Kapitel 33; Michael
Ich betrete die Wohnung und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Meine Jacke ziehe ich aus und schmeiße sie an den Haken, nicht, ohne vorher mein Handy und mein Portemonnaie aus den Taschen zu holen. Wie viel Uhr ist es überhaupt? Langsam werde ich müde. 23:50 Uhr, wie das Display meines Handys mir anzeigt. Ob Maurice schon zurück ist?
Auf dem Weg zu seinem Zimmer werfe ich einen Blick ins Wohnzimmer. Es ist alles so, wie wir's verlassen haben. Kein Maurice, der auf der Couch sitzt und wartet, auch in seinem Zimmer ist er nicht. Maurice ist also immer noch in der Uni und sucht nach irgendwelchen Hinweisen, die uns helfen können. Ich bin froh, dass er Motivation gefunden hat, uns zu helfen, allerdings gefallen mir die Umstände überhaupt nicht.
Nachdem ich im Bad war, gehe ich in mein Zimmer und lege mich ins Bett. Zuerst hatte ich vor, auf Maurice zu warten, aber wer weiß, wie viel Zeit er sich noch lässt. Eigentlich haben wir ziemlich dumm gehandelt. Mit 'nem anderen Setting hätte unsere Reaktion aus einem Horrorfilm stammen können. Man erfährt, dass jemand einen umbringen will. Was wäre da die erste logische Reaktion? Richtig, man trennt sich, um nach Hinweisen zu suchen. Andererseits vermutet Zorn die Uhr noch in unserer Heimatstadt. Von dem Portemonnaie weiß sie vermutlich noch nichts, von der Brille ebenfalls nicht. Sie vermutet nur, dass der Ring hier ist, aber wer ihn hat, dürfte ihr ein Rätsel sein. Für uns besteht eigentlich keine Gefahr. Es sei denn, wir werden unvorsichtig. Aber das dürfte eigentlich nicht passieren. Maurice hat seine Uhr Jahre lang nicht mehr benutzt und die Sache letztens ist zwar hier in der Stadt passiert, aber hat es, soweit ich weiß, nicht in die Medien geschafft. Es war ja kein Wunder, die Leute hatten einfach nur Glück. Weder Maurice, noch ich oder die Uhr hatten irgendwas damit zu tun, ganz genau. Zumindest hat es so für die Öffentlichkeit gewirkt, also müssen wir uns darum nicht sorgen. Hoffen wir einfach, die anderen beiden schaffen es auch, unauffällig zu bleiben. Wäre ziemlich kontraproduktiv, wenn Zorn drei Gegenstände hätte.
Ich höre, wie sich eine Tür ziemlich laut schließt. Maurice ist wieder hier und so wie sich das angehört hat, ist er nicht wirklich glücklich. Soll ich zu ihm gehen? An sich würde ich schon gerne wissen, ob und was er in Erfahrung gebracht hat. Vielleicht schaff ich's auch, ihn aufzumuntern. Wobei. Maurice ist geradewegs in sein Zimmer marschiert, zumindest habe ich nur diese Tür gehört. Wahrscheinlich will er einfach nur schlafen. Stören muss ich ihn dabei jetzt auch nicht unbedingt. Er würde es hinnehmen, aber es würde ihn trotzdem nerven, dann warte ich eben bis morgen. Auch, wenn mir das verdammt schwerfällt. Ich will wissen, ob er was in Erfahrung bringen konnte. Naja. Morgen früh. Nur noch ein paar Stunden, die ich mit Schlaf überbrücken kann.
Ich ziehe meine Decke höher und kuschel mich etwas ins Kissen. So schnell einschlafen wie Maurice kann ich zwar nicht, aber es dauert trotzdem nicht lange, bis ich merke, wie meine Augen immer schwerer werden. Ich befinde mich gerade im Halbschlaf, als sich die Tür öffnet. Sofort bin ich wieder hellwach.
„Hey, Micha. Schläfst du schon?“ Ich kann nur schemenhaft erkennen, wie Maurice sich gegen den Türrahmen lehnt. Das Licht in meinem Zimmer hat er gnädigerweise nicht angeschaltet.
„Nein, ich bin noch wach. Warum? Was ist los?“ Die Tatsache, dass Maurice jetzt noch zu mir kommt, verwundert mich ziemlich. Normalerweise müsste er jetzt eigentlich schlafen.
„Ich hab nichts mehr gefunden. Nichts. Egal, wo ich gesucht habe“, teilt Maurice mir mit und wirkt dabei verständlicherweise nicht gerade glücklich. Immerhin hat ausgerechnet er freiwillig Zeit damit verbracht zu recherchieren.
„Scheiße. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, du hättest irgendwas“, gebe ich zu. Je mehr wir wissen, desto besser. Aber wenn Maurice nichts mehr rausfinden konnte, dann ist das halt so. Wäre auch zu schön gewesen. War ja klar, dass uns die Lösungen all unserer Probleme nicht auf dem Silbertablett serviert werden.
„Mhm.“
„Hey, alles okay?“ Durch die Dunkelheit habe ich nicht wirklich die Möglichkeit seine Mimik zu erkennen, aber Maurice' Stimmlage hat sich alles andere als begeistert angehört.
„Ja, klar“, antwortet er schnell. Zu schnell. Viel zu schnell und viel zu angespannt.
„Maurice? Die Wahrheit bitte?“
Ein Seufzen. Maurice bewegt sich von der Tür weg und kurz darauf spüre ich, wie sich neben mir das Bett bewegt. Sitzt er oder liegt er? Ich kann's nicht einschätzen.
„Mich macht das irgendwie wahnsinnig. Ich meine, was ist, wenn was passiert? Ein Fehler und wir gehen alle drauf! Und wir haben nichts, um das irgenwie verhindern zu können. Wir wissen ja nicht mal, wie wir jetzt weitermachen sollen, keinerlei Anhaltspunkte.“ Er macht sich nicht mehr die Mühe, seine Besorgnis zu unterdrücken.
„Wir stecken schon viel zu tief in der Scheiße drin, als das wir jetzt noch aufgeben könnten. Wir müssen durchziehen, eine andere Wahl haben wir gar nicht.“ Sehr motivierend. Aber soll ich ihn anlügen? Das hätte er gemerkt. Außerdem weiß er selbst, in was für einer Situation wir uns befinden. Eine Beschönigung hätte es nicht wirklich besser gemacht.
„Ich weiß es ja selbst. Aber es macht mir Angst, okay? Ich kann nicht mal einschlafen und das macht mir noch mehr Angst. Das ist noch nie vorgekommen“, leise seufzt er und ich brauche einen kurzen Moment, um das zu verdauen. Maurice hat Angst und die ist leider auch noch berechtigt.
„Du musst keine Angst haben. Wir sind zu viert, was soll schon passieren? Man muss schon ziemlich wenig Skill haben, wenn man 'ne Waffe mit Aimbot braucht.“ Anstatt, dass ich versuche, Maurice irgendwie zu beruhigen, versuch ich's nur mit dummen Witzen. Shit, ich bin manchmal so unfähig.
„Stimmt, nur Noobs brauchen Autoaim“, zu meinem Glück kichert er leise. „Kann ich, also, kann ich trotzdem hier schlafen?“
„Klar, wenn dir das hilft.“ Von mir aus kannst du auch einfach so, ohne einen speziellen Grund hier schlafen. Wäre kein Problem für mich.
„Danke“, es kommt mir so vor, als würde ich Maurice' Lächeln aus seiner Stimme raushören. Vielleicht bilde ich's mir aber nur ein, weil ich's mir wünsche.
Wieder bewegt sich die Matratze und ich merke, wie Maurice unter die Decke schlüpft. Ich bin überrascht, als Maurice' Hände sich von selbst an meinen Hoodie klammern und er sich an mich kuschelt. Also ich beschwer mich ganz bestimmt nicht darüber, aber in den meisten Fällen muss ich ihn zu mir ziehen, wenn ich seine Nähe will. Wie selbstverständlich legen sich meine Arme um Maurice und ich fahre mit einer Hand durch seine Haare. Es ist ungewohnt, dass Maurice nicht sofort einschläft und das beunruhigt nicht nur ihn, sondern auch mich. In der Zeit, die er heute zum einschlafen benötigt, wäre er sonst wahrscheinlich schon viermal eingepennt. Es fühlt sich definitiv falsch an, Maurice so aufgewühlt zu wissen. Das ist einfach nicht seine Art, so sollte es nicht sein. Sobald wir die Chance haben, den ganzen Scheiß zu beenden, sollten wir's auch tun. Und das, ohne das einer von uns draufgeht. Vor allem Maurice nicht. Das würde ich niemals zulassen und ich denke, dass weiß er auch. Hoffentlich weiß er das und hoffentlich beruhigt ihn das ein wenig. Ich bin froh, als er endlich eingeschlafen ist und es dauert nicht mehr lange, bis meine Augen ebenfalls zufallen.
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