Spinner's End
Ihr Lieben,
ich habe mich sehr über das ganze Feedback der letzten Tage gefreut und daher hier eine neue/alte, aber überarbeitete Geschichte von mir, als kleinen Nikolausgeschenk!
Liebe Grüße und einen schönen 2. Advent!
-----------------------------------------------------------------------------
Es regnete, wie so oft in den letzten Tagen. Severus Snape stapfte durch die Dunkelheit und zog die Schultern hoch. Snape fluchte leise, als er in eine große Pfütze trat. Wieso war er überhaupt hier? Er hasste es, dass er immer sprang, wenn Dumbledore ihn rief. Es waren Sommerferien und er stand nun hier vor dem »Tropfenden Kessel«, um den Direktor zu treffen. Er drückte die Tür zum Schankraum auf und sah sich um. Es war später Abend und nur wenige Gäste saßen an den Tischen. Tom, der Wirt kam auf den Tränkemeister zu.
»Professor Snape, Professor Dumbledore erwartet Sie bereits. Folgen Sie mir bitte!«,, der fast kahle Mann lief eine schmale Treppe hinauf. Severus folgte widerwillig. Als sie in das gemütliche Zimmer traten, saß der Direktor vor dem Kamin und sah auf.
»Oh danke Tom. Ach würden Sie uns bitte etwas Tee und Gebäck bringen?«,
»Natürlich Professor!«, der Wirt verbeugte sich tief und verließ den Raum. Snape stand unschlüssig mitten im Zimmer.
»Severus mein Junge, setz dich doch bitte!«, der Grauhaarige wies auf den Sessel neben sich. Snape verdrehte die Augen, tat aber wie ihm geheißen. In diesem Moment kam Tom zurück und stellte Tee und Kekse vor den Männern ab, ehe er sich wieder verabschiedete.
»Nun Direktor, Sie haben mich sicher nicht herbestellt, um Tee zu trinken?!«, begann Snape, als der Wirt wieder gegangen war.
»Sicher nicht. Es geht um Harry!«, die Augen des Tränkemeisters verengten sich zu Schlitzen.
»Potter? Was ist mit dem Bengel?«, spuckte er seinem Gegenüber entgegen. Albus blieb ruhig.
»Nun er ist hier. Er schläft einen Raum weiter. Er hat heute am frühen Abend seine Tante aufgeblasen. Natürlich versehentlich und ohne Zauberstab. Ich konnte Fudge überzeugen, dass es keiner Strafe bedarf.«
»Natürlich nicht, für Potter gelten ja immer andere Regeln!«, höhnte der Lehrer.
»Severus, ich bitte dich. Er ist kaum dreizehn. Wie dem auch sei. Er kam mit dem Fahrenden Ritter her, nachdem sein Onkel ihn samt seiner Sachen vor die Tür gesetzt hat. Die Dursleys nehmen ihn zwar im nächsten Sommer wieder auf, aber bis dahin muss er untergebracht werden ...«, Snapes Lippen wurden wieder schmal.
»Da dachten Sie hoffentlich nicht an mich? Potter und ich das würde nie gut gehen und ich kann ihn ja wohl nicht mit nach Hause nehmen.«
»Sicher nicht, aber ich dachte an Spinner's End..«, nachdrücklich sah Albus zu dem anderen. Der sprang nun auf und lief im Raum auf und ab.
»Das kann einfach nicht Ihr Ernst sein. Sie wissen, ich hasse dieses Haus. Ich bin dort nur selten und benutze es eher als Abstellkammer und nun soll ich dort mehr als vier Wochen mit dem Bengel hausen. Wieso kann er nicht nach Hogwarts oder zu den Weasleys?«, Albus stand ebenfalls auf und trat zu seinem Tränkemeister, der inzwischen am Fenster stand und in den Regen starrte.
»Severus, der Junge braucht Schutz und auch ein bisschen Ansprache ...«, Snape schnaufte.
»...ich weiß ihr habt Eure Probleme, aber bei den Weasleys wäre er nicht gut geschützt und in Hogwarts wäre er alleine. Ich bitte dich nimm ihn zu dir und der Rest wird sich ergeben.«
»Hast du auch mal an meine Familie gedacht, Albus?«, Bitterkeit lag in der Stimme Snapes.
»Sie werden es verstehen!«, sagte der Weißhaarige sanft.
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber schön ich mach es, aber dann sofort. Der Bengel kann seinen Schönheitsschlaf auch in Spinner's End beenden. Ihnen ist hoffentlich klar Direktor, dass Sie mir etwas schulden!«
»Natürlich Severus, ich danke dir!«, Snape nickte und ging zur Tür.
»Ach und Severus! Harry ist nicht sein Vater, vergiss das bitte nicht!«, der Tränkemeister hatte sich nicht umgedreht. Er hatte die Hand an der Türklinke, atmete einmal tief durch, nickte und trat auf den Flur, ohne sich noch einmal umzusehen.
Als er die Tür zum Nebenraum öffnete, saß Harry zu seiner Überraschung angezogen auf dem Bett. Er konnte sich denken, warum der Junge nicht schlief. Er und auch Dumbledore waren im Zimmer nebenan, nicht gerade leise gewesen. Wütend funkelte der Lehrer seinen Schüler an.
»Potter! Mitkommen!«, spie er ihm entgegen. Statt Widerworte zugeben, stand der Gryffindor auf und folgte dem Mann nach draußen.
Als sie im Innenhof des »Tropfenden Kessel« standen, richtete Snape wieder das Wort an Harry, welcher bis dahin noch nichts gesagt hatte.
»Wo ist Ihr Gepäck Potter?«, Harry zuckte zusammen, als der Lehrer ihn laut ansprach. Dann zog er den verkleinerten Koffer aus seiner Hemdtasche.
»P-Professor Dumbledore hat ihn bereits verkleinert. H-Hedwig ist in Hogwarts. Er sagte, sie sei zu auffällig«, die Stimme des Gryffindor zitterte. Eine Tatsache, die der Tränkemeister überging. Den Bengel bei sich aufnehmen zu müssen war ihm zuwider und er tat es nur, weil er vor Jahren ein Versprechen gegeben hatte.
»Nehmen Sie meinen Arm und halten Sie sich fest. Ich gehe davon aus, dass Sie noch nie appariert sind«, zögernd griff Harry nach dem ihm angebotenen Arm.
»Eins sage ich Ihnen Potter, mir macht das hier auch keinen Spaß. Erwarten Sie also nicht besonders viel«, mit diesen Worten waren die beiden Zauberer verschwunden.
Der Gryffindor hatte das Gefühl an seinem Bauchnabel in ein kleines Loch gezogen zu werden. Als er endlich wieder Boden unter den Füßen spürte, taumelte er nach vorne. Snape hatte ihm seinen Arm entzogen und so fiel der Junge auf die Knie. Ihm war schlecht, aber er konnte den Drang sich zu übergeben unterdrücken. Stöhnend richtete er sich auf und sah sich um. Sie waren in einem verwilderten Garten gelandet. Vor ihnen lag ein schmales Haus aus dunklem Stein. Es wirkte nicht sehr einladend oder gemütlich. Severus war bereits ins Haus gegangen, ohne den Jungen weiter zu beachten. Seufzend stand Harry auf und folgte seinem Lehrer mit weichen Knien. Der Regen hatte ihn vollkommen durchnässt und so stand er zitternd in der kleinen Küche des Hauses. Snape betrachteter ihn abschätzig.
»Zuhören Potter. Das ist mein Haus und hier gelten meine Regeln! Frühstück gibt es um sieben, Mittag um 12 und Abendessen um 18 Uhr. Sollten Sie nicht da sein, haben sie Pech gehabt. Ihr Zimmer ist das Obere, direkt neben der Treppe auf der rechten Seite. Sie werden dieses Grundstück nicht verlassen. Ich werde von Zeit zu Zeit nicht hier sein, in dieser Zeit sind das Labor und die Bibliothek für Sie tabu! Haben wir uns verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Gut, ansonsten werden Sie in den letzten Wochen hier, Ihre Hausaufgaben erledigen und bei mir Nachhilfe in Zaubertränken nehmen. Sicher hatten Sie sich Ihre Ferien anders vorgestellt, aber erwarten Sie kein Mitleid. Und nun gehen Sie mir aus den Augen!«,
»Ja Sir, danke Sir!«, Harry schlich aus dem Raum und stieg die Treppe hinauf. Snape sah ihm mit hochgezogener Augenbraue nach.
Das Zimmer war klein und es befanden sich nur ein Bett, ein Tisch mit Stuhl und ein Schrank darin. Aber das war mehr, als er in den letzten vier Wochen gehabt hatte. Seufzend zog Harry den verkleinerten Koffer aus der Hemdtasche. Snape zu fragen, ob er ihn wieder vergrößerte, traute er sich nicht. Er zog das nasse Hemd und die Hose aus und legte beides über den Stuhl. Er war fruchtbar müde und wollte nur schlafen. So kroch er mit den klammen Sachen, die er noch trug unter die Decke und war augenblicklich eingeschlafen.
Die nächsten zwei Tage blieb Harry hauptsächlich in dem Zimmer, das Snape ihm erlaubte zu benutzen. Er holte seine Hausaufgaben nach und las viel. Mit dem Tränkemeister saß er meistens nur beim Essen zusammen. Das Essen fiel ihm schwer. Snape sparte nicht mit Kommentaren und warf ihm Arroganz vor, wenn er mal wieder nur ein Stück Brot aß oder beim Mittag lediglich ein bisschen Reis. Harry ließ alles über sich ergehen, ohne zu jammern. Was sollte es auch bringen, sich hier mit dem Lehrer anzulegen? Dieser saß am längeren Hebel und immerhin war es besser als bei den Dursleys.
»Sie könnten sich mal etwas nützlich machen Potter!«, sagte Severus beim Frühstück des dritten Tages zu ihm. Harry, der sich wieder an einem Stück Brot festhielt, sah erschrocken auf. Dem Tränkemeister war bereits aufgefallen, dass der Junge wie ein verschrecktes Reh reagierte, wenn er ihn etwas lauter ansprach. Es kümmerte ihn zwar nicht, aber seltsam fand er es doch.
»Ich werde bis zum späten Abend unterwegs sein. Falls es Ihr Stolz zulässt, so könnten Sie im Garten etwas Unkraut zupfen, natürlich ohne Zauberei. Ein wenig körperliche Arbeit wird Ihrem verwöhnten Hintern guttun. Machen Sie sich was zu essen, ich werde erst weit nach dem Abendessen wieder hier sein«,
»Ja, Sir«, sagte Harry und starrte auf seine Fingernägel. Ohne ein weiteres Wort stand Snape auf und war kurz darauf verschwunden. Wie immer räumte der Gryffindor den Tisch ab und ging dann in den Garten. Er hatte Kopfschmerzen und er hustete immer wieder heftig. Bis jetzt hatte er das vor dem Lehrer verstecken können. Snape wäre sicher nicht begeistert, wenn er Harry nun auch noch gesund pflegen müsste.
Er arbeitete den ganzen Tag im Garten. Dieser war verwildert und bestand quasi nur aus Unkraut. Kaum zu glauben, dass der Lehrer hier wirklich lebte, wenn er nicht unterrichtete. Harry war aufgefallen, dass das ganze Haus so wirkte, als sei es lediglich eine Kulisse, als wäre der Mann nur Gast in seinem eigenen Haus. Am späten Nachmittag setzte wieder heftiger Regen ein. Bin in Minuten, war der Junge völlig durchnässt. Er arbeitet schnell weiter, er wusste nicht, wie Snape reagieren würde, wenn er seine Arbeit nicht erledigen würde. Gegen neunzehn Uhr trat Harry in die Küche. Hunger hatte er wie immer nicht. Er machte eine schnelle Suppe und ließ sie auf dem Herd stehen. So konnte wenigstens der Lehrer etwas essen, wenn er zurückkam. Müde schleppte sich Harry in das kleine Zimmer. Er zitterte und ihm war komisch zumute. Die Hustenanfälle waren schlimmer als noch am Morgen. Seine Rippen schmerzten furchtbar. Sie waren gerade erst einigermaßen verheilt und nun stach es bei jedem Husten, wie Messerstiche in seine Lunge. Er schaffte es noch irgendwie, seine Sachen auszuziehen. Nur in Boxershorts kroch er unter die Decke und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Severus Snape kam erst gegen Mitternacht nach Spinner's End zurück. Im Haus brannte kein Licht. Der Garten war vollkommen vom Unkraut befreit, soweit er es in der Dunkelheit beurteilen konnte. Snape war überrascht. Er hatte geglaubt, dass Potter nach einer Stunde die Lust verlieren würde, aber es schien, als hätte er den ganzen Tag hier gearbeitet. Er trat ins Haus und stellte fest, dass der Junge ihm Suppe auf den Herd gestellt hatte. Mit einem Zauber erwärmte der Lehrer sie und aß. Er war beeindruckt, sie schmeckte tatsächlich. Woher der verwöhnte Bengel kochen konnte, war ihm ein Rätsel. Überhaupt schien er ziemlich viele häusliche Talente zu haben. Während der drei Tage hatte er ohne Aufforderung alles Geschirr abgeräumt und auch abgewaschen. Wahrscheinlich hatte Dumbledore ihm eingeschärft, sich zu benehmen und sich nützlich zu machen.
Schließlich brachte Severus seinen Teller in die Küche und stieg dann die Treppe hinauf. Er war furchtbar müde und wollte bereits die Tür zum Bad öffnen, als sein Blick auf die Zimmertür des Jungen fiel. Sie war nur angelehnt. Eigentlich wollte er sie einfach schließen, aber einem inneren Drang folgend sah er ins Zimmer. Im fahlen Licht des Mondes, der durch das Fenster schien, sah er Harry zusammengekrümmt im Bett liegen. Stöhnt er etwa? Der Lehrer trat ein. Den Bengel aus einem Albtraum zu wecken war ihm zuwider, aber er wollte immerhin auch schlafen und da konnte er das Gestöhne nicht gebrauchen. So trat er an das Bett und berührte Harry leicht an der Schulter.
»Potter! Aufwachen!«, keine Reaktion des Jungen. Erst jetzt bemerkte Snape, wie sehr der Gryffindor schwitzte. Widerwillig legte er seine Hand auf die Stirn des Kindes und erschrak. Harry glühte vor Fieber. Auch das noch, dachte er. Er machte die Nachttischlampe an. Die Decke des Jungen war durchgeschwitzt und er wollte sie wechseln. Snape taumelte etwas zurück, als er diese wegzog. Der Körper des Kindes war ausgemergelte und übersät mit Narben und langsam verblassenden Blutergüssen. Harry atmete sehr schwer und hustete immer wieder. Man konnte jede Rippe sehen und er Brustkorb hob und senkte sich hektisch.
Snape wusste nicht, wie lange er auf das geschundene Kind gestarrt hatte. Er musste was tun. Er war kein Heiler, aber man sah, dass Harry Potter um sein Leben kämpfte. Vorsichtig wickelte er ihn in eine Decke und hob ihn hoch. Der Gryffindor wog so gut wie nichts. Wie konnte ihm das nur entgehen? Wo sollte er nun hin? Poppy war verreist und der Tränkemeister hatte keine Ahnung wohin genau. Ins St. Mungo's wollte er nicht. Es blieb nur eine Möglichkeit. Den Jungen an sich drückend, eilte er in den Garten des Hauses. Noch einmal sah er Harry ins Gesicht, welches bereits aschfahl war und apparierte dann.
Er landete mit seiner leichten Last direkt vor der Freitreppe eines großen Anwesens. Schnell rannte er die Stufen empor und stieß die Tür auf.
»LUC!«, rief er und murmelte beruhigende Worte, denn Harry in seinen Armen stöhnte und atmete immer unregelmäßiger.
»Bei Merlin Sev, was ist los?«, ein großer Mann mit langen blonden Haaren und einen smaragdgrünen Morgenmantel erschien abgehetzt in der Eingangshalle.
»Los, du musst ihm helfen!«, sagte der Tränkemeister ernst. Lucius Malfoy trat näher, zog dem Bündel in dem Armen des Mannes die Decke etwas weg und wurde blass.
»Wer ist das? Ist das Potter? Was ist mit ihm passiert?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber du musst ihm helfen. Ich glaube, er stirbt!«
»Dad? Was ist los? Papa, was machst du wieder hier?«, der blonde Junge mit den sturmgrauen Augen stand verschlafen in der Halle. Lucius war der Erste, der sich wieder fing. Er nahm Severus, Harry aus dem Arm.
»Draco, hol Narzissa und Andrew! Schnell!«, wies er seinen Sohn an. Der sah entsetzt auf den Gryffindor in den Armen seines Vaters und rannte los.
»Komm schon, Sev!«, der Malfoy rannte voraus in sein Arbeitszimmer. Mit einem stablosen Zauber verwandelte er den Schreibtisch in eine Behandlungsliege und legte den misshandelten Jungen darauf ab. Vorsichtig entfernte er die Decke, sodass das Kind nur in seiner Unterhose vor ihnen lag.
»Was haben die ihm nur angetan?«, sagte Lucius kopfschüttelnd. In diesem Moment erschien ein großer, schlanker Mann im Raum. Er hatte braunes kurzes Haar und Grübchen in den Wangen. Er trug einen Pyjama und hatte seinen Zauberstab in der Hand. Hinter ihm stolperte eine blonde, elegante Frau im Morgenrock in den Raum. Entsetzt starrten beide auf den Jungen.
»Severus? Lucius? Was ist denn los. Draco war vollkommen aufgelöst«, sagte der Mann.
»Andrew, du musst mir helfen, den Jungen zu heilen. Zissa bleib bei Draco!«, die Frau nickte und schob den blonden Slytherin hinter sich aus dem Raum, damit ihm der Anblick von Harry erspart blieb. Andrew stand noch immer wie festgewachsen da und konnte den Blick nicht von dem Kind auf der Liege lösen.
»Andrew! Er stirbt uns hier, los jetzt!«, Lucius Ruf riss ihn aus seinen Gedanken. Ab diesem Moment funktionierten die beiden Männer wie eine Einheit. Der Malfoy rief Phiolen auf und flößte sie dem Kind ein. Andrew berührte den Jungen immer wieder mit seinem Zauberstab.
Severus Snape stand am Kopfende der Liege und hatte seine Hand auf Harrys Kopf gelegt. Er wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Er sah zum allerersten Mal nicht James Potter, sondern nur den noch zwölfjährigen Harry. Er hatte in seiner Zeit als Lehrer schon häufiger misshandelte Kinder gesehen, aber dies war mehr, als er ertragen konnte. Der Anblick des Kindes zerriss ihn förmlich. Er konnte das Gefühl nicht einordnen, aber all der Hass oder die Abscheu der letzten zwei Jahre war wie ausgelöscht. Es war mehr als Mitleid, es war eine Angst um das Leben eines Menschen, die er nie zuvor gefühlt hatte. Irgendwann registrierte er, dass Andrew dem Jungen einen Pyjama anzog, ihn hochnahm und aus dem Raum trug.
Lucius folgte ihm und zog Severus mit sich. Vor der Tür stand Narzissa und sah traurig auf Harry in den Armen des Heilers.
»Ich bringe ihn in das Gästezimmer neben eurem Zimmer und lege einen Alarmzauber auf den Raum«, sagte dieser und stieg die Treppe nach oben.
»Wo ist Draco?«, wollte Lucius matt wissen.
»Er schläft. Es dauerte, bis er sich beruhigt hatte. Was ist den eigentlich passiert?«, fragend sah die Frau zu den beiden Männern. Der Malfoy hatte die Hand von Severus nicht losgelassen.
»Kommt, wir gehen ins Kaminzimmer und warten auf Andrew«, Lucius zog den Tränkemeister mit sich und Narzissa folgte.
Es dauerte nicht lange, da trat Andrew in den Raum und setzte sich erschöpft neben Narzissa auf die Couch. Severus stand am Fenster und sah in die inzwischen sternenklare Nacht. Lucius saß ebenfalls auf einer Couch und sah besorgt zu dem anderen.
»Sev?«, sagte er sanft. Der Lehrer drehte sich um und ließ sich neben Lucius nieder.
»Also? Wie sieht es aus?«, wollte er an den Malfoy gewandt wissen. Dieser seufzte schwer.
»Er hatte eine schlimme Lungenentzündung. So schlimm, dass durch den starken Husten einige Rippen gebrochen sind. Eine stach in die Lunge, das hätte ihn beinahe umgebracht. Sie waren aber bereits vorher einige Male gebrochen und gerade erst wieder verheilt«,
»Weiter...«, sagte der Tränkemeister tonlos.
»Ähm ... na ja er ... also er muss seit seiner frühsten Kindheit massiv misshandelt und vernachlässigt worden sein«, fuhr nun Andrew fort.
»Kaum ein Knochen, der noch nicht gebrochen war. Er hat am ganzen Körper schlimme Narben. Einige scheinen von Verbrühungen zu sein, andere sehen aus wie von einem Bügeleisen und wieder andere sind wohl von einem Gürtel. Er ist massiv unterernährt. Wenn ich davon ausgehe, dass er seit vier Wochen nicht mehr in Hogwarts ist, dann hat er wohl kaum etwas zu essen bekommen in dieser Zeit. Für sein Alter ist er viel zu klein. Von der Größe her würde er als Neunjähriger durchgehen. Sein Magielevel ist niedrig, sein Immunsystem kaum vorhanden. Ehrlich gesagt ist mir so ein Fall in meinen Jahren als Heiler noch nicht untergekommen. Sobald er wach ist, muss ich ihn noch weiter untersuchen«, schloss er und legte den Arm um Narzissa, der Tränen die Wangen hinabliefen.
Snape stand auf und lief im Zimmer auf und ab.
»Wird er gesund?«, fragte er an Lucius gewandt. Dieser nickte zögerlich.
»Ja, er wird es überleben. Aber Narben werden bleiben, auf dem Körper und auf der Seele. Ob er je aufholt, was die Größe angeht, kann ich nicht sagen. Was er jetzt vor allem braucht, sind Ruhe und Nähr- und Stärkungstränke.«
»Na gut. Ich denke, es ist am besten, wenn er hierbleibt. Ich und Lucius sind beide Heiler und warum sollst du alleine mit ihm in Spinner's End hocken. Informiere Dumbledore und na ja ihr müsst dem Jungen dann eben reinen Wein einschenken. Das wird kein Weltuntergang. Eins ist aber sicher, er darf nie wieder zu diesen Muggeln. Es waren doch Muggel?«, Andrew sah zu Severus, der schwach nickte.
»Nun also was immer auch mit ihm geschehen wird. In diesem Sommer bleibt er hier und dann sehen wir weiter. So und jetzt brauche ich noch eine Mütze voll Schlaf. Komm Schatz, wenn was sein sollte, bekommen wir es über den Alarmzauber mit. Schlaft noch ein wenig«, mit diesen Worten zog der Heiler, Narzissa auf die Füße und verließ mit ihr den Raum.
»Du machst dir Vorwürfe, oder?«, Lucius sah zu Snape, der immer noch am Kamin stand.
»Es ist meine Schuld, dass er jetzt so krank ist!«, sagte dieser und rieb sich die Augen. Lucius stand auf und zog ihn in seine Arme.
»Wie kommst du denn darauf? Sein Körper war einfach vollkommen geschwächt...«
»Nein Luc, ich bin schuld! Als ich ihn aus dem Tropfenden Kessel abgeholt habe, hat es geregnet. Er war klitschnass, als wir in Spinner's End ankamen. Ich ... ich hab ihn einfach in sein Zimmer geschickt und vergessen, seinen Koffer zu vergrößern. Er hat nichts gesagt. Ich hab es am nächsten Morgen bemerkt und e-er muss in den nassen Sachen geschlafen haben. Gestern hab ich ihn angewiesen, Unkraut zu jäten. Ich dachte, er müsse sich auch mal körperlich betätigen. Es hatte später am Nachmittag wieder heftig angefangen, zu regnen, und er muss einfach weiter gearbeitet haben. Als ich ihn fand, lag er ohne Sachen im Bett, aber die Kleidung lag nass auf dem Boden. Ich dachte, er würde reingehen, sobald es regnet, aber...«, resigniert ließ Severus seinen Kopf an die Schulter des Malfoy sinken.
Lucius nahm das Gesicht des Mannes in seine Hände und sah ihm in die dunklen Augen.
»Es ist nicht deine Schuld. Sicher es war unglücklich, aber wäre sein Körper nicht so geschwächt gewesen, dann wäre er nie so krank geworden!«, sanft küsste er den Mann und versuchte ein Lächeln. Severus erwiderte den Kuss und ließ sich dann auf die Couch sinken.
»Wieso hab ich es nicht vorher gemerkt, Luc? Ich meine Potter war immer kleiner als die anderen in seinem Jahrgang. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Er zuckte immer, wenn jemand lauter wurde. Ja, ich habe es gesehen aber ... aber der Hass auf seinen Vater hat mich nicht weiter darüber nachdenken lassen. Verstehst du Luc, ich habe viele misshandelte Kinder gesehen, seit ich Lehrer bin aber nie so schlimm. Und als ich ihm im Arm hatte, d-da dachte ich nur, was wäre, wenn das Draco wäre? Verstehst du, was wäre, wenn unser Sohn so hätte leiden müssen?«
»Draco geht's gut und Harry wird es auch wieder gut gehen. Du kannst nichts dafür. Dumbledore hat ihn damals diesen Muggeln übergeben, Dumbledore hätte es wissen müssen«, Lucius nahm die Hand seines Mannes und sah ihn eindringlich an. Der Tränkemeister schüttelte nur den Kopf. Plötzlich ging die Tür zum Kaminzimmer leise auf.
»Dad? Papa?«, Draco stand in der Tür und sah zu seinen Vätern.
»Draco Schatz, du sollst doch schlafen!«, Lucius stand auf und nahm den Jungen bei der Hand. Er platzierte ihn zwischen sich und Severus und strich ihm durch die kurzen Haare.
»Wie geht's ihm?«, fragte der Slytherin und sah zu Severus. Der küsste ihn auf die Stirn und lächelte matt.
»Alles gut Drache. Er wird wieder gesund!«
»Bleibt er hier?«,
»Wäre das ein Problem?«, wollte Lucius von seinem Sohn wissen. Dieser schüttelte schnell den Kopf.
»Nein...nein gar nicht. Ich weiß nur nicht, ob er das so gut finden wird.«
»Na wir müssen ihm wohl einiges erklären«, sagte Snape und lächelte.
»Papa? Was ist denn mit ihm passiert?«, wollte der Junge nun zögernd wissen. Der Lehrer warf seinem Mann einen schnellen Blick zu, der nickte kaum merklich.
»Weißt du Draco, die Muggel bei denen Harry lebte, waren nicht besonders nett zu ihm. Sie haben ihm wehgetan und kaum etwas zu essen gegeben. Daher ist er so schwach und krank«, sagte Severus und strich seinem Sohn über den Kopf.
»Aber, aber das hat man nicht gemerkt«, entsetzt sah der Slytherin zwischen den beiden Männern hin und her.
»Ja Draco, leider hat man es nicht gemerkt. Weißt du wir ... also wir Erwachsenen wir hätten besser hinsehen sollen«, sagte Severus zu seinem Sohn.
»Mhm...ich hätte nicht so fies zu ihm sein sollen«, sagte Draco schuldbewusst. Lucius lächelte.
»Ach Drache, ihr seid eben Kinder und die streiten und na ja du bist eben stolz.«
»Ja und ich könnte dasselbe sagen. Ich hab ihn schlecht behandelt, nur weil ich und sein Vater nicht die besten Freunde waren.«
»Was passiert denn jetzt mit ihm ... also er bleibt erst mal hier, aber wenn er wieder gesund ist, muss er dann zurück?«, in Dracos Blick lag Erschütterung. Energisch schüttelte Severus den Kopf.
»Nein Schatz, er muss nie wieder zurück. Nie wieder, uns fällt schon was ein«, sanft strich er seinem Sohn über die platinblonden Haare.
»So«, sagte Lucius, stand auf und zog den Jungen mit sich.
»...ab ins Bett mit dir. Morgen sieht die Welt schon anders aus«, sanft führte er seinen Sohn aus dem Raum. Der drehte sich noch einmal um.
»Gute Nacht Papa u-und es ist nicht deine Schuld!«, sagte er an Severus gewandt. Dieser nickte lächelnd.
»Danke Kleiner. Schlaf gut!«, seufzend trat Severus Snape ans Fenster und sah in den Park. Dicken Wolken zogen wieder auf und schoben sich vor den Mond. Müde fuhr sich der Tränkemeister durch die Haare. Es dauerte nicht lange, bis Lucius wiederkam.
»Er schläft jetzt hoffentlich durch«, sagte er und trat zu Severus.
»Und? Wollen wir auch langsam schlafen gehen?«, fragte er seinen Mann. Dieser nickte und ging mit Lucius zur Tür, im selben Moment durchfuhr die beiden Männer ein eisiger Schauer. Sie sahen sich an und die Erkenntnis traf sie zur selben Zeit.
»Der Alarmzauber!«, sagte Severus und rannte los.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro