Mitternachtsgespräch
Der- Junge- der- lebt, ließ sich langsam auf die Holzbank sinken und atmete, soweit es ihm möglich war, tief durch.
Er war erschöpft. Der Weg bis hierher hatte ihn doch mehr angestrengt als erwartet und kurzzeitig wusste er nicht einmal ob er rechtzeitig sein würde. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt seinen Feind warten zu lassen.
Nicht dass dieser seiner ersten Bitte doch nicht nachkam, weil er ihn ungewollt verärgert hatte.
Doch zu seiner Erleichterung saß er jetzt fünf Minuten vor Mitternacht an besagtem Platz und lächelte leicht.
Denn alleine dieser Zustand sorgte dafür, dass alle Sorgen, Ängste und Schmerzen langsam verblassten.
Er fühlte sich leicht ... und bereit für das, was nun kommen würde.
Die Sekunden und Minuten verstrichen. Es war eine sternenklare Nacht, dennoch angenehm mild selbst zu dieser späten Stunde.
Diese erfreuliche Temperatur und die wohltuende Stille lullten in irgendwie ein. Ließen ihn abschalten und seiner Müdigkeit nachgeben.
Erst eine unvorhergesehene Bewegung und das leise Geräusch raschelnder Kleidung als sich jemand neben ihn setzte, machte ihm deutlich, dass er kurz weg gedriftet war und sogar die Augen geschlossen hatte.
„Hallo Harry ..."
Der Grünäugige drehte seinen Kopf etwas zu der Stimme und zog eine Augenbraue leicht nach oben. Was zum Teufel-
Neben ihm saß ein gut aussehender Mann. Relativ groß. Elegante, teure enganliegende Kleidung, die zeigte, dass darunter ein wohlgeformter Körper steckte und schwarze, stufig geschnittene Haare, von denen dem Mann ein paar Strähnen ins Gesicht hingen.
Wären da nicht die blutrot gefärbten Augen, Harry hätte keine Ahnung gehabt, wer da neben ihm saß.
Doch Angst hatte er keine. Hedwig hatte es also geschafft.
„Mylord."
Der Rotäugige atmete hörbar aus, lehnte sich zurück und betrachtete den Sternenhimmel.
„So förmlich heute Harry ...
Eine angenehme Nacht hast du dir da ausgesucht ...
So friedlich ...
Ich muss gestehen ... mit einem solchen Brief von dir habe ich nicht gerechnet.", antwortete der dunkle Lord mit einer leisen weichen samtigen Stimme, die den Jüngeren ebenso überraschte wie das attraktive Erscheinungsbild.
Auch Harry lehnte sich nun wieder zurück, hob sein Kinn wenige Zentimeter an und betrachtete den klaren Himmel. „Ich habe kein Interesse daran sie zu verärgern.
Können wir es bitte beenden? Ich wünsche mir meinen Frieden. So sehr.
Ich hoffe immer noch, dass sie mir meinen Wunsch erfüllen. Es würde Ihnen keinen Spaß machen mich zuvor noch zu foltern.
Ich schreie nicht und kann keine Tränen mehr vergießen."
Lord Voldemort richtete seinen betrübten Blick auf seinen in Richtung Himmel schauenden Banknachbarn.
„Ich habe nicht vor dich zu foltern Harry! Das verspreche ich dir. Eigentlich wollte ich mich sogar ein wenig mit dir unterhalten."
Der Gryffindor gluckste leise, seufzte kaum hörbar und zog mit der rechten Hand seine linke in seinen Schoß. Hielt sie dort fest.
„Unterhalten? Warum? Reicht es nicht, dass ich unbewaffnet hier neben ihnen sitze und auf mein Ende warte?"
„Nein!" War die schlichte, immer noch leise fast schon freundlich klingende Antwort des dunklen Lords, was den Grünäugigen dazu bewegte doch seinen Kopf zu drehen und den Älteren fragend an zu sehen.
„Ich versteh nicht! Das sollte es. Was wollen sie denn noch mehr?!"
Der Rotäugige schüttelte kaum sichtbar seinen Kopf und richtete seinen Blick wieder in weite Ferne. „Ich möchte wissen, warum du aufgibst! Was ist mit deiner Hand ... und woher stammt die Verletzung in deinem Gesicht Harry? Ich will es verstehen."
Der Schüler runzelte die Stirn, „... das tut doch nichts zur Sache. Es sollte sie nicht interessieren. Ich bin müde Mylord. Das ist alles. Ich habe die Nase voll vom Leben. Mein Leben besteht nur aus Leid und Schmerzen ... und ich bin nicht einmal in der Lage es selber zu beenden. Nicht weil ich feige bin ... sondern weil ich durch Magie daran gehindert werde.
Es gibt für mich keine andere Möglichkeit, als sozusagen~ um Hilfe zu bitten. Ihre Anhänger hätten mich nur zu ihnen geschleift ... ich habe gehofft, mich direkt an sie zu wenden ist für mich weniger schmerzhaft. Ich kann keine Bewegung mehr machen, ohne Schmerzen zu haben. Wenn mich ihre Gefolgsleute zu Ihnen gebracht hätten, wäre es einem Cruciatus gleichgekommen. Darum wollte ich einfach nur hier sitzen, in der Hoffnung, dass Sie mein Angebot annehmen.
Was meine Hand betrifft ... nun ja ... ich kann sie nicht mehr bewegen und die Schnittwunde in meinem Gesicht ist durch ein Messer entstanden. Mein Onkel war heute Abend wieder einmal nicht sonderlich zufrieden mit dem Essen, welches ich für ihn, Tante Petunia und ihren gemeinsamen Sohn zubereitet habe.
Ich war zu meinem Unglück nicht schnell genug außer Reichweite.
Ich bin es leid für etwas zu kämpfen, das nicht mein Kampf ist ... für eine Seite, die mich zerstört!
Meine angeblich besten Freunde waren nie wirklich auf einer Seite und Dumbledore sehnt sich offensichtlich nur so meinen Tod herbei. Es gibt für mich nichts, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Ich bin allein. Ich habe keine Kraft mehr, und merke wie ich jeden Tag, jede Stunde schwächer werde. Ich bin müde und wünsche mir nichts sehnlicher als Erlösung.
Ich denke Dumbledores Ziel, ich wüsste nicht wessen Ziel sonst, ist es mich zu brechen. Doch noch haben sie es nicht geschafft.
Der Tod ihres sogenannten Helden wird diesen Bastarden hoffentlich einen schönen Dämpfer verpassen."
Harry gluckste leise, „... sie können meine Leiche ja vor das Ministerium legen oder so ... und ich werde ihnen allen von, wo auch immer ich dann bin, den Mittelfinger zeigen. Sollen sie doch sehen, was sie davon haben."
Der dunkle Lord schluckte unmerklich. Niemals hätte er vermutet, dass die weiße Seite ihren Retter aufs Übelste misshandeln lässt.
„Ich kann und werde dir deinen Wunsch nicht erfüllen Harry ...!", sprach der Lord nach einigen Minuten der Stille leise. Der Auserwählte zog beide Augenbrauen Richtung Haaransatz. Dachte, er habe sich soeben verhört.
„Was? Was meinen Sie damit?!"
Der Ältere lächelte leicht mit einem warmen Ausdruck in den Augen. „Ich denke, du hast schon verstanden mein kleiner Gryffindor. Ich habe nicht vor dich zu töten. Weder jetzt, noch wann anders. Ich habe heute Nachmittag etwas erfahren, was alles geändert hat. Und was mich dazu veranlasst dich von nun an zu schützen anstatt umzubringen!"
Harry betrachtete den anderen mit einem verzweifelten und traurigen Blick. Seine letzte Hoffnung zersprang soeben in tausend kleine Glassplitter. Er versuchte, das eben Gehörte zu verarbeiten, und flüsterte abgehackt, „... i-ich versteh ... versteh nicht-."
Doch der dunkle Lord lächelte weiterhin freundlich, „... hast du dich nie gefragt, wie es sein kann, dass du Parsel sprichst?"
Harry schluckte verwundert auf diese unerwartete Wendung des Gespräches, „... aber woher ... was? Das kann nicht-."
Der Lord schmunzelte, „... ist dir nichts aufgefallen kleiner Gryffindor?"
Der Potter runzelte die Stirn, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er drehte sein Gesicht wieder abrupt dem dunklen Lord zu, „... wi-wir unterhalten uns in Parsel! Ich habe gar nicht gemerkt-."
Der Rotäugige kicherte, „... ja Harry. Wir haben schon vor einer Weile zu Parsel gewechselt.
Und du hast es nicht gemerkt, weil es für dich ganz natürlich ist diese Sprache zu sprechen. Ebenso wie Englisch. Es war ein Test meinerseits. Etwas, dass das bestätigt, was ich heute von Severus Snape erfahren habe ...
Sag, hast du dich nie gefragt, warum du Parsel sprichst, obwohl du kein Nachfahre Salazar Slytherins bist?"
Harry verzog das Gesicht und gab widerwillig zu, „... doch! Selbstverständlich habe ich mich das schon gefragt. Habe aber keine Antwort darauf gefunden."
Lord Voldemort lehnte sich sichtbar zufrieden zurück und lächelte wieder. „Du bist mein Horkrux, Harry!"
Der Grünäugige betrachtete den anderen mit einem verwirrten Blick, „... dein was?"
Der Lord gluckste erneut, „... Horkrux. Du besitzt einen Teil meiner Seele Harry. Ich habe in meiner Jugend sogenannte Horkruxe erschaffen! Gegenstände, in denen ein kleines winziges Stück meiner Seele eingesperrt ist.
Diese Horkruxe verhindern, dass ich sterben kann. Die Erschaffung von Horkruxe gehört zu den dunkelsten Künsten überhaupt und fast niemand weiß darüber Bescheid.
Normalerweise werden als Gefäße normale Gegenstände hergenommen ... es sieht jedoch so aus, als hätte ich dich in der Nacht vor 14 Jahren unbeabsichtigt zu solch einem Horkrux gemacht. Darum beherrschst du die Schlangensprache und meinen Horkruxen sei Dank konnte ich in jener Nacht auch nicht sterben.
Was jedoch für dich, jetzt da ich weiß, dass du ein Teil von mir bist, bedeutet, dass du unter allen Umständen von mir beschützt wirst. Du musst wissen ... es werden normalerweise Gegenstände genommen, da bei dessen Zerstörung der Seelensplitter einfach zu dem Hauptseelenstück zurückkehrt. Wenn jedoch ein Lebewesen benutzt wird, verschmilzt der Splitter schon nach kurzer Zeit mit der Seele des Lebewesens. Unwiderruflich. Stirbt das Lebewesen, stirbt auch der Seelensplitter. Das darf ich nicht zulassen. Einen Teil meiner Seele zu verlieren würde mich regelrecht in den Wahnsinn treiben. Zwar nicht sofort ... doch mit den Jahren würde mein Zustand immer schlimmer werden.
Das nehme ich zumindest stark an. Allerdings gibt es leider keine genauen Aufzeichnungen darüber."
Warum traf es eigentlich immer ihn?! Harry verkrallte seine Finger der auf dem Knie aufgestützten und gesunden Hand in seinen Haaren und flüsterte leise. „In mir wohnt also ein Teil von Lord Voldemorts Seele?! Läuft es deshalb auf meinen Tod hinaus? Das Tagebuch in meinem zweiten Schuljahr ... war das dann auch-?"
Der dunkle Lord legte dem Jüngeren vorsichtig eine Hand auf die Schulter und wirkte nonverbal zumindest die kleinen Heilzauber, zu denen er imstande war.
Harry hob den Kopf und blinzelte verwirrt. Seine Wange und sein Körper kribbelten etwas und er hatte das Gefühl ein bisschen weniger Schmerzen zu haben. Der dunkle Lord betrachtete den Jüngeren mit einem wissenden Blick, zumindest war nun die Blutung im Gesicht gestillt, bevor er leise antwortete, „ja ... es bestehen für mich keine Zweifel mehr Harry.
Und ja, das Tagebuch war einer meiner Horkruxe. Mein Erster sogar.
Dumbledore hat leider die richtigen Schlüsse gezogen und erkannt, was du bist.
In seinen Augen musst du sterben, damit ich sterben kann. Was auch richtig ist und von der Prophezeiung vorhergesagt wird. Jetzt ergibt sie nämlich auch Sinn.
‚Keiner kann sterben, während der andere überlebt'.
Allerdings bin ich mittlerweile der festen Überzeugung, das Dumbledore diese Prophezeiung für mich inszeniert hat, oder sie zu seinen Gunsten veränderte. Außerdem hat der alte Narr wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass ich dahinter kommen würde, meinen Hass dir gegenüber überwinde und dich an meine Seite hole. Doch sein so perfekt durchdachter Plan ist gerade dabei nach hinten loszugehen. Zum Glück. Dass du mein Horkrux bist, ist jedoch nicht der einzige Grund, warum dich der Alte loswerden will Harry ... du bist ein magisches Wesen. Anscheinend, laut Severus Aussage sogar ein schwarzmagisches."
Nun fiel alles aus Harrys Gesicht und seine Augen wurden groß, „... ich bin was? Das soll wohl ein Scherz sein!"
Der dunkle Lord lachte melodisch, „... schon verrückt ... nicht wahr ... Harry Potter ... das Aushängeschild der weißen Seite ein schwarzmagisches Wesen.
Du wirst folglich wieder einen Grund bekommen, leben zu wollen, Harry ... das kann ich dir mit gutem Gewissen versprechen! Magische Wesen haben immer einen Gefährten. Einen Seelengefährten. Und wir werden ihn finden. Dein vom Schicksal vorherbestimmten Partner.
Komm mit mir nach Riddle Manor. Gib meinen Heilern zumindest die Möglichkeit, deinen Körper wieder in Ordnung zu bringen. Durch einen Trank lässt sich herausfinden, welches Wesen du bist ... und Severus Snape ist talentiert genug, einen Trank zu brauen, der dir deinen Seelengefährten aufzeigt.
Du hast doch nichts mehr zu verlieren kleiner Gryffindor.
Du hast die weiße Seite kennengelernt ... gib nun der Dunklen eine Chance. So wie es aussieht, kann es für dich nicht mehr schlimmer werden, sondern nur bergauf gehen.
Ich an deiner Stelle würde die dünne Rettungsleine ergreifen. Oder hast du allen Ernstes vor Dumbledore mit allem, was er dir angetan hat, davonkommen zu lassen?!"
Der jüngere Zauberer versank in seinen Gedanken. Sein Herzschlag hatte sich bei Lord Voldemorts Worten etwas beschleunigt. Sollte er es wirklich wagen? Sollte er die Hoffnung auf ein Leben zulassen? Er würde nur umso tiefer fallen, wenn es sich doch als Fehler herausstellen sollte.
„Ich möchte einen Schwur!"
Der Rotäugige zog eine Augenbraue hoch, „... einen Schwur?"
Doch der Kleinere nickte entschlossen und hielt dem Lord seine gesunde Hand hin, „... ja ... einen Schwur, dass sie mich mit dem Avada ohne vorherige Folter töten, wenn ich es mir wünsche! Und lässt sich vielleicht etwas gegen die schmerzende Narbe auf meiner Stirn machen?"
Lord Voldemort nickte verstehend. Griff nach der ihm angebotenen Hand und sprach einen unbrechbaren Schwur, der dem Jungen das Wissen und die Sicherheit auf einen Ausweg versprach, sollte er seinen Lebenswillen nicht wiederfinden und nach allen Bemühungen des Lords weiterhin zerbrechen.
Sobald das leuchtende Band des besiegelten Schwures in der Haut verschwunden war, spürte Harry auch schon das bekannte und verhasste ziehen hinter seinem Nabel.
Sie apparierten.
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