20 - Strategiebesprechung
Es saßen mehrere Leute in dem Besprechungsraum. Azarel zu ihren Rechten, Königin Ismera zu ihrer Linken. An dem, wie ein rundes U geformten, Tisch saßen noch fünf weitere Altelfen.
Zwei Frauen und drei Männer.
Soldaten.
Außerdem drei weitere, die hastig alles mitschrieben, was geschah. So saßen Brya und ihre Nachbarn an der unteren Seite des U's und die anderen beiden Gruppen, links und rechts von ihnen.
Die fünf Soldaten waren alle bis an die Zähne bewaffnet und trugen glänzende Rüstungen aus Gold. Nur die beiden Frauen, waren etwas leichter gekleidet und eher mit Leder gerüstet, als mit schweren Goldplatten. Einer der Männer allerdings hatte eine prächtigere und massivere Rüstung als die anderen. An seiner Schulterpanzerung war ein hellblauer Mantel befestigt, der mit goldglänzenden Akzenten benäht war. Auch hier zeigten sich wieder die Köpfe der seltsamen Wesen aus den Bergen.
Der Helm des Mannes, welcher auf dem Tisch vor ihm lag, hatte ebenfalls die Form des Kopfes einer dieser Wesen und war hinten mit hellblauen Federn geschmückt, die prächtig hervorstanden.
An seiner Wange befand sich eine große und hässliche Narbe, doch sein Gesicht war dennoch von Schönheit umgeben, was seinen seidigen braunen Haaren zuzuschreiben war.
Sie erkannte ihn. Er war der Mann, der sie in den Bergen ausgeknockt hatte.
Dieser Mann war selbstsicherer und arroganter als jeder andere hereingekommen und hatte sich zuerst gesetzt.
Zunächst hatte Brya ihn für den Hauptmann der Wache gehalten, doch an dem Schwert, das er bei sich trug und Azarels verzogenen Mundwinkeln, erkannte sie sofort, dass er der General der Armee sein musste.
Azarel beäugte ihn stets und versuchte wohl nach Fehlern zu suchen, denn sein Stolz war ins Tiefste gekränkt.
Es musste hart für ihn sein, den Nachfolger seines ehrenvollen Postens zu sehen, ihm in die Augen zu blicken und gehorsam leisten zu müssen. Die beiden Männer saßen jeweils links und rechts von ihm, daneben einer der Kriegerinnen.
Brya konnte nur schwer sagen, ob sich unter der dicken Rüstung Muskeln befanden, doch irgendwie wirkten die beiden Frauen nicht wie übermäßige Muskelpakete, sondern tatsächlich recht schlank.
Sie könnte sich aber auch täuschen.
Nachdem sich alle mit einem gesenkten Kopf begrüßt hatten, legte Königin Ismera ihre Hände flach auf den Tisch, ehe sie aufstand.
»Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um über den Krieg in den Reihen der Altelfen zu reden.«, ihr Blick schweifte durch den Raum und verharrte jeweils einen kleinen Augenblick bei jedem, der anwesend war.
»Um die Formalitäten zu klären, dies ist General Ordeus, meine rechte Hand und Anführer der Sonnenarmee. Zu seiner Linken, Darren, sein erster Offizier und zu seiner Rechten, Melios, sein Zweiter.«
Darren und Melios sagen sich irgendwie ähnlich, doch ihre Gesichtszüge unterschieden sich doch ziemlich.
Sie hatten beide dunkelblondes Haar und gebräunte Haut. Doch ihr Haarschnitt machte einiges her.
Darren hatte beinahe keine Haare, so kurz waren sie, während Melios Haare bis zu seinen Schultern reichten.
Darrens Blick krallte sich an Bryas Augen fest und biss in ihre Seele. Beinahe wäre sie zusammengezuckt, konnte sich aber noch retten.
Melios hingegen, schenkte Brya ein sanftes Lächeln und nickte ihr freundlich zu.
Sie waren wohl Brüder, so ähnlich waren sie sich und doch so verschieden.
Königin Ismera fuhr fort und erklärte, wer die beiden Frauen waren.
Neben Melios saß eine Frau namens Cara, sie wirkte ein wenig schüchtern, doch war sich ihrer Rolle und Wichtigkeit wohl dennoch irgendwie bewusst.
Ganz links saß Neimes.
Sie hatte eine finstere Haltung, was durch ihre schwarzen Haare und ihren tiefen Ponyschnitt noch betont wurde. Ihr Kopf war einigermaßen gesenkt, doch ihre Augen waren wohl ebenso wachsam, wie die eines Adlers, der seine Beute beobachtete.
Auch diese beiden würdigten Brya einen kurzen und knappen Blick, ehe sich dieser wieder an die Königin richtete.
Der Titel der beiden war es, was Brya verunsicherte.
Jägerinnen.
Sie waren ganz bestimmt nicht dazu ausgebildet Wild zu jagen, so viel war gewiss.
»Ebenfalls anwesend sind heute, Bryalla und Azarel. Bryalla hat ein ebenso großes Stimmrecht wie ich, Azarel hingegen keines.«
Ein leises Lachen entfuhr Azarel und er schüttelte den Kopf. Darren hob seine Hand und stand auf, so die Königin ihm zunickte.
»Seid Ihr Euch sicher, Euer Gnaden, dass es sinnvoll wäre einem Mädchen ein volles Stimmrecht zu geben, obwohl sie sich nicht mit den hiesigen Sitten und Traditionen auskennt? Obwohl sie die Verluste dieses Krieges nicht erlebt hat?«
Vorerst würde Brya still bleiben und darauf warten, dass ihre Mutter für sie sprach. Sie wollte sich keine Feinde machen, denn Darren hatte recht. Sie kannte die Sitten und Traditionen der Altelfen nicht, wollte also auch niemanden aus Versehen kränken.
»Meine Tochter hat als Thronerbin das Recht auf diese Stimme, egal ob sie hier aufgewachsen ist oder auch nicht.«
So setzte sich Darren wieder und nickte.
»Ordeus, bitte tragt doch Euren Plan vor.«
Der General erhob sich und trat mit der Hand am Schwerknauf in die Mitte des U-Tisches.
Aus einer seiner Taschen holte er einen Würfel, der Gold war und nicht aussah, als wäre er aus dieser Zeit. So etwas hatte Brya noch nie gesehen. Die Wände des Würfels schimmerten bläulich, rötlich, grünlich und schienen sich zu bewegen.
Der General legte den Würfel auf den weißen Marmorboden und drückte mit seinem rechten Daumen in die Mitte der oberen Würfelfläche.
Ein mechanisches Klicken war zu hören, als er zurücktrat und Brya konnte nun sehen, dass sich der Würfel auffaltete. Staunend fiel ihr die Kinnlade herunter, denn was danach geschah, war noch surrealer.
Ein Bild entstand im Raum, es schwebte im Raum. Zu sehen waren verschiedene Schriften und eine Karte. Die Karte des schwarzen Gebirges.
Azarel lehnte sich zu ihr: »Beeindruckend, nicht wahr? In diesen Wismutwürfeln können Erinnerungen, Pläne, Geschichten und noch viel mehr mit Magie gespeichert werden.«
»Das ist wunderschön.«
»Magie vermag Wunderschönes zu vollbringen, doch kann auch voller Hässlichkeit stecken.«
Für einen Moment ließ Brya diesen Satz in sich einsinken und nickte dann.
Magie bedeutete Macht.
Und Macht konnte immer böse sein.
»Da der Winter sich aus diesem Konflikt heraushält, stellt diese Region für unsere Männer keine Gefahr dar.«
Der General strich über das halb durchsichtige und schwebende Bild. Das Abteil des Winters, gekennzeichnet durch einen brüllenden Bären, wurde so mit einem grünen Schimmer belegt. Der Winter befand sich am weitesten an der Küste gelegen, rechts unter ihm der Herbst, links unter ihm der Frühling und am südlichsten gelegen war der Sommer. Die Jahreszeiten, die Reiche, waren also aufgebaut wie ein Kompass.
»Der Frühling und der Herbst bereiten uns an unseren Grenzen allerdings immer wider Schwierigkeiten. Täglich werden Männer und Frauen verletzt, um Macht zu demonstrieren.«
Alle Anwesenden in dem Raum nickten. Nun war es Königin Ismera, die sprach: »Eine Friedensverhandlung ist das Einzige, was uns jetzt aus dieser Situation befreien kann. Die direkte Konfrontation der Herrscher würde allerdings einen Streit bedeuten, den wir nicht bereit sind zu klären.«
Brya betrachtete aufmerksam die Reaktionen der fünf Soldaten. Die beiden Jägerinnen studierten die Karte und formten unausgesprochene Worte mit ihren Lippen, während sie überlegten.
Darren war es, der nun sprach: »Unsere Armee steht bereit, Eure Hoheit. Ihr müsst es nur befehlen und unsere Soldaten werden sich die Reiche vorknöpfen.«
Er machte dabei eine Faust und ein Knurren lag in seinem Ton.
»Wir können es nicht mit zwei Armeen aufnehmen, Bruder«, sprach nun Melios, »Es sei denn, du bist auf den Tod aus.«
Beide fingen an über das Angreifen und Nicht-Angreifen zu diskutieren, während der General seine Augen verdrehte.
Ordeus sah nun Azarel an, welcher etwas schadenfroh grinste. Oh ja und wie es Azarel freute, dass der General keine Kontrolle über die Gemüter seiner Männer hatte.
Neimes und Cara beteiligten sich nun ebenfalls leise an dieser Diskussion.
Die Königin und der General unterhielten sich indessen über genau dasselbe Thema.
»Wo ist denn hier die Struktur?«, flüsterte Brya zu sich selbst.
»Wäre ich General, würden meine Vertrauten schon längst die Schnauze halten. Wie es scheint, hat mein Nachfolger keine Kontrolle über das, was hier geschieht.«
Azarels Stimme war belustigt, ebenso wie besorgt. Wenn es ihnen nicht gelang diese Auseinandersetzung der Altelfen zu beenden, dann würde der Krieg gegen die Dämonen verloren sein.
»Sprich doch ein Machtwort, wenn du dich deiner selbst so sicher bist.«
Azarel schnaubte kichernd und lehnte sich zurück.
»Um diese Vorstellung zu verpassen? Niemals.«
Nun wandte sich der General seinen Leuten zu und versuchte die Diskussion zu beenden, doch die beiden Brüder ließen sich nicht im geringsten aufhalten.
Brya überlegte ebenfalls.
Wie könnte sich diese Situation aufklären?
»Und? Hast du eine Idee, kleine Brya?«
Sie grummelte ein wenig und rieb sich entnervt die Schläfen.
»Man braucht einen neutralen Boden. Ein Ort an dem weder die eine noch die andere Partei Vorteile hat. Die Frage ist nur wo.«
Azarel setzte sich nun wieder aufrecht hin und drehte seinen Körper in Bryas Richtung.
»Du hast zehn Sekunden Zeit, um dir das zu überlegen.«
»Was?«
Azarel stand auf und räusperte sich einmal.
Was nun geschah, sorgte selbst bei ihr für eine Gänsehaut. Er strahlte eine unglaubliche Macht aus.
Mit einem Mal öffneten sich die Fenster des Besprechungsraums laut knallend und es wehte ein starker Windstoß hinein.
Alle fuhren zusammen und erschraken sich sichtbar.
Azarel verschränkte seine Arme und wartete bis alle ihn ansahen.
Cara und Neimes lächelten ihn an, ebenso wie Melios. Doch Darren und Ordeus verfinsterten ihre Miene.
»Habe ich nun Eure Aufmerksamkeit?«
Als alle nickten, einige glücklich, andere grimmig, setzte er sich wieder und der Wind schien wie weggeblasen.
Azarel kontrollierte den Wind.
Seine Magie kanalisierte den Wind.
Brya staunte und verhaspelte sich einmal, als Azarel auf sie deutete, stand dann aber auf.
»Ich glaube, es wäre eine kluge oder zumindest sinnvolle Überlegung, wenn wir...«, sie wurde unsicher unter den prüfenden Blicken der wohl wichtigsten Personen von Elvandros, »Nun es wäre zumindest sicher von Vorteil sich auf neutralem Boden zu treffen? Also wo sich weder der Frühling, noch der Herbst, noch wir uns auskennen. Ich meine, es wäre sicherlich eine Überlegung wert, denn immerhin ist es ja wichtig, dass sich die Völker vertragen und...«
Teilweise spürte sie nun die verwirrten Blicke der Anwesenden.
»Und ich plappere.«
Sie atmete heftig durch, denn sie hatte während ihrer Ansprache nicht einmal Luft geholt.
»Beruhige dich.«
Azarels Hand legte sich sanft um ihr Handgelenk.
Und sie beruhigte sich.
»Der Winter will sich doch raushalten, oder? Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie sich freuen würden, bei der Lösung dieses Problems helfen zu können.«
Ihr Blick wanderte zu Azarel herunter.
Er lächelte und nickte ihr ermutigend zu. Innerlich knurrte sie, denn sie vertraute ihm Widerwillen.
»Mein Vorschlag ist es also, eine Friedensverhandlung im Reich des Winters zu machen. Verkleiden könnte man sowas natürlich etwas anders, etwas netter. Ansprechender und nicht so offensichtlich.«
Azarel stand nun auch auf und bedeutete Brya ihm zu folgen. Zusammen stellten sie sich in die Mitte des Tisches, direkt vor den General, sodass er ihren Rücken sehen konnte. Zweifelsohne eine Machtdemonstration Azarels.
»Was Brya damit sagen möchte ist, dass wir diese Verhandlung als Maskenball verkaufen werden. Feste waren schon immer eine der Lieblingsaktivitäten der Altelfen, warum diese Tradition also nicht wieder heraufholen?«
Königin Ismera, Bryas Mutter, grübelte einige Sekunden.
»Dieses Fest ist mit einem hohen Risiko verbunden, es ist gefährlich sich auf solch einer Feier mit seinen Feinden zu treffen.«
Brya nickte und trat einen Schritt vor.
»Ja und das können wir als ein Argument nutzen. Jede Fraktion wird die Erlaubnis haben ungefähr eine Handvoll ihrer Wachen zu postieren, doch gestalten wir das Fest als etwas Heiliges, was nicht durch Blutvergießen gestört werden darf.«
Eine leise weibliche Stimme ertönte aus der hinteren Reihe: »Bald ist das Wintersonnenwende-Fest. An diesem Tag darf man ohnehin kein Blut vergießen, also können wir doch den Einbruch des Winters mit dem Frieden feiern.«
Es war Cara, die gesprochen hatte. Ihre Stimme war sanft und klang unglaublich schön. Es hatte beinahe etwas Melodisches ihr zuzuhören und Brya war sich sicher, sie könnte gut singen.
Königin Ismera stand auf und betrachtete jeden Anwesenden einzeln.
»Ich hoffe alle hier Anwesenden wissen, wie die Stimmen gewichtet werden? Meine Tochter und ich haben eine doppelte Stimme, jeder andere, abgesehen von Azarel, hat eine. Es darf sich auch enthalten werden«
Jeder in dem Raum nickte.
»Wer stimmt gegen Bryallas Vorschlag?«
Drei Hände erhoben sich.
Ihre Mutter, General Ordeus und Darren.
Vier Stimmen gegen ihren Vorschlag.
Würden sie wirklich eine Schlacht ausrufen wollen?
»Wer stimmt für das Fest?«
Brya drehte sich vorerst nicht um und hob nur ihre Hand.
»So ist es also entschieden«, sagte ihre Mutter mit einem leicht grimmigen Unterton.
Brya blickte sich um.
Melios, Neimes und Cara hatten ihre Hand erhoben.
Sie hatte um eine Stimme gewonnen.
Erleichtert atmete Brya auf und zuckte kurz zusammen, als sie bemerkte, dass sie nach Azarels Hand gegriffen hatte. Fest umklammerte sie Seine und da fiel ihr erst auf, wie groß seine Hände überhaupt waren.
»Wer geht also zu diesem Fest? Wie ich bereits sagte, können die Anführer sich nicht ohne einen Streit in die Augen sehen. Jemand anderes wird also auf diesem neutralen Boden auf neutraler Ebene mit den Reichen verhandeln müssen.«
Brya begann zu überlegen. Es müssten Abgeordnete geschickt werden.
»Wir«, ertönte es aus Azarels Mund.
Blinzelnd schaute sie ihn an und er ließ seine vollen Lippen wahre Wunder in ihr wirken. Sein Lächeln brachte sie in Verlegenheit, sie wurde rot und musste sich sehr konzentrieren, um ihren Blick von ihm abzuwenden und ihre Mutter anzusehen.
Er war wirklich ein Abbild eines Mannes.
»Ja. Azarel und ich werden verhandeln.«
Irgendwie, fügte sie in Gedanken hinzu.
Denn es reichte, wenn Azarel ihre Unsicherheit spürte.
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