2 - Neue Bekanntschaft
Sie drehte sich um und betrachtete die Untoten, die noch immer in der Türschwelle standen und gierig sabbernde Geräusch von sich gaben. Dies würde nicht ihr Weg nach draußen sein. Seufzend schaute sie auf den Zettel und knüllte ihn zusammen, steckte ihn aber dennoch in ihre Manteltasche.
Es könnte ein blöder Streich sein, aber es war auch durchaus möglich, dass vor ihr ein Dämon hier gewesen war.
Die Herren, die vor 16 Jahren hergekommen waren. Selbsternannte Herren, musste sie dazu erwähnen. Sie überzogen das Land mit ihrer Seuche des Todes und sahen sich an der Spitze der Nahrungskette.
Und da hatten sie recht. Keine Armee irgendeines Adeligen konnte es mit einem oder zwei Dämonen aufnehmen. Selbst, wenn sie einen töteten, dann kehrte er zurück. Diese Monstren schienen unsterblich zu sein und das machte sie zu dem gefährlichsten Gegner, den es nun auf dieser Welt gab.
Aus diesem Grab würde sie also keinen Profit schlagen können und das, obwohl es durch seine Untoten Wächter so vielversprechend wirkte. Sie strich mit Fingern durch die losen und etwas kürzeren Haare an ihrem Ansatz und klemmte sie hinter ihre Ohren.
Wenn es so weiterging, dann würde sie zu drastischeren Mitteln greifen würden.
Seit Wochen war dies das einzige Grab, in das sie noch einen kleinen Funken Hoffnung gesteckt hatte. Jedes andere war bereits geplündert und sie wurde den Gedanken nicht los, dass es sich hier um dieselbe Person handelte.
Entrüstet ließ sie ihre Augen durch die Kammer schweifen und entdeckte einen kleinen Durchgang in einer Nische, den sie als zweiten Ausgang vermutete. Sie stieg die Treppen des Podestes herab und betrachtete im Vorbeigehen die grünen Pflanzen.
Ein Teil von ihr schrie danach hier zu verweilen und vielleicht eine oder zwei der Pflanzen mitzunehmen. Doch die Vernunft in ihr verneinte dieses Verlangen. Das Grün würde sofort verwelken, sobald sie wieder im Ödland war.
Also ließ sie sie an ihrem Platz und stellte dadurch sicher, dass das Grab sie weiterhin schützte. Mit angehaltenem Atmen zwängte sie sich durch den schmalen Gang und gelangte an eine Leiter, die an einer Luke befestigt war.
Vorsichtig erklomm sie die hölzernen Sprossen und stemmte ihre Schulter gegen die Luke.
Helles Mondlicht schien in ihr Gesicht und sie kletterte hinaus. Es war tatsächlich Nacht geworden. Der Himmel war trotz des hellen Mondlichtes bedeckt und ließ sie keinen Blick auf die Sterne erhaschen. Es war als wäre der Mond ein Hindernis, über das sich die Wolken nicht wagten.
Was war ihr nächster Schritt?
Sie fasste an ihren Geldbeutel und stellte fest, dass er nicht so schwer war, wie sie es sich erhofft hatte. Bei einem Griff hinein, bemerkte sie, dass sich tatsächlich nur noch zwei silberne Münzen darin befanden. Grummelnd überlegte sie und wollte sich selbst nicht eingestehen, was bereits klar war.
Sie musste rauben.
Diebstahl war eine der Sachen, die sie am meisten beherrschte und dennoch am meisten verabscheute.
Eigentlich scherte sie sich nicht um dem Schicksal anderer, doch es willentlich noch schlechter zu machen, als es ohnehin schon war, tat weh.
Das Dorf von heute Nachmittag würde ihr Ziel werden.
Die Schenke von Bellville bot sicher das eine oder andere Geldmittel, dass sie ergattern konnte. Mit schweren Schritten ging sie die Hügel hinunter und zog sich wieder die Kapuze auf. Nachdem sie endlich wieder durch den Torbogen des Dorfes gegangen war, wurde ihr Herz noch schwerer.
Es war nie leicht zu stehlen. Die entsetzten Gesichter der Menschen, wenn sie feststellten, dass ihnen Gold und einige Erbstücke fehlten, vergaß sie nie.
Als sie die Taverne betrat, kam ihr ein unangenehmes Gefühl entgegen. Eine Beklemmung, die sich sofort in ihrer Brust ausbreitete. Als würde ihr Instinkt sagen wollen, dass hier etwas gewaltig nicht stimmte.
Sie beäugte das Haus und analysierte jedes Möbelstück.
Alles war am gleichen Platz wie zuvor. Noch immer lagen Flüchtlinge auf den Bänken und dem Boden, doch eine Sache war neu. An einem Tisch saß ein Mann, der Karten mischte. Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn.
Er war groß gewachsen und unter der hübschen Montur verbargen sich sicherlich stahlharte Muskeln. Die Montur, wo hatte er sie her? Schwarz mit blau glänzenden Akzenten, Schulterpolstern und seinen Stiefel.
Götter seine Stiefel waren herrlich. Sie waren sauber. Keine Spur von Schlamm oder Staub. Glänzend schwarz. Doch es war sein Gesicht, dass sie ein wenig aus der Fassung brachte. Er kam ihr unglaublich bekannt vor, aber irgendwie auch nicht.
Eines war sicher: An diesen Mann hätte sie sich definitiv erinnern müssen, auch wenn er so vertraut wirkte.
Sein Blick richtete sich auf sie und er funkelte sie mit seinen goldenen Augen an. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, sich zu setzen. Vorsichtig kam sie näher und setzte sich auf die Bank gegenüber von ihm.
Er grinste und teilte ihr Karten aus. Als er fertig war, legte er fünf Goldmünzen auf den Tisch.
»So viel kann ich nicht setzen.«
Er schmunzelte und faltete entspannt seine Hände zusammen.
»Das musst du auch nicht. Wenn du verlierst, bekommst du dieses Gold. Wenn du gewinnst, bekommst du noch weitaus mehr als das.«
Sie legte den Kopf schief.
»Deal?«
Weitaus mehr als fünf Goldmünzen wäre eine Bereicherung.
»Deal.«
Sie hob ihr Blatt an und betrachtete die Karten aufmerksam. Mit einigen geschickten Zügen könnte sie schnell gewinnen. Sie musste bloß aufpassen sich nicht in eine Taktik zu verrennen. Kartenspielen war nie ihre Stärke gewesen, aber die fünf Goldmünzen würde sie gerne als Trostpreis annehmen.
»Ladys First.«
Der Mann lächelte sie mit seinen strahlend weißen Zähnen an. Wäre ihr der Gewinn nicht so verdammt wichtig, dann wäre sie sicherlich von seinem Aussehen abgelenkt. Sie legte ihre Karten und sie begannen zu spielen.
Ihre Partie war stumm und keiner von den beiden ließ sich einen Vor- oder Nachteil anmerken. Als sie nur noch eine Karte zu legen hatte und dies auch tat, lehnten sich beide vor, um das Ergebnis zu betrachten.
»Nun«, sagte er in einer tiefen Stimme, »scheint, als hättest du gewonnen.«
Er hatte recht. Um einen verdammten Punkt hatte sie ihn schlagen können. Was ein Glück.
»Mein Gewinn.«
Er schüttelte den Kopf und schnalzte mehrmals mit der Zunge.
»Aber, aber. Nicht so hastig. Du bekommst deinen Gewinn. Folge mir nach draußen. Wir wollen doch nicht, dass sich jemand anderes einmischt.«
Sie nickte zustimmend, schaute aber dennoch ernst drein, da es sie störte, wie er mit ihr zu spielen versuchte. Doch sie hatte keine andere Wahl. Sie könnte sich natürlich eine Möglichkeit suchen auf andere Weise an Geld zu kommen, doch leider war dies eine Gelegenheit, die nur allzu schön war, um sie abzulehnen.
Schweigend und dennoch finster schauend folgte sie dem Mann nach draußen und bemerkte, wie groß er tatsächlich war. Bestimmt fast zwei Köpfe größer als sie. Er ging geradewegs hinter die Taverne und stellte sich unter den Dachvorsprung.
Er lehnte sich lässig an die Holzwand und sie verschränkte die Arme. Nach einigen Sekunden voller Stille, nur mit dem Geräusch des Viehs, räusperte er sich und lächelte sie an.
»Wenn du glaubst, ich tue dir irgendwelche gewissen Gefälligkeiten, dann hast du dich geschnitten«, grummelte sie.
Ein belustigtes Kopfschütteln war seine Antwort.
»Nein, nein. Ich erkenne eine Hure, wenn ich sie sehe. Und du«, er betrachtete sie und ließ dabei wohl keinen Millimeter ihres Körpers aus, »du bist keine. Auch, wenn du in der Ledermontur zum Anbeißen aussiehst. Sie sieht einzigartig aus. Selbstgemacht?«
Sie nickte, wurde allerdings ungeduldig.
Der Fremde brummte zustimmend und musterte sie weiter.
»Die Schnallen sind gut verarbeitet, wer hat dir das beigebracht?«
Ihr Gesichtsausdruck ließ deutlich auf Verwirrung hinweisen.
»Entschuldigung, aber was hat das mit meiner Belohnung zu tun? Ich will das Geld.«
Er fasste sich an die Stirn, so als hätte er diese Sache beinahe vergessen.
»Richtig. Verzeih bitte. Ich will vorher eine Sache wissen.«
Sie seufzte und verdrehte die Augen.
»Ich habe es mir selbst beigebracht. Bin wohl ein Naturtalent.«
Er kicherte in seinen Kragen und rieb sich die Hände, da er wohl fror. Danach hauchte er in die Kuhle, die er mit den Händen bildete.
»Das meinte ich nicht. Ich will deinen Namen wissen.«
»Meinen Namen? Was interessiert dich mein Name?«
»Ein Name sagt viel über eine Person aus. Herkunft, Abstammung, Armut oder Reichtum.«
Sie zögerte und überlegte ernsthaft, ob es nicht klüger wäre zu verschwinden. Doch dieser Fremde, wer auch immer er war, faszinierte und interessierte sie.
Allein der Anblick, den er bot.
Diese Montur, ohne auch nur einen Kratzer oder Staubfleck. Als wäre dieser Mann aus einem Bilderbuch entflohen. Zugleich war sein Äußeres gepflegt. Er war rasiert und sein schwarzes Haar war ordentlich zurückgekämmt.
Sie hingegen sah mit ihrem verkletteten und geflochtenen Zopf aus, wie alle anderen Menschen in diesen Zeiten. Wobei sie sich dennoch bemühte so oft es ging ein Bad einzunehmen. Und, wenn es nur in einem See oder Fluss war.
Er sah aus, als würde er zu einer der Adelsfamilien gehören, die sie früher immer bewundert hatte. Vielleicht sogar ein Prinz. Seine Kleidung gebügelt und er roch sogar gut. Etwas an diesem Geruch erinnerte sie an Rosen und Sommer. Und da waren seine Augen. Golden. Sie ähnelten ihren sehr.
»Mein Name ist Brya.«
Er legte den Kopf lächelnd schief und funkelte sie an. Ob er die Ähnlichkeit in den Augen auch sah?
»Kommst du aus dem Norden?«
»Norden? Nein ich komme nicht aus den Schwarzen Bergen.«
Die Schwarzen Berge waren eine riesige Gebirgskette, die relativ unbewohnt war. Es gab dort einige Schäfer und Bergbauer. Und hinter diesen Bergen lagen weitere Berge und noch mehr Berge. Segelte man an der Küste entlang, so erkannte man wieder nur Berge. Also waren die Schwarzen Berge auf jeder Karte als riesige Berghäufung verzeichnet.
»Ich meine nördlicher.«
»Ein anderer Kontinent?«
Der Fremde schmunzelte und schüttelte den Kopf. Seine rechte Hand wanderte in eine der Innentasche seiner Jacke und kramte einen Zettel heraus.
Lächelnd reichte er ihn ihr und sie nahm das zerknüllte Papier zögernd an. Schnell warf sie einen Blick darauf und erkannte eine Karte. Darauf war Bellville zu sehen. Aber sehr klein. Einen Weg, die sie erkannte waren schwach verzeichnet. Sehr weit nördlich befand sich ein rotes X. Sie blickte zu ihm hoch.
»Was ist da?«
»Eine Ruine. Sie ist voller Gold und anderer Reichtümer. Du könntest damit für dein Leben aussorgen.«
Sie blinzelte mehrmals.
»Ich soll mir meine Belohnung also selbst holen?«
»Gut kombiniert.«
Ihr Blick richtete sich wieder auf die Karte. So wie es aussah, brauchte sie ein bis zwei Tage zu Fuß. Es könnte sich wieder als Reinfall erweisen, doch was hatte sie zu verlieren? Entweder sie erhielt Gold oder eben kein Gold. Sie würde den Weg definitiv auf sich nehmen.
»Danke, schätze ich.«
Sie wollte sich zum Gehen wenden, doch das Schnalzen seiner Zunge, ließ sie innehalten.
»Du wirst das hier brauchen, kleine Brya.«
Byra verengte ihre Augen zu schlitzen und nahm grimmig den silbernen Dolch an, den er ihr hinhielt.
»Lass das.«
Er hob abwehrend die Hände und kicherte leise.
»Wofür brauche ich einen Dolch?«
Der fremde Mann kehrte ihr den Rücken zu und entfernte sich langsam von ihr.
»Das wirst du dann sehen, kleine Brya.«
Er ging um die Ecke und sie stürmte hinterher. Was fiel ihm ein sie so zu nennen? Als sie hinter die Ecke schaute, war er fort.
Verschwunden.
Sie schaute auch um die nächste Ecke, doch auch dahinter war er nicht zu sehen. Er schien wie vom Erdboden verschluckt.
Aber bei ihrer heutigen Begegnung mit den Untoten, schien ihr das nicht allzu unmöglich. An dem Griff des Dolches glänzte ein Rubin, er war also unglaublich wertvoll.
Sie überlegte, ob sie ihn verkaufen sollte, doch es war gewiss niemand in der Lage dem wahren Wert des Dolches aufzukommen. Das Kreuzstück der Waffe war ebenfalls aus Silber, aber sah aus wie ein seltsames Wesen.
Der nächtliche Himmel zog noch immer über das Land und dieses Mal waren die Wolken nicht mehr allzu dicht, daher konnte Brya also einen Blick auf die Sterne erhaschen. Es wäre vermutlich klüger sich am nächsten Morgen auf den Weg zu machen, abzuwarten bis die Nacht und ihre Schrecken verschwanden.
Doch auf der anderen Seite konnte sie keine Zeit mehr verschwenden. Ihr Magen knurrte und sie konnte sich nur noch eine Mahlzeit kaufen. Mit ihren zwei Silbermünzen blieb ihr also nichts Anderes übrig, als sich in der Taverne etwas Brot und Wasser zu kaufen und sich dann sofort auf den Weg zu machen.
Als Brya die Hütte betrat, warf sie einen Blick auf den Tisch, an dem sie und der Fremde gesessen hatten. Seufzend stellte sie fest, dass sie vergessen hatte nach seinem Namen zu fragen. Es gefiel ihr nicht, dass er ihren kannte, sie aber seinen nicht. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich verletzlich und das gefiel ihr noch weniger.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro