3.1 | team meeting
Es klopft. Aber vielleicht träume ich das auch nur. Hm. Ich vergrabe mein Gesicht wieder im Kopfkissen - oder eher in Matts Haaren, vermutlich - und schlafe wieder ein. Irgendwann klopft es wieder. Nerviges Geräusch. Viel zu früh an einem Sonntag. Ich murre leise und lege mir Matt Arm auf die Ohren, um nichts mehr hören zu müssen. Im Dämmerschlaf warte ich auf ein drittes Klopfen, doch da kommt nichts. Merkwürdig. Aller guten Dinge sind doch drei. Die Fenster haben keine Vorhänge, Sonnenlicht strahlt ins Zimmer und beleuchtet die Gestalt, die mitten im Raum steht. Kurz blinzele ich, ich sehe ja kaum was, da ein Arm mir das halbe Sichtfeld blockiert, und runzele die Stirn. Dann fahre ich hoch.
»Vision, verdammt, schon mal was von Anklopfen gehört?«, empöre ich mich. »Das gilt auch für Androiden!«
»Mr. Stark hat wiederholt geklopft, doch Sie waren nicht ansprechbar«, sagt er. »Daraufhin schickte er mich.«
Vision trägt - aus mir nicht ersichtlichen Gründen - einen grauen Pullunder und eine Hose, nicht wie sonst nur sein lilanes Cape. Der gelbe Gedankenstein strahlt uns wie eh und je von seiner Stirn entgegen.
»Machst du das auch bei den anderen?«, murre ich.
»Die anderen halten ihre Türen freundlicherweise nicht verschlossen.«
Mittlerweile hat sich auch Matt vom dem Weckkommando aus dem Schlaf reißen lassen. Er streicht sich erst verwirrt die Haare aus der Stirn und sieht dann, mit einem noch verwirrteren Blick, Vision an.
»Gibt's auch 'nen Grund für deinen Besuch?«, frage ich.
»Nun, Mr. Stark wollte sich nach Ihrem Wohlbefinden erkundigen. Außerdem werden Sie erwartet. Sie beide. Wir haben Besuch.«
Ich runzele die Stirn. »Besuch?«
»Lieutenant General Thaddeus Ross. Der Außenminister.«
Als wir - verspätet - den Versammlungsraum betreten, stelle ich fest, dass wirklich alle da sind, also muss diese Besprechung wirklich wichtig sein. Auf der Seite des Tisches, die dem Fenster am nächsten ist, sitzen Steve, Nat und Rhodey, ihnen gegenüber Wanda, Vision (immer noch in seinem Pullunder) und Sam Wilson. Vor der holografischen Glaswand mit dem Avengers-Logo steht ein älterer Mann im Anzug. Merkwürdigerweise sitzt Dad etwas abseits der anderen. Alle Blicke richten sich auf uns, und der Schnauzer des Außenministers wackelt kurz. Er ist mir auf Anhieb unsympathisch.
»Guten Morgen«, begrüße ich die Runde und lasse mich auf den Stuhl am Tischende fallen. Ich binde mir meine noch nassen Haare zu einem Zopf. Matt setzt sich neben Sam.
»Also... wo war ich?«, fragt Ross. Er räuspert sich. »Die Welt schuldet den Avengers auf ewig Dank. Sie haben für uns gekämpft, uns beschützt, ihr Leben riskiert. Aber während sehr viele Menschen das als Heldentaten sehen, würden es wiederum andere als Selbstjustiz bezeichnen.«
»Und welches Wort würden Sie benutzen, Mr. Secretary?«, fragt Nat mit sanfter Stimme. Diese Ruhe rechne ich ihr hoch an, denn bei den folgenden Worten des Außenministers knirsche ich mit den Zähnen.
»Wie wär's mit gefährlich? Wie würden sie eine in Amerika ansässige Gruppe nennen, die außergewöhnliche Fähigkeiten besitzt, die mit aller Selbstverständlichkeit Staatsgrenzen missachtet, und ihren Willen durchsetzt, wo immer es ihr gefällt?«
Ich werfe einen Blick zu Matt, der mit ernster Miene den Worten des Außenministers folgt.
Ross macht eine Kunstpause. »Und der, offen gesagt, gleichgültig zu sein scheint, was sie anrichtet.« Er tritt zurück, als das Holo-Board anspringt und eine Weltkarte auf die East Coast heranzoomt. »New York.«
Die riesigen, metallischen Wale der Chitauri. Schreiende Menschenmassen. Der Hulk. Das alles ist jetzt schon vier Jahre her. Kaum zu glauben. Am Bildschirmrand steht die Zahl der zivilen Toten: 74. Ein kalter Schauer durchfährt mich bei der Erinnerung an die Familie in dem Auto. Matts Vater. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, meinen Blick aber nicht von den Bildern abwenden.
»Washington D.C.«
Diese Aufnahmen sehe ich zum ersten Mal. Drei brennende Helicarrier in der Luft, das Triskelion und die Wassermassen, als die Luftschiffe auf den Fluss treffen. 23 zivile Opfer.
»Sokovia.«
Die Ultron-Offensive. Daran erinnere ich mich nur zu gut. Die fliegende Stadt, ein einstürzendes Hochhaus. Überall Schreie und Schutt und Asche. Für einen Moment schließe ich die Augen. Gleich ist Ross mit seiner verdammten Präsentation durch und kommt zum Punkt. Das hier bringt rein gar nichts. Glaubt er denn, wir würden die Ausmaße dieser ganzen vergangenen Situationen nicht erkennen?
»Lagos.«
Da ist es, das brennende Hochhaus, Menschen, die auf aus dem Gebäude getragen werden, einige auf Bahren, andere in Leichensäcken. Ich bemerke Wanda, die den Blick senkt.
»Genug. Das reicht«, verkündet Steve.
Ross nickt seinem Bodyguard oder Sekretär, oder wer auch immer dieser Mann im Anzug ist, zu, und der Bildschirm wird wieder durchsichtig. »Seit vier Jahren agieren sie mit unbegrenzter Macht und ohne jede Aufsicht. Diese Art, vorzugehen, können die Regierungen der Welt nicht länger tolerieren.«
Ich rutsche in meinem Stuhl umher. Dad sieht niemanden an, er tippt nur auf einer Glasscheibe herum. Interessiert ihn das alles nicht oder wusste er es schon die ganze Zeit? Und wenn dies der Fall sein sollte, wieso hat er es mir nicht gesagt?
»Aber ich denke, wir haben eine Lösung.« Der Außenminister legt eine dicke Mappe auf dem Tisch vor Wanda ab. »Das Sokovia-Abkommen. Befürwortet von 117 Staaten wird darin festgelegt, dass die Avengers keine Privatorganisation mehr sein sollten.«
Ich gebe Wanda ein Zeichen und sie schiebt mir das Dokument über den Tisch hinweg zu, ohne es aufzuschlagen. Rahmenrichtlinien für die Registrierung und den Einsatz von Personen mit besonderen Fähigkeiten. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Matt, der den Titel ebenfalls gelesen hat, legt die Stirn in Falten. Wanda hingegen ist in ihrem Stuhl zusammengesunken, Nat sieht eher verwirrt aus, und Steve deprimiert.
»Stattdessen operieren sie unter Aufsicht eines Gremiums der vereinten Nationen. Und das auch nur, wenn dieses Gremium es als notwendig erachtet.«
»Die Avengers wurden gegründet, um die Welt sicherer zu machen«, sagt Steve. »Ich denke das haben wir erreicht.«
»Sagen Sie, Captain, wissen Sie, wo Thor und Banner jetzt gerade sind?«, fragt Ross. »Hätte ich zwei Nuklearsprengköpfe verlegt, können Sie sicher sein, dass es Konsequenzen hätte.«
Bruce und Thor sind ganz sicher keine Atomwaffen, und außerdem freie Menschen. Beziehungsweise ein freier Gott.
»Kompromisse, Rückversicherungen, so funktioniert diese Welt.« Ross geht wieder um den Tisch herum. Er deutet auf das Abkommen in meinen Händen. »Glauben Sie mir, das ist der goldene Mittelweg.«
Ich blättere mit meinem Daumen durch die druckfrischen Seiten. »Und Sie verlangen von uns, dass wir jede einzelne dieser... fünfhundertfünfzig Seiten durchlesen und auf das Kleingedruckte achten?« Ich schiebe den Stapel Papier zu Steve rüber, der ihn weiter zu Nat schiebt, die ihn weiter zu Rhodey schiebt.
»Wenn Sie mit einzelnen Teilen nicht zufrieden sind, sind diese verhandelbar. Aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen.«
»Also ist das hier noch nicht final«, stellt Rhodes fest.
»In drei Tagen versammelt sich die UN in Wien und ratifiziert das Abkommen. Besprechen Sie alles.« Der Außenminister wendet sich zum Gehen.
»Und wenn wir zu einer Entscheidung kommen, die Ihnen nicht gefällt?«, fragt Nat.
»Dann gehen Sie in Rente.«
Nats Mundwinkel ziehen sich nach oben. Doch auch sie hat die unmissverständliche Botschaft erkannt. Entweder ihr tut, was wir von euch verlangen, oder ihr seid raus.
Wir verlagern die Besprechung vom Konferenztisch auf die Sofas unweit der Küchennische. Während vor allem Sam und Rhodey noch diskutieren, mache ich mir und Matt Frühstück - es ist kurz vor zwölf - hauptsächlich, um mich den Gesprächen nicht anschließen zu müssen. Ich versuche, mich weitgehend rauszuhalten. Doch die beiden sind nicht leicht zu überhören.
»Mal angenommen, wir stimmen dem zu, wie lange wird es dauern, bis die uns überwachen wie gewöhnliche Kriminelle?«, fragt Sam.
»Hundertsiebzehn Staaten wollen das unterzeichnen«, kontert Rhodey. »Einhundertsiebzehn, Sam, und du sagst ›Alles cool, geht schon‹.«
»Wie lange willst du hier noch blöd quatschen?«
»Ich habe eine Gleichung«, verkündet Vision. Er spielt gerade Schach gegen sich selbst. »In den acht Jahren in denen sich Mr. Stark als Iron Man offenbart hat, vervielfachte sich die Anzahl außergewöhnlich talentierter Personen exponentiell.«
Matt und ich tauschen bedeutungsvolle Blicke aus, und ich streiche Erdnussbutter auf meinen Toast.
»Und im selben Zeitraum haben sich Weltuntergangsszenarien in korrelierender Relation dazu ereignet.«
»Heißt das, es ist unsere Schuld?« Aus irgendeinem Grund hat Steve bereits die Hälfte des Sokovia-Abkommens durchgelesen. Oder zumindest überflogen.
»Es besteht vielleicht eine Kausalität«, gibt Vision zu. »Unsere jeweiligen Stärken erwecken Herausforderungen, aus Herausforderungen resultieren Konflikte. Und Konflikte... münden in Katastrophen.« In dieser bedeutungsvollen Gesprächspause ist es still. »Kontrolle... Kontrolle ist ein Ansatz, den man nicht ignorieren sollte.«
Rhodey wirft Sam einen Blick zu, der ohne Zweifel ›Hab ich's doch gesagt‹ bedeuten soll.
Nat legt den Kopf schief. »Tony? Ungewöhnlicherweise bist du unterdurchschnittlich mitteilsam.«
»Ja, es ist geradezu außergewöhnlich still in der Stark Ecke.«
»Entschuldigung, ich esse gerade«, verteidige ich mich und nehme noch einen Bissen von meinem Frühstückstoast.
»Tony hat seine Entscheidung bereits gefällt«, sagt Steve, ohne von seiner spannenden Lektüre aufzublicken.
»Du kennst mich zu gut.« Dad reibt sich den Hinterkopf und steht mühselig von der Ottomane auf, auf der er die gesamte Zeit über lag und sich vor der Konversation drückte. »Ich hab 'nen elektromagnetischen Brummschädel.«
»Und einen Dickschädel«, füge ich leise genug hinzu, dass nur Matt, der auf dem Barhocker neben mir sitzt, es hören kann. Ich nehme einen Schluck von meinem Tee, der nun die perfekte Trinktemperatur hat.
»Das ist alles Cap, nur Schmerzen«, fährt Dad fort, während zur Küchenecke herüberkommt und sich eine saubere Tasse sucht. »Ein Unwohlsein. Wer kippt hier Kaffeesatz in den Ausguss, hab ich hier 'nen Bed and Breakfast für 'ne Bikergang?« Kopfschüttelnd stellt er die Tasse auf der Kücheninsel ab. Dabei legt er ein Tablet in den Obstkorb und projiziert, wie zufällig, das Bild eines Jungen. »Oh, das ist übrigens Charles Spencer. Ein toller Junge. Informatikdiplom mit sehr gut bestanden, hatte bereits einen Job in Aussicht. Aber erst wollte er ein bisschen was für die Seele tun, bevor er sie hinter 'nem Schreibtisch parkt, wollte die Welt sehen, könnte ja später mal nützlich sein. Er entschied sich dafür, im Sommer nachhaltige Unterkünfte für arme Leute zu bauen, und wo? In Sokovia.«
Der Tee nimmt auf einmal einen bitteren Beigeschmack an. Ich stelle die Tasse zurück auf die Theke und starre das Muster darauf an.
»Er hätte was bewegt, nehm ich an, ich meine wir werden's nie erfahren, weil wir ein Gebäude auf ihn fallen ließen, bei unserer Prügelei.«
Es ist still. Ein Seitenblick verrät mir, dass alle Anwesenden es vermeiden, sich gegenseitig anzusehen. Bei dem Geräusch einer Tasse, die abgestellt wird, sehe ich hoch und fange für einen kurzen Moment Dads Blick auf. Er wirkt entschlossen.
»Es kann hier keine Entscheidungsfindung geben«, sagt er, sich wieder an die anderen wendend. Er verschränkt die Arme. »Es muss Grenzen für uns geben. Egal auf welche Art, ich bin dafür. Akzeptieren wir keine Grenzen sind wir maßlos und nicht besser als die bösen Jungs.«
Steve klappt den Stapel Blätter zu. »Tony, wenn jemand unter deinem Schutz stirbt gibt man nicht auf.«
»Wer spricht denn davon?«
»Das tun wir, wenn wir nicht die Verantwortung für unsere Taten tragen. Dieses Dokument verschiebt nur die Schuldfrage.«
»Tschuldige Steve, das... das ist gefährlich arrogant«, merkt Rhodey an. »Wir reden hier von den Vereinten Nationen, nicht vom Weltsicherheitsrat oder von SHIELD oder etwa von HYDRA.«
»Nein, aber geleitet werden sie von Menschen die Ziele verfolgen, Ziele ändern sich.«
»Das ist gut!«, sagt Dad. Er nähert sich der Sofaecke. »Deshalb bin ich hier. Als mir klarwurde, was meine Waffen in den falschen Händen anrichten hab ich Schluss gemacht und die Produktion eingestellt.«
»Tony, das war deine freie Entscheidung. Unterschreiben wir, geben wir das Recht auf freie Entscheidung auf. Wir mögen zwar nicht perfekt sein, aber auf uns können wir uns wenigsten verlassen.«
»Wenn wir das jetzt nicht akzeptieren werden wir später gezwungen. Das ist 'ne Tatsache. Und das wird hässlich.«
Das alles hier nimmt dramatischere Ausmaße an, als ich gedacht habe. Matt sitzt mittlerweile nicht mehr auf dem Hocker neben mir, sondern steht an die Säule gelehnt, die zwischen uns und den anderen das Dach hält.
»Das heißt die holen mich«, stellt Wanda bitter fest.
»Das können sie nicht tun«, sagt Matt.
Ich stehe ebenfalls auf und stelle mich neben Matt. »Sie wollen euch nicht einsperren. Und wenn sie das versuchen-«
»Dann beschützen wir euch«, vervollständigt Vision meinen Satz.
»Vielleicht hat Tony recht«, sagt Natasha vorsichtig. »Mit einer Hand am Steuer können wir immer noch lenken. Wenn wir loslassen...« Sie zögert. »Wir haben einige sehr öffentliche Fehler gemacht. Wir müssen ihr Vertrauen zurückgewinnen.«
Ich runzele die Stirn angesichts Nats Worten. War sie eben nicht noch gegen Ross' Vorschläge?
Auch Dad bemerkt das. Er stützt sich auf der Lehne des Sofas ab. »Was war das denn, tschuldige, hab ich mich verhört, oder bist du meiner Meinung?«
»Oh, hätte ich doch nur die Klappe halten«, sagt Nat bitter.
»Nein nein, kneifen gilt nicht, danke«, sagt Dad. »Gab's ja noch nie. Okay, Fall abgeschlossen. Ich hab gewonnen.«
»Gewonnen?«, schnauft Matt. »Wir spielen hier doch kein Brettspiel.«
»Nein, die Regeln hat Steve sowieso nie verstanden«, gebe ich zu. Matts Blick gibt mir zu verstehen, dass er meinen Humor in dieser Situation nicht gutheißt.
»Ich muss gehen«, sagt Steve abrupt. Er wirft das Sokovia-Abkommen auf den Couchtisch und steht ruppig auf. Sich an Rhodey vorbeidrängend verlässt er den Raum.
Welche Laus ist ihm denn über die Leber gelaufen? Ich versuche, die Positionen der Anwesenden abzuschätzen. Natasha, Dad und Rhodey werden das Abkommen mit Sicherheit unterschreiben. Vision vermutlich auch. Sam und Steve haben absolut keine Lust darauf. Und Matt und Wanda? Um die beiden geht es ja hauptsächlich, um die Personen mit besonderen Fähigkeiten. Dürfen sie als Minderjährige überhaupt unterschreiben? Schließlich bestimmen wir damit ihre Zukunft. Was Steve und Sam vorhaben kann mir eigentlich relativ gleichgültig sein. Aber Wanda und Matt, und natürlich auch Cass, sind meine Freunde, und für sie muss eine Lösung gefunden werden.
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Etwas länger heute, weil das meiste ja aus dem Film transkribiert ist. Na, kennt ihr den Film so gut um zu erraten, was ich rausgeschnitten habe und was eingefügt wurde?
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