Harry drückte reflexartig beide Hände vor die Lippen, um sein Keuchen zu stoppen, und hielt dann die Luft an.
„Ich höre nichts", log Neville resolut.
Die Hexe starrte dennoch ein Weilchen so intensiv in das Dämmerlicht, als könne sie es mit ihrem Blick durchdringen. Schon bald wurde es Harry schummerig vor Augen, als der Drang nach Luft immer stärker wurde. Endlich setzte die Hexe mit einem missmutigen Schnauben ihren Weg fort und vorsichtig nahm Harry schließlich geräuschlos den ersehnten Atemzug. Neville presste die Daumen seiner Hände so fest zusammen, als wollte er sie zerquetschen, und folgte der Wächterin in langsameren Schritten, denen Harry unter seinem Umhang jetzt leichter folgen konnte.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der Neville stets weitere Plateaus begutachtete und hier und da sein Wohlwollen kundtat. Indessen wuchs die Verzweiflung in Harry. Merlins Bart, wo waren bloß die Gefangenen untergebracht? Sie mussten doch schon recht hoch sein. Wieso sahen sie nirgendwo Gefängniszellen? Warum waren keine Stimmen zu hören? Er hatte den Lageplan genau vor Augen und er wusste, dass sie sich hier hätten befinden müssen... Die Angst um Ginny schnürte ihm beinahe die Luft ab.
Unvermittelt war die Gefängniswächterin stehengeblieben und gebot Neville mit unmissverständlicher Geste erneut um absolute Ruhe. Harry spähte an beiden vorbei den mittlerweile breiter gewordenen Gang entlang nach vorne. Und dann sah er es: ein blauschimmerndes Licht in der Form eines Pferdes glitt mit einem Mal langsam auf sie zu. Ginnys Patronus! Ohne darüber nachzudenken, was er tat, hob Harry seinen Zauberstab und intonierte einen stummen Schockzauber. Mit einem leisen Schnaufen sackte die Wächterin vor ihnen auf den Boden.
„Ginny!" brüllte er dann unbeherrscht, während sich die pure Erleichterung in ihm ausbreitete. Unter Außerachtlassung jeglicher Vorsicht riss er seinen Unsichtbarkeitsmantel von sich und stürzte an Neville vorbei auf die rothaarige Hexe zu, die nun im Gang sichtbar wurde.
„Harry!" Ginnys erleichterter Aufschrei war nicht weniger laut, als sie ihm entgegenrannte.
Und dann gab es für Harry nichts anderes mehr für als Ginnys bebenden Körper an sich zu ziehen, ihren Herzschlag an seiner Brust zu spüren und mit seinen Händen durch ihre Haare zu fahren, als müsse er sich vergewissern, dass sie es wirklich war. Einen Augenblick später hob Ginny den Kopf, den sie an seiner Schulter vergraben hatte, und neigte ihm ihr Gesicht entgegen. Ihre Wangen waren nass von Tränen. Doch dies war nichts gegen das Strahlen in ihren braunen Augen und das wunderschöne Lächeln, das zum Glück so gar nicht den grauenhaften Vorstellungen ähnelte, die sich Harry von ihr im Angesicht der Dementoren gemacht hatte.
Er küsste ihre salzigen Lippen mit der Intensität eines Verdurstenden, spürte, wie sich ihre Zunge zart in bekannter Weise mit der seinen vereinte und empfand nichts anderes als überschwängliches Glück darüber, sie endlich wieder in seinen Armen halten zu können.
Bis sie sich gezwungenermaßen zum Luftholen voneinander lösen mussten und Harry wieder einfiel, was ihn die ganze letzte Woche bewegt hatte.
„Gin, ist das wahr?" Er schob seine Verlobte leicht von sich, um sie überwältigt ansehen zu können. „Wir bekommen ein Kind?"
Ginny konnte nur wortlos nicken. Und wenn sie auch eben schon hinreißend gelächelt hatte, so schien sie nun von innen heraus zu strahlen, stärker noch als jede Sonne es vermochte.
„Merlins..."
Die weiteren Worte blieben Harry im Hals stecken, als sich ein Glückgefühl in seiner Brust ausbreitete, so groß, dass er meinte, er müsse vor lauter Freude schier platzen. Mit dem Schwung der Begeisterung hob er Ginny kurz von ihren Füßen und ließ sie dann sanft wieder hinunter. Erneut trafen sich ihre Lippen und nie war ihm ein Kuss süßer erschienen als jetzt, in dem Bewusstsein, dass sich zu ihrer Liebe das größte Geschenk gesellt hatte, das es gab.
Fast unwillig registrierte er die Hand auf seiner Schulter und die sie begleitenden Worte, die ihn jäh zurück in die Realität holten.
„Ich störe ungern eure Wiedersehensfreude, aber wir sollten unser Glück nicht überstrapazieren", warnte Neville und warf einen kritischen Blick auf die Gefängniswächterin, die sich leicht zu regen begann. In wortloser Übereinstimmung intonierten Ginny und Harry gleichzeitig voller Nachdruck:
„Stupor!"
Die rotgekleidete Gestalt erhob sich wenige Zentimeter, knallte dann wieder auf den Boden und rührte sich nicht mehr.
„Neville hat Recht", hauchte Ginny dann besorgt. „Ich weiß nicht, wann die Heilerin wieder erwacht, die ich in meiner Zelle außer Gefecht gesetzt habe." Sie blickte umher. „Zwar ist hier normalerweise alles hinter den dicken Mauern schallisoliert, aber oben ist die Mauer fort und damit vielleicht auch die Isolation..."
Harry begriff sofort, was seine Freundin meinte und wurde unvermittelt bleich.
„Das heißt, hier hinter den Mauern sind überall die Gefängniszellen?!" Bei der Vorstellung eines vollständig nur von Gestein umgebenen gruftartigen Raumes wurde ihm beinahe schlecht.
Ginny schien seine Gedanken zu lesen. „Es gibt große Fenster zum Meer hin, Harry", sagte sie leise und fasste nach seiner Hand. Doch Harry spürte kaum ihre Finger. Unvermittelt stellten sich ihm die Nackenhaare auf und ihm war, als spüre er in seiner Erinnerung das Echo eines Schreies... Auch Neville und Ginny waren unruhig geworden. Alarmiert sah Harry umher, bemerkte Ginnys verschwundenen Patronus und die silbrige Wolke, die den gestaltlichen Patronus der bewusstlosen Wächterin ersetzt hatte, und begriff.
„Expecto Patronum!"
Majestätisch trabte das bläulich schimmernde Abbild eines Hirsches heran und sofort schien sich der unsichtbare Schleier der bedrückenden Stimmung zu heben.
„Sorry, Harry", murmelte Neville betreten, der den Zauberstab der Wächterin in den Händen hielt. „Nur mit meinem eigenen Zauberstab kriege ich mittlerweile einen gestaltlichen Patronus hin. Das war immer schon meine Achillesferse. "
„Schon gut", winkte Harry ab und tastete auf dem Boden nach seinem Umhang, den er Ginny dann zuwarf.
„Hier, versteck dich darunter. Ich möchte kein Risiko eingehen."
„Aber du wirst ebenfalls...", begann Ginny zu protestieren.
„Gin!" Harry sah seine Freundin beschwörend an. „Wenn die Heilerin, die du überwältigt hast, Alarm schlägt, wen suchen sie dann wohl als Erstes?"
„Harry hat Recht", unterstützte ihn Neville. „Und außerdem trägst du dazu jetzt noch ein Baby unter deinem Herzen. Glückwunsch, übrigens."
„Danke, Neville", gab Ginny mit überraschend schimmernden Augen von sich und seufzte anschließend. „Okay, überzeugt."
Sie entzog Harry ihre Hand und warf sich den Mantel über. Sofort war nichts mehr von ihr zu sehen und Harry verspürte unvermittelt leichte Wehmut darüber, Ginny schon so rasch wieder loslassen zu müssen. Neville bückte sich derweil und zog den Azkabanumhang unter der bewusstlosen Hexe hervor.
„Sicher ist sicher", sagte er und warf ihn sich über die Schultern. Ungeachtet der Ernsthaftigkeit ihrer Lage musste Harry leicht schmunzeln. Neville war so groß, dass der Umhang der Hexe bereits oberhalb seiner Knie endete. Dann riss er sich zusammen, denn es wurde wirklich allerhöchste Zeit zu gehen. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich.
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Mit Harry an der Spitze begannen sie den Weg zurück ins Freie. Neville warf noch einen besorgten Blick auf die bewusstlose Wächterin, bevor er sich umwandte, um seinem Freund mit einigem Abstand zu folgen, damit Ginny zwischen ihnen gehen konnte. War es vernünftig, die Wächterin hier liegenzulassen? Wenn sie nun erwachte und Neville nicht mehr an ihrer Seite vorfand?
Andererseits wäre es überaus mühevoll gewesen, sie mit sich zu nehmen, selbst auf magische Weise. Harrys und Ginnys Zauberstäbe wurden benötigt, um zum Schutz gegen Dementoren zwei Patroni aufrechtzuerhalten. Für eine gegebenenfalls notwendig werdende schnelle Verteidigung stand daher nur noch sein eigener Stab zur Verfügung, so dass man ihn nicht mit anderen Aufgaben beschweren sollte... Und mit etwas Glück würden sie ohnehin rasch verschwinden können. Dennoch hatte Neville ein ungutes Gefühl im Magen.
„Wie ist es euch gelungen, zu zweit hierherzukommen?", wollte Ginny flüsternd wissen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ihre Stimme aus dem Nichts heraus zu hören, ohne sie sehen zu können.
„Thestral", gab Harry ebenso leise zurück, ohne sich umzudrehen. „Einzelheiten erzähle ich, wenn wir in Nevilles Gewächshaus in Sicherheit sind."
Zügig schritt er den Gang entlang. Im bläulichen Licht der Patroni sah seine Gestalt ungemein geisterhaft aus. Der Tritt seiner Turnschuhe war es jedoch nicht. Genauso wie bei Ginny und Neville verursachte sein schnelles Gehen ein leichtes Pochen auf dem steinernen Boden.
„Silencio!" intonierte Neville leise und ihre Schritte verstummten, als hätte man eine Decke über sie gebreitet. Die vollkommene Stille, die sich nun dadurch auf sie herabsenkte, empfand Neville trotz der Sicherheit, die sie bot, als irgendwie beängstigend. Und er verspürte ein Gefühl der Beklemmung, wenn er daran dachte, dass sich hinter den Steinmauern zu beider Seiten des Ganges Gefangene befanden. Azkaban hatte trotz der letzten Jahre nichts von seiner Grausamkeit verloren.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis sie endlich die Treppen erreicht hatten, stets mit gespitzten Ohren auf jedes Geräusch lauschend. War es normal, dass sie niemandem begegneten? Verließ man sich tatsächlich allein darauf, dass die Dementoren eine Flucht verhindern würden?
„Stütz dich auf meiner Schulter ab!", raunte Harry plötzlich und sah mit einem unverkennbar besorgten Blick auf die Stelle, an der er Ginny vermutete. Diese ließ ein unterdrücktes Schnauben hören.
„Ich bin weder verletzt noch fußkrank, Harry. Und auch nicht so schwach geworden, dass ich nicht eine Treppe hinuntergehen könnte", hörte Neville sie erwidern. Harry verdrehte leicht die Augen, konnte jedoch ein Lächeln nicht ganz unterdrücken.
„Ist aber steil hier und es gibt kein Geländer", warnte er dann leise und den Bruchteil einer Sekunde später erschien eine Woge roten Haares. Ginnys Kopf schien zu Harry hinüberzuschweben.
„In Ordnung, Harry", sagte sie dann ungemein sanft und drückte ihm rasch einen Kuss auf die Lippen, bevor sie wieder vollständig unter dem Unsichtbarkeitsmantel verschwand. Unvermittelt streifte Neville die Erinnerung an Luna, mit der er einige Zeit mal zusammengewesen war. Was sie jetzt wohl machte?
Inzwischen hatte Harry begonnen, langsam die Treppe hinabzusteigen. Ginnys Finger lagen auf seiner Schulter wie das merkwürdige Accessoire einer amputierten Hand, die man dort festgeklebt hatte. Vorsichtig glitten Nevilles Finger auf der Suche nach Halt die steinerne Wand entlang, über Grasbüschel und kleine Spalten hinweg. Je weiter sie sich von den Gängen zu den Zellen entfernten, desto deutlicher waren wieder die Geräusche von draußen zu hören, wenngleich das Tosen der Wellen nur dumpf durch die Felswand klang. Trotzdem gelang es der Banalität dieser Geräuschkulisse, Nevilles angespannte Nerven ein wenig zu beruhigen.
Nur wenig später hatten sie den sandigen Erdboden erreicht, der das Ende ihrer Treppe markierte. Der Gang war nun so schmal, dass sie lediglich hintereinander stehenbleiben konnten. Eine schwach flackernde Fackel beleuchtete das dunkle massive Holz einer schweren Tür, die nicht einen Schimmer Tageslicht vorbeiließ. Die kleine Flamme verband sich mit dem Glimmen der Patroni zu einer gedimmten, schaurig anmutenden Helligkeit.
„Wo ist der Thestral, Harry?", wisperte Neville.
„Direkt neben dem Eingangsbereich, in einer kleinen Nische, wo keine Fenster sind", raunte Harry zurück.
„Das heißt, wir müssen über den freien, einsehbaren Platz gelangen", konstatierte Neville ruhig, ohne dass man die Beklommenheit heraushören konnte, die ihn erfasst hatte.
Harry runzelte die Stirn und gab zu: „Ging leider nicht anders."
„Psst!", zischte Ginny plötzlich. „Stimmen."
Und nun hörte Neville es auch. Direkt auf der anderen Seite der Tür waren die Laute zweier Leute zu hören, ohne dass er die genauen Worte ausmachen konnte. Der Schrecken fuhr Neville in die Glieder, denn es gab keine Möglichkeit, sich hier in der Enge des Ganges zu verstecken. Er handelte daher instinktiv und hauchte, noch bevor Harry etwas sagen konnte:
„Ich lenke sie ab."
Harrys Gesicht war trotz des Dämmerlichts sichtbar blass geworden, aber er nickte knapp und schloss seinen Mund wieder. Eine Sekunde später hatte er die Farbe der Umgebung angenommen und war daher nicht mehr zu sehen. Neville spürte Ginnys und Harrys Körper, als er sich mühsam an ihnen vorbeizwängte, dann drückte er mit einem kräftigen Ruck gegen das massive Holz und schob es weit auf.
Ein breiter Lichtstrahl fiel in den Gang hinein und rasch trat Neville nach draußen in den schmalen Schatten der nun offenstehenden Tür. Einer der beiden Personen war ein Wächter aus Azkaban, jedoch glücklicherweise weder derjenige, der Neville zur Festung begleitet hatte noch der, welcher Nevilles Zauberstab in Verwahrung genommen hatte. Mit klopfendem Herzen sah Neville direkt in dessen überraschtes Gesicht. Dann registrierte der Wächter im Halbdunkel den Azkabanumhang, den Neville sich übergeworfen hatte, und nickte ihm knapp zu, bevor er fragte:
„Hast du die Heilerin gesehen? Die Alte hier...", er warf einen abfälligen Seitenblick auf die weißhaarige Frau an seiner Seite, „...behauptet, ihr Sohn hätte eine Lungenkrankheit."
Die Hexe, die ein dickes grünes Band durch ihre langen Haare gezogen hatte und ein bodenlanges pinkfarbenes Kleid trug, das im Brustbereich und an den Säumen grün abgesetzt war, reagierte mit einem entrüsteten Blick und zischte:
„Wenn der Dunkle Lord noch leben würde, würde er schon dafür sorgen, dass Sie Ihre Respektlosigkeit bitter bereuen."
„Halt's Maul!", parierte der Wächter ungerührt. „Oder willst du, dass die Dementoren ihr Nachtlager vor der Zelle des Abschaums aufschlagen, der dein Sohn ist? Vielleicht möchtest du ihm auch Gesellschaft leisten?"
Die Hexe hielt sich nun mit weiteren Worten zurück, aber ihr Blick hätte töten können.
„Nun?", wandte sich der Wächter gereizt an Neville.
Darauf hoffend, dass es Harry und Ginny mittlerweile gelungen war hinauszuschlüpfen und mit der Erinnerung an die Stufen, die von hier aus auch in die Tiefe führten, log Neville unverblümt:
„Sie ist bei einer der Zellen weiter unten."
Sein Gegenüber machte eine Handbewegung, die wie ein Salut anmutete, dann schob er die alte Hexe ohne große Rücksichtnahme vor sich in den Gang hinein. Neville hielt den Atem an, aber weder Flüche noch Zaubersprüche oder keifende Worte waren zu vernehmen. Lediglich die Tür knallte Sekunden später zu. Neville schloss kurz die Augen und atmete hörbar aus.
„Klasse, Neville!", hörte er dann Ginnys anerkennende Stimme aus dem Nichts. Aber was nun? Er konnte hier ja jetzt nicht so tatenlos stehenbleiben, das würde bald auffallen. Als hätte Harry seine Gedanken gehört, entschied dessen Stimme:
„Geht wieder rein, ihr beide. Ich hole den Thestral."
„Harry, warte...!", vernahm Neville Ginnys geisterhafte Worte, doch Harry antwortete schon nicht mehr.
„Merlin..." Ginnys frustrierter Ausruf schwebte durch die Luft. „Er kann nicht gleichzeitig den Unsichtbarkeitszauber aufrechterhalten und einen Patronus bewirken."
Langsam zog Neville die Tür wieder auf, nachdem er sich vergewissert hatte, dass drinnen nichts als Stille auf sie wartete. Eine leichte Gänsehaut überzog seinen Körper und eine unwillkommene Unruhe umfing ihn. Es war nicht vernünftig, dass sie sich getrennt hatten. Sie wären besser zusammengeblieben...
„Ich bleibe draußen vor der Tür, okay?", fragte Ginnys körperlose Stimme, doch auch ihrem Ton war etwas anzuhören, was eben noch nicht dagewesen war.
Neville blieb stehen, hielt die Tür mit einer Hand und drehte sich um.
„Dein Patronus ist dann sichtbar", gab er wispernd zu bedenken. „Und ohne sollten wir hier nicht länger..." Merlin, das war wohl schon der Einfluss der Dementoren, den er jetzt spürte. Denn mit jedem Augenblick, der verging, spürte er die Nervosität in sich wachsen und die Zweifel stetig zunehmen.
Ginny schwieg zu seinen Worten, aber gleichzeitig mit dem silbernen Nebel, der seinem geliehenen Zauberstab entwich, materialisierte sich wieder das bläulich schimmernde Pferd vor ihnen.
„Rasch rein jetzt! Ich folge dir", raunte Neville und spürte, wie sich Ginny an ihm vorbeidrückte, bevor er anschließend die Tür langsam wieder schloss. Bis auf die Helligkeit ihrer Patronuszauber und die noch immer schwach funkelnde Fackel standen sie in Düsternis.
„Wir sollten zumindest die Tür ein wenig offen...", begann Ginny und verstummte dann, offenbar einsichtig genug, die darinliegende Gefahr zu erkennen. Sie unterdrückte ein Geräusch, das sich wie ein Schluchzen anhörte. „Wenn Harry nun etwas da draußen auf dem freien Platz passiert...."
Ihr Körper quetschte sich auf einmal an Neville vorbei, begleitet von einem resoluten „Ich kann ihn da nicht alleine lassen!"
„Ginny!", entfuhr es Neville entsetzt und instinktiv griff er nach etwas, das seine Hände zu fassen bekamen. Doch es war nur der Unsichtbarkeitsmantel, der daraufhin ein Stück weit von Ginny herabfiel, so dass im Licht der sich öffnenden Tür ein Teil ihres Kopfes sichtbar wurde.
Sie drehte sich um, einen entschlossenen Ausdruck im Gesicht. „Lass mich, Neville! Ich muss wissen, was da draußen vor sich geht."
Mit einem Ruck entzog sie den glatten Stoff seiner Hand und verschwand wieder vollständig darunter, während die Tür nun einen Spaltbreit offenstand, groß genug, dass jemand Schmächtiges hindurchschlüpfen konnte. Neville biss auf seinen Lippen herum, aber anders als eben war er in der Lage, seine Sorge in Schach zu halten. Konzentriert blickte er durch den Spalt nach draußen auf den Hof, der mittlerweile sonnenüberschienen vor ihnen lag. Die vorigen Wolken waren verschwunden. Keine Menschenseele war zu sehen. Neville sah hinauf in das schmale Stück Himmel, das von hier erkennbar war und nicht die Spur eines Dementoren aufwies. Somit kam ihr Einfluss offenbar von innerhalb der Felsen. Gut für Harry. Seine Hand krampfte sich um seinen Zauberstab. Hoffentlich ging alles gut!
Das Schweigen wurde lang und länger, lediglich ab und an unterbrochen von einem gepressten Einatmen seitens Ginny. Schweiß lief Neville den Rücken hinab. Und dann bewegte sich auf einmal etwas in ihre Richtung...
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