Die Sache mit den Namen...
Danke an nutzloses_etwas für das tolle Civerbild <3
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„Yamagata-san?"
„Man Taichi, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du mich Hayato nennen sollst?" Der genervte Ton in Yamagatas Stimme war nur gespielt, das wusste Kawanishi mittlerweile schon gut genug, um es sich nicht zu Herzen zu nehmen.
Wieso er ihn nicht beim Vornamen nannte? Zu Beginn seines ersten Schuljahres an der Shiratorizawa hatte Kawanishi schlicht und ergreifend viel zu großen Respekt gegenüber den Älteren gehabt und auch, wenn sie von allen die Vornamen angeboten bekamen, hatte er abgelehnt. Es gehörte sich nicht, seinen Senpai beim Vornamen zu nennen, das wusste er und außerdem fühlte es sich auch einfach komisch an. Womöglich machte er sich auch zu viele Gedanken. Shirabu hatte schließlich auch keine Probleme damit, er hatte sich recht schnell damit angefreundet, so gut ins Team integriert zu sein, dass man sich mit dem richtigen Namen ansprach. Ihm fiel das im Gegensatz dazu nicht so leicht. Ein wenig beneidete er Shirabu auch darum, dass er sich so leicht einfinden konnte.
Am Anfang hatte er Bedenken gehabt, Bedenken und Respekt. Und jetzt? Jetzt hatte er seine Chance verpasst. Er konnte ja schlecht einfach so grundlos damit anfangen, die Älteren anders anzusprechen. Also blieb er eben beim Familiennamen mit einem „-san" oder „-senpai". Bei den anderen machte es ihm auch nichts aus, sie waren Teamkollegen, das war klar, aber bei Yamagata fuchste es ihn besonders. Der Libero war eben... besonders.
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Im Training war es dann passiert.
Sie spielten 6 gegen 6, Kawanishi und Yamagata waren im gleichen Team, was den Mittelblocker natürlich sehr freute, doch gegen die Kombi aus Ushijima, Shirabu und Tendou anzutreten war eine große Herausforderung. Kawanishi stand vorne am Netz, Kopf an Kopf mit Tendou, der wie immer keine Gelegenheit ausließ, ihn zu provozieren. Das war allerdings nichts Neues, Kawanishi hatte schon Übung darin, das Geträller des Rotschopfes zu überhören.
Im Nachhinein konnte Kawanishi nicht einmal mehr sagen, was es war, das ihn in dem Moment so abgelenkt hatte. Doch egal, was es gewesen war, er hatte einen Moment nicht aufgepasst. Einen Augenblick, nur ein Bruchteil einer Sekunde und doch hatte diese kurze Zeitspanne gereicht, dass er das Timing verpasste. Das Timing zum Blocken.
Shirabu hatte Ushijima den Ball so schnell zugespielt, dass Kawanishi es nicht mehr rechtzeitig schaffte, seinen Block vor dem Spiker hochzuziehen. Mit der Fingerspitze berührte er den Ball lediglich, fälschte die Richtung etwas ab, doch oben halten oder gar aufhalten konnte er ihn nicht. Noch im Sprung drehte er sich schnell um, überlegte, ob und wie er den Ball doch noch erwischen könnte. Innerlich hatte er sich schon darauf vorbereitet, diesen Punkt an das gegnerische Team zu verlieren. Das wäre schade gewesen, aber es ließ sich eben manchmal nicht vermeiden. Und immerhin war es auch nur ein schulinternes Trainingsspiel, da zog ein einzelner Punkt keine schwerwiegenden Konsequenzen mit sich.
Was er aber hätte vermeiden müssen, war das, was nun geschehen war. Er wusste nicht genau, was passiert war, doch als er sich umdrehte, lag Yamagata auf dem Boden. Die wenigen Millisekunden, die er nach dem falschgetimeten Block noch in der Luft hing, fühlten sich schier endlos an. Unsanft kam er auf dem Boden auf, stolperte die paar Schritte über das Spielfeld und kniete sich neben Yamagata auf den Boden.
„Yamagata-san?", fragte er, schüttelte den Libero leicht, doch erhielt keine Antwort. Nach ein paar weiteren gescheiterten Versuchen, den Kleineren aufzuwecken, sah er hilfesuchend auf. Coach Washijou war zu ihnen herüber gekommen und hielt es für das Beste, ohne Umschweife ins Krankenhaus zu fahren, nachdem auch alle weiteren Versuche, den Libero aufzuwecken, scheiterten. Auch wenn er äußerlich keine Wunden hatte, so wusste niemand, wie es in seinem Kopf aussah, sie alle wussten schließlich, wie viel Wucht in Ushijimas Bällen steckte.
Vorsichtig hob Kawanishi den Älteren hoch, er war etwas schwerer als er aussah, doch das war gerade wirklich egal. Eiligen Schrittes machte er sich auf den Weg aus der Halle und folgte dem Coach zu dessen Auto. Goshiki war ihnen nach geeilt und hielt ihnen die Türen auf, wofür er wirklich dankbar war. Er hatte schließlich wortwörtlich alle Hände voll zu tun.
Behutsam legte er seinen Senpai auf die Rückbank, nur einen Moment bevor Coach Washijou auch schon einstieg und ihm bedeutet, sich hinten zu Yamagata zu setzen. Sanft bettete er den Kopf des bewusstlosen Liberos auf seinen Schoß, strich ihm immer wieder durch die Haare.
Die Fahrt verlief größtenteils stillschweigend voller Sorge um ihren Kleinsten, zum Glück war es nicht weit bis zum nächstgelegenen Krankenhaus. Die Spannung im Auto war beinahe greifbar und Kawanishi bezweifelte stark, dass er es noch länger ausgehalten hätte stillzusitzen und nichts tun zu können. Am Krankenhaus angekommen fuhr der Coach bis vor die Haupteingangstür, er hatte vorher schon zu Kawanishi gesagt, dass er ihn dort rauslassen würde, damit er es nicht so weit hätte. Parken könnte er auch alleine, wichtiger war es, dass Yamagata schnellstmöglich versorgt werden konnte.
Kaum hatte Kawanishi, mit dem noch immer bewusstlosen Libero in seinen Armen, die automatische Tür durchschritten, kam ihm schon eine Schwester entgegen geeilt.
„Kommen Sie mit mir mit. Was ist passiert?"
Kurz und knapp schilderte er den Vorfall der Schwester und dem Arzt, der noch dazugestoßen war. Es wurde sofort ein CT angeordnet, Kawanishi musste draußen warten. Unruhig lief er auf dem Gang auf und ab. Es war ein ungutes Gefühl gewesen, den Kleineren aus den Armen zu lassen. Er konnte nichts tun, das wusste er, dennoch machte er sich Sorgen. Sorgen und Vorwürfe. Hätte er den Ball doch nur blocken können...
So hibbelig war er weiß Gott schon lange nicht mehr gewesen, doch die Sorge um den Älteren ließ ihn nicht ruhig sitzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde Yamagata in einem Krankenbett den Flur entlang an ihm vorbei geschoben, die Schwester bedeutete ihm, zu folgen.
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Als die Krankenschwester das Zimmer wieder verlassen hatte, waren die beiden alleine. Leise zog Kawanishi einen Stuhl an das Bett heran, in dem Yamagata lag und schlief, wie die Schwester erklärt hatte. Er hätte wohl nur eine leichte Gehirnerschütterung und war ohnmächtig geworden, schwerere Verletzungen konnten sie glücklicherweise ausschließen. Nun konnten sie nichts weiter tun, als abzuwarten, bis Yamagata von alleine wieder aufwachte. Coach Washijou hatte bereits Yamagatas Eltern informiert, doch da die beiden auf der Arbeit waren, würde es noch eine Weile dauern, bis sie hier sein konnten.
Er sah so blass aus, noch immer hatte der Mittelblocker Angst, dass sich die Schwester nur vertan hatte und es doch etwas Schwerwiegendes war.
Doch das Schlimmste an der ganzen Situation war, dass es einzig und allein seine Schuld war. Er hätte den Ball blocken müssen. Wie, das wäre vollkommen egal gewesen, doch so ungünstig, wie der Ball flog, nachdem er an ihm vorbeikam, hatte er Yamagata direkt erwischt. Volle Kanne. Kein Wunder, dass es ihn sofort umgehauen hatte.
Ein leises Seufzen entwich Kawanishi, während er auf dem Stuhl saß und den Kleineren betrachtete. Ein paar vereinzelte Strähnen fielen ihm ins Gesicht, sie hatten sich aus der sonst so perfekt gestylten Frisur gelöst. Sanft strich er sie ihm aus dem Gesicht, ließ seine Hand noch einen Augenblick an der Wange des Älteren verweilen. Wie weich seine Haut doch war...
Wieder war da dieses leichte Ziehen in seiner Brust. Er war Schuld daran, dass Yamagata nun hier lag. „Es tut mir so leid. Ich hätte den Ball blocken müssen, dann wäre das nicht passiert", flüsterte er. Das Ziehen wurde stärker und er musste sich beherrschen, seine Hand ruhig zu halten. Wie gerne würde er über diese sanfte Haut fahren? Wie sehr wünschte er sich, Yamagata würde die Augen aufschlagen und ihn ansehen, mit diesem Glitzern, das seine braunen Iriden so schön strahlen ließ?
„Das hier hast du nicht verdient. Du solltest nicht hier liegen. Du solltest in der Halle auf dem Feld stehen und dem Ball hinterher hechten. Weißt du eigentlich, wie gut du dabei aussiehst? Vermutlich nicht, aber glaub mir, das tust du." Die Worte flossen nur so aus ihm heraus, ohne, dass er so recht realisierte, was er da eigentlich sagte. Die Krankenschwester hatte ja gesagt, es würde womöglich helfen, mit ihm zu sprechen. Auch wenn er höchstwahrscheinlich nicht mitbekam, was gesprochen wurde, sollte er merken, dass er nicht alleine war.
„Nicht, dass du sonst nicht gut aussehen würdest. Ich mag es, wie du die Zunge zwischen deine Lippen klemmst, wenn du dich konzentrierst. Und dein Lachen, wenn du einen Ball perfekt angenommen hast. Verdammt. Das solltest du jetzt tun, lachen und nicht wegen mir hier im Krankenhaus liegen."
Einen Moment war es still, ganz sanft ließ Kawanishi seine Finger über Yamagatas Wange gleiten und entschuldigte sich immer und immer wieder bei dem Patienten.
„Hayato, es tut mir so unendlich leid."
Als er eine warme Hand auf der seinen spürte, zuckte er erschrocken zurück. Doch Yamagatas Griff war fest, fester als er es in seinem derzeitigen Zustand vermutete hatte und es gelang ihm nicht, seine Hand von Yamagatas Gesicht zu lösen. „Sag das nochmal, bitte", flüsterte Yamagata mit rauer Stimme und sah ihn an.
„Hayato", hauchte Kawanishi, rückte noch ein Stück näher zu seinem Senpai, der nun ein breites Lächeln auf den Lippen trug. Da war es, dieses Glitzern, dass er so gerne sah.
„Warum hast du denn vorher nichts gesagt? Wenn ich gewusst hätte, dass ich mich nur von Wakatoshi k.o. schlagen lassen muss, damit du mich endlich beim Vornamen nennst, dann hätte ich das doch schon viel früher gemacht." Yamagata lachte krächzend, begann dann aber zu husten und setzte sich etwas auf.
„Mach langsam." Leicht klopfte Kawanishi ihm auf den Rücken, die Sorge in seiner Stimme war unüberhörbar. Schnell reichte er ihm ein Glas Wasser, das auf dem Tisch neben dem Krankenbett stand. Noch immer leicht hustend trank Yamagata das Glas in einem Zug leer, konnte damit auch den weiteren Husten unterdrücken. „W-wie lange bist du denn schon wach?", fragte Kawanishi zögerlich nach, als er das Glas wieder zurück stellte.
„Ich wurde langsam wach als du mir die Strähnen aus dem Gesicht gestrichen hast."
„Oh." Augenblicklich wich ihm die Farbe aus dem Gesicht. Das bedeutete, er hatte alles gehört, was er - ohne darüber nachzudenken - vor sich hingebrabbelt hatte.
„Meintest du das Ernst?"
„Ähm..." Kawanishi stockte. Yamagata klang ruhiger als sonst, doch das konnte gut an seinem noch geschwächten Zustand liegen. Da durfte er jetzt nicht zu viel hineininterpretieren. Es war nicht so, dass er das Gesagte nicht auch so gemeint hatte, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass der Ältere wach war, geschweige denn mitbekommen würde, was er sagte.
„Hey, alles gut." In Yamagatas Stimme schwang ein Hauch Enttäuschung mit, doch Kawanishi konnte nicht genau sagen, weshalb. Hatte er zu viel gesagt? Oder zu wenig? Er wusste, dass es ein verdammt schmaler Grad war, auf dem er sich gerade befand und ein paar Worte nun alles ändern könnten. Es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass er nicht doch auch etwas Angst davor hatte.
Gerade, als er etwas antworten wollte, wurde die Tür aufgerissen. Erschrocken zuckte Kawanishi ein Stück zurück.
„Hayato, Liebling, was machst du denn?" Eine kleinere Frau mit braunem schulterlangem Haar kam zur Tür hereingestürmt, überfiel den armen Libero förmlich. Eilig drückte sie sich an Kawanishi vorbei, er war aus Reflex noch ein Stück zur Seite gegangen, doch offenbar hatte das nicht ausgereicht.
Wenn er sich die beiden so betrachtete, erklärte das, woher Yamagata seine direkte Art hatte. Eine Erkenntnis, die den Mittelblocker leicht grinsen ließ.
Er hatte gar nicht weiter zugehört, was die Dame, die wohl Yamagatas Mutter sein musste, gesagt hatte, doch als sie sich zu ihm umdrehte und ihn wütend anfunkelte, lag seine ungeteilte Aufmerksamkeit bei ihr.
„Und wer bist du?", fuhr sie ihn ungestüm an. „Bist du der, wegen dem mein Sohn jetzt im Krankenhaus liegt?"
„Mum, jetzt hör doch auf. Er kann nichts dafür, er war so lieb und hat mich ins Krankenhaus begleitet", fuhr Yamagata dazwischen.
Unschlüssig drehte sie sich wieder zu ihrem Sohn, sah ihn prüfend an. „Mum, das ist Taichi."
Wieder drehte sie sich um, ließ den Blick immer wieder zwischen den beiden Jungs hin und her wandern, musterte Kawanishi nun sorgfältig. Ihm wurde etwas mulmig zumute, er hatte noch immer seine verschwitzten Klamotten vom Training an, das war wahrlich kein Aufzug, mit dem man unter Leute gehen würde. Noch weniger war das ein Outfit, in dem er Yamagatas Mutter hätte kennenlernen wollen. Doch ändern konnte er es jetzt auch nicht mehr.
Noch immer hatte sie kein Wort gesagt, weshalb es der Drittklässler wohl als seine Aufgabe betrachtete, etwas hinzuzufügen: „Der Taichi."
Kawanishi konnte sehen, wie der Dame langsam ein Licht aufging und sie leicht zu grinsen begann, nachdem sie ihn noch einmal gemustert hatte. Doch er selbst verstand nur Bahnhof. Ja, er hieß Taichi, aber wie viele Taichis kannte Yamagata denn bitte, dass er das so betonen musste? Komisch.
Doch bevor er sich noch mehr Gedanken darüber machen konnte, war diese doch etwas eigenartige Situation auch schon wieder vorbei. Höflich streckte Yamagatas Mutter ihm eine Hand entgegen. „Hallo Taichi, freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Mai, Hayatos Mutter, wie du wahrscheinlich schon bemerkt hast." Mit einem freundlichen Lächeln sah sie ihn an. Auch das Lächeln hatte der Drittklässler von seiner Mutter, seines war allerdings noch eine Spur breiter.
Die Geste erwidernd griff er nach der Hand und schüttelte sie. Vorzustellen brauchte er sich ja nicht mehr.
Es dauerte nicht lange und ein Arzt kam ins Zimmer und untersuchte Yamagata kurz, stellte ihm ein paar Fragen, um einen möglichen Gedächtnisverlust ausschließen zu können. Doch der Libero war klar bei Verstand, außer leichten Kopfschmerzen schien ihm nichts zu fehlen. Zum Glück. Denn auch der Arzt erklärte, dass das viel schlimmer hätte ausgehen können und er einen verdammt guten Schutzengel haben müsse.
„Darf ich dann jetzt nach Hause?", fragte Yamagata und Kawanishi musste schmunzeln. Energiegeladen wie eh und je wollte der Ältere schnellstmöglich wieder aus dem Krankenhaus, doch da es ihm gut zu gehen schien, sprach auch nichts dagegen.
„Schon dich ein paar Tage. Keinen Sport. Hast du das gehört? Kein Training, kein Schulsport und auch kein Volleyball zu Hause. Wenn die Kopfschmerzen schlimmer werden oder du noch andere Symptome bekommst, kommst du direkt wieder vorbei." Mit diesen Worten verabschiedete sich der Arzt und ließ die drei alleine im Zimmer zurück.
Langsam setzte Yamagata sich auf und schwang seine Beine vom Bett. Allgemein waren seine Bewegungen etwas langsamer als gewöhnlich, doch es war gut, dass er nicht direkt übertrieb und das wusste Kawanishi. Obwohl Yamagata fit wirkte, blieb er neben ihm stehen, hielt sich bereit, den Kleineren im Notfall fangen zu können. Lächelnd griff Yamagata nach seiner Hand, obwohl er sie ihm nicht einmal gereicht hatte. Na gut, eigentlich griff er nach seinem gesamten Arm um sich hochzuziehen, aber wer achtete denn schon auf solche Kleinigkeiten.
Etwas erschrocken wandte er den Blick ab, hoffte inständig, der Ältere würde nicht bemerken, wie rot seine Wangen wurden. Ob er es sah, das wusste Kawanishi nicht, er vermied es, den Kleineren anzusehen und da dieser nichts sagte, konnte er zumindest weiter hoffen. Seine Mutter allerdings konnte sich einen kichernden Kommentar nicht verkneifen: „Ach, seid ihr doch so süß."
„Meine Güte, Mum. Du bist echt schlimm", jammerte Yamagata und seufzte genervt.
Kawanishi hingegen musste nun doch auch etwas kichern. Dieses leichte Gestichel zwischen den beiden war wirklich lustig mit anzusehen.
Während des gesamten Weges zum Auto hatte Yamagata Kawanshis Arm nicht ein Mal losgelassen. Nicht, dass es ihn stören würde, nicht im Geringsten. Und so wäre er auch direkt zur Stelle, falls es Yamagata doch überraschend schwindelig werden sollte.
„Sollen wir dich noch heimbringen?", fragte Mai freundlich und drehte sich zu ihnen um.
Lächelnd schüttelte Kawanishi den Kopf. „Danke, ich komm schon nach Hause, ich will Ihnen keine Umstände bereiten."
„Nichts da, du hast dich doch auch um meinen kleinen Hayato gekümmert und ihn nicht alleine gelassen. Da ist es doch das Mindeste, dass ich dich noch heimfahr."
Wenn sie nur halb so stur war wie ihr Sohn, würde jegliche Diskussion ins Leere laufen, also gab er sich geschlagen und stieg hinten zu Yamagata ins Auto.
„Und ihr kennt euch also vom Volleyball?", fragte Mai neugierig, als sie ausgeparkt hatte, und versuchte so ein Gespräch zu starten. Murrend ließ Yamagata den Kopf gegen Kawanishis Schulter fallen, er hatte offenbar keine Lust auf den Small Talk seiner Mutter. Wieder etwas, was Kawanishi grinsen ließ.
„Ja genau, ich bin im zweiten Jahr und Mittelblocker im Team", erzählte Kawanishi. Irgendwie beschlich ihn das leichte Gefühl, dass diese Infos nichts Neues für Yamagatas Mutter waren, doch einfach nur stumm auf der Rückbank sitzen wollte er auch nicht.
„Soll ich dich zur Schule bringen oder nach Hause?"
„Zur Schule bitte", antwortete er.
„Okay. Kannst du Hayato vielleicht für morgen entschuldigen, ich denke es ist besser, wenn er sich noch einen Tag ausruht", bat Mai und sah einen Moment besorgt in den Rückspiegel zu ihrem Sohn.
„Aber natürlich."
Den Rest der Fahrt schwiegen sie dann doch, nachdem Yamagata leise zu schnarchen begann. Da war er doch tatsächlich auf Kawanishis Schulter eingeschlafen. Kawanishi konnte sich zwar nicht vorstellen, dass das sonderlich bequem war, doch er wollte ihn auch nicht wecken. Nach dem ganzen Trubel war Yamagata bestimmt erschöpft.
An der Schule angekommen versuchte er den Schlafenden vorsichtig aufzuwecken. „Hey, aufwachen."
„Hm?", verschlafen rieb sich Yamagata die Augen, wollte schon mit aussteigen, als ihn seine Mutter zurechtwies.
„Nichts da Freundchen, du kommst schön mit heim und ruhst dich aus. Verstanden?"
„Ja, Mum", murrte Yamagata und blieb sitzen. Kawanishi stieg aus, bedankte sich und lief zum Internatsgebäude. Ein letztes Mal drehte er sich um, wollte winken, als Yamagata plötzlich direkt hinter ihm stand.
„Uhm, Mum meinte sie würde dich gerne Mal zum Essen einladen. Zum Dank. Natürlich nur wenn du willst...", erklärte er, stammelte leicht.
„Oh, ähm, ja wenn deine Mutter das möchte, dann kann ich wohl nicht ablehnen", antwortete Kawanishi lachend, blickte an Yamagata vorbei zu dessen Mutter im Auto. Schnell sah sie zur Seite. Sie spitzelte doch nicht, nein, niemals.
Das wiederum brachte Kawanishi nur noch mehr zum Lachen. Yamagata musste ebenfalls kichern.
„Nein, natürlich komme ich gerne, aber macht euch keine Umstände wegen mir, es war schließlich immer noch meine Schuld, dass du im Krankenhaus gelandet bist." Gegen Ende wurde er dann doch wieder etwas ernster. Er machte sich noch immer Vorwürfe.
„Sag mal, was laberst du eigentlich? Das war ein Unfall, weder du noch Wakatoshi können etwas dafür und jetzt hör auf sowas zu sagen, okay? Ich bin einfach froh, dass du im Krankenhaus bei mir geblieben bist, glaub nicht ich hätte das nicht gemerkt."
Schwer schluckte Kawanishi. Die Schwester hatte Recht gehabt, Yamagata hatte seine Anwesenheit wirklich gespürt.
„Okay", flüsterte er und sah zu Boden.
Er hörte, wie Yamagata einen Schritt machte. Das nächste, was er wusste, war, dass der Kleinere in seinen Armen lag. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Doch dieses Mal war er nicht ohnmächtig und wurde von ihm getragen, nein, dieses Mal hatte er seine Arme um ihn geschlungen und umarmte ihn fest. „Danke Taichi."
„Keine Ursache, Ya-"
Yamagata war schnell ihn zu unterbrechen. „Wag es ja nicht, jetzt wieder so anzufangen. Ich hab keine Hemmungen, mich nochmal von nem Ball umhauen zu lassen, hast du verstanden?" Hätte er nicht gelacht, hätte Kawanishi das Ganze womöglich noch ernst genommen, doch so musste auch er leise Lachen.
„Nein, bitte nicht", sagte er und beugte sich leicht zu dem Kleineren herunter, ehe er ihm ins Ohr flüsterte: „Gerne geschehen, Hayato."
Natürlich sah er, wie sich die Spitzen der Ohren des Liberos leicht rot färbten und als sie ihre Umarmung lösten, sah er, dass auch seine Wangen den gleichen Farbton trugen. Daran könnte er sich gewöhnen. Hätte er früher gewusst, wie der Kleinere reagieren würde, womöglich hätte er dann nicht so lange gehadert, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen.
„Ich muss dann mal... Bis Montag, ich glaub ja kaum, dass mich meine Mum diese Woche nochmal zur Schule lässt", grummelte Yamagata genervt. Und mit der kurzen Bekanntschaft, die Kawanishi nun mit der Mutter des Drittklässlers gemacht hatte, konnte er ihm nur zustimmen. Sie würde ihn mit Sicherheit nicht mehr so schnell aus den Augen lassen.
„Dann bis Montag, Hayato", verabschiedete sich auch er, bevor er zum Internatsgebäude lief. Yamagata lief wieder zurück zum Auto.
Bevor Kawanishi durch die Tür schritt, drehte er sich noch einmal um, genau dann, als auch Yamagata zu ihm sah. Mit einem Lächeln stieg er ins Auto und auch Kawanishi musste lächeln, als er ins Gebäude trat.
Kaum zu glauben, dass er sich so angestellt hatte. Alles nur wegen eines Namens.
Das Lächeln blieb noch eine Weile auf seinen Lippen, auch dann noch, als er in seinem Zimmer ankam. Überrascht sah Shirabu ihn an. Nicht überrascht wegen des Unfalls, nein, Kawanishi wusste, dass der Coach den Jungs bereits alles geschildert und Entwarnung gegeben hatte.
„Was ist denn mit dir passiert?", fragte der Kupferblonde neugierig.
„Hayato", murmelte Kawanishi nur und ließ sich rücklings aufs Bett fallen.
Den verwirrten Blick von Shirabu ignorierte er gekonnt, es war ihm egal, was sein Zimmergenosse wohl gerade denken musste. Noch einmal glitt ihm der Name über die Lippen. Der Name, den er in Zukunft nur zu gerne häufiger wiederholen würde.
Hayato.
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