Kapitel 8
„Geht es Hermine eigentlich gut?", hörte er sich dann selbst fragen und war überrascht darüber, dass Harry den Blick abwandte und etwas von „viel zu tun" raunte. Bevor Ron dem merkwürdigen Verhalten seines Freundes auf den Grund gehen konnte, hatte sich Ginny bereits kopfschüttelnd eingeschaltet.
„Kein Grund, damit hinterm Berg zu halten", sagte sie und erläuterte sachlich: „Hermine hat sich von Draco getrennt. Und vergräbt sich daher in ihre Arbeit."
„Oh", machte Ron und vermittelte mit dieser Silbe das zunächst vorherrschende Mitgefühl, das er für Hermine empfand. Wobei er froh darüber war, dass sie es gewesen war, die den Schlussstrich gezogen hatte.
„War ja auch höchste Zeit", kommentierte er dann Sekunden später und verbarg dabei nicht die Befriedigung in seiner Stimme. Unvermittelt stand ihm das Bild seines Duells mit Malfoy damals vor Augen. Sein mit Mehl bestäubter und seiner Stimme beraubte Gegner hatte vergeblich gegen den Wabbelbeinfluch um sein Gleichgewicht gekämpft und war dann schließlich doch zu Boden gegangen. Es war zum Totlachen gewesen und Ron hatte jede Sekunde dieses Anblickes genossen. Genauso wie das Veilchen, dass er Malfoy am Ende mit der Faust verpasst hatte.
Dass dieser Dreckskerl Hermine jedoch zwei Monate später tatsächlich für sich eingenommen hatte, hatte Ron tief getroffen, obwohl Mine und er sich da schon längst getrennt hatten und er inzwischen realisiert hatte, dass sie beide nur noch Freundschaft statt Liebe verband. Zum Glück hatte ihm Amerika jedoch genügend Abwechslung geboten, um nicht ständig über diese unsägliche Verbindung nachdenken zu müssen.
„Hermine hat erkannt, dass sie seine anderen Ansichten doch nicht tolerieren kann", konstatierte Ginny nüchtern.
Ron schnaubte. „Na, das ist ja mal ne totale Überraschung!"
Er hatte nie begreifen können, was sie an diesem weißblonden Schnösel gefunden hatte, der zu ihrer Schulzeit ein rassistisches, arrogantes Arschloch gewesen war.
„Hm...", machte Harry nur und ließ seine Hand auf Ginnys Schulter sinken, wo Ginnys Finger sie zärtlich umschlossen. Einen Moment lang sah Harry nachdenklich zu Ron hinüber, dann wandte ruhig ein:
„Ob du es glaubst oder nicht, Ron, aber in den vergangenen Jahren hat uns Draco keinen Grund gegeben, ihm seine Einstellungen vorzuhalten."
„Na ja...", sagte Ginny gedehnt und warf Harry einen vielsagenden Blick zu, der unverkennbar deutlich machte, dass die beiden nicht zum ersten Mal über Malfoy diskutierten. „Draco hat sich doch immer nur reserviert gezeigt."
Ron verzog daraufhin das Gesicht. Noch immer stieß es ihm unangenehm auf, dass Ginny und Harry wie selbstverständlich Malfoys Vornamen verwendeten. Dabei war Ron durchaus klar, dass für beide ein näherer Umgang mit dem weißblonden Zauberer durch Hermine natürlich unvermeidlich gewesen war. Doch für ihn würde der frühere Todesser immer nur Malfoy bleiben, das war sicher!
„Kann mich nicht erinnern, ihn mal ausgelassen erlebt zu haben", fuhr Ginny fort. „Es war, als wäre er ständig auf der Hut gewesen. Anfangs dachte ich ja noch, das gibt sich, aber..."
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, während Ron still, aber zufrieden konstatierte, dass sich offenbar keine enge Freundschaft zu Malfoy entwickelt hatte. Allein die Vorstellung... Ginnys nächste Worte rissen ihn aus seinen Gedanken:
„Selbst wenn Hermine von den politischen Themen ihrer Zeitung berichtet hat, hat er sich nie wirklich engagiert beteiligt. Wie willst du da gewusst haben, was er wirklich dachte?" Letzteres war erneut an Harry gerichtet.
„Ich glaube, er hat sich in unserer Gegenwart einfach nur gehemmt gefühlt", gab Harry zu bedenken, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. „Ging mir ähnlich. Ich habe mich auch mehr zurückgehalten, wenn er dabei war. Und das, obwohl sowohl Hermine auch du an meiner Seite wart."
Er warf seiner Verlobten ein liebevolles Lächeln zu und legte seine Hand dann sanft auf ihr Knie. „Bei Hermine und ihren Zeitungsleuten hatte er sich immerhin offener gezeigt."
Ginny sah ein wenig ertappt drein, zuckte aber nur gleichgültig mit den Schultern. Harry wandte sich daher wieder Ron zu.
„Über Berufliches konnte man sich durchaus gut mit ihm austauschen." Er lachte plötzlich leise. „Wenn mir das mal früher einer prophezeit hätte... "
Ron rollte mit den Augen, doch Harry fuhr in Richtung Ginny bereits augenzwinkernd fort: „Und nicht jeder interessiert sich für das, was das Ministerium macht, Gin."
Die Augen seiner Freundin funkelten entrüstet und sie richtete sich abrupt im Stuhl auf. „Wenn Hermine etwas erzählt hat, habe ich mich immer dazu geäußert!"
Ron konnte ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken. Typisch Ginny. Harry lachte nur und fügte gelassen hinzu:
„Draco hat sich meist non-verbal zustimmend verhalten, wenn wir diskutiert haben. Jedenfalls was die großen Linien anging. Und alles andere haben Hermine und er dann privat diskutiert. Du weißt doch, wie sehr sie den Diskurs liebt, Gin..."
Ein wenig schuldbewusst dachte Ron daran, dass es bei Hermine und ihm entweder handfesten Streit oder überwiegende Übereinstimmung gegeben hatte. Er hatte von ihrer Vorliebe für Wortgefechte gewusst, war diesen jedoch aus dem Weg gegangen, da er sich ihnen selten gewachsen gefühlt hatte.
„Hatte sie nicht bei unserem Ausflug erzählt, dass sich das erst kürzlich geändert hat?", ließ sich Harry weiter vernehmen. „Das ist vermutlich passiert, als Pennington die Geschäfte für Richards übernommen hat. Das hat ja leider bei einigen Leuten zu ... irritierendem Verhalten geführt."
Verständnislos schüttelte er den Kopf.
„Pah", machte Ron indessen und richtete seinen Zauberstab auf einen Schrank, in dem gekühlte Getränke standen. Schwachsinn! „Der hat euch doch all die Jahre nur etwas vorgespielt. Ihr habt euch von seinem zurückhaltenden Getue einlullen lassen."
Eine Flasche Kürbisspritz und drei Gläser schwebten langsam zum Tisch hinüber und ließen sich auf der Tischplatte nieder. Harry zog es vor, Rons Bemerkung unkommentiert zu lassen und schenkte ihnen allen ein Glas des Erfrischungsgetränkes ein.
Ginny hingegen äußerte in abschließendem Ton: „Wär möglich."
Verblüfft warf Ron ihr einen Blick zu, denn er war es gewohnt, dass ihm seine Schwester schon aus Prinzip widersprach. Harry hingegen betrachtete Ginny mit einem leichten Stirnrunzeln. Er machte allerdings keine Anstalten, das Thema Malfoy fortzusetzen, sondern nahm einen langen Schluck des orangefarbenen Saftes und sah dann gedankenverloren zum Fenster hinaus.
Ginny nutzte die entstandene, kurze Pause, um die kontroverse Unterhaltung endgültig zu beenden. Mit einem raschen Blick auf die Uhr stellte sie fest:
„Ron, ist es nicht jetzt schon hier siebzehn Uhr? Bevor das Spiel gegen die Tornados heute Abend beginnt, würde ich mich gern noch mal etwas frischmachen."
Ihr Ton war unverfänglich, aber das Tasten nach Harrys Hand, über die sie dann sanft mit ihren Fingern strich, sprach eine andere Sprache. Mit einem warmen Lächeln drehte sich Harry zu ihr um und erwiderte ihre unausgesprochene Aufforderung mit einem Gesichtsausdruck, der keine Worte benötigte. Verlegen ob des intimen Moments, dessen Zeuge er gerade wurde, beeilte sich Ron, Ginnys angedeutete Frage zu beantworten.
„Wir haben ein freies Zimmer für Besuch. Ihr könnt hier..."
Er räusperte sich, öffnete eine Tür zu seiner Rechten und wies mit einem Kopfnicken auf einen Raum, dessen Fenster einen Blick auf die Weite der Umgebung gewährte. Ein dunkler Streifen in der Ferne deutete auf den Beginn eines Waldgebietes hin, hinter dem sich dunstig-graue Hügelketten erhoben.
„Zum Bad geht es über den Flur, rechte Tür neben der Küche", erklärte Ron, die Augen bereits abgewandt, und hörte das Zurückschieben von Stühlen. Unter der spürbaren Wärme seiner Wangen zog er den Zauberstab aus dem Bund seiner Jeans und sorgte mit einem Schlenker seiner Hand für Ordnung auf dem Tisch. Ginny perlendes Lachen umfloss ihn und ihre nächste Bemerkung ließ Rons Kopf abrupt in ihre Richtung zucken.
„Du bist solo, oder, Bruderherz?"
Ihr freches Grinsen, das ihn irgendwie an George - und Fred – erinnerte, reichte von einem Mundwinkel zum anderen und ließ sofort Ärger in ihm aufwallen.
„Warum?", gab er gereizt zurück.
„Weil du wieder so schamhaft bist wie eine alte Jungfer", neckte Ginny ihn, längst dicht an Harry geschmiegt. „Wie immer, wenn du nicht in festen Händen bist."
„Lass ihn, Gin", schalt Harry liebevoll. Doch auch er konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, während seine Hand in unverkennbarer Absicht auf Ginnys Hüfte lag.
Ron schnaubte. „Verschwindet endlich aus der Küche und belästigt nicht andere Menschen mit eurem... Hormonüberschwang!"
Ginny kicherte nur und zwinkerte ihrem Bruder provozierend zu: „Ich sage nur – Lavender. Dagegen sind wir harmlos. Bis später!"
Lachend verschwand sie mit Harry im Gästezimmer, während Ron sich kopfschüttelnd abwandte. Er war doch nicht prüde!
An die Zeit mit seiner ersten Freundin Lavender, die wie eine Klette an ihm geklebt hatte, mochte er allerdings nur ungern zurückdenken. Nach dem ersten Gefühlsüberschwang war es ungemein anstrengend geworden. Und die kurzen Beziehungen, die er seit seinem Umzug in die USA eingegangen war, hatten ihm zwar Selbstbestätigung gegeben, waren aber nichts, was er als innige Partnerschaft hätte bezeichnen können.
Die Zeit mit Mine nach dem Krieg hingegen war schön gewesen. Sie hatten anfangs total harmoniert, in wirklich jeder Hinsicht... Ein zufriedenes Lächeln huschte über Rons Gesicht, als er sein Schlafzimmer betrat und sich an all die schönen Details ihrer Beziehung erinnerte. Bis ihre verschiedenen Interessen sie dann – leider – auseinandergetrieben hatten. Und Hermine ihren erfolgreichen Artikel veröffentlich hatte.
Ron seufzte und ließ sich auf sein Bett sinken. Sein Neid auf Mines Erfolg war wahrhaftig keine seiner Sternstunden gewesen. Genauso wenig wie sein Beharren darauf, Mine in die Rolle eines Hausmütterchens zu drängen, das so gar nicht zu ihr passte. Was eigentlich nicht wirklich überraschend gewesen war. Er hatte den räumlichen und zeitlichen Abstand zu Hermine benötigt, um zu erkennen, dass sein Verhalten nicht ganz unschuldig an ihrer Trennung gewesen war.
Denn mittlerweile war Ron klar geworden, dass er der Anerkennung durch andere damals einen viel zu großen Stellenwert in seinem Leben eingeräumt hatte. Er hatte immer das Gefühl gehabt, etwas Großes vollbringen zu müssen, um sich wertvoll fühlen zu können und es daher schlecht verwunden, wenn genau diese ersehnte Großartigkeit stattdessen den Menschen an seiner Seite zuteilwurde.
Doch das war nun lange her. Längst fand er in Amerika Befriedigung in dem, was er tat und nicht nur in dem Bild, das sich andere von ihm machten. Er hatte sich zwar mehr als ein Jahr lang in dem früheren Ruhm des Siegers über Voldemort gesonnt, doch dann hatte sich das Streben nach Anerkennung langsam, aber kontinuierlich abgeschwächt. In gleichem Maße, wie er seinen Wert bei der Planung und Durchführung von nationalen und internationalen Quidditchspielen erkannte. Vielleicht, dachte Ron und starrte auf den Zauberstab, mit dem seine Hände unablässig herumspielten, hatte ihm der Ruhm anderer stets den Blick dafür verstellt, was er selbst zu leisten imstande war und zwar nicht nur damals im Kampf gegen Voldemort, sondern auch im ganz normalen Alltagsleben. Der Wechsel nach Amerika war daher zweifellos die richtige Entscheidung gewesen.
Er hob schließlich den Kopf und wie magnetisch angezogen fiel sein Blick auf eines der gerahmten Fotos auf dem Regal, das er zu sich heranhexte. Es zeigte Harry, ihn und Hermine, ein paar Wochen nach dem Sieg über Voldemort, Arm in Arm und ausgesprochen glücklich und gelöst in die Kamera schauend. Ginny hatte das Bild gemacht, als sie alle vier gemeinsam einen kurzen Ausflug nach Irland unternommen hatten, kurz bevor Hermine mit dem Studium an der Twinkle begonnen hatte. Auf dem Bild war davon nichts zu sehen, aber Ron konnte sich noch gut daran erinnern, wie erschöpft Hermine von der ganzen Lernerei gewesen war, weil sie im Sommer den versäumten Schulstoff eines ganzen Jahres nachgeholt hatte, um den fehlenden Abschluss machen zu können.
Sie war schon echt beeindruckend mit ihrer Intelligenz und Entschlossenheit. Jemanden wie sie hatte Ron bisher kein weiteres Mal getroffen. So sehr ihm dies auch früher ab und an das Leben schwer gemacht hatte – es war unverkennbar, dass es ihn irgendwie zu starken Frauen hinzog. Das verhaltene Lächeln, das auf Rons Gesicht erschien, trug eine Spur Bitterkeit in sich. Er hatte es damals verbockt – es gab kein anderes Wort dafür. Hatte Mine als selbstverständlich angesehen in der Gewissheit, dass eine aus Freundschaft entstandene Partnerschaft für die Ewigkeit sein würde.
Mit einem leichten Zwicken in der Magengegend betrachtete Ron Hermines fröhliches Lachen, das aus dem Bild heraus jetzt direkt an ihn gerichtet zu sein schien. Der Wind war ihr ins Gesicht gefahren und hatte ihr offenes Haare zur Seite wirbeln lassen. Ihre Augen strahlten in der völligen Unbeschwertheit, die sie alle damals empfunden hatten, und weckten unvermittelt schöne Erinnerungen in Ron, die seinen Gesichtsausdruck weicher werden ließen.
Ja, Mine und er hatten verschiedene Interessen, aber es wäre nichts gewesen, was man nicht hätte überbrücken können. Wenn sie nur versucht hätten, ihre verschiedenen Erwartungen aneinander in Einklang zu bringen. Stattdessen hatte er bockig darauf beharrt, ein Lebensmodell zu führen, dass zwar für seine Eltern geeignet war, aber nicht für sie beide. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.
Doch er hatte seine Möglichkeiten damals nicht genutzt. Und jetzt...
Unvermittelt runzelte Ron die Stirn, als er zu realisieren begann, was Ginny ihm vorhin berichtet hatte: Mine hatte den Reinblutschnösel in die Wüste geschickt. Einen Moment lang sog er geräuschvoll die Luft ein. Vorsichtig legte er dann das Bild aufs Bett, stand auf und ging zum Fenster hinüber, wo er die angehaltene Luft langsam entweichen ließ.
Trotz der Entfernung hatten Mine und er ihre Freundschaft per Briefwechsel aufrechterhalten. Es musste Malfoy jedes Mal gewurmt haben, dachte Ron befriedigt und sah mit einem beinahe grimmigen Lächeln zu der Zypresse an ihrer Einfahrt hinüber. Dann jedoch zog er nachdenklich seine Augenbrauen zusammen. Konnte es nicht etwas bedeuten, dass sie trotz allem die ganzen Jahre regelmäßig Kontakt zueinandergehalten hatten?
Mit den Fingern fuhr sich Ron über die Lippen, die sich plötzlich ungemein spröde anfühlten, und starrte aus dem Fenster, ohne weiter darauf zu achten, was sich draußen tat. Wie das stete Ticken einer Uhr, das nicht zu überhören war, hallten in seinem Inneren nur die gleichen Frage wider:
Lag Mine noch genug an ihm, dass sie sich nach dem Umbruch in ihrem Leben einen Neuanfang vorstellen konnte? Würde sie ihm vielleicht eine zweite Chance geben? Und wenn ja – wollte er das?
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Ich traue mich kaum zu fragen - die Mehrheit der Leser sind wohl Dramione-Fans :D - aber glaubt ihr, dass eine Beziehung zwischen Ron und Hermine in der Zukunft (wieder) eine Chance haben könnte?
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