
Lass mich bitte nicht allein
So vergingen die nächsten zwei Tage im Vergleich zu Harrys bisherigem Leben ruhig und ereignislos.
Wie der Herr der Hölle angenommen hatte, verstanden sich Aaron und der junge Gryffindor blind. Es hatte nicht einmal einen einzigen Tag gedauert und der Höllenhund legte schon einen Beschützerinstinkt an den Tag, wie es ihn zuvor noch nie gegeben hat - und Lucifer musste es schließlich wissen.
Das Tier benahm sich, als wäre der Grünäugige ein neugeborener Welpe und ließ ihn nicht aus seinen wachsamen Augen. Was zum Teil wohl auch mit an Harrys körperlichen Zustand lag. Denn obwohl der Gryffindor in regelmäßigen Abständen das Blut seines Seelengefährten trank, sowie Nährtränke und auf ihn abgestimmte Heil- und Schmerztränke zu sich nahm, besserte sich sein Zustand nur langsam.
Zwar heilten die Brüche und die anderen Wunden schlossen sich nach und nach.
Außerdem sorgte der Fürst durch das regelmäßige auftragen verschiedener Cremes und Essenzen dafür, dass die Narben weniger auffällig wurden. Trotzdem waren nach wie vor seine Kräfte nach einigen Stunden erschöpft.
Die kurze Zeit, die bisher vergangen war, war leider einfach nicht ausreichend gewesen, um den Körper des Jungen so weit zu stabilisieren, damit sie sich an das lösen der Banne wagen konnten.
Lucifer trank einen Schluck Whisky aus dem Kristallglas in seiner Hand, lehnte sich sanft lächelnd zurück und betrachtete seinen jungen Gefährten, der an Aaron gekuschelt auf dem Boden vor dem Kaminfeuer schlief.
Die Hauselfen des dunklen Lords hatten ihnen heute Mittag ein wundervolles Picknick im Garten bereitet. Im Anschluss waren sie noch gemütlich die Wege entlang spaziert und hatten sich über Gott und die Welt, Lucifer musste bei diesem Gedanken unweigerlich schmunzeln, unterhalten.
Es hatte ihnen beiden sichtlich Spaß gemacht sich näher kennenzulernen und miteinander zu scherzen.
Da es jedoch bald Zeit für das gemeinsame Abendessen wurde, hatten sie sich dazu entschieden in ihre Gemächer zurückzukehren, um sich eine wohltuende Dusche zu gönnen, bevor sie nach unten zu den anderen gehen wollten.
Und nun saß er frisch geduscht und umgezogen hier in einem Sessel und brachte es nicht über sich, den Jüngeren zu wecken.
Nicht nur aus dem Grund, weil dieses Bild einfach nur Zucker war, sondern weil ihm keinesfalls entging, wie sehr sich sein Gefährte darum bemühte allen um sich herum keine Sorgen wegen seinem Zustand zu bereiten. Versuchte stark zu sein, und niemandem zur Last zu fallen.
Lucifer entging jedoch weder der erschöpfte Blick am Ende des Tages, noch die Mutlosigkeit, die immer öfter in dem wunderschönen grünen Smaragd zu sehen war.
Der Schwarzhaarige versuchte es sich natürlich nicht anmerken zu lassen, doch Lucifer ahnte, dass bei seinem jungen Seelengefährten der letzte Funke Hoffnung erloschen war.
Das letzte bisschen Hoffnung sein Augenlicht zurück zubekommen - und es machte ihm selber unglaublich zu schaffen, dass er dem Jüngeren in diesem Fall nicht anders helfen konnte, als einfach für ihn da zu sein. Ihm Halt zu geben.
So in Gedanken versunken, bekam der Dämon gar nicht mit, wie der jüngere Mann etwas verschlafen blinzelte, sich kurz desorientiert umsah und frustriert meinte, „... oh nein! Ich bin wohl schon wieder eingeschlafen!"
Ein anklagender Blick traf den Fürsten, „... warum hast du mich denn nicht geweckt?"
Der Höllenfürst gluckste und trank den Inhalt seines Glases in einem Zug leer. „Du hast dir die kleine Pause verdient Liebling - und es sah einfach so unglaublich süß aus, ich habe es nicht über mich gebracht-.
Stattdessen habe ich Tom über eine Hauselfe gebeten, mit dem Abendessen zu warten."
Die Augen des Schülers weiteten sich etwas. „Du hast was getan? Das heißt, die sitzen alle da im Speisesaal u-und warten nur noch auf uns?!"
Ein leises Lachen war jedoch die einzige Antwort auf Harrys Schnappatmung.
Der junge Mann stöhnte und sah seinen Gefährten wehleidig an, „... wie lange - habe ich denn geschlafen?"
Der Fürst schüttelte leicht lächelnd den Kopf. Das so eine Kleinigkeit seinen Liebsten derart aus der Fassung brachte. „Wirklich nicht lange mein Schatz. Vielleicht zwanzig Minuten-."
Harry seufzte erleichtert, rappelte sich auf und zupfte seine frisch aus dem Kleiderschrank gezogenen Klamotten zurecht. Natürlich nicht ohne dabei aus aufmerksamen Hundeaugen beobachtet zu werden.
Harry kicherte freudig, strich seinem Vertrauten durch das weiche schwarze Fell und schenkte dann seinem Seelengefährten einen warmen liebevollen Blick. „Dann gehen wir mal besser nach unten - oder?! Nicht das wirklich noch ein nörgelnder dunkler Lord plötzlich im Zimmer steht-."
Der Dämon zog den Kleineren in eine sanfte Umarmung, küsste ihn zärtlich und schmunzelte, nachdem sie es geschafft hatten ihre Lippen wieder voneinander zu lösen. „Keine Sorge Liebling. Tom wird sich hüten und seinem Temperament freien Lauf lassen. Schließlich hat sein Versäumnis erst dazu geführt, dass ich hier aufgekreuzt bin.
Der weiß ganz genau, dass ihm dafür noch eine Strafe blüht." Der Teufel grinste diabolisch und Harry konnte sich bei den Bildern, die vor seinem inneren Auge auftauchten, ein leises glucksen ebenfalls nicht verkneifen.
„Bitte nenn mich Draco!"
Der junge Malfoyerbe reichte dem Grünäugigen die Hand und schenkte ihm ein breites Grinsen. Daraufhin war auch im Gesicht des Gryffindors ein ehrliches Lächeln zu sehen. Zwar ein zurückhaltendes, dennoch zauberte diese positive Reaktion ein zufriedenes Lächeln in die Gesichter der Erwachsenen.
„Harry-."
Der Schwarzhaarige ergriff die Hand des Blonden und schloss somit den Frieden zwischen ihnen.
Was auch allerhöchste Zeit wurde, denn keiner von ihnen hatte noch wirklich Lust auf diesen kindischen Kleinkrieg, den sie seit ihrem ersten Aufeinandertreffen im Schloss führten.
Sie hatten die letzte halbe Stunde damit zugebracht sich endlich auszusprechen und Freundschaft zu schließen, währenddem die Erwachsenen sich ebenso angeregt unterhielten. Jedoch waren weder dem Blonden noch dem Schwarzhaarigen die aufmerksamen Blicke aus den Augenwinkeln der anderen Anwesenden entgangen. Was beide immer wieder amüsiert schmunzeln ließ.
„Bleib ruhig liegen mein Hübscher-."
Der Grünäugige schenkte dem Höllenhund, welcher sich soeben dazu aufraffen wollte sich ebenfalls von seinem bequemen Platz vor dem Kaminfeuer zu erheben, nur weil Harry sich erhoben hatte, einen sanften Blick. Seine Mundwinkel hoben sich leicht zu einem Lächeln bei diesem abschätzenden Ausdruck in dem wachen Hundeblick, so als ob das große Tier wirklich darüber nachdenken würde, ob es sinnvoll war, sich wieder hinzulegen.
„Ich will wirklich nur fix für kleine Menschen Aaron-." Harry schmunzelte, „... ich bin gleich wieder hier - versprochen."
Der Wolfshund brummte leise und genoss sichtlich die sanften geschickten Finger, die durch sein Fell kämmten, bevor er es sich immer noch unschlüssig, ob es nicht doch besser wäre seinen Vertrauten zu begleiten, erneut in den Kissen bequem machte.
Der junge Gryffindor sah kurz auf den Höllenhund hinunter, bevor er seinem Seelengefährten einen schnellen Kuss auf die Lippen hauchte, „... ich bin gleich wieder hier-."
Harry atmete tief durch und fuhr nur mit den Fingerspitzen seiner gesunden Hand über die lange Narbe in seinem Gesicht, während er sich dabei im Spiegel betrachtete.
Die Narbe an sich störte ihn nicht wirklich - schließlich gab es davon jede Menge auf seinem Körper.
Nicht einmal die Dunkelheit störte ihn!
Harry schniefe leise und wischte die einzelne Träne weg, die es wagte, über seine Wange zu laufen. Nein - eigentlich war ihm das alles egal. Das Schlimme war nur, dass er erneut etwas verlieren würde, dass ihn mit seinen Eltern verband. Nun würde auch noch das so einzigartige Smaragdgrün, Lily Potters Augenfarbe, einem fast weißen Schleier weichen. Die Tränke und Zauber hatten es nur geschafft das Auge an sich wieder herzustellen, doch Harry war sich sicher, dass für den Rest keine Hoffnung mehr bestand.
Er fühlte es tief in seinem Herzen - und fasste einen Entschluss.
Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln und zum ersten Mal seit Wochen erschien dieses kämpferische Funkeln in seinem Auge.
Nicht einmal im Traum hatte er sich Tommy's zu Hause so vorgestellt.
Jetzt war er schon seit ein paar Tagen hier und trotzdem überwältigte ihn die Eleganz der Einrichtung immer wieder aufs Neue.
Was wahrscheinlich daran lag, dass er noch nie zuvor ein Manor gesehen hatte weder von außen noch von innen.
Ob wohl alle so luxuriös eingerichtet waren wie dieses?
Langsam und andächtig strichen seine Finger über die bunten Farben, die der Künstler für die Blumenwiese seines Bildes verwendet hatte.
Er war schon wieder auf dem Weg in Richtung Kaminzimmer, jedoch ohne sich wirklich zu beeilen. Denn es gab allein in diesem langen Flur einfach zu viel zu bestaunen, als er hinter sich mit einem Mal ein gackerndes Lachen hörte, welches ihm augenblicklich sämtliche Haare zu Berge stehen und sein Herz wie wild schlagen ließ.
Harry stolperte rückwärts und starrte mit vor Angst geweiteten Augen in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und hauchte, „... Bellatrix-!"
„Wen haben wir denn daaa?! - Was macht das Potter-Baby denn im Manor meines Lords?! Wie reich ich wohl von ihm belohnt werde-!"
Bellatrix Lestrange kam schrill gackernd und lachend, mit gezücktem Zauberstab und einem verrückten Ausdruck im Gesicht, immer näher auf den Grünäugigen zu geschlichen wie eine Katze auf der Pirsch.
Dem Gryffindor brach allein bei diesem Anblick der kalte Schweiß aus.
Was sollte er jetzt bloß machen?
Er hatte im Moment weder einen Zauberstab, noch die Kraft sich mit diesem verrückten Weibsstück anzulegen. Vielleicht half es ja, wenn er sie einfach weiter hinhielt, bis Hilfe kam-.
„Denkst du, dein Lord ist ein inkompetenter Idiot, der nicht weiß wer durch sein Anwesen spaziert und seine Gemälde bestaunt?!" Versuchte er sie deshalb zum Nachdenken zu bewegen, während er langsam rückwärts lief.
Doch das Einzige was er mit dieser Aussage erreichte, war, dass das Miststück welche seinen Paten getötet hatte, wie eine Furie kreischte und ihm einen Schneidefluch auf den Hals hetzte, dem er nur mit Mühe rechtzeitig ausweichen konnte.
„Duuuu - elendige Made wagst es mich einen Idioten zu nennen!"
Der Grünäugige runzelte die Stirn - hatte sie ihm nicht zugehört ... oder-.
Doch es blieb ihm keine Zeit noch weitere Vermutungen anzustellen, denn da flog auch schon der nächste schwarzmagische Fluch auf ihn zu.
Ohne darüber nachzudenken beschwor er nonverbal einen Schutzschild und blockte den Angriff.
Was jedoch zu seinem eigenen Entsetzen ausreichte, um ihn in die Knie zu zwingen. Denn ohne es verhindern zu können sank er erschöpft auf den Boden.
Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und alles lief nur noch verzerrt und wie in Zeitlupe ab.
Das Nächste, was er spürte, war der Schmerz, wie ihn nur ein Cruciatus verursachen konnte, der ihn nun vollends auf den Rücken warf.
Dort lag er nun. Nicht mehr dazu imstande auch nur einen Finger zu rühren. Er hatte seine letzten Kraftreserven aufgebraucht. Es war vorbei!
Wie durch einen Schleier bekam er mit, wie sich etwas großes Schwarzes auf seine Angreiferin stürzte, und im nächsten Moment tauchte das Gesicht seines Seelengefährten vor seinem eigenen auf.
Harry versuchte zu lächeln. Zumindest war das letzte was er sehen würde das Gesicht seines Gefährten.
Der Schwarzhaarige spürte durch die Schmerzen, wie er sanft angehoben und an einen warmen Körper gedrückt wurde. Der so einzigartige Geruch nach Feuer und Vanille hüllte ihn ein, beruhigte ihn und nahm ihm jede Furcht. Er war dort, wo er hingehörte.
„Lass mich nicht allein Liebling - hörst du!"
Sein Verstand brauchte einen Moment, um die leisen Worte seines Gefährten zu verstehen, und nur zu gerne hätte er ihm geantwortet.
Hätte versucht, ihn zu beruhigen, und ihm gesagt, dass er ihn von ganzem Herzen liebte.
Dass es ihm leidtat, weil er ihn verlassen würde. Doch er konnte nicht. Es kostete ihn alles, was er noch an Kraft hatte wach zu bleiben und einfach nur Lucifers Anblick zu genießen.
Und das würde er tun, bis es vorbei war.
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