6.2 | team iron man
»Ich? Mit Iron Man und Black Widow und dem Black Panther in einem Team? So richtig mit kämpfen und so?« Cass sitzt auf ihrem Schreibtischstuhl und sieht mit aus großen Augen an.
»Yep«, sage ich. »Wenn es das ist, was du willst. Deine Kräfte einsetzen. Gutes tun. Das Übliche.«
»Gutes tun? Inwiefern? Wen verprügeln wir denn?«
»Nunja, sozusagen Captain America«, nuschele ich und spiele mit einem der Kissen, die Cass' Bett dekorieren.
Jetzt guckt Cass eher ungläubig.
»Und den Winter Soldier«, fahre ich hastig fort. »Und 'ne Taube. Und... und Matt möglicherweise auch.«
Sie blinzelt. »Moment, jetzt aber mal halblang. Mein letzter Wissensstand sieht so aus, dass du und Matt euch wegen einem Stapel Papier zerstritten habt. Und jetzt gehört er zu einer Bande Krimineller, die um jeden Preis gestoppt werden muss?«
»So wie du das sagst klingt es merkwürdig.«
»Judy, merkst du denn nicht, wie verdreht das alles ist?«
»Verdreht?«
Cass seufzt, dreht sich eine Runde auf ihrem Schreibtischstuhl herum und rollt dann näher an mich heran. »Wieso fragst du mich um Hilfe? Obwohl, vermutlich war es nicht einmal deine Idee, sondern die deines Vaters, das ändert aber nichts an der Unsinnigkeit dieser Aktion. Was erwartet ihr denn, hm? Ihr wollt diesen Winter Soldier schnappen, schön, aber müsst ihr dafür direkt ein Team aufstellen? Wieso bekämpft ihr Captain freaking America?«
»Wir wollen nur Barnes. Und – wenn wir die Sache der CIA und dem Außenministerium überlassen hätten, würden die sie töten. Sie alle. Das... das können sie nicht tun. Das dürfen sie nicht.«
»Ach, das sind Amerikaner, die finden schon einen halb-legalen Weg am Rande der Grauzone vorbei.«
»Cass, du bist Amerikanerin«, erinnere ich sie.
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Lenk nicht vom Thema ab. Du willst also Matt retten, das ist dein Ziel.«
»Das–« Das ist definitiv nicht mein Vorsatz. Er will sich nicht helfen lassen, das hat er mir mehr als deutlich gemacht. Und, ganz ehrlich, ich bin es leid, ihm hinterherzurennen.
»Okay, schön, dann habt ihr euch also getrennt. Deine Entscheidung. Er interessiert dich folglich nicht mehr.«
Cass redet sich richtig in Rage. Das kann sie gut. Und ich habe keine Chance, ihr da irgendwie dazwischenzufunken. Also muss ich stumm dasitzen und mir Cass' unverschleierte Meinung anhören.
»Aber wenn dir Barnes' Schicksal am Arsch vorbeigeht und Iron Man und Black Panther die Sache sowieso regeln, wieso bist du dann hier? Wieso hast du dich für Team Iron Man rekrutieren lassen? Im Übrigen, ich wette um fünf Dollar, dass der Captain auch ein Team zusammenstellt. Und weißt du, was das letzte Mal passiert ist, als sich die Amerikaner uneinig waren? Der Civil War. Boom. Ich hab meine Geschichtshausaufgaben gemacht, anders als du; übrigens, verlangst du von mir wirklich, dass ich die Schule für so eine Aktion schwänze? Wo geht der Ausflug überhaupt hin? Nein halt, das ist mir egal, ich komme nämlich nicht mit. Nicht, wenn das Ziel ist, jemanden umzubringen.«
»Zunächst einmal«, sage ich und nutze die wenigen Sekunden, in denen Cass Luft holt, um auch mal etwas zu sagen, »wir wollen nicht kämpfen, verstanden? Wenn es nach Dad ginge, würde er die Sache mit Steve am liebsten über Postkarten klären, wenn er dann nur aufhört, sich wie ein Idiot zu benehmen. Egal, ob der Winter Soldier nun für den Anschlag in Wien verantwortlich ist, in der Vergangenheit hat er weit schlimmere Verbrechen begangen, für die er vor Gericht gestellt werden muss. Und Matt ist einfach nur fehlgeleitet. Mit ihnen wird Ross nicht so hart verfahren. Nehme ich an.« Hoffe ich.
»Also kein Kampf?«
Ich schüttele den Kopf. »Nur, wenn es sein muss. Und ich hoffe wirklich, dass es nicht sein muss, denn ein Kampf unter den Avengers wäre wohl das letzte, was die Welt jetzt braucht.«
»Da muss ich dir ausnahmsweise mal Recht geben.« Sie sieht mich abwartend an.
Ich atme schnaufend aus. Dass die ganze Sache so kompliziert wird, hätte ich nicht gedacht. Gut, ich kenne Cass und weiß, dass sie gerne Diskussionen führt, aber darauf war ich nicht eingestellt. Vielleicht hätte ich doch zu unserem neuen Rekruten gehen sollen, und Dad hätte Cass übernommen. Er hätte vielleicht auch Cass' Eltern schonend beibringen können, dass ihre Tochter Superkräfte besitzt. Das wissen die nämlich immer noch nicht. Aber keine Sorge, ich habe auch dafür einen Plan.
»Es geht nach Berlin«, sage ich. »Vorerst. Cap ist auf jeden Fall noch in Deutschland, so viel ist klar. Wir müssen ihn schnappen bevor er doch noch einen Weg findet, ins Ausland abzuhauen.«
»Verstößt das nicht gegen das Sokovia-Abkommen?«
»Ross hat Dad 36 Stunden Zeit gegeben, die Angelegenheit auf seine Art zu klären. Das heißt, jetzt bleiben uns noch ungefähr zwanzig Stunden.«
»Und die Schule?«
»Offiziell wirst du natürlich ein Praktikum bei Stark Industries machen. Da kann es auch gut sein, dass du zur einen oder anderen Mathestunde nicht auftauchen kannst.«
Cass sieht immer noch unschlüssig aus. Sie wiegt den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht...«
»Ich kann nicht von dir verlangen, mitzukommen. Aber wenn Cap sieht, dass noch mehr Leute mit Superkräften hinter dem Sokovia-Abkommen stehen, lässt er sich vielleicht umstimmen.«
»Wie viele mehr denn? Hast du vor, Wanda und Xander auch mit in die Sache reinzuziehen?«
»Ich hab vorhin bei Xander vorbeigeschaut. Seine Wohnung ist komplett verlassen. Steve war wohl schneller. Aber Wanda ist noch in der New Avengers Facility. Außerdem – erinnerst du dich an die Videos? Die, mit dem rot-blau-maskierten Typen? Dad hat ihn ausfindig gemacht. Wenn er es schafft, ihn umzustimmen, sind wir schon zu acht. Vorausgesetzt, Wanda und Vision kommen mit uns mit.«
Abrupt steht Cass von ihrem Stuhl auf, läuft durchs Zimmer und rauft sich die Haare. »Es ist ein Teufelskreis, oder? Ich komm da einfach nicht raus. Sokovia hier, ein kleiner Kampf in Deutschland da – es ist wie verhext. Ich bin verflucht.« Sie lacht. »Ja, verdammt, ich komme mit.«
Ich grinse triumphierend. »Dann pack ein Paar Socken ein. Und dann geht's auf zur New Avengers Facility, Wanda abholen. Und deinen Anzug.«
»Ich krieg 'nen eigenen Anzug? Wie cool ist das denn?«
»Ja, mein Dad hat nach Sokovia das Design von deiner alten Uniform geändert. Du wirst staunen.«
Tja, um genau zu sein bin ich es, die ins Staunen versetzt wird, als wir einige Zeit später die New Avengers Facility betreten. Genauer gesagt, die Küche. Noch genauer gesagt, der Ort, an dem die Küche sein sollte. Gut, es steht noch ein Großteil davon, aber zwischen Wohnzimmer und Essbereich klafft ein metertiefes Loch auf, dessen Boden ich nur erahnen kann.
»Was ist hier passiert?«, fragt Cass verwirrt, stellt ihren Rucksack auf der Küchentheke ab und inspiziert das Loch.
Ich ziehe einen Pfeil aus der Wand. »Clint.« An der gegenüberliegenden Wand ist noch einer. Sie waren schon wieder schneller. Verdammt. Sie haben also Hawkeye und Wanda in ihrem Team. Aber wo ist Vision? Sollte er nicht auf Wanda aufpassen? Wie konnte ein mächtiges Wesen wie Vision von einem Typen mit Pfeil und Bogen aufgehalten werden? Ich spähe in die Grube hinab. Das war Wanda, keine Frage. Ich kenne ihre Kräfte. Zu so etwas wäre sie auf jeden Fall fähig.
»Tja, dann sind wir wohl nur zu sechst«, sagt Cass. »Gegen sechs. Geht doch perfekt auf.«
Mist. Wie soll ich das bloß Dad erklären? Hey, erinnerst du dich an die zwei Leute, die ich für unser Team rekrutieren sollte? Ja, die eine ist auf die andere Seite übergewechselt, und der andere ist... wie vom Erdboden verschluckt. Viel Zeit, ihn zu suchen bleibt uns auch nicht mehr.
»Hey, Judy, komm mal her«, winkt Cass mich zu sich herüber. »Hörst du das?«
Ich starre in den düsteren Schacht hinab. Dann kann ich ein leises Zischen wahrnehmen, wie Wind in einem Abluftschacht. Und es wird lauter. Gerade rechtzeitig noch ziehe ich Cass zurück und wir stolpern nach hinten weg. Aus der Grube taucht Vision auf, mit einem Tempo von bestimmt 60 Meilen pro Stunde, und hält einen Meter vor der Zimmerdecke abrupt inne.
»Vision, was ist passiert?«, frage ich. »Wo ist Wanda?«
»Clint hat sie mitgenommen«, antwortet er schlicht, ohne einen Hauch von Emotion in seiner Stimme. Dann schwebt er auch schon an uns vorbei zum Ausgang.
»Warte, was hast du jetzt vor?«
»Ich kontaktiere Mr. Stark.« Vision gleitet durch die Tür hindurch. Cass und ich stehen immer noch wie bestellt und nicht abgeholt am Rande des Lochs.
»Der kommt schon klar«, meint Cass. »Was machen wir jetzt?«
Ich seufze. »Du kannst ein paar Brote zum Mitnehmen schmieren, wir fahren gleich zum Flughafen. Vorher muss ich noch etwas erledigen. Warte hier.«
Auf der Wohnetage stoße ich langsam die Tür zu Matts Zimmer auf. Natürlich ist er nicht hier, aber alles hier erinnert mich an ihn. Sein Geruch hängt zwischen Kleidern im offenen Schrank, an den Kissen auf dem ungemachten Bett. Noch dazu riecht es muffig, als hätte jemand eine Woche lang nicht gelüftet. Ich streife mir den blauen Kapuzenpullover mit dem Emblem der Midtown High über den Kopf und lasse ihn auf das Bett fallen. Das war's dann also. Ich ziehe die Tür hinter mir zu und schließe ab.
Mit Cass im Schlepptau und unserer neuer Ausstattung im Kofferraum befinde ich mich schon einige Minuten später im Taxi auf dem Weg zum John F. Kennedy Airport. Happy hat mit dem Neuling, den Dad rekrutiert hat, den Stark Industries Privatjet in Anspruch genommen. Mieser Schachzug. Das bedeutet, dass Cass und ich uns auf herkömmliche Reisemittel beschränken müssen.
Wir fliegen selbstverständlich first-class. Während des Fluges muss ich Cass noch einmal erzählen, wie die ganze Situation zustande gekommen ist. Anschließend fachsimpeln wir darüber, wie der Neue wohl so ist.
»Er hat auf jeden Fall übermenschliche Kräfte«, sage ich, während ich an meinem Orangensaft nippe. »Hast du gesehen, wie er diesen Bus aufgehalten hat?«
Cass liegt quer auf ihrem Sessel mir gegenüber und liest eines dieser Flugzeugmagazine. »Denkst du, er hat seine Fähigkeiten auch so bekommen wie die Maximoffs und ich?«
»Nein, eher nicht«, sage ich nach kurzer Überlegung. »Diese Fäden, die er abschießt, sind irgendeine organische, chemische Substanz. Wie synthetische Spinnfäden.«
»Also ist er ein Wissenschaftler, dem ein Experiment schiefgelaufen ist. So wie der Hulk.«
»Was soll den schiefgelaufen sein? Glaubst du, er wurde von einer Horde Spinnen überrannt? Oder von einer gebissen?«
Sie klappt das Magazin zu. »Heutzutage glaube ich, dass fast alles in der Richtung möglich ist. Ich meine, ich hab 'nen Stein angefasst und kann jetzt mit meinen Händen Tee aufwärmen. Wie hoch ist bitte die Wahrscheinlichkeit dafür.«
Damit hat sie gar nicht mal so unrecht.
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Ich hab dieses GIF erstellt, und jetzt will ich es unbedingt benutzen. Ich hoffe es gefällt euch genauso sehr wie mir :)
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