1.2 | just another catastrophe
Der Flug dauert anderthalb Stunden, und man kann gar nicht glauben, was in so einer kurzen Zeit über den Wolken, abgeschnitten von herkömmlichen Mobilfunknetzen, so alles passieren kann. Als der Privatjet landet, explodiert mein Handy vor Nachrichten. Auch Dad zieht ein Tablet hervor. Mit kritischem Blick filtert er die Informationsfluten.
›In der nigerianischen Hauptstadt starben nach aktuellen Kenntnissen elf Menschen bei einer Explosion in einem Hochhaus, weitere schweben noch in Lebensgefahr. Die Explosion wurde von vermutlich von Wanda Maximoff ausgelöst, die mit weiteren Mitgliedern der Avengers, darunter auch Steve Rogers und Natasha Romanoff, zuvor bei einem Kampf in Lagos' Innenstadt das Zentrum für ansteckende Krankheiten in Trümmern hinterlassen haben. Die Verantwortlichen haben sich bisher zu den Vorgängen noch nicht geäußert.‹
Lagos. Nigeria. Westafrika. Wanda und Nat und Steve. Und Matt. Was ist da passiert?
»Ich muss ein paar Anrufe machen«, sagt Dad mit eisiger Miene, schon wieder um einige graue Haare reicher.
Ich versuche das auch. Aber Matt geht nicht an sein Handy, ebenso wenig Wanda. Das macht mich verrückt. Ich bin kurz davor, auf eigene Faust zur New Avengers Facility zu fahren, und nur Cass, die ich schlussendlich als einzige erreichen konnte, hält mich davon ab.
Ich bleibe fast die halbe Nacht wach und knabbere meine Fingernägel bis aufs Nagelbett ab, während ich in eine Decke gehüllt vor dem Fernseher sitze und die Nachrichten verfolge. Ein Angriff auf das Zentrum für ansteckende Krankheiten, von Terroristen vermutlich, die es aber auf die Avengers abgesehen haben. Ein Typ, der sich auf einem Marktplatz in die Luft sprengen wollte, und dann Wanda, die die Explosion an der Seite eines Hochhauses verursacht hat. Ich höre die Stimmen der Reporter kaum, starre nur wie benommen auf die Bilder und hoffe, dass es ihnen allen gut geht. Die Tatsache, dass ich nichts tun kann, macht alles nur noch schlimmer.
Schließlich muss ich doch eingenickt sein, denn erst das Klingeln meines Handys reißt mich aus der Dunkelheit. Draußen ist es bereits hell. Hektisch krame ich mein Handy unter der Decke hervor und nehme den Anruf entgegen. »Hallo?«
»Judy?«, fragt Matt.
Ich setze mich auf und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Durch den Couchbezug sind sie elektrisch aufgeladen. »Ist das dein Ernst, Matt, jetzt? Wo warst du? Du bist so ein Idiot, ich hab mir vielleicht Sorgen gemacht. Wo bist du jetzt? Geht es dir gut? Geht es den anderen gut?«
»Können wir uns irgendwo treffen? Nicht hier, und auch nicht bei dir. Irgendwo anders.«
»Central Park? Vor dem Naturkundemuseum? Ich kann mich gleich auf den Weg machen.«
»Super. Pass auf dich auf.«
Ich schnaube, doch es klingt eher wie ein verzweifeltes Lachen. »Du hast absolut kein Recht darauf, das zu sagen, weißt du das eigentlich?«
Ich schnalle mir also meine Inliner um und rolle los. Der Platz vor dem Naturkundemuseum ist so gut wie leer. Erst jetzt gucke ich auf die Uhr. Acht Uhr morgens. Acht Uhr? Was zur Hölle? Wann war ich an einem Samstagmorgen jemals so früh auf den Beinen? Ich stehe noch weitere fünf Minuten allein vor dem Theodore-Roosevelt-Denkmal. Erst bestellt Matt mich in dieser Herrgottsfrühe hierher, und dann lässt er mich auch noch warten. Na, der kann aber was erleben.
Doch als er dann tatsächlich hinter der Statue auftaucht, kann ich nicht anders als ihm um den Hals zu fallen. Ich hatte nicht vor, ihn zu küssen, aber irgendwie finden unsere Lippen wie von selbst zueinander. Meine Hände wandern in Matts Nacken, und seine über meinen Rücken bis zu meinen Hüften. Ich bin verdammt froh, dass es ihm gutgeht. Die Sache in Lagos hätte auch viel schlimmer ausgehen können. Als ich es schließlich geschafft habe, mich von ihm loszumachen, boxe ich ihm gegen die Brust.
»Antworte gefälligst auf meine Nachrichten!«, sage ich wütend, aber es klingt vermutlich nicht gerade bedrohlich.
»Es war nicht sicher«, meint er.
Ich schüttele den Kopf. »Ist jetzt auch egal. Erzähl mir, was passiert ist. Ich will alles wissen. Die Wahrheit.«
Kurz tritt ein zögernder Ausdruck in Matts Augen, doch dann entscheidet er sich offensichtlich, meiner Forderung nachzugehen. Während wir uns vom Naturkundemuseum entfernen, um durch den Park zu spazieren, erzählt er davon, wie er mit Steve, Natasha, Sam und Wanda nach Nigeria geflogen ist, um dort einem bestimmten Waffenhändler aufzulauern. Doch dann brach eine Gruppe schwer bewaffneter Männer in das Institut für ansteckende Krankheiten ein und stahl eine Biowaffe. Was folgte, war eine Verfolgungsjagd durch die halbe Stadt, Steves Team gegen die maskierten Söldner. Bis der Anführer von ihnen es auf Matt abgesehen hat.
»Ich kannte den Typen«, erinnert er sich. »Brock Rumlow. Ich dachte er wäre damals in D.C. gestorben. Er hat mich gewissermaßen für HYDRA rekrutiert.«
»Und er hat was gemacht? Sich in die Luft gesprengt?« Soviel zu ›es hätte schlimmer laufen können‹.
Matt macht ein gequältes Gesicht. »Sich, mich und Cap. Zumindest war das sein Plan. Doch Wanda hat – ich weiß nicht, wie sie das hinbekommen hat, aber Rumlow ist nicht gleich explodiert, sondern erst, nachdem Wanda ihn in die Luft geschleudert hat.«
»In das Hochhaus«, ergänze ich.
Matt nickt.
»Wie geht es ihr?«
»Sie hat auf dem Rückflug nichts gesagt.«
»Du hast nicht mit ihr darüber gesprochen?« Das ist ja ein tolles Team. Wanda hat sicher eine Tonne an Schuldgefühlen, die auf ihr lasten. »Mensch Matt, ich weiß ja, du bist nicht so feinfühlig, aber–«
»Cap hat's versucht«, verteidigt er sich. »Natasha auch. Sie kamen nicht zu ihr durch. Und... es war ein Unfall.«
»Bei dem elf Leute gestorben sind«, erinnere ich ihn. »Die Nachrichtensender lieben euch. Dabei bleibt's dann aber auch. Nachdem, was in Sokovia passiert ist... Verdammt, Matt, das kann so nicht weitergehen! Die werden euch dafür anklagen. Wenn's noch beschissener läuft landest du im Gefängnis.«
Matt bleibt wie angewurzelt stehen. Die Muskeln an seinem Hals versteifen sich.
»Was? Was ist?«
Wir sind mittlerweile auf der Bow Bridge angelangt, eine romantische Gusseisenbrücke, die über den See führt. Matt klammert sich an das Geländer, unbeeindruckt von der wunderschönen Szenerie. »Es gab Kameras. Ein Dutzend davon. Und einen Haufen zurechnungsfähige Zeugen. Nicht wie damals in Sokovia.«
Meine Lippen formen ein stummes O.
»Sie wissen, wer ich bin. Sie werden mich identifizieren können.«
»Vielleicht ja nicht«, sage ich.
»Und was wenn doch?« Er starrt jedem Fußgänger hinterher, der an uns vorbeiläuft.
»Dann...« Ich fahre mir durch die Haare. Ich hätte sie vorhin zumindest noch kämmen können. »Dann, schätze ich mal, musst du dir wirklich einen Superheldennamen zulegen und offiziell in die New Avengers Facility einziehen.«
»Du nimmst das hier wieder nicht ernst«, sagt er frustriert.
»Matt«, sage ich bestimmend und lege meine Arme um seine Schultern. »Und wenn schon. Daran kannst du jetzt nichts ändern. Ihr habt Mist gebaut. Großen Mist. Und das ist nicht allein deine Schuld. Wenn überhaupt, bist du derjenige, der am wenigsten Schuld trägt. Die Leute sind nicht mehr so scharf auf die Avengers wie vor einigen Jahren noch. Sie haben nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Auf einen weiteren Fehltritt. Und ich glaube, Lagos war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es war unvermeidbar.«
»Ich kann wohl kaum wieder in die Schule gehen«, sagt Matt bitter.
»Oh doch, das wirst du. Wenn ich Ms. Gumerys Launen und Mr. Dells schnarchigen Unterricht ertragen muss, dann kannst du dich nicht davor drücken.« Ich stupse ihm in die Seite. »Ich pass auch auf dich auf.«
Jetzt legt sich ein kleines Lächeln auf Matts Lippen. »Du?«
Ich grinse zurück. »Ja. Wer denn sonst? Du wirst ja wohl kaum auf dich selbst aufpassen können.«
»Das sagt die Richtige.«
»Wir werden ja sehen, Wonderboy.«
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So, jetzt beginnt die Story vom Civil War richtig. Was sind so eure Erwartungen? Oder lasst ihr euch lieber überraschen?
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