
Kapitel 58; Manuel
„Die Autoschlüssel sind weg“, höre ich Michael sagen, als ich zurück ins Wohnzimmer stürme. „Aber das kann nicht sein er-“
„Würde er abhauen, wenn er unschuldig wäre? Nein!“ Warum geht das nicht in seinen Kopf? Maurice hat uns offensichtlich angelogen und vermutlich benutzt. „Wir müssen ihm folgen!“ Ich renne auf die Tür zu und will das Treppenhaus runtereilen, als Palle mich aufhält und auf den Aufzug deutet, der in unserer Etage steht. Ich gehe rein und stelle fest, dass Michael nicht bei uns ist. Wütend stapfe ich in die Wohnung zurück und zerre ihn mit mir. Dann drückt Palle den Knopf für die Tiefgarage und der Aufzug setzt sich in Bewegung. Als sich die Tür aufschiebt, sehe ich Maurice, der gerade dabei ist die schwere Tür zu öffnen, die zu den unterirdischen Parkplätzen führt. Wir müssen jetzt leise sein, denn noch hat er uns nicht bemerkt.
„Maurice!“, ruft Michael neben mir und ich könnte ihn gerade umbringen. Maurice zuckt zusammen, sieht zu uns und erstarrt kurz. „Bitte sag ihnen endlich, dass du nichts damit zu tun hast! Du haust nur ab, weil du keinen Bock auf die Anschuldigungen hast und das kann ich verstehen, aber bitte lass uns reden, okay?“ Maurice sieht zu Michael und dann kneift er seine Augen zusammen und öffnet die Tür, um sie direkt hinter sich wieder zufallen zu lassen.
„Scheiße!“, ich überwinde die paar Meter zur Tür mit schnellen Schritten und reiße diese auf. Maurice läuft durch die Tiefgarage und wir folgen ihm. „Sieht das Verhalten für dich unschuldig aus?“, werfe ich Michael zwischen meinen lauten Atemzügen vor.
„Er hat bestimmt gute Gründe dafür“, antwortet Michael und seine Stimme ist so leise. Ich bin viel zu aufgebracht um mich mit seinen Gedanken zu beschäftigen, die verwirrt aufschreien, also lasse ich es. Er will einfach nur nicht wahrhaben, dass ich recht habe. Maurice ist ein Verräter. Schon die ganze Zeit über, da bin ich mir ziemlich sicher. Alles passt zusammen, schließlich war er derjenige der wollte, dass wir weitermachen als wir von Zorn erfahren haben und er war auch derjenige der zuerst im Bann des Amuletts war. Er wusste schon immer irgendwie zu viel über die Gegenstände, aber wenn er mit Zorn zusammenarbeitet, ergibt das Sinn. Vermutlich war er damals schon mit Zorn verbündet als all das in seiner Stadt vor 6 Jahren angefangen hat! Und die Autobahnabfahrt sollte uns später in falsche Sicherheit wiegen, sodass wir von Glück sprechen würden, dass wir Zorn nicht begegnet sind, aber nicht mit mir. Ich durchschaue diesen Bullshit. Maurice wusste definitiv, dass Zorn an der Autobahn stehen würde, deswegen war er auch so seltsam abwesend. „Maurice bitte, bleib stehen!“, Michael klingt verzweifelt und tatsächlich bleibt Maurice stehen, sodass wir die kurze Entfernung zwischen uns eingeholt haben. Aber Maurice' Blick liegt auf dem Auto von ihm und Michael an dem eine junge Frau lehnt und ihre Fingernägel mit einer Nagelfeile bearbeitet.
„Oliva was machst du hier?“, ich kann Maurice' Tonlage nicht richtig deuten, weil Michaels Gedanken plötzlich viel zu laut werden um sie zu ignorieren. Das ist Oliva. Scheiße. Hat er doch was mit ihr? Ist er deswegen abgehauen? Shit, sie ist hübsch. Ich betrachte die junge Frau, die jetzt die Nagelfeile wegpackt und sich elegant vom Auto abstößt. Die mit metalischen Glanz besetzen Absätze ihrer schwarzen hohen Schuhe erzeugen durch ihre langsamen Schritte und das Echo in der Tiefgarage ein irgendwie bedrohliches Geräusch. Trotz der fast schon winterlichen Kälte trägt sie ein rotes Kleid mit einem Gürtel, der denselben metalischen Glanz besitzt wie ihre Absätze. Ihre Beine werden zwar von einer Strumpfhose bedeckt, aber ich bezweifle, dass der dünne Stoff sie warm hält. Eine sehr kurze, schwarze Lederjacke bedeckt ihre Arme. Ihre langen braunen Haare fallen leicht gelockt über ihre Schultern und ihre dunkelbraunen Augen sind auf Maurice fixiert. Ihre Lippen haben denselben roten Farbton wie ihr Kleid. Sie ist definitiv hübsch, aber irgendwie lässt mich das kalt. Vermutlich, weil ich so aufgebracht bin.
„Die Frage ist doch eher, was du machst Maurice“, antwortet sie mit einem Lächeln und bleibt einige Meter vor uns stehen. „Ich dachte wir hätten einen Deal.“
„Wir haben gerade Wichtigeres zu besprechen als diesen Vorlesungsdeal“, mischt Michael sich sichtlich genervt von der Anwesenheit dieser Person ein und Olivia lacht.
„Vorlesungsdeal?“, fragt sie immer noch lachend. Ich wusste doch, dass das eine Lüge war! „Was hast du bitte für 'ne Scheiße erzählt Maurice?“ Maurice spannt sich an, während Michaels Gedanken verrückt spielen. Wenn das nicht der Deal war, was dann? „Das ist zu gut“, sie ist immer noch am Lachen.
„Was für ein Deal war es denn dann?“, fragt Palle und Oliva grinst.
„Oh, das kann Maurice euch ja beantworten, oder?“ Jetzt sehen wir alle zu Maurice, der so aussieht als hätte er einen Geist gesehen. Geschockt starrt er immer noch ungläubig zu der jungen Frau, die vor uns steht. Die Frau grinst, als Maurice schweigt. „Scheint so als gebührt mir die Ehre euch zu sagen was hier los ist.“
„Nicht so“, murmelt Maurice leise und daraufhin wird Olivas Grinsen noch breiter.
„Oh doch, genauso“, flüstert sie verheißungsvoll und eine Hand verschwindet in ihrer Lederjacke, um etwas hevor zu holen. Ich höre das Nachladen einer Waffe und danach richtet sich der Lauf einer Pistole auf uns. Ich hatte also recht, gerade wünschte ich mir ich hätte mich geirrt, denn der Lauf der Waffe, der auf uns zeigt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Shit, was machen wir jetzt? „Unser Deal läuft schon ziemlich lange und ich war bis jetzt geduldig mit dir, Maurice, aber du überstrapaziert diesen Geduldsfaden seit einiger Zeit. Du hattest so viele Möglichkeiten ihnen die Gegenstände anzunehmen und hast keinen davon genutzt. Eher im Gegenteil: Du hast dafür gesorgt, dass sie das Amulett bekommen haben. Es war so simpel sie in diese Falle zu locken und jetzt leidet Lust wegen deinem Versagen. Die arme ist völlig verzweifelt, du weißt ja was passiert, wenn man ohne Gegenstand ist.“ Das sadistische Grinsen auf ihren Lippen sorgt dafür, dass ihr mitleidiger Ton etwas Spottendes bekommt. „Und die Kaufhausaktion? Was sollte das bitte? Ich habe getan was du wolltest und meine Wut nicht an deinen kleinen Freunden ausgelassen, aber im Gegenzug hast du mir die Gegenstände versprochen. Also stehe ich zur vereinbarten Zeit an der Autobahn und du fährst einen Umweg? Ist das dein Ernst! Willst du so enden wie der vorherige Besitzer der Uhr?“, ihre braunen Augen nehmen plötzlich einen roten Farbton an und der Lauf der Waffe richtet sich auf Maurice. „Das wäre kein Problem für mich“, zischt sie und plötzlich bewegt Maurice sich, allerdings nicht selbstständig, sondern durch Michael, der ihn aus der Schussbahn der Waffe bewegt. Wieso ist der Junge so verblendet? Offensichtlich hat Maurice uns alle nur benutzt und trotzdem nimmt er ihn in Schutz? Wieso ist er nur so absolut hirnlos in diesen Verräter verliebt?!
„Lass Maurice in Ruhe“, Michaels Stimme klingt einigermaßen gefasst und für einen Augenblick ist es still, dann erfüllt Gelächter die Tiefgarage und das Echo lässt es noch viel gehässiger klingen.
„Ihn in Ruhe lassen? Wie süß“, sie kichert, aber es klingt nicht schön. Ihre Augen sind wieder braun und ihr Blick fällt auf Maurice. „Den hast du aber gut um den Finger gewickelt, dass er dich sogar jetzt noch in Schutz nimmt. Weißt du eigentlich habe ich hier unten sogar auf deinen Mitbewohner gewartet, Maurice. Ich wollte dir eine Lektion erteilen indem ich mir selbst das Portemonnaie hole, aber das hier gefällt mir noch besser.“
„Du wolltest- Du hast gesagt, du tust ihnen nichts!“, schreit Maurice fassungslos und reißt sich von Michael los um auf Zorn zu zugehen. „Du hast gesagt du würdest niemanden etwas tun! Ich dachte ich hätte mich klar ausgedrückt nachdem du den vorherigen Besitzer des Rings umgebracht hast!“
„Und du scheinst zu vergessen wer hier das Sagen hat, Maurice“, wieder richtet sich der Lauf ihrer Waffe auf Maurice, allerdings lässt dieser sich davon nicht einschüchtern, das scheint Zorn auch zu bemerken, denn jetzt lenkt sie den Lauf der Waffe auf Michael. „Du hast eine Stunde, dann möchte ich die Gegenstände haben. Wenn du wieder versagst, töte ich alle und ich fange mit deinem Mitbewohner an.“ Sie starren sich eine Weile an. Rote Augen bohren sich in hellgrüne und dann erschlafft Maurice' Haltung wodurch sich ein siegreiches Grinsen auf Zorns rote Lippen legt.
„Okay.“
„So ist's brav. Ich warte mit Glutt im Wagen auf dich“, damit macht sie auf Absatz kehrt. Maurice sieht ihr hinterher, bis sie hinter einer Ecke verschwindet. Überfordertes Schweigen herrscht zwischen uns.
„Wie konntest du uns so belügen? Wofür machst du das, hm?“, ich bin der erste der seine Stimme wiederfindet und Maurice wütend mit Fragen bombardiert. „In einer Stunde willst du ihr die Gegenstände bringen? Das kannst du ja sowas von vergessen!“
„Lass ihn in Ruhe!“, Michael neben mir faucht mich an und wie dumm kann man eigentlich sein?
„Verdammt Michael er hat uns alle nur benutzt, schalt gefälligst mal deinen Kopf ein!“
„Er hat uns nicht benutzt, er würde das nie tun!“
„Er hat es doch schon längst getan und er-“, ich deute auf Maurice und stoppe, weil ich sehe wie er seine Uhr aktivieren möchte. „Wag es dich nicht die Zeit zu-“
There was an Imposter among us.
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