*Überraschungsgast*
Ich stehe vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer und betrachte mich. Gestern noch habe ich gedacht, ich würde letztendlich in meiner „guten" Latzhose gehen müssen. Aber jetzt?! Das Kleid ist einfach schön und ich bin doch ganz froh, dass ich mich von Kai zu diesem Kleid habe überreden lassen. Es passt wie angegossen und lässt meinen Bauch noch runder wirken als er sowieso schon ist, aber heute macht mir das überhaupt nichts aus.
Charlie hat recht behalten, denn auch ohne Make Up strahlt mein Gesicht und meine in den letzten Tagen so müden Augen funkeln voller Vorfreude. Mein Haar habe ich so wie es war trocknen lassen und jetzt fällt es in großen Wellen nach vorn. Seit Tagen, nein eigentlich seit Wochen, fühle ich mich endlich mal wieder fraulich und irgendwie auch ein bisschen sexy. Denn auch was meinen Po und meine Brüste angeht hat Charlie vollkommen recht.
Ich werfe meinem Spiegelbild noch ein Lächeln zu und mache mich dann daran, all meine Kleinigkeiten in meine Handtasche zu packen. Handy, Portemonnaie, Mutterpass, Tabletten gegen Sodbrennen. Ohne die Dinger gehe ich nirgends mehr hin! Sonst brauche ich dort nichts und ich bin mir sicher, dass Kai kein Problem damit hat, noch einen Reisekoffer voll mit Zeug in den Kofferraum zu packen.
Ich lege mir noch die schmale Uhr um, die Theo mir zu Weihnachten geschenkt hat. Dann schnappe ich mir die Sandalen vom Bett und gehe ins Wohnzimmer. Da steht Kai und knöpft sein Hemd zu. Ich lege meine Handtasche und die Schuhe auf der Couch ab, dabei bemerkt mich mein bester Freund. Als er sich mit halb offenem Hemd zu mir umdreht, klappt ihm der Mund auf und er starrt mich einfach nur an. Unsicher schaue ich an mir runter. „So schlimm?", frage ich kleinlaut und schaue wieder zu Kai.
Der schüttelt den Kopf und dann endlich lächelt er. „Bist du verrückt? Maya, du siehst unglaublich aus. Hast du mal in den Spiegel geschaut?" Er kommt zu mir herüber und streicht mit seinen großen Händen über meine Arme, betrachtet mich nochmal eingängig. „Du siehst richtig toll aus, kleine Biene", sagt er leise und nimmt mich in den Arm. Zum Glück hat er so lange Arme und kann mich trotz des beträchtlichen Bauchumfangs auch noch umarmen.
Als er mich wieder loslässt, grinst er mich breit an, greift meine Hand, sodass ich mich vor ihm einmal im Kreis drehen kann. Als sein Blick auf meinen Rücken fällt, pfeift er anzüglich. „Sexy! Da wird so mancher Herr was zu gucken habe." Jetzt bin ich es die lacht. „Ja und wenn ich mich dann umdrehe, sehen sie, dass sie da schon zu spät sind." Kai wackelt zweideutig mit den Augenbrauen, legt beide Hände seitlich an meinen Bauch. „Na, soll ja Männer geben, die stehen drauf!"
Empört boxe ich ihm gegen die Brust, ehe ich mich aber mit einem Lächeln daran mache, sein Hemd fertig zu knöpfen. Er sieht richtig gut aus in der schwarzen Hose und dem weißen Hemd. Zusammen mit Paul lässt er Frauenknie weich werden, aber ihre Herzen gehören eben einander. Und eben besagter kommt gerade ins Wohnzimmer, ebenfalls in schwarzer Hose und einem dunkelblauen Hemd. „Scheiße, mir ist ja jetzt schon viel zu warm!", flucht er und fummelt sein Hemd in seine Hose. Als er uns sieht mustert er uns beide eingängig.
„Wow, Maya..." Mehr sagt er gar nicht, kommt herüber und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. „Hey und was ist mit mir?", fragt Kai neben uns eingeschnappt, doch seine zuckenden Mundwinkel verraten ihn. Paul lässt mich los, legt seine Arme um seinen Freund und greift mit beiden Händen an seinen Hintern. „Du siehst scharf aus, wie immer", raunt Paul ihm zu und zieht ihn für einen Kuss noch näher an sich heran. Im Gegensatz zu seinen Händen ist dieser aber sanft und Kai legt seine Hände an Pauls Hals. Wenn ich die beiden sehe bekomme ich manchmal echt einen Zuckerschock, der zum Glück das leichte Stechen in meinem eigenen Herzen überdeckt.
Ich lasse den beiden ihren Moment und setze mich auf die Couch. So gut ich mich heute auch fühle, stehen ist echt anstrengend mit dem Zusatzgewicht, das ich noch vier Wochen mit mir herumtragen darf. In dem Augenblick kommt auch Charlie zu uns. Sie trägt ein luftiges, hübsches Kleid. Die weiße Farbe lässt ihre roten Haare noch mehr leuchten und den Pixie hat sie heute mal brav frisiert. Sie sieht richtig gut aus. Ich habe sie schon immer um ihre sportliche Figur beneidet, aber ich gönne es ihr. Ich habe mich mit meinem volleren Körperbau – wobei Kai auf das Wort kurvig besteht – abgefunden.
„Na ihr seht ja super aus. Also Paul du würdest dich als Anwalt auch gut machen", witzelt sie und Paul zwinkert ihr zu. Dann kommt sie zu mir. „Maya, du siehst umwerfend aus", sagt sie und ganz plötzlich ist ihr Ton viel sanfter als noch bei den Jungs. „Danke Charlie. Aber du siehst Hammer aus." Charlie dreht sich einmal im Kreis, dabei umschmeichelt der lockere Rock ihre schlanken Beine. „Danke. Also können wir dann los?", fragt sie und schnappt sich ihre Handtasche.
Ich versuche meine Sandalen anzuziehen, doch heute will es mir nicht gelingen. „Man, gestern hat das doch noch funktioniert!", meckere ich und versuche doch noch irgendwie an meinen Fuß zu kommen, aber vergeblich. Kai muss mal wieder meinen Retter spielen und geht vor mir in die Knie. Er nimmt mir meine Schuhe aus der Hand und zieht sie mir an. Als er fertig ist, erhebt er sich und hilft mir beim Aufstehen. So bequem die Couch auch ist, wenn man einmal sitzt dann sitzt man.
„Wartet!", schreit Charlie auf einmal und ich erschrecke mich beinahe zu Tode. „Man Charlotte! Willst du das mir vor Schreck die Fruchtblase platzt?!", gebe ich zurück und meine Worte lassen Charlie zusammenzucken und erstarren. Ängstlich schaut sie mich an. „Charlie, das war ein Scherz!" Erleichtert atmet sie aus und jetzt gibt es für Kai und Paul kein Halten mehr. Die beiden krümmen sich vor Lachen und auch ich kann es mir nicht verkneifen. „Ja, macht euch halt über mich lustig! Jetzt stellt euch mal alle nebeneinander, ich möchte ein Foto machen!"
Immer noch lachend tun wir Charlie den Gefallen und stellen uns vor ihr auf. Paul rechts, Kai links von mir und beide legen einen Arm um mich. Charlie knippst mit ihrem Handy schnell ein Bild und tippt dann wie wild auf ihrem Display herum. „Was machst du da?", fragt Paul misstrauisch, doch Charlie lächelt nur unschuldig. „Ein süßes Bild mit der Welt teilen?!", antwortet sie zuckersüß und verstaut ihr Smartphone in der Tasche, gerade als unsere zeitgleich piepen. Paul stöhnt genervt auf, Kai streicht ihm liebevoll über die Brust. Wie ich Charlie kenne, hat sie das Bild nicht nur an uns drei gesendet, sondern auch noch gleich bei Instagram hochgeladen. „Keine Zeit für Beschwerden, wir müssen los." Charlie scheucht uns aus der Wohnung und zu Kais Wagen.
Als wir an Theos Haus ankommen davor schon einige dicke Schlitten, die nur „GELD" schreien. Wem es gefällt... Kai parkt allerdings etwas weiter hinten, direkt vor der Garage seines Vaters, durch die wir auch das große Haus betreten. Alles ist edel aber doch heimelig. Ich fühle mich hier einfach wie zu Hause, immerhin habe ich hier nicht nur in meiner Kindheit viel Zeit verbracht. Ich entschuldige mich sofort bei den anderen und mache mich erstmal davon, in Richtung Badezimmer.
Als ich wieder rauskomme, gehe ich sogleich in den großen Garten. Dort stehen zwei große Metallpavillions, unter denen massig Leute stehen. Zum Glück entdecke ich die anderen aber recht schnell bei Theo. Ohne auf die Blicke der anderen Anwesenden zu achten gehe ich auf sie zu. „Ah, da ist ja mein Mädchen!" Theo schiebt sich zwischen Paul und seinem Sohn hindurch und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Ganz von selbst lasse ich mich in seine Arme fallen. „Hallo alter Mann.", lache ich und spüre wie auch Theos Brust vibriert. „Den alten Mann habe ich jetzt mal überhört junge Dame! Wie geht es dir Kleine?"
Er schiebt mich eine Armlänge von sich und betrachtet mich aufmerksam. „Alles gut bei mir. Und da drin ist auch alles super", antworte ich ihm mit einem ehrlichen Lächeln und streiche über meinen Bauch. Theos Züge werden augenblicklich weicher und irgendwie verträumt. „Das freut mich. Wenn du irgendetwas brauchst, sag mir sofort Bescheid!" Mit diesen Worten legt er eine Hand auf meinen Rücken und schiebt mich zu den anderen. In dem Moment kommt auch schon ein Kellner mit einem Tablett vorbei. Er reicht jedem ein Glas mit Sekt, mir jedoch eines mit Orangensaft. Sehr aufmerksam, auch wenn das offensichtliche ja wohl kaum noch zu übersehen ist.
So stehen wir zu fünft da und immer mal wieder kommen weitere Gäste zu uns, begrüßen Theo und unterhalten sich einen Moment mit uns. Jeder wirft einen Blick auf meinen Bauch, jedoch sagt niemand etwas. Die Blicke sind mir mittlerweile egal, denn sind wir mal ehrlich, wie kann man da bitte nicht hingucken?! Immer wieder muss auch ich Hände schütteln, freundlich lächeln und mich ein bisschen am Smalltalk beteiligen. Alles in allem gar nicht so schlimm, auch wenn jemand kurz meine Eltern erwähnt trifft es mich nach zwölf Jahren nicht mehr ganz so hart. Ich habe mich daran gewöhnt.
Gerade diskutieren Theo und Paul, als Theo innehält. Sein Blick fällt auf jemanden hinter mir. „Lisa! Wie schön, dass du gekommen bist!" Vorsichtig schiebt er mich zur Seite und begrüßt die schlanke Frau die auf uns zu kommt. Theo umarmt sie herzlich und auch die blonde Frau schließt ihn in die Arme. Nachdem sie sich begrüßt haben, kommen beide zusammen auf uns zu. Kai begrüßt die Frau ebenso herzlich und langsam überkommt mich das Gefühl, als müsste ich wissen wer sie ist. „Maya, erinnerst du dich an Lisa Frier?", stellt mir Theo mein gegenüber vor. Mein Nachdenklicher Blick muss gereicht haben, denn die Frau vor mir, lächelt mich verständnisvoll an und sagt: „Ach Liebes, nicht schlimm! Das letzte Mal, dass wir uns bewusst gesehen haben war auf der Beerdigung deiner Eltern. Da würde ich mich auch nicht gerne an mich erinnern." Ihre Stimme ist lieblich und erfüllt mich mit einer seltsamen Wärme.
Ehe ich mich versehe hat sie mich in ihre Arme geschlossen, bedacht darauf meinen Bauch nicht zu sehr zwischen uns einzuquetschen. „Du wirst deiner Mutter von Tag zu Tag ähnlicher. Sie wäre bestimmt stolz auf dich", flüstert sie leise, sodass nur ich es hören kann. Kurz muss ich mit den Tränen kämpfen und halte mich an ihr fest. Lisa lässt mich wiederlos, legt aber beide Hände auf meine Oberarme. „Und darauf wäre sie bestimmt sehr stolz! Haben du und Kai euch also doch endlich zusammengerauft?", fragt sie lächelnd und zwinkert in Kais Richtung. Der kratzt sich verlegen am Nacken, ihm ist das ganze sichtlich unangenehm und er schielt entschuldigend zu Paul. Der findet das Ganze aber eher zum Lachen als schlimm. Trotzdem beschließe ich meinen besten Freund zu retten.
„Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Kai ist wie ein Bruder für mich und noch dazu glücklich vergeben.", erkläre ich ihr freundlich. Lisa schaut an mir vorbei zu Kai, der betreten auf den Boden, dann zu seinem Vater schaut. Der wiederum legt beinahe schon stolz einen Arm um Pauls Schulter und zieht ihn neben sich. „Lisa, darf ich dir meinen zukünftigen Schwiegersohn, Paul Hacher vorstellen?" Paul streckt ihr seine Hand hin, die Lisa ergreift. Sie braucht einen Moment um die Situation zu verstehen, dann aber lächelt sie umso breiter. „Das freut mich aber! Na dann Paul, herzlich willkommen!"
Und schon beginnen die Gespräche. Lisa ist ein herzensguter Mensch und ich kann verstehen, warum meine Eltern scheinbar mit ihr befreundet waren. Wie soll man diese Frau auch nicht mögen? Doch als Theo ihr eine Hand auf die Schulter legt, wird die Stimmung plötzlich ernst. „Wie geht es denn Edward?", fragt er vorsichtig und Lisas Ausdruck wird schlagartig traurig. „Unverändert. Es wird nicht schlimmer, aber es tritt auch keine Besserung ein." Alle anderen, sogar Charlie, schauen sie mitleidsvoll an, nur ich habe keine Ahnung worum es geht.
Egal wie sehr ich mich auch anstrenge, mir fällt es einfach nicht ein. Erst Kai klärt mich auf. Er beugt sich zu mir herunter und flüstert in mein Ohr: „Ihr Mann ist ein Kollege von Papa. Er hatte kurz vor Weihnachten einen schweren Autounfall und liegt seitdem im Koma." Oh. Wahrscheinlich hat mir das schonmal jemand erzählt, aber zu der Zeit war ich ja selbst nicht ganz auf der Höhe.
„Aber jetzt habe ich ja meinen Sohn bei mir. Tristan hat schon vor Monaten seine Versetzung hier her beantragt, aber erst jetzt hat es endlich geklappt. Er ist mir wirklich eine große Hilfe..." So unhöflich das auch ist, ich kann ihr nicht weiter folgen, denn irgendwie habe ich Hunger und mein einziger Gedanke dreht sich nur noch darum, wie ich jetzt an etwas Essbares komme. Ich weiß zwar ganz genau wo die Küche ist, aber ich kann nicht einfach in die Küche watscheln und mich bedienen...
„...Maya?" Pauls Stimme reißt mich aus meinen Planungen. Perplex schaue ich erst zu ihm, dann einmal durch die Runde. Fünf Augenpaare liegen auf mir und ich merke wie meine Wangen heiß werden. „Sorry...", murmle ich. Lisa lacht jedoch nur und greift nach meiner Hand. „Ach was! Deinem Gesichtsausdruck hast du gerade über Essen nachgedacht, richtig?" Mit großen Augen schaue ich sie an, meine Wangen werden noch heißer und Lisas Lachen dafür umso breiter. „Muss dir nicht peinlich sein, Süße. Ich habe das zweimal durchgemacht und ich war nicht besser. Bei meiner Tochter war es Karamelleis. Da hat mein Mann irgendwann einen großen Vorrat angelegt, damit er nicht mitten in der Nacht wie ein Irrer durch die Stadt hetzen muss um eine Tankstelle zu finden, die welches hat. Bei unserem Sohn war es hingegen schwieriger. Ich glaube es war jede Woche etwas anderes!"
Lisa schafft es mich aus meiner peinlichen Situation zu retten und ich bin froh, dass sie es mir keineswegs übelnimmt, sondern mich auch noch irgendwie in Schutz nimmt. „Ach, Maya ist eigentlich alles. Da brauch es gar keinen großen Aufwand!", stichelt Kai von der Seite und ich werfe ihm einen bösen Blick zu. „Sei lieber still, sonst habe ich heute Nacht ganz plötzlich Gelüste, die nicht aus dem Vorratsschrank zu stillen sind, mein Freund." Paul dreht sich weg um nicht lachen zu müssen, Kai aber hört auf zu grinsen und murmelt nur eine Entschuldigung. Jetzt kann auch ich nicht mehr an mich halten und lache los.
Der Nachmittag geht in den Abend über und ich hätte nie gedacht, dass ich tatsächlich so viel Spaß haben würde. Gegen acht nehmen alle an den dafür vorgesehenen Tischen Platz und es wird das Essen serviert. Zum Glück hat Kai mir zwischendurch schon zweimal was besorgt, sonst wäre ich verhungert. Gerade wollen wir uns zusammen mit Lisa an einen der runden Tische platznehmen, als sie die Hand hebt und jemandem zuwinkt. „Ach da ist er ja! Tristan hatte ja versprochen später nachkommen. Ich hoffe das war in Ordnung Theo?" Sie winkt nochmal der Person hinter mir. „Aber sicher! Er soll sich hier zu uns setzten!"
Da alle anderen stehen bleiben um den Neuankömmling zu begrüßen, tue ich es ihnen gleich, obwohl ich echt nicht mehr stehen kann. Lisa tritt an mir vorbei, wahrscheinlich um ihren Sohn zu begrüßen. So wie alle anderen wende ich mich dem Neuankömmling zu und erstarre in dem Moment, in dem er sich aus der Umarmung seiner Mutter löst und mich aus seinen braunen Teddybär-Augen anblickt.
„Engelchen..."
Seine raue Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken. Mit nur einem Wort schafft er es erneut mein Herz höher schlagen zu lassen. Ich kann nichts sagen, nichts tun außer ihn anzustarren. Sein Blick wandert fast schon sehnsüchtig über mein Gesicht, meinen Körper, bis seine Augen an meiner Mitte hängen bleiben und wenn möglich noch größer werden. Und genau das ist der Moment in dem mein beinahe geheiltes Herz von einer Welle aus purem Schmerz überrollt wird. Für einen kurzen Augenblick kann ich nicht atmen, muss mich zusammenreißen, nicht auf der Stelle zusammen zu brechen.
„Entschuldigt mich bitte", ist alles was ich herausbekomme, ehe ich mich vom Tisch entferne und nach drinnen gehe. Je eine Hand beschützend auf meinen Bauch und mein Herz gepresst, tragen mich meine Füße wie von selbst in den hinteren Teil des Hauses, die Treppe rauf und in Kais altes Zimmer. Dort lasse ich mich zitternd auf der Bettkante nieder, ringe verzweifelt nach Lift.
Ich habe wirklich gedacht, ich hätte das hinter mir gelassen. Natürlich habe ich nie gedacht, ihn vergessen zu können, immerhin trage ich unsere gemeinsame Tochter unter meinem Herzen, doch dass es mich so hart trifft hätte ich nicht erwartet. Für einen Moment war alles so wie an unserem gemeinsamen Tag, doch dann ist irgendetwas gebrochen und alles ist über mir eingestürzt.
Immer noch nah Luft ringend merke ich kaum, wie jemand vor mir in die Knie geht und mein Gesicht umfasst. „Maya! Du musst dich beruhigen, bitte. Denk an die Kleine, sie verträgt den Stress nicht." Doch ich kann nicht, finde einfach nicht aus meinem Schmerz heraus. Doch Kai umschließt mein Gesicht ein wenig fester und zwingt mich dazu ihn anzusehen. „Sieh mich an. Nur mich, ok?! Mach es mir einfach nach. Langsam ein, und langsam wieder ausatmen. Wir machen das zusammen." Übertrieben atmet er und ich versuche seinem Rhythmus zu folgen. Nur ganz langsam komme ich wieder zu Atem und mein Herz beruhigt sich wieder.
Kai lächelt gequält, doch ich kann sehen, wie ihm ein Stein vom Herzen fällt. „Geht es wieder?" Ich weiß was er meint, doch ich schüttle trotzdem den Kopf. Denn gar nichts geht wieder, nichts ist in Ordnung. „Ich möchte nach Hause...", flüstere ich heiser, doch zum Glück hat Kai mich gehört und nickt. „Ok. Du wartest hier. Ich hole deine Tasche und sage Papa Bescheid. Dann verschwinden wir, ja?" Ich nicke schwach und schließe die Augen, konzentriere mich allein auf meine Atmung und mein Baby.
Ich kann spüren wie sie sich unruhig bewegt, doch ich streiche über den Bauch und beginne leise die Melodie aus dieser bescheuerten Kuh zu summen. So beruhigt sie sich wieder und auch ich komme langsam runter. Alles was ich jetzt noch will ist schlafen. Erst als die Türe sich leise öffnet blicke ich auf. Charlie kommt zu mir herein und setzt sich neben mich aufs Bett. „Hey du. Kai kommt gleich. Er versucht gerade noch Paul dazu zu überreden, ihn dem Kerl eine reinhauen zu lassen. Wollen wir schonmal zum Auto gehen?" Kurz entkommt mir ein verzweifelter Laut, der aber eher Kai gilt. Hoffentlich lässt er sich von Paul beruhigen und ruiniert seinem Vater nicht die Feier. Ich drehe mich zu Charlie und nicke.
Sie hilft mir beim Aufstehen und auch die Treppe runter. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich die rauf gekommen bin. Unten ist niemand zu sehen, doch als wir gerade die Türe zur Garage öffnen wollen werden wir aufgehalten. „Maya!" Ich kneife fest die Augen zusammen und kralle mich an Charlie fest. Nein, ich will ihn nicht sehen, nicht mit ihm sprechen, ich will einfach nur nach Hause. Charlie lässt sich nicht beirren, reißt die Türe auf du will mich gerade durchschieben, als er schon wieder nach mir ruft, diesmal dabei näherkommt.
„Maya, bitte! Lass es mich dir erklären!" Ich schüttle stumm den Kopf und zum Glück habe ich ja noch Charlie. Sie baut sich zwischen uns auf und hält ihn davon ab, näher zu kommen. „Nein! Du lässt sie jetzt in Ruhe, verstanden! Wir werden jetzt gehen und du gehst zurück zu deiner Mutter." Ihr Ton ist scharf und duldet keine Widerworte. Trotzdem versucht Erik es. „Bitte, Maya..." Diesmal wird er von Kai unterbrochen.
„Halt dich von ihr fern du Mistkerl!" Ich kann hören, wie er zu uns kommt, auch wie er von Paul zurückgehalten wird. „Du hast ihr ja nicht mal deinen richtigen Namen gesagt, Tristan! Belogen und benutzt hast du sie! Ich werde dich auseinandernehmen!" Mehr bekomme ich kaum noch mit. Mein Körper, mein Kreislauf, einfach alles macht schlapp. Ich stütze mich schwach an der Türe ab, doch ehe ich zu Boden gehen kann, spüre ich zwei starke Arme, die mich hochheben. Ich weiß sofort, dass es Paul ist, der mich davor bewahrt, vollends zusammen zu brechen. Er drückt mich gegen seine Brust, legt seine Lippen sanft an meine Stirn. „Alles gut kleine Biene. Wir fahren jetzt nach Hause." Schwach nicke ich, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust, ehe mir die Augen einfach zufallen.
ER ist zurück!
Wie es jetzt wohl weitergeht?
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