in einem ungünstigen Zeitpunkt?
»Es ist so, dass die Unbegabteren von uns, es erlernen können ihre Magie zu fokussieren, doch bleibt es dann bei kleinen Bewegungen in ihrem Umfeld, wie etwa das«, er zeigte auf das Buch, das neben Brya lag und bewegte es, indem er einmal mit den Fingern schnipste.
Auch wenn das für ihn wie ein Klacks war, staunte Brya dennoch. Magie war unglaublich.
»Diejenigen, die mit unserer Form von Magie geboren werden, können alles schaffen, wenn sie nur wollen. Natürlich sind dem Grenzen gesetzt, ich kann zum Beispiel keine Feuer entzünden«, er machte eine Handbewegung und das Feuer im Kamin erlosch mit einem Windstoß, »es aber löschen.«
Brya nickte.
»Mit dir ist es anders Brya. Was du hast, nennt sich rohe Magie und sie wächst mit ihrem Wirt ins Unendliche. Jetzt magst du die Elysidia sein, doch was, wenn du bald nicht mehr durch die Welten springst, sondern durch die Welt reist?«
»Wie soll ich das denn machen? Ich schaffe es gerade eben einige Meter zu überwinden und selbst dann bin ich noch nicht sehr präzise.«
»Das ist der Punkt. Jetzt scheint dir das vielleicht noch unmöglich, doch was ist in einem Monat? Oder einem Jahr? Deine Magie wächst mit dir und es gibt kein Ende. Das macht die Elysidia so besonders.«
Beide schwiegen für einen Moment.
»Deine Magie hat also eine Grenze?«
»Ich habe sozusagen eine Machtquelle, doch wenn diese ausgeschöpft ist, tut alles, was ich danach noch magisches verrichte so unglaublich weh, dass es noch nicht viele Altelfen überlebt haben. Diese Quelle bedeutet Macht, aber auch unseren Untergang. Anders als bei dir.«
Brya nickte und betrachtete die noch glühende Glut des Feuers.
Es war so unglaublich surreal, dass ihre Magie all die Jahre, wegen eines Fluches geschlafen hatte. Sie war vermutlich zu Dingen fähig, die die Menschen retten konnten. Die die Apokalypse beenden konnten. Deshalb war sie so besonders.
»Warum bin ich die Elysidia? Hätte es nicht jemand anderes sein können? Jemand der vielleicht hier aufgewachsen ist und sich der Verantwortung gewachsen fühlt?«
Azarel stand auf und setzte sich nun auf die Lehne ihres Sofas. Seine indirekte Nähe spendete ihr Mut, welcher noch mehr wuchs, als er seine Hand auf ihre Schulter legte.
»Glaub mir, Brya. Niemand würde sich an deiner Stelle der Situation oder der Verantwortung gewachsen fühlen. Die Welt der Menschen und der Altelfen lastet nun auf seinen Schultern.
Wer die Elysidia wird, ist nicht vorherbestimmt. Du weißt nun, zu was du vielleicht imstande sein wirst. Warum glaubst du also, wollte deine Mutter, dass du stirbst?«
»Würde ich für die Dämonen arbeiten, dann wäre bereits viel mehr verloren«, flüsterte sie sanft unter ihrer aufkommenden Ehrfurcht vor sich selbst.
»Alles, was ich, was wir für dich tun können ist, dich zu stützen und dir zu zeigen, dass diese Last nicht nur auf dir ruht. Wir sitzen in einem Boot, Brya. Wir sind immerhin beide die Außenseiter.«
Sie schnaubte.
»Du kennst dich wenigstens in diesem Königreich aus. Du weißt, was es bedeutet ein Altelf zu sein.«
»Sei nicht so wehleidig.«, Azarel stand nun auf und wuschelte ihr einmal durch ihr braunes Haar.
»Hey!«
»Schonmal überlegt, dass die mich vielleicht viel mehr hassen, als dich? Ich wäre beinahe vor Stolz gestorben, als der neue General mich so entgeistert angeschaut hat!«, Azarel lachte laut, »Waaas? Er schafft es, dass meine Leute leise sind? Was bildet der sich denn ein!«
Azarel gelang die Imitation von Ordeus ziemlich gut, denn auch Brya musste nun lachen. Auch wenn Brya vielleicht gerade nicht froh zumute war, was auf ihre Verantwortung und vor allem ihre Regelschmerzen zurückzuführen war, schaffte er es, dass sie lächelte. Sie musste des Öfteren mal lächeln, wenn er bei ihr war.
»Du hast sein Gesicht doch auch gesehen, oder? Bitte sag mir, dass du gesehen hast, wie dumm er drein geguckt hat!«
Kichernd nickte Brya und versuchte ein lautes Lachen zu unterdrücken, das sich immer weiter anbahnte.
»Am besten war es, als alle drei verwirrt waren, als du tatsächlich die Abstimmung gewonnen hast! Es gab noch nie eine Abstimmung, die Königin Ismera verloren hat, weißt du?«, er konnte sich nicht mehr halten, ob er es einfach unglaublich amüsant fand oder vielleicht eher glücklich war, dass es nach Plan gelaufen war, wusste Brya nicht.
»Warte nur ab, bis ich Ordeus von seinem Posten stoße!«, Azarel sprang nun auf den Sessel und stellte ruhmreich ein Bein auf dem Schreibtisch ab. Mit einer Hand imitierte er erhobenes Schwert, mit der anderen klopfte er sich triumphierend auf die Brust.
»Meine Zeit wird kommen!«
Nun war es auch um Brya geschehen.
Sie prustete laut los und konnte sich nicht mehr zurückhalten. Beide lachten wie zwei Irre und witzelten noch einige Sätze weiter miteinander.
Als es sich beruhigt hatte und beide außer Atmen nur einige Male kurz kicherten, fuhr Azarel sich durch sein Haar.
»Erwarte bloß nicht, dass ich mich so schnell wieder zum Affen mache, nur um dich zum Lachen zu bringen.«
Verwirrt schaute sie ihn an und kicherte erneut, da sie das auch für einen Witz hielt.
»Es ist schön, dich lachen zu sehen Brya. Das steht dir viel besser, als das grimmige und misstrauische Gesicht.«
Sie schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln.
»Ich werde es mir überlegen.«
Er deutete auf ihre Tür und sie begleitete ihn. Es war tatsächlich schon dunkel draußen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie lange sie geredet hatten.
Bevor Azarel die Tür öffnete, drehte er sich noch einmal zu Brya um.
»Die nächsten Tage werden sicherlich etwas langweilig werden. Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen trainieren?«
Sie legte ihren Kopf schief und war zunächst nicht von dem Gedanken abgeneigt.
»Trainieren?«
»Wenn du die Dämonen vernichten willst, musst du doch auch wissen wie, oder nicht?«, er grinste sie an, der Gedanke an einen toten Dämon machte ihm wohl Laune.
»Da hast du wohl nicht ganz Unrecht.«
Er nickte und klopfte ihr auf die Schulter.
Als er rausging, konnte sie hören, was er als Abschied rief.
»Wir sehen uns morgen früh! Um fünf Uhr bin ich hier!«
Sie schloss die Tür.
Fünf Uhr.
Ein Blick schnellte zu der Uhr, die über ihrem Kamin hing.
Gütige Gylvanan.
Das war in sechs Stunden.
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