3.2 | team meeting
Einige Sekunden lang sagt niemand etwas. Dann geht Sam wortlos Steve hinterher. Wanda starrt auf den Boden. Auf einem Begräbnis könnte die Stimmung nicht besser sein.
»Fliegst du nach Wien?«, frage ich Dad. Ich setze mich auf den freigewordenen Sessel.
»Nein. Nein, ganz bestimmt nicht. Unterschreiben kann ich auch sehr bequem von Zuhause aus.«
»Jemand muss die Avengers vertreten«, sagt Matt. Irgendetwas an ihm hat sich verändert. Seine Miene ist grimmiger geworden, und ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt. Steht er auf Steves Seite?
»Ich gehe«, bietet Natasha an.
»Tolle Idee, die Regierungen der Welt werden dich lieben«, sagt Rhodey mit einem sarkastischen Unterton. »Gerade nach dem, was in Lagos passiert ist.«
»Dann wäre das doch der beste Zeitpunkt, um mich dafür zu entschuldigen.«
Ich lege den Kopf schief. »Wieso, Nat? Wieso jetzt? Hat dich Ross' herzergreifender Vortrag umgestimmt?«
Sie seufzt. »Ich versuche nur... es muss etwas geschehen, dass wissen wir alle. Und Steve... er wird es nicht verstehen.« Ihre Stirn legt sich in Falten. Worin sieht sie nur ihren Vorteil? Sie steht auf. »Ich sehe nach ihm.«
Da waren's nur noch sechs. Rhodey und Dad scheinen ein stummes Gespräch über meinen Kopf hinweg zu führen. Ich fahre mir durch die Haare. Immer noch nicht trocken. Vielleicht hätte ich sie doch föhnen sollen. Ich hole mein Handy hervor. Irgendwie muss ich Cass auf das ganze Drama vorbereiten. Es betrifft sie ebenso wie Matt und Wanda.
»Was soll das werden?«, fragt Dad.
»Ich schreibe Cass. Jemand muss sie informieren.« Nicht einmal ihre Eltern wissen von ihren Kräften. Falls ein Sonderkommando vor ihrer Haustür stehen sollte, könnte das eine böse Überraschung geben.
»Das wird sich früh genug klären.«
»Früh genug?«
Ich senke das Handy. Noch nie – und damit meine ich wirklich niemals, kein einziges Mal in den letzten zwei Jahren – hat Matt in so einem Tonfall mit Dad geredet. Im Großen und Ganzen vermeiden sie jegliche Konversation, die über den üblichen Smalltalk hinausgeht. Dad bleibt dieser Wandel ebenfalls nicht unbemerkt. Er verschränkt die Arme.
»Dieses Abkommen wurde für uns entworfen«, sagt Matt in bestimmendem Tonfall. »Für Leute, die den Regierungen zu gefährlich sind. Weil sie uns nicht stoppen können. Was würde passieren, wenn wir uns dagegen wehren? Was sollen sie schon tun?«
An dieser Stelle sollte Matt wohl lieber die Klappe halten. Um seinetwillen. Seine Entschlossenheit habe ich zwar schon immer bewundert, aber gerade grenzt sie eher an Größenwahn.
Rhodey stoppt den Wahnsinn. »Du fragst, was sie mit einem siebzehnjährigen Jungen anstellen würden, der ihnen droht? Dann kennst du die da draußen nicht. Du hast Ross gehört.«
»Wenn ich dem etwas hinzufügen dürfte...« Vision dreht eine Schachfigur in seinen Händen. »Dieses Abkommen ist keinesfalls dazu da, euch einzusperren. Es geht um Kontrolle.«
»Ich kann meine Kräfte sehr gut kontrollieren«, sagt Matt eisig.
»Aber wer kann das beurteilen?« Vision stellt die Figur zurück auf das Schachbrett und greift nach dem Abkommen, das Steve zurückgelassen hat. »Die breite Masse hat Angst vor euch. Wir wissen, wozu ihr eure Fähigkeiten einsetzt, doch sie wissen das nicht. Sie wollen Gewissheit. Sicherheit.«
»Wer denkt an unsere Sicherheit?«, fragt Wanda bitter.
»Genau darum geht es uns doch.« Rhodey sieht hilfesuchend zu Dad.
Dieser umfasst mit beiden Händen die Lehne meines Sessels, und lässt seinen Blick zwischen Matt und Wanda, den beiden Talenten, hin und her wandern. »Vielleicht solltet ihr, zumindest bis der ganze Schreibkram erledigt ist, erstmal keine Gebäude einstürzen lassen.«
Matts Miene verfinstert sich. Er prescht aus dem Raum.
Ich strecke noch meinen Arm aus, um ihn aufzuhalten, bekomme ich aber nicht zu fassen. »Matt!« Er verlässt den Raum in Richtung der Wohnquartiere. »Toll gemacht, Dad, wirklich«, sage ich, dann gehe ich Matt hinterher.
Ich finde ihn in seinem Zimmer. Diesmal steht die Tür sperrangelweit offen. Matt hat seine Reisetasche auf das Bett geworfen und stopft wahllos Klamotten hinein.
»Was soll das werden?«, frage ich.
»Ich kann hier nicht bleiben.«
»Prima Idee, wenn du nach Texas auswanderst, wird dich niemand jemals wiederfinden. Schon gar nicht General Ross, der Außenminister, der mit diversen Geheimdiensten zusammenarbeitet.« Ich werfe die Schranktür zu und stelle mich davor. »Du willst dich nicht ernsthaft von meinem Dad und Rhodey provozieren lassen, oder? Dann bist du nämlich noch dämlicher, als du aussiehst.«
Er stoppt in seinem Vorhaben, einen Stapel Kapuzenpullover in der Tasche zu versenken.
Ich trete einen Kleiderhaken zur Seite, der auf den Boden gefallen ist. »Ich meine, ich kann natürlich auch gerne wieder gehen und dich deiner verdammt unüberlegten Entscheidung überlassen–«
»Nein. Bleib. Bitte.«
So wie er jetzt dasteht, in einer Hand den Hoodie, mit der anderen sich durch die Haare fahrend, und mit diesem erneut verzweifelten Gesichtsausdruck, verraucht auch meine Wut. Mit drei Schritten bin ich bei ihm. Ich lege ihm eine Hand auf die Brust. Sein Puls, der vorher auf hundertachtzig war, verlangsamt sich allmählich. »Hey. Niemand will euch wegsperren, und das weißt du.«
»Ich unterschreibe so etwas nicht«, sagt Matt ruhig.
Das hat er bereits mehr als deutlich gemacht. »Aber Vision hat Recht. Irgendwie müssen wir die Leute davon überzeugen, dass ihr keine Schwerverbrecher seid.«
»Wieso? Wieso müssen wir uns vor denen rechtfertigen? Wer war in Sokovia, als Ultron es angegriffen hat? Wer war in Lagos, als Rumlows Team die Biowaffe gestohlen hat?«
Ich reibe mir die Schläfen. »Matt–«
»Auf uns kann sich die Welt wenigstens noch verlassen«, unterbricht er mich entschlossen. »Die Entscheidungen, die wir treffen, mögen nicht immer die richtigen sein, aber wir sind auf der guten Seite.«
»Erklär das den Opfern.«
Matt tritt einen Schritt zurück, wobei er meine Hand loslässt.
»Bleib hier«, beschwöre ich ihn. »Zumindest bis Mittwoch. Und überleg dir die Sache. Du kannst nirgendwo anders hin.«
Das scheint er nun auch begriffen zu haben. Rastlos wandert er im Zimmer umher und rauft sich dabei immer wieder die Haare. Nach einer Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlt, sieht er mich an. Diese Veränderung, die ich vorhin schon bemerkt habe und nicht beschreiben kann, zeichnet sich immer deutlicher auf seinem Gesicht ab.
Ich schlucke. »Matt, ich – ich brauche dich hier. Und wir müssen das alles noch mit Cass klären, sie steckt da genauso drin wie du und Wanda.«
»Lass mich darüber nachdenken«, sagt Matt schließlich.
Nachdenken. Drei Diskussionen später, und er braucht immer noch Zeit zum Nachdenken. Dabei hat er sich längst entschieden, da braucht er mir nichts vorzumachen. Ich kenne ihn. Und gerade deshalb tut es so weh, ihn das sagen zu hören.
»Lass dir ruhig Zeit«, gebe ich bissig zurück. »Einhundertsiebzehn Länder können bestimmt warten.« Und dann gehe ich. Kein Abschiedskuss. Nicht einmal eine Umarmung. Nur das Gefühl seiner Haut auf meiner bleibt zurück, wie eine Brandnarbe auf meiner Hand. Ich bin weder traurig noch wütend oder aufgewühlt genug, um die Tür hinter mir zuzuschlagen. Nur enttäuscht. Enttäuscht von mir selbst, dass ich es nicht geschafft habe, Matt umzustimmen. Er wird sich auf Steves Seite schlagen und sich den Bestimmungen des Abkommens entgegensetzen. Das wird schlimme Konsequenzen nach sich ziehen, und das wünsche ich ihm nun wirklich nicht.
Dad ist immer noch im Gemeinschaftsraum, er sitzt im Sessel und tippt auf seinem Tablet herum. Wortlos werfe ich mich auf die Couch ihm gegenüber.
Er schaut kurz auf. »Ärger im Paradies?«
Im Moment habe ich keine Geduld für Dads Späße. »Können wir nach Hause fahren?«, bitte ich ihn.
Jetzt legt er das Tablet weg und mustert mich. Die Frustration muss mir anzusehen sein. »In einer halben Stunde geht's los. Allerdings habe ich schon angeboten, Rhodey zum Flughafen zu bringen.«
»Ist okay«, murmele ich. Solange ich von der New Avengers Facility wegkomme, ist mir alles recht.
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Wie ihr vielleicht schon gemerkt habt, gab es am Dienstag kein Update. Whoops. Das lag vermutlich daran, dass ich erstmal über den weiteren Verlauf der Geschichte brainstormen musste. Jetzt geht es aber weiter :)
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