
Try not to leave me 2
Louis' Sicht
Es kam mir so vor, als hätte ich kaum geschlafen, als Liam mich wachrüttelte, doch ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits kurz vor halb vier war und ich somit beinahe vier Stunden geschlafen hatte.
„Was ist los?" wollte ich wissen, dann bemerkte ich den Arzt, der vor uns stand, „Gibt es was Neues von Harry?"
Der Arzt nickte.
„Ja." Sagte er schlicht, „Wir konnten ihn retten, er ist am Leben."
„Gott sei Dank!" entfuhr es mir und einige Tränen der Erleichterung rannen über meine Wangen.
„Er hat jedoch sehr viel Blut verloren und musste einmal wiederbelebt werden, es war eine knappe Angelegenheit." Fuhr der Arzt fort, „Mister Styles bekommt jetzt Infusionen, um den Blutverlust wieder auszugleichen, aber ich mache mir viel mehr Sorgen um seinen psychischen Zustand. Den Schnitten auf seinen Armen nach zu urteilen, ritzt er sich schon beinahe ein Jahr."
Ich schnappte nach Luft. Harry ritzte sich, seit ich im Ausland war? Aber warum? Hatte er mich so vermisst? Aber wie passte dann der Kontaktabbruch dazu?
„Kann ich zu ihm?" bat ich und der Arzt nickte.
„Ja, er ist jetzt wach." Sagte er zu meiner Erleichterung, „Aber bitte schonen Sie ihn, keine Fragen nach dem warum und keine Vorwürfe, er ist wahrscheinlich nicht richtig klar im Kopf, was dem Blutverlust geschuldet ist."
Ich nickte.
„Ja, natürlich." Meinte ich eifrig, „Ich möchte ihn einfach nur sehen, ich hatte so Angst um ihn. Ist er denn jetzt völlig außer Gefahr?"
Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf.
„Leider nein, er hat so viel Blut verloren, dass es sehr schwer einzuschätzen war, ob er es übersteht." Erklärte er, „Ich denke, er kann es schaffen, aber er darf sich auf keinen Fall noch einmal etwas antun, noch mehr Blutverlust kann sein Körper nicht verkraften."
Wieder nickte ich und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Verwundert blickte ich auf den Boden, ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich aufgestanden war. Der Arzt bedeutete mir, ihm zu folgen und lotste mich durch das Krankenhaus zur Intensivstation, Liam folgte mir mit einigen Metern Abstand.
„Ich warte draußen." Teilte er mir mit, als wir vor einer Tür stehen blieben, neben der man durch ein Glasfenster in den Raum sehen konnte. Ich stellte mich vor das Fenster und sah hinein. Der Raum war in schummeriges Licht getaucht, gerade so, dass man alles erkennen konnte. In der Mitte des Raumes lag Harry in einem der typischen, weiß bezogenen Krankenhausbetten, bei seinem Anblick zog sich mein Herz zusammen. Auf die Entfernung und durch das Fenster konnte ich nichts Genaues erkennen, aber er sah auch so schrecklich schwach aus.
„Kann ich reingehen?" bat ich und der Arzt nickte und hielt mir die Tür auf. Ich betrat zögernd den Raum und zuckte zusammen, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Langsam trat ich näher an Harry heran, der weiterhin die Augen geschlossen hatte. Er war bis zur Brust mit einer Decke bedeckt, seine Arme lagen jedoch darauf, die Unterarme beide dick badagiert. In seinem rechten Handrücken steckte eine Infusionsnadel, die durch einen dünnen Schlauch mit einer Infusion verbunden war, durch die Harry Flüssigkeit bekam. In seiner Nase steckte eine Sauerstoffbrille und er war erschreckend blass. Erschrocken stellte ich fest, wie dünn Harry geworden war, selbst durch die Decke konnte ich erkennen, dass er nur noch aus Haut und Knochen bestand. Seine langen Haare lagen ungekämmt und fettig auf dem Kissen. Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich mich langsam auf den Plastikstuhl neben dem Bett sinken ließ. Was war nur mit Harry passiert? In diesem Moment öffnete er seine Augen und sein Blick flackerte zu mir. Harry grüne Augen, die ich als strahlend und fröhlich in Erinnerung hatte, waren nun glanzlos und müde und als er mich erkannte, wandte er den Blick ab.
„Ich habe dich vermisst." Murmelte ich und drängte die Tränen zurück, ich musste für Harry stark sein, „Hazza, bitte tu mir das nie wieder an."
Harry drehte seinen Kopf ein Stück von mir weg. Ich verstummte und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Wie sollte ich Vorwürfe und Fragen vermeiden, wenn nichts anderes in meinem Kopf Platz hatte? Ich schluchzte auf und ließ den Kopf hängen, Tränen tropften auf meine Hände, die ich in meinem Schoß knetete. Harrys Blick flog zu mir und ich meinte, eine Veränderung darin erkennen zu können, als ich ihn mit tränenverschleiertem Blick ansah.
„Warum Harry?" entfuhr es mir, bevor ich die Frage aufhalten konnte und als mir klar wurde, was ich gerade gesagt hatte, schluchzte ich erneut auf, „Erklär es mir." Bat ich. Harry biss sich auf die Unterlippe, dann begann er endlich zu sprechen.
„Das verstehst du nicht." Wisperte er, seine Stimme klang dünn und rau, war kurz davor zu brechen, „Louis, geh einfach."
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich gehe nicht." Wiegelte ich ab, „Ich lass dich nicht alleine, ich bleibe bei dir, wir sind doch beste Freunde."
Leider. Harry schüttelte ebenfalls den Kopf, eine kleine, verzweifelte Bewegung, die mich dazu brachte, wieder aufzuschluchzen.
„Nicht mehr." Flüsterte er tonlos, „Ist nicht deine Schuld."
„Harry, warum sagst du sowas?" presste ich hervor, „Ich... ich..."
Ich konnte es nicht sagen. Ich liebe dich, hatte ich sagen wollen, aber ich bekam es einfach nicht über die Lippen. Harry hob schlaff eine Hand und führte sie zu seinem Gesicht, rupfte sich die Sauerstoffbrille aus der Nase. Ich schnappte nach Luft und beugte mich über ihn, um sie ihm wieder anzulegen.
„Lass das Louis." Flüsterte Harry, „Lass mich."
Ich erkannte die Tränen in seinen Augen, als er versuchte, mich von sich zu drücken, doch er war so schwach, dass ich seinen Widerstand kaum spürte.
„Mach keinen Scheiß." Flehte ich, „Bitte, du musst wieder gesund werden."
Harry schüttelte den Kopf und wollte meinen Händen ausweichen, doch ich legte ihm eine Hand auf die Wange und fixierte die Sauerstoffbrille wieder.
„Louis, geh einfach." Bat er mich erneut, „Du machst es alles nur noch schlimmer."
„Was mache ich schlimmer?" fragte ich nach, „Rede mit mir, du kannst mir alles sagen."
Harry schüttelte den Kopf und wollte mich von sich stoßen, schaffte es jedoch nicht einmal, seine Hände beide gleichzeitig anzuheben. Harry griff mit rechts nach dem dicken Verband um seinen linken Unterarm und pulte an dem Verschluss herum. Ich schnappte nach Luft, als ich sein Vorhaben erkannte.
„Hör auf." Schluchzte ich und griff nach Harrys Händen, hielt sie fest in meinen, „Du tust dir weh, der Verband muss dranbleiben."
„Genau genommen war es auch mein Plan, mir wehzutun." Schnappte Harry, doch seiner Stimme fehlte es an der nötigen Schärfe, „Kapierst du es nicht? Ich will sterben, ich bin fertig mit dem Leben, es gibt keinen Grund für mich weiterzuleben."
„Nein, hör auf damit." Flehte ich, „Ich bin für dich da Harry, ich bin doch jetzt zurück. Bitte, rede nicht davon, dass du dir das Leben nehmen willst."
„Gut, dann denke ich es nur." Gab Harry müde zurück, „Aber beim nächsten Mal werde ich dafür sorgen, dass du mich nicht rechtzeitig findest."
„Woher weißt du, dass ich es war?" hakte ich perplex nach, „Und sag sowas nicht Harry, das macht mir Angst."
„Du trägst meinen Pullover." Seufzte Harry, „Und du stink-... riechst nach Blut und zwar nicht zu knapp." Ich musste leicht lächeln, doch Harry war noch nicht fertig, „Außerdem wäre niemand sonst einfach bei mir zuhause aufgetaucht, das war nämlich mein Plan."
„Bitte sag sowas nicht." Flehte ich erneut, „Harry, ich könnte es nicht ertragen, wenn du dir etwas antun würdest."
Harry schnaubte verächtlich.
„Zu spät." Zischte er und hob seine bandagierten Hände, „Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte."
Ich seufzte und schluchzte gleich darauf auf, Harrys Worte verletzten mich mehr, als ich es für möglich gehalten hatte.
„Warum, Harry?" schluchzte ich, „Ich versuche nur, dich zu verstehen. Du hast plötzlich jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen, ich habe mir unendliche Sorgen gemacht!"
Damit hatte ich auch die zweite Vorgabe auch missachtet, ich hatte Harry Vorwürfe gemacht und ihn gefragt, warum er das getan hatte. Allerdings machte Harry auf mich auch nicht den Eindruck, als wäre er nicht klar im Kopf, sondern eher, als wäre er einfach ziemlich schwach – und sauer, weil ich ihn gefunden hatte, bevor er sich das Leben hatte nehmen können.
„Das verstehst du nicht." Betonte Harry ein weiteres Mal, „Niemand versteht das. Louis, du hast mich alleine gelassen! Du warst nicht da, als ich dich brauchte, du brauchst jetzt nicht angekrochen zu kommen!" Harry wurde langsam lauter, seine Stimme überschlug sich mehrmals, weil er sie nicht unter Kontrolle hatte, „Ich habe so darauf gehofft, dass du zurückkommst, aber du bist nicht gekommen! Ich saß tagelang einfach nur rum und bin in Selbstmitleid versunken, verstehst du mich jetzt?!"
Harry fuhr in dem Bett nach oben, sackte jedoch sogleich wieder in die Kissen zurück, da er zu schwach war, um sich aufrecht zu halten. Ich saß nur stumm und verzweifelt daneben, als er mich anschrie, konnte nicht reagieren. Harry bekam irgendwann nicht einmal mehr richtige Sätze heraus, sondern nur unvollständige Fetzen.
„Ich wollte einfach nur...!" Brüllte er, „Ich kann nicht mehr, ich...! Louis, ich will doch nur...! Das kann doch nicht so...! ...weil ich verdammt nochmal nicht mehr kann und...!"
Im nächsten Moment flog die Tür zum Zimmer auf und eine Krankenschwester kam hereingestürzt, ich warf ihr einen hilflosen Blick zu und sie verstand.
„Beruhigen Sie sich doch." Bat die Frau, doch als Harry nicht reagierte, zückte sie eine Spritze, nahm Harry rechten Arm und drückte den Inhalt der Spritze in einen Zugang, den man Harry in der Beuge seines Arms gelegt hatte. Er bekam es kaum mit, erst, als ihm langsam die Puste auszugehen schien, realisierte er, dass man ihm soeben ein Beruhigungsmittel gespritzt hatte. Binnen weniger Augenblicke verstummte Harry und sackte in die Kissen zurück, seine Augen fielen zu. Die Krankenschwester nickte mir zu.
„Er wird jetzt für die nächsten Stunden sediert sein." Klärte sie mich auf, „Wenn Sie möchten, können Sie bei ihm bleiben."
„Ja, das mache ich." Erwiderte ich mit belegter Stimme und sah mit zusammengepressten Lippen zu Harry, der völlig weggetreten war. Er hatte seine Augen nur noch einen Spalt breit geöffnet, doch es schien nicht, als könne er dadurch wirklich etwas erkennen, mehr so, als wäre er in einer Art Dämmerzustand. Als wir wieder alleine waren, griff ich nach Harrys Hand und streichelte leicht über seinen Handrücken. Harry regte sich kein bisschen und er erwiderte den Druck nicht, ich war mir nicht einmal sicher, ob er es mitbekam, so betäubt, wie er war. Ich atmete tief durch, um nicht schon wieder anzufangen zu weinen, doch es war zwecklos, mir liefen schon wieder Tränen über die Wangen. Ich schluchzte leise auf und rieb mir mit der freien Hand über das Gesicht.
„Harry..." wimmerte ich leise, nur seinen Namen, „Harry."
Ich wartete beinahe vier Stunden an Harrys Bett, inzwischen hatte Liam mir geschrieben, dass er nach Hause gefahren war. Ich schlief ungefähr zwei Stunden mit meinem Kopf auf der Matratze neben Harry, doch ich hielt die ganze Zeit lang seine Hand. Gegen acht Uhr morgens sah ich das nächste Mal auf die Uhr auf meinem Handy, als Harrys Finger sich plötzlich um meinen Handrücken schlossen und er leicht zudrückte. Mein Blick schoss hoch zu seinem Gesicht, doch er hatte seine Augen nun sogar völlig geschlossen.
„Harry." Wisperte ich, „Hörst du mich?"
Ein müdes Brummen war die Antwort, doch das reichte mir schon.
„Gott sei Dank!" brachte ich heraus und brach schon wieder vor Erleichterung in Tränen aus.
„Wie spät?" nuschelte Harry so undeutlich, dass ich ihn kaum verstand.
„Gleich acht Uhr." Gab ich zurück, „Harry, bitte mach deine Augen auf, tu es für mich."
Einige Sekunden geschah nichts, dann jedoch flackerten Harrys Augenlider und er blinzelte einige Male, bevor er mich aus müden Augen ansah.
„Wieso bist du noch da?" wollte er wissen, seine Stimme war schwer und brüchig. Ich rang mir ein Lächeln ab und streckte eine Hand aus, strich Harry eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Schon vergessen?" entgegnete ich, „Wir haben uns mal geschworen, immer füreinander da zu sein und ich habe ein ganzes Jahr aufzuholen."
„Nein." Harry schüttelte den Kopf, „Nein, das war nicht dein Fehler." Er seufzte, „Du hast Recht, ich bin an allem schuld, ich habe den Kontakt zu dir abgebrochen."
„Nein, sag sowas nicht." Bat ich, „Ich hätte mich viel mehr bemühen müssen, da ist schon was Wahres dran."
Harry sah mich einige Augenblicke stumm an.
„Ich hab Depressionen." Meinte er schließlich leise, „Traurig aber ist so."
„Und deswegen...?" ich beendete die Frage nicht, sondern deutete auf Harrys Unterarme. Harry nickte.
„Ich werde dir alles erzählen, wenn du das willst." Bot er an und ich nickte sofort, „Aber kannst du mir vielleicht ein Glas Wasser bringen, ich habe echt Durst."
Ich nickte, löste meine Hand von Harrys und ging ins Badezimmer, welches zu dem Zimmer gehörte, füllte einen gläsernen Zahnputzbecher mit Leitungswasser und kehrte zurück zu Harry. Ich half ihm, sich aufzusetzen und legte ihm eine Hand auf den Rücken, damit er sich ein wenig anlehnen konnte. Er musste das Glas mit beiden Händen festhalten, weil er zu schwach war und trotzdem zitterten seine Hände, das Gewicht des Getränks war zu viel. Als er sich das Glas gegen die Schneidezähne haute, weil seine Hände unkontrolliert zitterten, nahm ich es ihm behutsam ab.
„Komm, ich helfe dir." Bot ich an und setzte mich so auf die Bettkante neben Harry, dass er sich an mich anlehnen konnte, was er auch sofort tat. Ich hielt ihm das Glas an die Lippen uns Harry trank einige kleine Schlucke, bevor er den Kopf wegdrehte und ihn auf meiner Schulter ablegte. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass sämtliche Wälle und Hindernisse zwischen uns beiden, die sich im Laufe meines Auslandsjahres ergeben hatten, in sich zusammenfielen und zu Staub wurden. Erst, als er leise aufschluchzte, merkte ich, dass Harry weinte.
„Hazza!" entfuhr es mir bestürzt und ich legte meine Arme um ihn, zog ihn vorsichtig an meine Brust, „Was ist denn los?"
Harry krallte sich vorne in seinen Pullover, den ich trug und schluchzte einige Male auf.
„Shh, ist schon gut." Beruhigte ich ihn unbeholfen, „Beruhig dich Hazzy, bitte. Sie überprüfen hier deine Vitalwerte, wenn du dich aufregst, kommt gleich wieder jemand mit einem Beruhigungsmittel."
Harry nickte gegen meine Brust und versuchte, sich zusammenzureißen, doch ihm entfuhren noch einige kleine Schluchzer.
„Beruhig dich." wiederholte ich, „Harry, was hast du denn?"
Harry schniefte und löste seine Hände vorsichtig aus dem Pullover, verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als er mit dem linken Unterarm gegen meinen Arm stieß. Ich drückte Harry weiterhin an meine Brust und er knibbelte eine Weile an dem Verband herum, bis er zu Sprechen begann.
„Louis, ich muss dir was gestehen." murmelte er, „Ich... ich fühle mehr als Freundschaft für dich."
Erschrocken hob ich den Kopf und sah Harry perplex an. Wie, mehr als Freundschaft?
„Ich wusste, du würdest es nicht verstehen." seufzte Harry und ich schüttelte bestürzt den Kopf.
„Nein, das ist es nicht." versicherte ich ihm, „Ich bin nur überrascht, bitte rede weiter."
Harry nickte.
„Ich habe es schon vor ziemlich langer Zeit gemerkt." gab er zu, „Aber ich habe es verdrängt, schließlich bist du nicht schwul. Und als du nach Deutschland gefahren bist, war ich total down, ich habe dich so unendlich vermisst. Also dachte ich, wenn ich den Kontakt abbreche, komme ich über dich hinweg. Aber es hat nicht geklappt, stattdessen bin ich immer tiefer in Depressionen hineingerutscht und habe schließlich begonnen, mich zu ritzen. Und als du zurück warst, war es alles zu viel für mich und ich wollte es beenden."
Harry schluchzte ein weiteres Mal auf und vergrub sein Gesicht an meiner Brust.
„Es tut mir leid!" schluchzte er, „Bitte hass mich nicht!"
„Das könnte ich nie." Behauptete ich, „Und dir muss das überhaupt nicht leidtun, Hazza, du kannst nichts für deine Gefühle."
Harry nickte und vergrub sein Gesicht an meiner Brust, ich spürte, wie er in meinen Armen zitterte.
„Shh, alles ist gut, ich hab dich." Flüsterte ich ihm zu und presste ihn dichter an mich, wiegte und leicht hin und her. Harry starrte nach unten auf seine Unterarme und die dicken weißen Verbände und ich spürte, wie er unruhig wurde.
„Hey, was ist los?" wollte ich von ihm wissen, streckte umständlich eine Hand aus ohne Harry loszulassen und nahm seine linke Hand in meine rechte. Harry schluchzte auf und zuckte gleichzeitig zusammen, ein Blick zeigte mir, dass in seinen Augen Schmerz aufblitzte.
„Es tut so weh Lou." Wimmerte er und hielt seine Unterarme von sich gestreckt, als würde dadurch der Schmerz weniger werden.
„Ich weiß." Murmelte ich, „Aber sie dürfen dir nicht mehr Schmerzmittel geben, weil du so viel Blut verloren hast."
Harry gab ein ersticktes Wimmern von sich und verzog schmerzerfüllt das Gesicht, anscheinend schien er ziemlich schlimme Schmerzen zu haben.
„Komm, leg dich mal hin." Forderte ich ihn auf, „Dann wird es bestimmt besser."
Harry sah mich aus ängstlichen Augen an.
„Kannst du dich zu mir legen?" bat er und ich nickte sofort, half Harry, sich hinzulegen, bevor ich zu ihm auf die Matratze krabbelte und ihn an mich zog. Harry ließ seinen Kopf zur Seite und damit an meine Brust fallen und schloss die Augen, doch noch immer liefen ihm Tränen des Schmerzes über die Wangen.
„Shh, alles ist gut." Murmelte ich in Harrys Ohr und strich ihm die Tränen weg, „Ich bin bei dir, Hazza."
Er nickte und kuschelte sich an mich, seine Arme hatte er auf der Decke abgelegt. Harry wurde mit jeder Minute ruhiger und seine Augen fielen ihm zu, doch ich konnte nicht schlafen, zu sehr beschäftigten mich Harrys Worte. Er fühlte mehr als Freundschaft für mich? Aber warum hatte er nicht schon eher etwas gesagt? Und vor allem, wie sollte ich reagieren? Einerseits wünschte ich mir nichts sehnlicher, als Harry zu küssen und ihm meine Liebe offen zeigen zu können, doch andererseits hatte er gerade einen Suizidversuch hinter sich und ich konnte nicht einschätzen, wie er auf eine Beichte von mir reagieren würde. Vielleicht würde er sich freuen, aber eventuell würde er auch denken, ich würde das nur sagen, um ihn glücklich zu machen und ihn deswegen anlügen. Ich seufzte und löste mich von Harry, der einfach weiterschlief. Ich hatte riesigen Hunger und außerdem einen Krampf in der rechten Wade. Ich streckte mich ausgiebig, vergewisserte mich, dass Harry noch schlief, bevor ich das Zimmer verließ. Auf dem Flur lief ich fast in den Arzt hinein, der mich zu Harry gebracht hatte.
„Gehen Sie nach Hause?" wollte er wissen, ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich wollte mir nur etwas zu Essen holen." Erklärte ich, „Harry schläft gerade, aber ich wollte gleich wieder zu ihm."
„Okay, machen Sie das." Der Arzt lächelte, „Eigentlich haben wir hier ja Besucherzeiten, aber in Bezug auf Mister Styles' psychischen Zustand machen wir mal eine Ausnahme."
Ich nickte und bedankte mich, dann ging ich in die Krankenhauskantine und kaufte mir ein Sandwich und einen Becher mit Tee. Auf dem Weg zurück zu Harrys Zimmer aß ich das Sandwich bereits auf, nur den Tee nahm ich mit hinein. Harry lag wach in seinem Bett und seufzte erleichtert auf, als ich eintrat.
„Ich dachte schon, du wärst einfach gegangen." Murmelte er, „Du warst einfach weg."
„Nein, ich habe mir nur was zu Trinken geholt." Erklärte ich, stellte den Pappbecher mit dem Tee auf der Fensterbank ab und kehrte zu Harry zurück. Er versuchte gerade, sich aufzusetzen, doch als er Gewicht auf seine Unterarme legte, zischte er schmerzerfüllt auf und fiel zurück in eine liegende Position.
„Ach Hazza." Seufzte ich und half ihm sich hinzusetzen, setzte mich neben Harry und stützte ich mit einem Arm. Bei seinem müden und verletzten Anblick warf ich alle Bedenken über Bord, ich musste es versuchen.
„Harry?" begann ich, „Ich muss dir auch was sagen."
Er sah mich sofort aufmerksam an.
„Ich..." stammelte ich, „Ich fühle auch mehr als Freundschaft für dich. Aber ich habe es unserer Freundschaft zuliebe verdrängt, weil ich auch dachte, du seist hetero. Hätte ich das eher gewusst, hätte ich schon längst was gesagt, wirklich. Kannst du mir verzeihen?"
Harry blinzelte zweimal langsam, musste meine Worte wohl erst einmal verarbeiten.
„Bitte sag doch was." Flehte ich. Im nächsten Moment fiel Harry mir um den Hals und klammerte sich an mir fest.
„Meinst du das ernst?" schniefte er, „Du sagst das nicht nur, um mich glücklich zu machen?"
„Nein, ich meine das völlig ernst." Versicherte ich Harry, „Ich verspreche dir, dass ich dich deswegen nicht anlüge. Dass ich generell nicht lüge."
Harry nickte langsam.
„Kannst du mich vielleicht küssen?" bat er leise und schüchtern. Ich antwortete nicht, sondern legte stattdessen meine rechte Hand an Harrys Wange und drückte meine Lippen zaghaft auf seine. Er erwiderte den Kuss und als wir uns nach einigen Sekunden wieder voneinander lösten, strahlte er über das ganze Gesicht.
„Ich liebe dich." Wisperte ich und sah glücklich, wie Harrys Lächeln noch breiter wurde.
„Ich dich auch." Entgegnete er. Ich schenkte Harry ein aufmunterndes Lächeln und nahm seine badagierten Hände in meine.
„Und wir kriegen das zusammen hin." Versprach ich ihm, „Ich stehe dir bei und bin bei dir, okay?"
Harry nickte und wollte seine Hände schmerzerfüllt aus meinem Griff ziehen, doch ich schüttelte den Kopf, hob Harrys Hände an und hauchte einen Kuss auf jeden Unterarm. Harry lächelte, doch dann gähnte er.
„Möchtest du ein bisschen schlafen?" fragte ich und er nickte, ließ sich von mir umarmen und legte sich dann wieder hin.
„Bitte bleib bei mir und geh nicht weg." Bat er.
„Tu ich nicht." Versicherte ich Harry und legte mich neben ihn, zog ihn an mich. Harry stützte sich auf seine Ellenbogen und ignorierte den Schmerz, dann rutschte er auf dem Bauch so dicht an mich heran, dass er seinen Kopf auf meiner Brust ablegen konnte. Ich lächelte in mich hinein, küsste Harry auf den Kopf und spielte dann mit seinen Locken, bis er eingeschlafen war, die verbundenen Arme locker um mich geschlungen.
„Ich liebe dich Hazza." Flüsterte ich dem schlafenden Lockenkopf zu und strich ihm durch die Locken, „Wir schaffen das, zusammen, ich bin bei dir."
Und das taten wir. Es folgten zahlreiche Therapien und Kurse für Harry, doch ich begleitete ihn bei allen und es ging stetig bergauf. Harry ging es immer besser und auch, wenn er noch ab und zu depressive Phasen hatte und das Verlangen verspürte, sich zu ritzen, ich stand ihm immer bei und gemeinsam überwanden wir alle Hindernisse.
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