Kapitel 13
Wir sitzen jetzt zu sechst in dem halbvollen Kinosaal vom Cinemaxx, bewaffnet mit Getränken, Popcorn und anderen Süßigkeiten. Ben hat es sich ganz außen in der letzten Reihe der Loge bequem gemacht, neben ihm ein zufrieden wirkender Max, dann folgen Paul, Val, Mike und ich. Valerie sieht mit ihrem breiten Lächeln aus, als schwebe sie wieder auf Wolke sieben bei dem Platz neben meinem besten Freund, aber auch mit Paul scheint sie sich gut zu verstehen. Zumindest bringt er sie gerade wieder zum Lachen.
"Mit wem hat sie eigentlich keine Connection?", frage ich mich in der Sekunde ernsthaft. Sie besitzt eine unfassbare Gabe jeden Menschen so zu nehmen wie er ist und gleichzeitig ganz locker eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Ich kenne sie erst seit wenigen Stunden, aber ich bewundere Val und ihre Art das Leben einfach anzugehen, so wie es eben gerade kommt.
Zuvor hatte es nämlich ein kleines Durcheinander gegeben, als ich zuletzt an unseren Sitzen eintraf, weil ich unfähig gewesen war, die mit roten Samtteppich überzogenen Stufen, vernünftig hochzulaufen. Die Absätze würden mich wahrscheinlich noch umbringen ...
Ich wollte mich gerade außen neben Val setzen, da sprang Mike direkt vom Platz hoch und bestand vehement darauf seinen zu tauschen, damit er neben mir sitzen kann. Es war mir wirklich peinlich, dass mein bester Freund fast eine Szene dabei machte. Max, Paul und Ben diskutieren lauthals wer mit wem tauschen sollte und die Jungs schienen ziemlich unzufrieden über das plötzliche Hin und Her.
Valerie hingegen schnappte sich schulterzuckend ihre Weingummis und die Cola und rückte kurzerhand einen Sessel weiter, nur um im nächsten Moment Paul grinsend mit Ed Sheeran zu vergleichen und auf ihre gemeinsame Haarfarbe anzuspielen. Somit war der Platz neben mir frei und Key setzte sich wenigstens ohne weiteres Aufhebens hin. Ich ignorierte diesen Blödsinn, nur um die Stimmung nicht zu ruinieren.
Mein bester Freund ist sichtlich zufrieden, als er mir nun ungeniert ein Popcorn ins Gesicht wirft.
"Key, du weißt doch, mit Essen spielt man nicht!", rufe ich lachend, als Ben sich vorbeugt und süffisant grinsend in unsere Richtung sagt: "Wie gut, dass du nicht seine heimliche Mahlzeit bist, Leylilein! Schleck ..."
Genervt verdrehen alle die Augen und rufen im Chor: "Boah, Schnauze, Ben!" Wir lachen, während er beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt. Max tätschelt ihm kurz das Bein, um zu zeigen, dass er es nicht so meint. Ben grinst verlegen. AHA, vielleicht würde das ja doch noch etwas werden! Vorausgesetzt, Ben verhält sich nicht immer wie ein Arschloch und zügelt mal seine große Klappe. Er begreift nicht, dass er sich bei uns weder beweisen, noch eine Show abziehen muss, um den Anschein zu erwecken etwas zu sein, das er gar nicht ist ...
Im Film streckt Mike sich immer wieder seltsam auffällig und legt beim dritten Mal ganz ungeschickt seinen rechten Arm um mich. Mit gerunzelter Stirn schaue ich schnell zu Valerie herüber. Sie hat davon nichts mitbekommen, denn es war gerade eine spannende Szene mit einem riesigen Kampf und zudem ist es stockdunkel in dem Saal.
Mein bester Freund streichelt jetzt sanft meine Schulter. Ich weiß gar nicht, was ich in diesem Moment machen soll ... Eigentlich ist nichts dabei, wir verbrachten schließlich bereits zuvor viele Filmabende dicht aneinander gekuschelt, aber mit dem Hintergrund, dass er mir gestanden hatte, in mich verliebt zu sein ... Scheiße!
"Ich hoffe, der Abend lenkt dich ein wenig von dem Unfall deines Vaters und dem ins Wasser gefallene Wochenende ab!? Und dann hast du auch noch ein wahnsinnig hübsches Mädchen an deiner Seite", versuche ich Mike jetzt flüsternd mit einem Kopfnicken in Richtung Valerie auf sie aufmerksam zu machen.
Mein bester Freund beugt sich weiter zu mir und raunt zufrieden: "Ja, es tut wirklich gut unter Menschen zu sein. Danke, Leyli, dass du diese Abwechslung möglich gemacht hast. Ich genieße die Zeit total und Val ist ziemlich cool, besonders dafür, dass sie ausgerechnet den General zum Vater hat!" Er grinst mich an.
"Sie ist ja nur die Ziehtochter, aber du hast definitiv recht, Valerie ist wirklich ziemlich cool und auch noch total interessiert an dir", erwidere ich augenzwinkernd, um dann einen großen Schluck aus meiner Bierflasche zu nehmen.
"Leyli, lass das!", murrt Mike und nimmt direkt seinen Arm von mir. Ich beuge mich überrascht zu ihm herüber.
"Was genau meinst du, Key?"
Er verdreht die Augen und murmelt: "Willst du jetzt mit ihm und seiner Tochter Family spielen, oder sie mir ernsthaft schmackhaft machen?" Ich starre ihn an, während er sich kopfschüttelnd wieder zur Leinwand dreht.
"Tut mir leid, Key. Weder noch", raune ich zurück und das verdammt schlechte Gewissen macht sich wie ein Lauffeuer in mir breit. Ich meinte es eigentlich nur als Kompliment ... oder?
**********
"Ist dir kalt?", fragt Mike mich, während wir nun alle zusammen in einer langen Schlange bis draußen vor dem 'Club Anna' stehen, der sich praktischer Weise ein Stockwerk tiefer und auch noch im gleichen Gebäudekomplex wie das Kino befindet. Ich zittere ein wenig. Verdammtes, viel zu kurzes Kleid!
"Nein, wie kommst du denn darauf?", frage ich mit einem Augenrollen und fahre dabei fröstelnd mit den Händen über meine Arme. Die Menschenmasse bewegt sich jetzt Gott sei Dank weiter vorwärts. Mike lacht amüsiert wegen meiner Reaktion und ohne nachzufragen, stellt er sich dicht hinter mich, um seine Arme über meinem Bauch zu verschränken. Mein Rücken wird dadurch von seinem an mich gepressten Oberkörper gewärmt.
"Ist es so besser?", fragt Key mit heiserer Stimme in mein Ohr. Fuck!
"Ähmm, ja danke, aber du musst das nicht tun. Wir sind ja gleich drin ..." Mein Gemurmel klingt unsicher.
Ich drehe meinen Kopf über die Schulter zu Mike, um ihm lieber eine klare Ansage zu machen, da erblicke ich plötzlich etwas hinter ihm, das unwillkürlich meine Aufmerksamkeit erregt. Ein breit gebauter Typ in Lederkluft steht neben seinem Motorrad, vor ihm eine zierliche, hübsche Frau in einem engen, weißen Kleid. Die beiden umarmen sich nun innig.
Es ist nichts Aufregendes, was sich dort abspielt, allerdings kann ich nicht anders, als die beiden weiter zu beobachten. Ein ungutes Gefühl schießt jäh durch meinen Körper. Nachdem die hübsche Blonde ihn schließlich loslässt, dreht der Mann sich zu der Maschine, um aufzusteigen, den Helm noch in seiner Hand. Die Straßenlaterne hebt sein Gesicht klar und deutlich hervor ... General Tim Davis!
Mir wird abrupt speiübel, als auch sie näher ins Licht und somit direkt neben ihn tritt. WAS? NEIN! Es ist die Frau von unserem Flohmarktbesuch, die ihn ganz offen angemacht hatte und ihm sogar ihre Nummer gab. Mein Herz rast wie verrückt! Sagte Davis nicht, er wäre bis morgen irgendwann in einer wichtigen Besprechung?
Ich bemerke kaum, wie Mike mich inzwischen weiter vorwärts in Richtung Eingang schiebt und die beiden aus meinem Sichtfeld verschwinden. Es passiert alles wie im Traum. Meine Gedanken rasen unaufhörlich.
Der Securitymann betrachtet unsere Gruppe für einen Moment ziemlich argwöhnisch und murrt: "Wenn ihr einen winzigen Hauch Ärger machen solltet, fliegt ihr raus!", bevor er letztendlich einen Schritt zur Seite tritt, um uns reinzulassen. Die Jungs grinsen.
"Geht klar, Boss!", rufen sie im Chor.
Mir wird gleichzeitig heiß und kalt und ich bekomme gar nicht mit, wie das rustikale Ambiente des Clubs in den bunten Lichtern wirkt, als wir nun mittendrin stehen. Mein Herz hat in der Sekunde einen verdammten Riss bekommen. Ich versteife mich und greife mir panisch an die Kehle.
"Hey Leyli, was ist los? Sind hier zu viele Leute? Hast du eine Panikattacke? Atme jetzt ganz ruhig! Ein und aus", spricht Mike mit geschocktem Gesichtsausdruck zu mir, nachdem er mich in seinen Armen zu sich drehte. Ich nicke bloß und senke meine zitternden Hände. Dieses scheiß Arschloch! Wie konnte er nur?
Schnell blinzle ich die aufsteigenden Tränen weg und löse mich von Mike. Ohne eine weitere Reaktion zu zeigen, mache ich mich prompt auf den Weg zur nächsten Bar.
"Das Härteste, was ihr habt!", rufe ich dem Barkeeper zu. Er nickt und stellt mir Sekunden später ein doppeltes Pinnchen mit einer klaren Flüssigkeit hin. Ich kippe es rasch herunter. Das Zeug brennt in meinem Mund und läuft wie flüssige Lava durch meinen Hals.
"Noch einen!", rufe ich ohne zu überlegen.
"Ähmm, alles okay bei dir? Du hast gewirkt, als hättest du gerade einen Geist gesehen und wärst gleichzeitig nicht bei dir!?" Mike steht mit einem Mal neben mir. Er hat Val im Schlepptau, die mich besorgt von der anderen Seite anschaut.
"Alles in Ordnung, Süße?"
FUCK! Unter keinen Umständen darf ich mir etwas anmerken lassen!
"Alles super, ich brauchte nur einen Drink ... stickige Luft hier!", erwidere ich und setze mein bestes und falschestes Lächeln auf, das ich jemals von mir gegeben habe. Der Shot hilft mir in dem Moment enorm meine Fassung zu wahren und ich bestelle schnell noch zwei Runden. Wir stoßen laut gröhlend zu dritt auf einen besonders coolen Abend an.
Dieses Bild ... er und sie ... es soll einfach aus meinem Gedächtnis gelöscht werden und das am besten mit möglichst viel Alkohol ...
Ich stehe auch einige Zeit später immer noch an der Bar und trinke einen Shot nach dem nächsten, in Abwechslung mit ein paar Bier. Dieses absolut dreckige Gefühl weicht mit jedem Schluck ein winziges Stück mehr in den Hintergrund.
Max und Ben hatte ich gar nicht mehr gesehen. Sie tigerten wer weiß wo rum. Paul, Mike und Val sitzen jedoch auf den unbequemen, hölzernen Barhockern neben mir und staunen mit skeptischen Mienen über meinen Alkoholkonsum. Sie gaben inzwischen auf mit mir mitzuhalten, aber trinken kann ich auch gut alleine.
"Süße, ist wirklich alles okay? Ich bin normalerweise nie der Spielverderber, aber meinst du nicht es reicht jetzt?"
Val schaut mit ihren großen Kulleraugen zu mir und will mir schon das Glas aus der Hand nehmen, da fahre ich sie an: "Es ist alles toll! Du hast doch feiern gehen vorgeschlagen! Und ich mache nur das, was du wolltest! Also wagt es ja nicht mir die Laune zu verderben!" Ich starre sie wütend einem nach dem anderen an und schmettere schließlich das Glas klirrend auf die Theke. Es zerspringt in seine Einzelteile, aber das ist mir scheißegal!
Der DJ spielt jetzt ausgerechnet 'Love the way you lie' von Eminem und meine Augen füllen sich unwillkürlich mit weiteren Tränen. Ich muss mich dringend ablenken und stürme total besoffen auf die Tanzfläche. Alles dreht sich bereits, aber ich schwinge meine Hüften gekonnt im Takt des Hip Hop Sounds. Zumindest glaube ich das, denn ich kann die Klänge nur erahnen, weil ich viel zu betrunken bin, um den Beat wirklich zu hören.
Ben hüpft inzwischen freudestrahlend vor mir auf und ab.
"Move your ass, Bitch!", brüllt er dabei. Und in dem Moment tue ich etwas, das ich ansonsten NIEMALS tun würde ... Ich ziehe Ben an seinem Hemd näher zu mir und wir schmiegen uns im nächsten Augenblick tanzend aneinander. Er stöhnt laut.
"El, das ist definitiv etwas aus meinen feuchten Träumen, aber ganz ehrlich ... Es ist offiziell ..."
Ben deutet dabei mit einem Kopfnicken Richtung Max, der ziemlich sauer aussehend und mit verschränkten Armen am Rande der Tanzfläche steht. Mit Tränen in den Augen sehe ich Bens funkelnden Blick und küsse ihn überschwänglich auf seine Wangen.
"Oh Gott, ist das süüüsch! Ihr wärt sooo ein niedliches Paar, ihr Cutypies!", quietsche ich schrill in sein Ohr.
"Digga, was ist heute mit dir los?", gibt Ben mit gerunzelter Stirn von sich, während er versucht sich aus meiner abrupten Umarmung zu lösen. Ich trete einen Schritt von ihm zurück, drehe mich im Kreis und rufe dabei ausgelassen: "Ich bin einfach nur suuupi jut druff!"
Zur Untermalung meiner Behauptung, greife ich das Glas aus der Hand eines fremden Typen, der zufällig neben uns tanzt, und exe die Flüssigkeit! Bah, Whisky-Cola!
Ben schüttelt entsetzt den Kopf, nimmt mir das leere Glas aus der Hand und ruft: "Warte kurz und bleib so stehen, ich hole eben Mikey-Maus!" Er verschwindet just aus meinem Blickfeld und zieht Max mit sich. Sooo cute die beiden ...
Der Typ von gerade tippt mich allerdings plötzlich an meine Schulter, hebt die Augenbraue und nuschelt prompt: "Du schuldest mir nen Drink, Puppe!" Ich starre auf ihn hinab, weil er bestimmt zehn Zentimeter kleiner ist als ich und ohne Gesichtsbehaarung aussieht wie gerade mal fünfzehn. Sein All-in-Black-Look ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig, aber mir ist einfach alles egal.
"Mmmh, wie wäre es denn mit einem Tanz?", gebe ich grinsend zurück und komme ihm hüftschwingend näher. Er schluckt, lässt den Blick zu seinen Kumpels wandern und setzt dann ein fieses Lächeln auf.
"Alter, mein Glückstag! Komm her, du heißes Gerät!"
Einen Augenblick später presst er sich dicht an mich und sein nach Alkohol riechender Atem streift mein Gesicht, als er seinen Kopf reckt, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Scheiß drauf!
Wir tanzen eine geraume Zeit lang eng umschlungen, meine Arme liegen auf seinen Schultern, als seine Hände plötzlich von meinen Hüften peu à peu ein Stück tiefer wandern. Er schiebt mich im nächsten Augenblick rückwärts von der Tanzfläche in eine dunkle Ecke und ich lasse es einfach geschehen. Wenn das alle so machten, warum zum Teufel nicht auch ich?
Laut stöhnend umschliessen seine Hände mit festem Griff meinen Po und er zieht mich dicht an sich, um an meinem Hals einen nassen, sabbernden Knutschfleck zu hinterlassen. Mich schüttelt es ...
Abrupt verändert sich jedoch mein Blickwinkel und ich merke erst sehr langsam, dass ich gar nicht mehr auf meinen Beinen stehe. Starke Arme haben mich hochgehoben und halten mich mit einer Hand unter meinem Rücken, die andere ist unter meine Kniekehlen geschoben.
"Oh la la, mit wem gehe ich denn jetzt noch mit?", quietsche ich vergnüglich lallend. Ich bin fest an seinen Oberkörper gepresst und schaue jetzt kichernd hoch in das Gesicht von ... ich muss die Augen zusammenkneifen, um überhaupt zu erkennen, wer mich da trägt ...
... Davis ...
FUCK!
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