XV
Nach ein paar mehr Drinks und einem Gespräch mit Kyle, das bestimmt eine Stunde in Anspruch nahm, nahm er mich an der Hand und zog mich in den hinteren Teil der Bar. Er zog einen roten Vorhang zur Seite und enthüllte eine Lounge mit großen, roten Samtsofas und einem Kronleuchter, der von der Decke hing. Vereinzelt saßen Männer auf den Sofas, unterhielten sich oder gaben sich dem hin, wofür sie hergekommen waren.
Mit einem Grinsen lief ich Kyle hinterher, doch als wir um die Ecke bogen, verschwand mein Grinsen schlagartig und ich blieb mit einem Mal stehen. Auf einer Couch, ganz am Ende des Raumes saß Ace. Auf ihm saß ein Mann, vielleicht etwa so alt wie Ace selbst und hatte seine Zunge tief in Ace Hals gesteckt.
Plötzliche Wut überrollte mich, ich presste meine Zähne aufeinander, zog die Augenbrauen zusammen und spannte mich an. Ruckartig riss ich mich von Kyle los, drehte mich auf der Ferse um und lief gradlinig aus der Lounge. Ein Knurren verließ meine Brust:"Elliot", hörte ich Kyle hinter mir rufen, doch er wurde schon bald von der dröhnenden Musik übertönt. Mit ausgefahrenen Ellbogen kämpfte ich mich durch die Masse, die Tür als mein klares Ziel im Blick.
Ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten, die ich wütend wegwischte. Als ich die Tür herausstolperte, verschwanden all die Eindrücke, die Gerüche und die laute Musik um mich herum.
Mein Kopf drehte sich. Bilder von Mia schossen mir in den Kopf, wurden schon bald verdrängt von Kyle. Der Gedanke an ihn trieb mir das Blut in die Wangen, ich erinnerte mich an seinen Geruch, seine Finger auf meiner Brust. Der Alkohol machte meinen Magen schwer und schickte mein kochendes Blut schneller und schneller durch meine Adern. Ich begann zu rennen, spürte den kalten Wind gegen mein Gesicht peitschen.
„Elliot", hörte ich ihn hinter mir rufen, doch ich ignorierte ihn. All die schönen Gefühle dieses Abends wurden verdrängt durch die unglaubliche Wut die ich gespürt hatte, als ich Ace gesehen hatte. So schnell wie ich konnte bog ich durch das Tor des Zirkus auf die große Wiese, rannte an dem Zelt vorbei und in Richtung des Waldes. „Ellie", hörte ich Mia von der Seite rufen und ich blieb stehen. Kurz drehte ich mich um. Ace stand am Tor, seine Brust pumpte, seine Haare hatte der Wind in alle Richtungen geworfen. Als ich meinen Kopf nach rechts drehte, sah ich Mia bereits auf mich zulaufen.
Ein frustrierter Schrei entkam mir und ich begann wieder zu rennen. Mein Atem beschleunigte sich, die Bäume, die der Wald mit sich brachte, schossen an mir vorbei. Ich stolperte über Wurzeln, hörte die Blätter unter mir knirschen und Äste knacken, doch ich konnte nicht aufhören zu rennen. Der Wind blies kalt durch mein Hemd, doch ich spürte den Schweiß meine Schläfen herunterlaufen. Meine Lunge brannte und als ich keine Luft mehr bekam, blieb ich langsam stehen, hielt mich mit einer Hand an einem Baum fest und ließ mich dann auf den Boden fallen, legte mich flach auf den Rücken, die Hand auf die Brust gedrückt. Schwarze Kreise tanzten vor meiner Sicht, meine Lunge schrie nach Sauerstoff und ich schloss die Augen.
Einen Moment blieb es still. Ich spürte die Blätter in meinen Haaren, spürte die kalte Erde unter mir und stumme Tränen liefen mir die Schläfen herunter. „Elliot", schallte es aus der Ferne durch den Wald und langsam stand ich auf. Um mich herum war es dunkel, ich konnte kaum meine Füße sehen und es dauerte eine Weile, bis ich mich an das schwache Mondlicht gewöhnt hatte. Knirschende Schritte kamen auf mich zu und als ich den Kopf hob konnte ich seine Silhouette vor mir erkennen. Das Mondlicht schmiegte sich um seine feinen Gesichtskonturen und seine eisblauen Augen sahen zu mir herunter. Etwas außer Atem strich er sich seine schwarzen Haare aus dem Gesicht:"Was ist denn passiert?", fragte er mich, trat noch einen Schritt an mich heran.
Ich senkte den Kopf:"Du hast gesagt", begann ich leise:"Dass du auf mich aufpasst und mich siehst", fuhr ich fort. Ace schwieg eine Weile:"Hast du mich mit Mika gesehen?", fragte er dann und nach einem kurzen Zögern nickte ich. Er seufzte:"Und ich habe Kyle extra gesagt, dass er dich nicht in die Lounge bringen soll", murmelte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ist er...", ich stockte kurz, alleine die Frage auszusprechen machte mich wütend:"Dein Freund?". Ace betrachtete mich, schüttelte dann leicht den Kopf:"Das war er mal. Jetzt sind wir..", nun war er es, der zögerte:"Eher in einer körperlichen Beziehung", beendete er seinen Satz. Kurz nickte ich:"Ich will ins Bett", sagte ich dann und zu meiner Überraschung ließ Ace mich gehen. Mit schnellen Schritten folgte ich dem Licht, das am Ende des Waldes die Wiese beleuchtete und mit meinem Ärmel wischte ich mir die Tränen aus den Augen. Leise schloss ich die Tür des Wagens auf. Die Zwillinge lagen schnarchend in ihren Betten und auf Zehenspitzen lief ich in den hinteren Teil des Wagens, knöpfte mein Hemd auf und ließ es über meine Schultern gleiten und auf den Boden fallen. Auch meine Jeans kickte ich mir von den Beinen, schmiss meine Klamotten in meinen Schrank und legte mich in mein Bett, zog mir die Decke bis unter die Nase und schloss die Augen.
Stunden lag ich wach, tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf, ich suchte eine Erklärung für meine Wut, für meine Gefühle, für die Dinge, die Kyle in mir ausgelöst hatte.
Doch ich fand nichts. Nicht mal im geringsten.
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