Chapter 4
Harry nahm lächelnd die Flasche Butterbier entgegen und sah sich im »Tropfenden Kessel« um. Er war lange nicht mehr hier gewesen und schon gar nicht, um sich mit jemandem zu treffen. Es lag nicht unbedingt an dem Etablissement, sondern eher daran, dass er fast immer, wenn er hier war am nächsten Tag in irgendeiner Weise im »Tagespropheten« erschien. So in Gedanken hatte er nicht bemerkt, wie sich jemand neben ihn an die Bar setzte.
»Du solltest dich besser entschuldigen, Potter«, sagte eine weiche Stimme und Harry sah auf. Eine Welle unerwarteten Schmerzes traf ihn hart, als er Ginny erblickte.
»Schön dich zu sehen, Gin«, sagte er und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Ich habe dich schon ewig nicht mehr gesehen! Gehst du mir aus dem Weg?«, wollte diese wissen.
»Nein! Ich war mit der Arbeit beschäftigt und äh ... Teddy«, sagte Harry und rieb sich verlegen lächelnd den Nacken.
»Na ja, ich habe dein dummes Gesicht auf jeden Fall vermisst!«, sagte Ginny, fasste Harry ins Gesicht und kniff ihm sacht in die Wange.
»Mum hat mir erzählt, dass du gekommen bist und dir das Spiel angesehen hast«, sagte sie dann und nahm ein Schluck aus ihrer Bierflasche.
Harry rieb sich die Wange und nickte dann: »Ja! Ja, du warst großartig! Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht bis zum Ende bleiben konnte, ich ...«
»Ich hab gehört, was passiert ist«, sagte Ginny, seufzte und stieß Harry spielerisch in die Seite.
»Du bist zu gut für diese Welt, das weißt du, oder?«
»Du denkst, ich hätte nicht eingreifen sollen?«, sagte Harry und wünschte sich, Ginny würde ihn noch länger berühren. Er wusste nicht mal, ob es an Ginny lag oder er sich allgemein wünschte, von jemandem berührt zu werden.
»Du hast das Richtige getan, das tust du immer. Ich kann ihn nicht ausstehen, aber ich vertraue dir – immer«, sagte sie und nahm einen weiteren Schluck Bier.
»Tut mir leid, das habe ich nicht ganz verstanden. Sag's noch mal«, sagte Harry und grinste.
»Wisch dir das Grinsen aus dem Gesicht!«, sagte Ginny und gab ihm einen weiteren Stoß.
»Also warum bin ich wirklich hier? Du hast mich doch nicht eingeladen nur der alten Zeiten wegen«, sagte sie dann.
»Und wenn doch?«
»Harry, ich kenn dich besser, als jeder andere und ich sehe, was in dir vorgeht, also?«, Harry seufzte und rutschte enger an Ginny.
»Wie geht's Kara?«, wollte er dann wissen. Überrascht hob die junge Frau die Augenbrauen.
»Willst du das wirklich wissen? Immerhin ist sie der Grund ...«
»Ist sie nicht und das weißt du«, sagte Harry schnell. Ginny sah ihn lange an, dann strich sie ihm sacht über den Oberschenkel.
»Harry, wir waren beide sehr jung, als wir zusammenkamen, keiner von uns hatte je vorher so etwas wie eine Beziehung. Wir hatten dafür weder Zeit, noch ... der Krieg und all das. Bei Merlin niemand von uns hat sich doch wirklich darüber Gedanken gemacht, welches Geschlecht er anziehend fand. Ich liebe dich und das weißt du und ich weiß auch, dass du mich liebst, aber es ist eine andere Liebe - ganz anders. Ich gebe dir doch nicht die Schuld an unserer Trennung. Ich weiß, was die Presse schreibt und es stört mich nicht und Kara auch nicht, aber hör bitte auf, dich selbst zu belügen, das hast du mir versprochen«, schloss Ginny. Sie flüsterte inzwischen nur noch, denn keiner der beiden hatte Lust auf eine neuerliche Story rund um Harry. Dieser rieb sich die Augen und seufzte.
»Also, wie heißt er?«, fragte Ginny nun lächelnd und Harry sah wieder auf.
»Ich denke nicht, dass du das wissen willst und überhaupt ... er wird ohnehin kein Interesse haben, also lassen wir das«, sagte er. Ginny legte den Kopf schief und sah ihn an. Harrys hasste es, wenn sie das tat, denn er wusste genau, dass sie ihm damit bis auf den Grund seiner Seele blickte.
»Ich kenne ihn also?«
»Gin, bitte lass es!«
»Na schön, also was ist die ‚beschissene Aufgabe', die dir dein Chef aufgehalst hat?«, wollte Ginny dann wissen und Harry sah sie überrascht an.
»Ron«, erklärte sie schlicht.
»Nicht der Rede wert«, winkte Harry ab.
»Komm schon Potter«, sagte Ginny und ihr Gegenüber rollte mit den Augen.
»Also schön ...«, sagte er und fasste die Ereignisse grob zusammen. Ginny blieb stumm, aber ein winziges Lächeln umspielte ihren Mund.
»Was?«, wollte Harry wissen und leerte seine Bierflasche.
»Nichts ...«, sagte Ginny und stellte ihre Flasche auf den Tresen.
»Gin, sag es schon.«
»Okay, aber nicht böse sein!«
»Mhm ...«, sie beugte sich näher.
»Er ist es, oder?«, flüsterte sie.
»Was? Malfoy? Quatsch«, sagte Harry etwas zu vehement. Ginny lehnte sich zurück und legte Harry eine Hand auf den Oberschenkel.
»Wenn du meinst, also ich sollte dann los. Kara wird warten«, sagte sie und stand auf.
»Sicher, grüß sie von mir«, sagte Harry und gab Ginny einen flüchtigen Kuss.
»Mach ich, ach und ... na ja wir wollen es offiziell machen, also nur wenn ...«, sagte sie verlegen.
»Ginny, alles okay. Macht es nur, die Schlagzeilen halte ich auch noch aus«, sagte Harry und Ginny umarmte ihn, ehe sie den »Tropfenden Kessel« verließ.
Die nächsten Wochen vergingen ohne weitere Vorkommnisse. Ginnys Outing sorgte nur kurz für Schlagzeilen und hatte den netten Nebeneffekt, dass Harry und sie nun weitaus weniger Thema in der Zeitung waren. Harry kümmerte sich noch immer um Dracos Anhörungen und sie hatten so etwas wie eine Routine entwickelt. Meistens spielten sie Karten und Harrys Papiere mit Fragen und sein Federkiel lagen dann oft vergessen auf dem Schreibtisch. So auch an diesem Tag.
»Du hast diesen David also seit über einem Monat nicht mehr gesehen?«, fragte Harry eher beiläufig und warf einen Blick in seine Karten. Draco sah auf und rollte etwas genervt mit den Augen.
»Wir sind keine ... Freunde mehr«, sagte er durch seine zusammengebissenen Zähne.
»Wie kommt es?«, wollte Harry wissen und legte eine Karte ab. Wieder rollte Draco mit den Augen und legte seinerseits eine Karte auf den Stapel, ehe er eine Neue zog.
»Es ist schwer, jemandem nahezukommen, wenn man verstecken muss, wer und was man ist«, sagte er.
»Wie habt ihr euch denn überhaupt kennengelernt?«, wollte Harry wissen.
»In einer Bar.«
»Hm.«
»Was?«, zischte Draco.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du in einer Muggelbar Smalltalk mit dem Muggel neben dir machst.«
»Wer hat etwas von Smalltalk gesagt? Außerdem, glaubst du, dass ich die Möglichkeit habe, einfach so in die Drei Besen oder den Tropfenden Kessel zu gehen?«
»Wenn du es so ausdrückst«, sagte Harry und schien seltsam verlegen. Draco legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen.
»Willst du mir sagen, dass du noch nie in einer Muggelbar warst?«, fragte er grinsend. Harry wurde rot und blickte wieder in seine Karten.
»Nein! Ich war schon an ... Plätzen!«, sagte er wenig überzeugend.
»Ist klar«, sagte Draco und legte die Karten beiseite.
»Sind wir hier fertig?«, wollte er dann wissen. Überrascht sah Harry ihn an und nickte.
»Ja ... also ja natürlich, du kannst gehen.«
»Nein, wir gehen. Komm mit!«, sagte Draco und warf sich seinen Umhang um. Irritiert griff Harry nach seinem.
»Du hast doch Feierabend, oder nicht?«, fragte Draco.
»Äh ja sicher, also wohin gehen wir?«
»Wirst du schon sehen«, sagte Draco und verließ das Büro gefolgt von einem sichtlich perplexen Harry.
Die Muggelbar war sehr voll. Sie fanden gerade noch zwei Plätze am anderen Ende der Bar. Blickende Lichter und Musik erfüllten den Raum. Draco bestellte mehrere Shots und reichte Harry einen. Dieser schüttete ihn hinunter und verzog angewidert das Gesicht. Draco musste grinsen.
»Was hast du denn gedacht, Potter? Das ist kein Butterbier!«, Harry sah sich kopfschüttelnd um und stellte das leere Glas ab.
»Das ist so bizarr«, sagte er und Draco zog die Augenbrauen hoch.
»Ich bin in einer Muggelbar ... mit Draco Malfoy«, sagte Harry und nahm einen weiteren Schluck, dieses mal aber etwas zögernder.
»Wenigstens musst du dir keine Sorgen machen, dass du wieder mit mir auf der Titelseite landest. Keiner hier kennt den großen Helden und Retter Harry Potter! Hier drin bist du nur ein Typ mit ... sehr fragwürdiger Kleidung«, sagte Draco und sah an Harry hinab. Dieser folgte dessen Blick. Er trug wie so oft ein helles Shirt und darüber ein kariertes Flanellhemd.
»Was ist daran falsch?«, wollte er nun wissen.
»So viel«, sagte Draco süffisant. Harry rollte mit den Augen und sah sich wieder um.
»Weißt du, jetzt verstehe ich es. Das hier fühlt sich beängstigend befreiend an«, sagte er und blickte wieder zu Draco, der auflachte und einen weiteren Schluck aus seinem Glas nahm. Harrys Herz blieb in seiner Brust stehen. Er starrte auf die weichen Locken, die Dracos Gesicht einrahmten, auf die blassen Augen. Schnell schüttelte er den Kopf, schluckte schwer und kippte ebenfalls noch einen weiteren Schluck des scharfen Getränks hinunter. Der Abend entwickelte sich lustiger, als Harry es angenommen hatte. Draco war ziemlich locker und brachte Harry mit Geschichten aus dem Mungo's zum Lachen. Es war schon recht spät, als sie in einer ruhigen Ecke an der Wand lehnten. Sie waren beide bereits nicht mehr ganz nüchtern und Harry hoffte, dass er später noch apparieren konnte.
»Du bist auf mein Gesicht getreten!«, sagte er und lachte. Gerade hatte sie begonnen über ihre Eskapaden in der Schulzeit zu sprechen.
»Ja? Weißt du das noch?«, fragte Draco, knöpfte sein Hemd auf und zeigte die Narben auf seiner Brust. Harrys Lächeln war augenblicklich wie weggewischt.
»Wer - sind das ...? Habe ich das?«, stotterte er vollkommen geschockt. Langsam ging er auf Draco zu und streckte eine Hand aus, aber als er merkte, was er da tat, zog er sie schnell wieder zu sich.
»Du hast es vergessen, oder?«, fragte Draco.
»Ich wollte dir nie wehtun«, sagt Harry schnell und Draco sah ihn kopfschüttelnd an.
»Nun, das ist eine Lüge. Ich wollte dir sehr wohl wehtun. Sogar sehr oft. Aber niemals ... nicht so wie ...«, noch immer starrte Harry auf die Narben. Draco seufzte und knöpfte das Hemd wieder zu.
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagte er schlicht und Harry blickte suchend in die Augen des anderen Mannes, doch er verlor sich in dem blassgrauen Sturm. Etwas Warmes, wie ein Feuer, kribbelte nun in seiner Brust. Schnell sah er weg, räusperte sich und rieb sich den Nacken.
»Nun ... du hast mir auch das Leben gerettet«, sagte er dann und dachte an den Tag im Manor zurück, als Draco ihn verleugnete. Dieser nickte knapp.
»Ich ... muss morgen früh arbeiten. Ich sollte gehen«, sagte er schnell und bereute bereits, dass er die Narben gezeigt hatte.
»Ja, okay. Ich sehe dich nächste Woche?«, fragte Harry sichtlich unbehaglich und Draco nickte, ehe er sich zum Gehen wandte. Harry seufzte tief. Mit einem Mal war er stocknüchtern.
»Er ist es, oder?« - »Was? Malfoy? Quatsch«, kam ihm wieder das Gespräch mit Ginny in den Sinn. Er fuhr sich durch die Haare und strich sein Hemd glatt.
»Scheiße ...«, sagte er dann zu sich und verließ die Bar.
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