Vierunddreißig ~Lily~
Kapitel 34 ~Lily~
Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht essen. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, was wichtig ist. Ich kann mir nichts merken. Mein Gehirn ist nicht Aufnahme fähig und weigert sich jede Information zu sich u nehmen. Aus diesem Grund sitze ich Tat für Tag in der Bibliothek und versuche den Schulstoff von der Woche aufzuarbeiten. Ohne Erfolg. Ohne Hoffnung es jemals zu können. Mein Herz, meine Seele, einfach alles in mir fühlt sich leer an. Mir ist dauerhaft kalt und egal wie dick ich mich anziehen würde, ich würde noch immer frieren. Ich hatte mich noch nie so allein gefühlt wie in den letzten Tagen. Mir wird zum ersten Mal bewusst wie wenig Freunde ich habe und bis jetzt hatte es mich auch nie gestört. Umso mehr ich allein bin, umso mehr spukte Petunia in meinem Kopf herum. Ich versuchte sie zu verdrängen, ich versuchte die Stimme auszublenden, doch umso mehr ich es versuchte umso lauter wurde sie. Also hatte ich aufgehört zu kämpfen und ließ all die negativen Gedanken zu. Ich bin an aller Schuld. Nur ich allein trage die Verantwortung, dass ich wieder allein dastehe. Ohne Freunde. Ich konnte mit niemanden reden, mit niemanden lachen und egal was ich versuchte, ich wurde ignoriert. Emily fehlte mir so sehr. Ihre Abwesenheit war merklich zu spüren und es wurde nicht besser, da sie auf keiner meine Briefe geantwortet hatte. Als hätte ich für sie nie existiert. Sie war immer da für mich gewesen. Wir waren ein Herz und eine Seele. Unzertrennlich und seit sie fort ist, ist alles nur noch leer. Nichts ergab mehr einen Sinn. Vielleicht übertreibe ich es, vielleicht steigerte ich mich zu sehr rein, aber nicht nur Emilys Abwesenheit machte mir zu schaffen, auch die von Potter. Wir sprachen nicht mehr miteinander. Wir warfen uns keine Beleidigungen mehr am Kopf, wir neckten uns nicht mehr, wir schauten uns nichts mehr und seine Abwesenheit spürte ich am meisten. Sie schmerzte viel zu sehr und ich wusste nicht, wie ich mit all den Gefühlen zurechtkommen soll. Seit ich mich so einsam fühlte hatte Remus mir schweigend Gesellschaft gelesen. Er sprach zwar mit mir nicht, aber so fühlte ich mich nicht ganz allein. Es tat gut zu Schweigen. Es sagte so viel mehr aus als irgendwelche Worte.
Remus und liefen gerade von der letzten Stunde Unterricht zu der Bibliothek als uns zwei Jungen, den Weg versperrten. Ich erkannte das nur weil ihre Schuhe größer waren als die von einem Mädchen und ich hatte stehts meinen Blick gesenkt. Ich wollte nicht in die Gesichter der andere schauen, die bereits darüber sprachen, was mich bedrückte. Ich wollte nicht noch mehr Gerüchte über mich hören.
Innerlich fiel mir ein Scherz vom Herzen. Zuerst hatte ich gedacht irgendwelche Slytherin vor mir zu haben, aber es waren nur Potter und Black. Zum ersten Mal seit Wochen spürte ich mein Herz wieder schlagen. Zum ersten Mal fühlte ich mich wieder lebendig, als ich in seinen rehbraunen Augen schaute. Sie erwärmten mich von innen und gaben mir Kraft zum Kämpfen. Ich presste meine Bücher fester gegen meine Brust. Ich brauchte halt, sonst drohte ich umzufallen.
„Ihr habt doch nicht daran gedacht euch vor dem Essen zu drücken, oder?", fragte Sirius uns in einem viel zu fröhlichen Ton. Ich schenkte ihm einen vernichtenden Blick. Er konnte mit seiner positiven Energie jemand anderes nerven, aber nicht mich. Ich hatte die große Halle so gut es ging vermieden. Nur zum Frühstück hatte ich mich blicken lassen, aber sonst hatte ich immer einen ruhigen Ort bevorzugt.
„Was wollt ihr?" Remus Stimme klang schwach und kratzig. Er hatte genauso wenig gesprochen wie ich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt noch sprechen kann.
„Euch zum Mittagessen begleiten und dann gehen wir alle zusammen spazieren." Er klatsche freudig in die Hände. Er konnte gerne allein gehen, aber ich werde mich keinen Millimeter Richtung große Halle oder nach draußen bewegen.
„Keinen Hunger.", nuschelte der Junge neben mir.
„Was ist mit euch los? Ihr seht so aus, als wäre jemand von eurer Familie gestorben?", mischte sie nun Potter ein. Das wagte er noch zu fragen? Konnte er sich nicht denken, warum es mir nicht gut geht? Immerhin ist er schuld daran, oder ist er wirklich so blind?
Meine Augen fanden seine. Es lag so viel Wärme in ihnen, dass ich beinah ja gesagt hätte. Aber wie sollte ich James in die Augen schauen können, wenn ich Gefühle für ihn hatte? Ganz genau. Gar nicht. Mir fehlte die Kraft zu Antworten. Ich hatte für nichts mehr Kraft, außer vielleicht zum Schlafen.
„Außerdem findet im Gryffindor-Turm eine Neujahrparty statt und wir brauchen noch ein bisschen Feuerwhisky, damit der Abend so richtig Spaß macht.", erklärte Sirius uns. Ich hatte die Neuigkeiten bereits gelesen, aber ich hatte nicht wirklich Lust dahinzugehen. Was sollte ich auch dort? Mit Freunden feiern, die ich nicht hatte, bis auf Remus, natürlich. Ich bin mir sicher, dass er auch nicht gehen wird.
„Ein Nein akzeptieren wir nicht. Nach dem Essen geht es los.", sagte James, legte einen Arm um meine Schulter und zog mich in die große Halle. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, irgendwie aus seinem Griff zu entkommen, doch ich hatte keine Chance. Wie denn auch? Er ist nicht nur stärker als ich sondern hatte ich in den letzten Tagen so wenig gegessen, dass mir die Kraft fehlte. Hilfesuchend schaute ich zu Remus. Ich wollte nicht in James nähe sein. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Als ich den blondhaarigen Jungen erblickte sah er genauso unglücklich aus wie ich. Er hatte mir nicht erzählt, warum er am Boden zerstört ist, aber ich hatte auch nicht nachgefragt. Aber wenn ich mir das Bild genauer betrachtete wusste ich warum. Sirius redete auf Remus ein, als hätte seine Freunde Tagelang nicht gemieden. Er hatte nur den Kopfgesenkt und hörte ihm vielleicht zu. Da war also das Problem. Es ging um Sirius. Ach Remus, wieso ausgerechnet ihm? Du kennst ihn doch von uns beiden am besten. Wenn wir Zeit haben und wir genug Kraft hatten, werde ich mit dir reden, Remus. Irgendwas kann man vielleicht gegen dein Problem. Und bei mir? Tja, ich bin ein hoffnungsloser Fall.
„James?", fragte ich ihn mit einer kratzigen Stimme und schaute zu ihm auf. Er hörte sofort auf zu reden. Seine Augen lagen wachsam auf mir. Wie sollte ich die Frage stellen ohne Remus zu verraten? Früher oder später würde auch James merken, was in seinem besten Freund vor sich geht.
„Wie gut kennst du Remus?" Genau, Lily. Rede über ein Thema, das nichts mit deinen Problemen und Gefühlen hat. Verdränge sie einfach, sowie du es immer tust.
„Sehr gut, wieso? Immerhin ist Remus mein bester Freund." James schaute misstrauisch an. Kein Wunder. Ich sprach mit ihm nie über seine Freunde und es entging ihm nichts über sie. Naja, eine kleine Sache hatte Remus sehr gut verbergen können, aber nicht so gut, dass ich es nicht sehen würde.
„Hatte er mal gesagt, dass er in jemanden verliebt ist?"
„Nicht das ich wüsste. Er sagt es gäbe niemanden für den er sich interessiert."
„Was ist, wenn er euch angelogen hätte und es eigentlich offensichtlich ist in wem Remus verliebt ist."
„Remus ist nicht verliebt. Das würde er uns sagen."
„Naja, wenn jemand betroffen ist, der ihm sehr nah steht und er die Freundschaft nicht gefährden will, würde ich es an seiner Stelle auch nicht sagen."
„Woher willst du, dass wissen?" Ich konnte einen wütenden Unterton heraushören. Natürlich. Wenn es um seine Freunde geht, verstand James wenig Spaß. Er versuchte sie mit aller Kraft zu beschützen, aber vor den eigenen Gefühlen kann man niemanden beschützen. Egal wie sehr er es versuchte.
„Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.", knurrte er gefährlich, als wir die große Halle betraten.
„Ich weiß, wovon ich spreche, James.", raunte ich ihm zu, sodass er nur mich hören konnte. Er drückte mich enger an sich, nicht um mir vor den Blicken der Anderen zu beschützen, sondern mir mitzuteilen, dass er darüber nicht diskutieren wird. Ich konnte jeden Blick auf mir spüren. Nicht nur weil ich die große Halle nach Wochen betreten hatte, es lag auch daran, dass der beliebteste Junge von Hogwarts seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte. Ich konnte die Gerüchte bereits hören. Ich wusste, was die Mädchen über mich sagen werden, und all das wollte ich vermeiden. Ich konnte nicht noch eine weitere Tragödie verarbeiten.
Ich atmete die kalte Winterluft ein. Es schneite ununterbrochen und selbst in meiner dicksten Kleidung fror ich noch immer. Ich konnte nicht glauben, dass James und Sirius uns wirklich gezwungen hatte mit uns nach Hogsmeade zu gehen. Ich wollte in meinem Bett. Ich wollte meine Ruhe haben und all die negativen Gedanken in meinem Kopf zu lassen. Während die Beiden vor uns liefen und sich über irgendein Quiddtichspiel unterhielten, schlenderte Remus und ich im weiten Abstand hinter ihnen her.
„Also.", sagte ich: „Wann genau willst du Black sagen, dass du in ihn verliebt bist?" Ich schaute zu den Jungen neben mir. Er hielt seinen Kopf gesenkt, aber ich konnte sehen, dass er großen Augen machte.
„Ich weiß nicht, wovon du redest.", seine Stimme war merklich nervös. Ich hatte also doch recht. Tja James, du scheinst Remus nicht so gut zu kennen, wie du glaubst.
„Ich bin nicht blind, Remus. Es ergibt alles einen Sinn. Wieso du keine Freundin hast, wieso du dich von deinen besten Freunden distanzierst. Wie lange schon?" Ich hörte Remus schwer Seufzen.
„Seit unserem ersten Schuljahr. Da hat es angefangen. Als ich es realisiert habe, waren wir in der dritten Klasse."
„Wieso versuchst du nicht dein Glück?" Fragend schaute ich ihn an. Wenn ich mir die beiden Jungen genauer anschaute, sahen sie schon irgendwie süß zusammen aus.
„Bist du wahnsinnig? Seit wir befreundet sind hat Sirius nur Augen für die Mädchen und wie viele er aufreißen wird. Da passe ich nicht rein."
„Dann versuch es jetzt."
„Ich soll seine Verletzlichkeit ausnutzen, um sein Herz zu gewinnen? Das ist hinterlistig, dass weißt du und sowas mache ich nicht."
„Was willst du dann machen?"
„Gar nichts. Einfach gar nichts.", antwortete Remus und schwieg. Er wirkte traurig und bedrück. Ich möchte ihn so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie. Ich konnte ihm nicht helfen. Er musste selbst dadurch. Ich verstand ihn. Die eigenen Gefühle waren nicht einfach zu verstehen. Sie verwirrten einen. Sie ließen uns manche Dinge anders sehen. Wir handelten aus dem Effekt und meist bereuten wir unsere Entscheidung. Ich bereute sie auch. Aber ich musste mich selbst schützen. Bei James konnte ich mir nicht sicher sein, ob ich ein Mädchen auf seiner Liste sein werde oder ob er es ernst meinte. Bei ihm waren so viele Fragen offen, eine Ungewissheit, die mir zögern ließ. Er hatte zwar mehrfach bewiesen, dass ich ihm vertrauen konnte, aber er hatte mich auch viel zu oft im Stich gelassen. Außerdem war dieser kleine Nachgeschmack in meinem Hals, wenn ich in seine Augen schaute. Er erinnerte mich daran, was vor vier Jahren passiert war. Ich sollte mich nicht an der Vergangenheit festkrallen. Ich sollte loslassen und nach vorne schauen. Immerhin hatte er sich verändert und er verdiente eine ehrliche Chance. Er hatte mir so wehgetan. Er hatte mich verletzt und mich vor der ganzen Schule bloßgestellt. Noch einmal würde ich es nicht vertragen können. Ich musste ihn auf Abstand halten, denn ich war nicht mutig genug ihn an mich heranzulassen.
Die Straßen von Hogsmeade waren an diesem Tag leer. Es waren kaum Hexen und Zauberer unterwegs. Weder die Schüler von Hogwarts noch die Einwohner des Dorfes. Ich mochte den Trubel. Es erinnerte mich an zuhause, wenn ich mit meinen Eltern auf dem Wochenmarkt war. Ich kuschelte mich in meinem warmen Umhang ein, um der Kälte zu entkommen. In einer Sache hatten die Beiden recht: Die frische Luft tat wirklich gut. Der kalte Wind wehte durch mein offenes Haar und sorgte dafür, dass meine Nasenspitze zu fror. Es fühlte sich gut an außerhalb der Mauern zu sein. Einmal durchatmen und den Albtraum der letzten Tage zu entkommen. Der Schmerz, dass mich meine beste Freundin verlassen hatte, saß nicht immer tief in mir und das Gefühl, dass es bei Emily die reinste Hölle war, ließ nicht los.
Ich blieb vor einem Schaufenster stehen. Ich konnte meine Augen nicht, von dem kleinen rosa Ball, abwenden. Daran erinnerte er mich, als ich ihn dabei zuschaute wie er mit seinen Freunden auf und ab sprang und mit ihnen spielte. Seine Augen huschten dabei aufgeregt hin und her als würde er irgendwas Wichtiges verpassen können. Sein kleiner Mund war zu einem freudigen Lächeln verzogen. Seine große glubsche Augen entdeckten mich. Er hörte auf zu springen und starrte zu mir hoch.
Wie süß das Ding doch war. Ich müsste es nur jeden Tag ansehen und mir würde es besser ergehen.
Minimuffs.
Süße kleine Dinger, die nicht lange lebten. Wenn man sie nicht richtig pflegte. Als ich sie im dritten Schuljahr das erste Mal entdeckt hatte, war ich von ihnen verzaubert worden. Ich hatte mich über die kleinen Kreaturen schlau gemacht. Von Nahrung bis zur Pflege, wusste ich alles über sie. Wie alt sie wurden, was sie brauchten und wie man mit ihnen umzugehen hat. Emily hatte gesagt, dass sie Geldverschwendung seien, weil sie nicht viel machen konnten, außer zu fressen. Aber sie waren so süß. Jedes Mal, wenn ich sie sah, überlegte ich mir eines zu kaufen. Ich tat es nie. Den Grund, welcher mich davon abhielt, wusste ich nicht.
Ich wand mich schweren Herzens von den kleinen süßen Tierchen ab. Als ich mich umdrehte, begegnete ich James Blick. Hatte er mich die ganze Zeit beobachtet? Wieso war er nicht mit Remus und Sirius vorgegangen? Ich wäre doch nachgekommen. Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung.
„Sie sind süß.", sprach er meine Gedanken aus als ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Gemeinsam ginge wir zu dem einzigen Laden, wo Sirius und James Feuerwhisky bekommen.
„Ja, sogar sehr. Es macht Spaß ihnen beim Spielen zu zuschauen." Ich verbarg mein Lächeln hinter meinem Schal. Er sollte nicht sehen, wie entzückt ich von ihnen bin.
„Ich habe über uns nachgedacht.", sprach James das Thema an, welches ich vermeiden wollte. Mein Herz rutsche mir in die Hose und mein ganzer Magen verkrampfte sich.
„Vielleicht ist es besser, wenn wir Freunde bleiben und uns erst kennenlernen bevor wir den nächsten Schritt gehen."
Ich nickte verstehend. Hatte er aufgegeben? Wieso kämpfte er nicht? Ich dachte er hätte Gefühle für mich sowie ich für ihn. Oder hatte ich es mir nur eingebildet? Ich traute mich nicht irgendwas zusagen, aus Angst meine Stimme könnte mich nicht verraten. Hatte ich mir zu viel Zeit gelassen? Hatte er ein anderes Mädchen im Visier? Hatte er die ganze Zeit nur mit mir gespielt? So viele Fragen und nur James konnte mir die Antworten geben.
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