
XIX
„Wie ihr alle wisst, wird unser dritter Halt die Schweiz sein", sagte mein Vater und zeigte auf der Karte, die er an dem großen Präsentationsbrett aufgehangen hatte, auf das kleine Land unter Deutschland.
Wir waren alle in der Manège versammelt, Ace saß ganz hinten auf der Tribüne, ich saß neben Mia vorne auf der Piste. „In der Schweiz werden verschiedene Zirkuskritiker und Talentsucher auf uns warten unter anderem Clément Martin", er hielt eine Zeitung hoch, in der er auf ein kleines Bild an der Seite deutete. Es zeigte einen Mann, vielleicht Mitte sechzig, mit einem Hut auf dem Kopf, einem Schnauzbart und einem kantigen Gesicht.
„Martin ist ein richtig großer Fisch. Er besitzt die größte Zirkusschule in Paris, wer ihn von sich überzeugt, hat ein Ticket in den größten Zirkussen dieser Welt zu arbeiten", beendete er seinen Satz und legte die Zeitung weg. Aufgeregtes Tuscheln zog sich durch die Runde und Mia stupste mich an:"Das wäre was für dich, oder?", zwinkerte sie mir zu und ich sah kurz zu ihr runter, zuckte dann leicht die Schultern:"Glaube ich kaum, der sucht bestimmt welche, die das alles schon können", sagte ich dann und Mia schüttelte ein wenig den Kopf:"Ich denke, die suchen eher Talent".
„Also", unterbrach uns mein Vater aus unseren Gesprächen und klatschte in die Hände:"In zwei Wochen sind die ersten Vorstellungen hier in Frankreich, ich möchte, dass alle, die nicht auf die Tiere angewiesen sind, jetzt schon anfangen hart zu trainieren. Der Rest kümmert sich um den restlichen Aufbau und das Wohlsein der Tiere, bis sie sich eingelebt haben", er klatschte leicht in die Hände:"Allez, Allez", sagte er dann:"Keine Zeit verlieren".
Wir standen alle auf, unsere Crew stieg von der Tribüne, auf der die meisten saßen und alle verteilten sich in eine andere Richtung. Ich klopfte mir den Dreck von den Hosentaschen, lief Richtung Ausgang des Zirkus und Mia lief neben mir her:"Ellie, der Barkeeper gestern hat erzählt, dass er auch Drogen verkauft", schmunzelte sie und sah sich kurz um:"Er hat gesagt, wenn wir welche wollen, sollen wir heute Abend zu ihm kommen".
Einen Moment lang blickte ich Mia an:"Ne, lass mal. Ich erinnere dich an das letzte Mal, als ich was geraucht habe", ich rümpfte kurz die Nase. Als wir draußen auf dem Feld waren, hielt Mia an und verdrehte die Augen:"Nichts zum Rauchen! Was zum spritzen", sagte sie dann leise:"Oder machst du lieber was mit Ace?", fragte sie mich spöttisch. Kurz zog ich die Augenbrauen fragend zusammen:"Was zum...?". Mia unterbrach mich:"Du verbringst im Moment mehr und mehr Zeit mit ihm, schläfst lieber bei ihm als bei mir. Ich weiß ja nicht was da abgeht aber...", nun fiel ich ihr ins Wort:"Gar nichts! Gar nichts geht da... ab...!", ich verschränkte die Arme vor der Brust und Mia schmunzelte:"Also bist du dabei?", fragte sie mich und ich seufzte, nickte dann ein wenig.
———
Ich lehnte am Zaun des Zirkus. Wie gewöhnlich war es bereits dunkel geworden, der Mond stand am Himmel und ich lehnte den Kopf an das kühle Zauntor. Einen Moment lang fragte ich mich, was ich hier eigentlich gerade tat, doch diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder.
„Was machst du hier?". Ich zuckte zusammen, blickte zur Seite und sah Ace mit ein paar Metern Abstand auf der Wiese stehen. Ich räusperte mich, steckte die Hände in die Hosentaschen:"Ich, ähm...", begann ich und kratzte mich kurz am Kopf. Mit langsamen Schritten kam er auf mich zu, blieb vor mir stehen und blickte auf mich herab.
„Versprichst du mir, dass du nichts dummes tust?", fragte er mich dann und ich nickte nur leicht, sah zu ihm hoch. Mit zwei Fingern strich ich über seinen Handrücken, er drehte den Kopf in die Richtung meiner Berührung und drehte seine Hand, verschränkte zaghaft seine Finger mit meinen, sah mich dann einen Moment lang an, lächelte ein wenig. Wärme strahlte um meine Brust herum, zog sich durch meinen Körper und bereitete mir eine Gänsehaut. Sanft strich mir Ace eine Locke hinter mein Ohr:"Bis später", hauchte er dann und seine Hand verschwand aus meiner, mit großen Schritten lief er über die Wiese zu seinem Wagen. Wie gerne wäre ich mit ihm gegangen.
Nach ein paar Minuten kam Mia, sie trug ein Sommerkleid und hatte ihre Haare ein wenig nach hinten geflochten. Ich schmunzelte ihr zu:"Du siehst gut aus", sagte ich dann und sie deutete auf mein halb offenes Hemd:"Und du erst", grinste sie dann und ergriff meine Hand, zog mich mit sich:"Na dann los, ich kann es kaum abwarten".
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„Steril schaut das nicht aus", merkte ich an und rümpfte die Nase. Der Barkeeper hatte uns in einen kleinen Hinterraum der Bar mitgenommen und nachdem wir ihm entsprechend viel Geld gegeben hatten, hatte er zwei aufgezogene Spritzen aus seiner Schublade gezogen. „Ich glaube es ist besser, wenn du das erstmal machst und ich auf dich aufpasse. Wir können ja noch gar nicht einschätzen, wie das auf uns wirkt", sagte Mia dann und der Mann griff meinen Arm, krempelte meinen Ärmel hoch. Etwas verunsichert nickte ich ein wenig, sah dann zu dem Mann und zu der Spritze in seiner Hand. Auch er blickte mich an:"Bereit?", fragte er mich kurz und ich zögerte einen Augenblick, nickte dann aber ein wenig.
Ohne zu zögern steckte er die Spritze in meine Haut, beförderte ihren Inhalt in meine Venen und ich verzog kurz das Gesicht, rieb etwas über die Stelle und sah dann den Mann an:"Naja merken tue ich jetzt nicht unbedingt was", murmelte ich und er lachte:"Oh, das wirst du."
——
Der Barkeeper hatte Recht behalten. Schon nach kurzer Zeit hatte sich die Welt um mich herum verlangsamt. Ich saß auf einem Sessel, Mia auf meinem Schoß und ließ meinen Blick schweigend über die Menschenmasse gleiten. Keinerlei Emotionen, verspürte ich in meinem Körper. Eine unermüdliche Gleichgültigkeit hatte sich in mir breit gemacht und so entspannt wie schon lange nicht mehr, seuftzte ich leise. Ich sah, wie Mia sich zu mir drehte, ihre Hand auf meine Wange legte und ich grinste sie breit an. Ein Lachen entfuhr ihr:"Und, auf welchem Planeten bist du mittlerweile angekommen?", hörte ich sie sagen, doch ihre Worte kamen nicht in meinem Kopf an und ich grinste einfach weiter.
Sie drehte sich auf meinem Schoß um, legte die Arme um meinen Nacken und drückte ihre Lippen auf meine. Als ich die Augen schloss, sah ich Ace vor mir, sein Geruch schoss mir in die Nase und ich legte die Arme um Mia. Sie begann ihre Hüfte auf meinem Schritt kreisen zu lassen. Abermals schoss Ace mir in den Kopf, seine Wärme, seine Hand um mein Glied und seine raue Stimme an meinem Ohr.
Gerade, als ich spürte, wie sich das Blut in meinem Schritt sammelte, öffnete ich die Augen und Mias Anblick zerstörte meine Fantasie. „Ich habe ihn noch nie richtig geküsst", wisperte ich leise vor mich hin, als Mia begann, an meinen Hals zu saugen und ich drückte sie etwas von mir:"Ich muss nach Hause", sagte ich und etwas besorgt sah sie mich an:"Warum? Geht es dir nicht gut", fragte sie dann und ich nickte einfach:"Ja genau", sagte ich dann und sie stieg von meinem Schoß, half mir hoch und richtete mein Hemd kurz. Einen Moment lang schien sich die Welt etwas schneller zu drehen, bis ich mich an das Gefühl des Stehens gewöhnt hatte.
„Bleib du hier!", sagte ich dann:"Ich will dir den Spaß nicht verderben". Mia zog die Augenbrauen zusammen:"Schaffst du es denn alleine nach Hause?", fragte sie mich dann und ich winkte ab, nickte:"Klar", meinte ich und Mia drückte mir nochmal einen Kuss auf die Lippen:"Sei vorsichtig", sagte sie und mischte sich unter die Leute.
Ich lief aus der Bar, kratzte unterbewusst an meinem Arm und lief mit langsamen, bedachten Schritten über die Straße. Ein oder zwei mal stolperte ich über meine eigenen Füße, fiel zu Boden, doch alles fühlte sich an, als wäre ich in Styropor eingewickelt. Immer wieder rieb ich mit meinen Fingern über die Einstichstelle und sah irgendwann in meine Armbeuge. Um den Stich war es dick geworden, die Haut war etwas gerötet und ich seufzte frustriert:"Muss das denn so jucken?", murmelte ich und sah irgendwann das Zirkuszelt vor mir, torkelte durch das Tor und über die Wiese auf Ace Wagen zu.
Zweimal klopfte ich mit der rechten Hand an seine Tür und hielt mich dann an dem Treppengeländer fest. Als sich seine Tür öffnete, blinzelte ich etwas gegen das Licht, sah dann zu ihm hoch:"Aaaaaace", sagte ich und zeigte ihm ein Peace Zeichen:"Ey sorry, dass ich so spät bin", ich drückte mich an ihm vorbei und verwirrt machte er mir Platz, sah mir mit gerunzelter Stirn hinterher. Ich setzte mich auf seine Bettkante, atmete tief durch:"Mia hat mich echt nicht gehen lassen", murmelte ich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.
Ace trug ein Shirt und eine Boxershorts, in seiner Hand hielt er ein Buch, welches er zur Seite legte und er kam auf mich zu, inspizierte mich kurz:"Hauch mich mal an", sagte er dann und verwirrt zog ich kurz die Augenbrauen zusammen, atmete etwas in seine Richtung und noch irritierter als zuvor betrachtete er mich weiter:"Du hast nichts getrunken oder geraucht und bist trotzdem...", plötzlich riss er die Augen auf, ergriff meinen Arm:"Ellie spinnst du?!", entfuhr es ihm und er deutete auf die gerötete Stelle:"Sag mal hast du sie noch alle?", er betrachtete meinen Arm:"Das ist ja jetzt schon total entzündet", stellte er fest:"Das muss doch wie Sau wehtun".
Ich schüttelte leicht den Kopf:"Neeee warum denn?", ich zuckte die Schultern und er betrachtete mich weiter, zeigte auf meine aufgeschlagenen Knie:"Lass mich raten, das tut auch nicht weh?", brummte er und ich sah kurz an mir runter:"Ist mir ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen", stellte ich fest und Ace seufzte:"Heroin", murmelte er dann:"Wann hast du das gespritzt?", fragte er mich und ich überlegte kurz:"So vor 2 Stunden", schätzte ich dann und er nickte:"Basierend auf der Entzündung kann das kein besonders guter Stoff gewesen sein und viel war es bestimmt auch nicht. In einer halben Stunde sollte die Wirkung weg sein", murmelte er dann und nahm aus einem Schrank einen Verbandskasten.
——
Wie Ace gesagt hatte, war die Blase, in die mich das Heroin gehüllt hatte, nach einiger Zeit zerplatzt und ich lag auf dem Bett, mein Arm verbunden und mit Pflastern auf meinen Knien, hatte Arme und Beine von mir gestreckt. Ich fühlte mich schlapp, als hätte jemand alles Leben aus mir gesaugt und ich seufzte, drehte mich auf den Bauch. Ace saß an seinem Tisch, das Buch in der Hand und sah kurz zu mir:"Ich hoffe das ist dir eine Lehre", sagte er dann und hob mein Hemd und meine Shorts, die ich ausgezogen hatte, vom Boden auf, legte sie über einen Stuhl zusammen.
Ich hatte die Augen geschlossen, legte die Hände unter mein Kinn und spreizte die Beine etwas, seufzte erneut:"Mädchen zu küssen ist widerlich", stellte ich dann müde fest und ich hörte Ace hinter mir rau lachen.
Als ich bereits fast eingedöst war, spürte ich, wie sich das Bett hinter mir etwas senkte. Ein Knie stellte sich zwischen meine Beine, so dicht, dass es an meinen Schritt drückte und ich spürte Ace warmen Atem an meinem Schulterblatt. Sanft legte er seine Lippen an meinen Nacken und Gänsehaut zog sich über meinen Rücken. Mit einem Finger fuhr er meine Wirbelsäule entlang und ich atmete entspannt aus, brummte zufrieden und Ace legte sich neben mich, ein Bein über meinen Hintern gelegt, seinen Arm um meinen Oberkörper geschlungen und seine Lippen an meiner Wange. Er platzierte einen Kuss auf meinem Wangenknochen und legte den Kopf dann auf sein Kissen, beobachtete mich eine Weile.
Ich drehte meinen Kopf zu ihm und wir blickten uns in die Augen. So viele Gefühle durchzuckten mich. Erregung, Glück, Ruhe und vor allem, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte, was ich da eigentlich fühlte, tiefe und innige Liebe. Ace strich mit den Fingern über meine Wange, atmete ruhig. „Du bist besser als jede Droge", murmelte ich irgendwann und Ace schmunzelte:"Warum das?".
„Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich, als wäre ich auf einem anderen Planeten. Einem, wo es keine Schwerkraft gibt", ich rückte etwas an ihn heran, verkreuzte meine Beine mit seinen. Ace sah mich ernst an, legte die Hand auf meine Wange:"Das hast du schön gesagt", er lächelte sanft, beugte sich etwas über mich, legte seine Lippen auf meine Stirn und platzierte seinen Kopf dann wieder auf dem Kissen, schloss die Augen.
„Ace?", fragte ich ihn irgendwann und blickte ihn an. „Mhh?", machte er, seine Augen weiterhin verschlossen. „Warum hast du mich eigentlich noch kein einziges Mal geküsst?", fragte ich dann leise und Ace öffnete seine Augen. Einen Moment schwieg er.
„Weil Küssen, Liebe bedeutet, Elliot. Und wir lieben uns nicht" sagte er dann:"Deinen ersten Kuss mit einem Mann solltest du dir für deine große Liebe aufheben", er schloss die Augen wieder. Etwas verletzt biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wusste nicht, was zwischen Ace und mir war und auch wenn ich ahnte, dass es vielleicht nicht mehr als Erregung und Lust war, stachen seine Worte mir im Herzen.
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