Kapitel 41
General Davis
"OH MEIN GOTT! Du fährst, wie eine Wahnsinnige!", schrie ich entsetzt, als Elea mit viel zu viel Speed auf den Kreisverkehr zuraste.
"Jetzt hör auf rumzuheulen, wie ein Riesenbaby und lass mich einfach machen", bekam ich genervt um die Ohren gehauen, während der blonde Teufel mit konzentriertem Blick auf die nur schwach beleuchtete Straße stierte.
"Das ist kein scheiß Mini! Nimm die Kurven nicht so eng", maulte ich erneut und vermied es hinzusehen, als sie mit meinen geliebten Felgen um ein Haar gegen den inneren Bordstein vom Kreisverkehr schrammte.
Ich schnaufte erleichtert, nachdem wir wieder auf einer graden, breiten Straße fuhren und unser eigentliches Ziel endlich zum Greifen nah erschien. Die Schmerzen, die mich für einige Zeit durchaus beschäftigt und 'lahmgelegt' hatten, waren längst vergessen. Mein Herz raste unaufhaltsam, genau wie meine Freundin! Sie wirkte mit ihrem leichten Schmunzeln beim Fahren meines Wagens allerdings ziemlich zufrieden.
Bislang hatte ich auch niemandem erlaubt dieses Schmuckstück zu fahren. Es lag nicht unbedingt daran, dass 'Romeo' mich knapp 100.000 Euro gekostet hatte, sondern eher, dass ich es nie für notwendig hielt, jemandem etwas derart Wichtiges aus meinem Leben anzuvertrauen.
Ich versuchte mich erneut im Beifahrersitz zu entspannen, aber es wollte nicht so recht klappen. Meine Zehen bohrten sich beinahe durch die feste Sohle der Sneaker in den Fußraum, während Elea mit ihrem Bleifuß auf die rote Ampel zusteuerte.
"Ähm, Prinzessin, es ist rot ... ES IST ROT", schrie ich letztendlich ziemlich panisch geworden, als sie kaum reagierte, sondern weiterhin bloß mit einem breiten Grinsen auf ihren dunkelrot geschminkten Lippen freudestrahlend hinterm Steuer saß. Mit quietschenden Reifen kamen wir schließlich knapp hinter einem weißen Fiat Punto zum Stehen. Hechelnd sog ich die Luft um mich herum ein, während meine Finger sich unwillkürlich in den Sitz krallten. Ich war mir absolut sicher gleich an einem Herzinfarkt zu sterben!
Elea hingegen beugte sich frech lachend zu mir hinüber und ihre Augen strahlten besonders amüsiert, indessen sie das ganze Spektakel offensichtlich sehr genoss. Mein versteinerter Blick schien sie nicht im Geringsten zu beeindrucken, so dass ich mir jetzt mit nervös zuckender Hand wirsch übers Gesicht fuhr.
"Wenn wir gleich aussteigen und ich dich in die Finger bekomme, dann Gnade dir Gott", zischte ich angestrengt.
Ich war wirklich kurz davor die Beherrschung zu verlieren und definitiv bereit auch aus dem fahrenden Auto zu springen. Elea kicherte bloß ein weiteres Mal amüsiert über meine offensichtlich schwachen Nerven, während sie einen Moment lang mein Knie tätschelte.
"Ich hätte dich niemals für so einen Angsthasen gehalten", gab sie zu, nachdem ihr Fuß erneut das Gaspedal malträtierte und sie ziemlich dicht hinter dem Vordermann her fuhr.
Wow, ihre indirekte Arroganz war etwas ganz Neues für mich ...
"Ich habe keine Angst", murmelte ich jetzt in mich hinein, meine Augen stur geradeaus gerichtet.
"Doch, irgendwie schon! Und das ist süß ... Aber jetzt lehn dich zurück und entspann dich einfach mal ..."
Ich sah wütend zu ihr hinüber, aber ihr Lächeln war trotz allem einfach hinreißend. In diesem Moment liebte und hasste ich Elea zu gleichen Teilen, weil sie mich diesen Gefühlen aussetzte, die ich sonst durchaus nur zu gerne vermied!
"Und wie genau soll ich mich entspannen, wenn dein Sicherheitsabstand bei Minus einem Meter liegt? Ich bin es nun mal unter keinen Umständen gewohnt, dass jemand anderes die Kontrolle hat ... vor allem nicht über mein Leben", gab ich verbissen, aber dennoch ungewollt ehrlich zu.
"Minus ein Meter, du übertreibst ... Ich kann doch noch die Rückleuchten ... Okay, nicht ganz, aber fast ... Also schön ..."
Elea ging seufzend vom Gas und ließ endlich ein wenig Abstand zum Vordermann.
"Das ändert nichts, dass du ein bisschen mehr Vertrauen haben musst ... Gewöhn dich schon mal daran ... Schatz!"
Und in diesem Moment hätte ich sterben können, denn das wärmende Gefühl in meinem Herzen übertraf das an einem Infarkt leidenden weitaus mehr. Ihr provokantes 'Schatz' erfüllte mich ganz unerwartet mit allem, was ich vom Leben niemals erwartet hätte. Das Gefühl zu Hause zu sein, von Zufriedenheit, Vertrauen und Liebe ...
**********
"Ähmm, Tim ... Was machen wir denn Abends vor dem Sea Life? Und das weit weg am Timmendorfer Strand?"
Ich schaute belustigt zu Elea herüber, als wir gerade aus dem Auto stiegen und sie verwirrt ihre Stirn runzelte.
"Lass dich überraschen, Prinzessin", antwortete ich bloß, ging um mein geliebtes Auto herum, damit ich unauffällig einen Blick auf seine Unversehrtheit werfen konnte. Vor Elea blieb ich schließlich stehen und nahm ihr vorsorglich den Schlüssel aus der Hand. Ihre Augen verengten sich prompt zu schmalen Schlitzen, deswegen zog ich sie schnell in eine liebevolle Umarmung. Ich hatte zuvor den Boden küssen wollen, den ich endlich wieder unter meinen Füßen spürte, aber das schien mir doch eine Spur zu übertrieben zu sein ...
"Hallo erstmal", flüsterte ich in ihr leicht gewelltes, blondes Haar und genoss für einen Moment den herrlich frischen Orangengeruch und ihren warmen Körper an mir.
"Hi", raunte sie, lehnte den Kopf zurück und ihre blaugrauen Augen strahlten mich förmlich an. Ich bemerkte rasch ein leichtes Zittern und dass ihr ein bisschen kalt sein musste in dieser dünnen Lederjacke. Wenn ich sie jetzt küssen würde, könnte ich Stunden mit ihr hier draußen verbringen und sie würde dabei wahrscheinlich erfrieren, also atmete ich lieber tief durch, legte einen Arm um ihre schmale Taille und zog sie neben mich, damit wir zusammen zum Eingang gehen konnten.
"Wollen wir?"
"Natürlich. Ich bin sehr gespannt darauf, was du jetzt wieder geplant hast", antwortete sie kichernd. Ich lachte zufrieden auf.
"Nichts wildes, Prinzessin. Einfach nur einen schönen Abend mit dir genießen. Und das weit weg von neugierigen Blicken und kleinen Petzen ..."
Sie schnaubte zustimmend.
Am Eingang erwartete uns bereits eine kleine, zierliche Frau in den Sechzigern, die uns freudestrahlend von Innen die gläserne Tür aufhielt.
"Schönen guten Abend, Herr General und Frau Janssen."
Sie nickte uns freundlich zu, nahm die Jacken entgegen und zeigte auf den Weg mit den blauen Pfeilen auf dem Boden.
"Bitte hier entlang."
"Guten Abend, Frau Kessler und vielen, herzlichen Dank für die Möglichkeit", erwiderte ich gelassen, konnte mir aber ein Lächeln kaum verkneifen über Eleas erstaunten Gesichtsausdruck.
"Es ist uns eine Freude! Das wissen Sie genau ...", gab sie mir mit einem Augenzwinkern zu verstehen, als ich ihr dankend zunickte. Hand in Hand liefen Elea und ich auf die ersten Becken zu.
"Die Frau kennt dich ziemlich gut, oder?", flüsterte sie nach wenigen Metern neugierig und beobachtete mich dabei aufmerksam. Ich sah zu ihr hinüber. Die dunkelblauen Lichter der Aquarien ließen sowohl ihre Augen, als auch die Farbe ihres Kleides faszinierend leuchten.
"Sie kennt eher meine jährlichen Schecks an den SEA LIFE Trust für ihre Natur- und Tierschutzprojekte", gab ich achselzuckend zu. Es war mir irgendwie peinlich als 'guter Samariter' gesehen zu werden, denn das passte keineswegs zu dem, was ich letztendlich beruflich tat ... verletzen und töten.
"Beeindruckend", raunte Elea mit einem ehrlichen Lächeln auf ihren süßen Lippen, aber ich konzentrierte mich lieber wieder auf den Weg vor uns. Darüber wollte ich nicht mit ihr diskutieren, denn meine Auffassung darüber war eine ganz andere ...
Wir liefen jetzt durch einen schmalen Gang, neben und über uns eine Halbröhre befüllt mit tausenden Litern von Wasser und den buntesten Fischen, die man sich je im Ozean vorstellen konnte. Ihre warme, weiche Hand lag noch immer in meiner, aber Eleas Blick ruhte weiterhin bewusst auf mir, statt auf dem schönen Ambiente, so als würde sie versuchen etwas Bestimmtes in mir zu lesen.
"Was genau ist denn hier beeindruckend? Ich, oder die Fische? Die sind übrigens überall ..."
Ich zeigte grinsend mit unseren verschränkten Fingern im Halbkreis auf das gebogene Plexiglas, denn es war meine Art und Weise davon abzulenken, dass sie etwas in mir sehen wollte, was nicht stimmte. Elea sollte mich keinesfalls für zu lieb, zu nett, oder zu selbstlos halten.
"Beides", gab sie jedoch kichernd wieder und ich zog bei dieser Antwort prompt ihren Handrücken zu meinem Mund, um einen sanften Kuss darauf zu hinterlassen.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis wir schließlich vor einer riesigen Panoramascheibe zum Stehen kamen.
"Darf ich bitten?", fragte ich ganz gentlemanlike, ließ ihre Hand fallen und schritt stattdessen zu einem kleinen Tisch hinüber, um ihr einen der beiden Stühle zurechtzuziehen.
Elea blieb einen Moment lang völlig sprachlos an Ort und Stelle stehen, wobei sie ihren Blick über das quirlige Treiben neben mir im Aquarium schweifen ließ. Dort tummelten sich tropische Fische und kleinere Riffhaie, die unseren Besuch aufgeregt begrüßen zu schienen. Eleas strahlende Augen fielen schließlich auf mich und sie betrachtete erstaunt, mit leicht geöffnetem Mund den schön gedeckten Tisch. Die weißen Teller mit dem goldenem Rand sahen edel aus, genau wie das verschnörkelte Besteck und die Servietten, die zu einem aufrechten Schwan gefaltet waren.
"Ich ... ich weiß gar nicht ..."
Ihr Flüstern und welchen Ausdruck sie mir dabei zuwarf, ließen mein Herz ungewollt höher schlagen.
"Du brauchst gar nichts sagen. Nur hinsetzen und die Aussicht mit mir zusammen genießen."
Ich deutete mit einem Kopfnicken an, dass sie Platz nehmen sollte und lächelte zufrieden, denn ich wusste, auf was meine Augen unwiderruflich an diesem Abend liegen würden. Elea wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel und setzte sich mit einem ungläubigen Kopfschütteln an den Tisch.
"Oh, das ist übrigens Speedy", weihte ich Elea ein und zeigte freudestrahlend neben sie, als eine riesige, grüne Meeresschildkröte am Glas auftauchte.
"Hey Speedy", warf meine schöne Begleitung dem imposanten Tier mit einem Schmunzeln zu und winkte amüsiert. Das Paddeln ihrerseits sah beinahe so aus, als würde sie Eleas Gruß erwidern, was mich nur noch mehr zum Grinsen brachte.
"Ich sehe, ihr versteht euch bereits."
Elea nickte, ihre Augen weiterhin fasziniert auf das Wassertier gerichtet.
Kurze Zeit später bekamen wir eine dampfende, heiße Schale gereicht. Es war wieder Frau Kessler, die uns bediente.
"Wir haben hier eine leckere Hochzeitssuppe als Vorspeise. Lassen Sie es sich schmecken. Ach, und im übrigen ... bei uns kann man auch wirklich heiraten", sagte die Grauhaarige mit einem schelmischen Augenzwinkern, nachdem sie uns die Tassen serviert hatte.
"Oh, ähm ... danke für den H-Hinweis", stotterte Elea verlegen und wurde ein wenig rot, während sie unschlüssig zu mir herüber sah.
"Danke, Frau Kessler."
Und schon verschwand die gute Frau bereits hinter einer gemauerten Ecke.
Elea stocherte Minuten später in der Suppe herum, bis sie ab und an einen Löffel probierte.
"Schmeckt es dir nicht?", wollte ich wissen, war mir aber gleichzeitig bewusst, dass es vielleicht an dieser Anspielung liegen könnte, die ich nicht kommentiert, oder eher ignoriert hatte.
"Es ist sehr lecker ... aber ... ich ... bin ein bisschen nervös", rutschte es ihr heraus und sie sah mich mit ihren großen Augen entschuldigend an.
"Okay, das überrascht mich ein wenig ... Wie kann ich dir die Nervosität denn nehmen? Es liegt aber nicht an ... ähm ... Frau Kesslers unbedachten Kommentar gerade?"
Ich schluckte ungewollt und strich mir unwohl über den Nacken.
"Nein ... vielleicht ... Ich weiß nicht ... Also, zunächst ... Was erwartest du von mir ... so als ... G-Gegenleistung?"
Sie senkte ihren Blick. Ich hielt verdutzt inne, während die Suppe langsam von meinem Löffel hinunter und zurück in die Suppentasse plörrte, den ich gerade genüsslich in den Mund stecken wollte.
Wie kam es bloß zu dieser seltsamen Frage? Hatte ich es mit meiner Idee tatsächlich derart übertrieben oder etwa falsche Signale gesendet?
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