Kapitel 38
Mit einem Schlenker seines Zauberstabs beseitigte Draco die umherliegenden Glasstücke und reinigte die Wand. Den tiefroten Fleck auf dem Boden ließ er zurück. Als Mahnung, sich nie wieder intensiv auf jemanden einzulassen. Dann zog er entschlossen eine weitere Flasche Rotwein aus dem Gestell und trat den Weg zurück nach oben an.
Die frühere Nervosität war verschwunden. Ungeachtet allem, was passiert war, gab es nur noch einen Weg. Er würde ihnen schon zeigen, dass es ein Fehler war, Draco Malfoy zu unterschätzen! Mit durchgestrecktem Rücken trat er hinaus auf die Terrasse und nahm nur wenige Minuten später die wohltuende Wärme der Sonne auf seinem Gesicht wahr.
Unter den vorüberziehenden Wolken wechselte der See kontinuierlich seine Farbe, von einem leuchtenden Türkis zu einem blassen Blaugrau, und ab und an brachte eine leichte Windböe die Oberfläche zum Kräuseln. Hoch über Draco hinweg flogen vereinzelt Vögel vorbei und ein plötzliches Plätschern kündete davon, dass ein Reiher oder Seeadler eine Beute im Wasser erspäht hatte.
„Mr. Malfoy, ihr Besuch ist da und erwartet Sie im Salon", verkündete Simon in seinem Rücken. Mit einem Lächeln wandte sich Draco um und nichts in seinem Gesicht verriet den vorigen Gefühlsausbruch im Keller. Mit der Leichtigkeit jahrelanger Gewohnheit hatte er eine Emotionslosigkeit übergestreift, wie man ohne nachzudenken in einen alten, liebgewordenen Mantel schlüpft.
„Danke, Simon."
Mit geübtem Griff schloss Draco den Kragen seines dunkelgrünen Hemdes und begab sich mit entschlossenen Schritten ins Innere seines Hauses. Der Tritt seiner Schritte auf dem Parkett sorgte dafür, dass sich ihm sofort die Gesichter seiner Besucher zuwendeten, sobald er den Salon betrat.
„Mutter. Vater." Draco neigte leicht den Kopf zur Begrüßung und trat lächelnd auf sie zu. „Wie schön, dass ihr Zeit gefunden habt."
„Draco." Narcissas Gesicht leuchtete ihm mit einer Wärme entgegen, von der er sich wünschte, sie öfter in seiner Kindheit gesehen zu haben.
Nahezu gleichzeitig nahm sie die perlmuttschimmernde Schale zu seiner Rechten wahr, in die Draco wortlos seinen dunklen Zauberstab gleiten ließ, ohne seine Eltern aufzufordern, es ihm gleichzutun. Ein kurzer, anerkennender Schimmer flog über Narcissas Gesicht. Schweigend entnahm sie der Handtasche ihren eigenen Zauberstab und legte ihn ebenfalls sachte in die Schale.
Anschließend warf sie ihrem Mann einen stummen, doch unverhohlen auffordernden Blick zu. Lucius ließ ein paar Sekunden verrinnen, die Draco wie eine Ewigkeit vorkamen. Dann zog auch er betont langsam seinen Zauberstab hervor und ließ ihn mit einem leicht dumpfen Geräusch in die bereitgestellte Schale fallen.
Das Erscheinen von Dracos Butlers unterbrach die leichte Anspannung, die sich im Salon breitgemacht hatte. „Ein Aperitif, Ma'am? Sir?"
Narcissa musterte den Butler ein wenig von oben herab und nickte dann kühl, während sich Lucius' Mundwinkel amüsiert zu kräuseln begannen. Auf einen Wink von Simons Zauberstab verließen zwei der Kristallgläser das Tablett und verharrten vor den beiden Magiern, bis diese die Gläser an sich nahmen. Draco hingegen griff selbst nach dem verbliebenen Glas.
Ihm war der abschätzende Blick seiner Mutter nicht entgangen, die für die fehlende Anwesenheit von Hauselfen offenbar wenig Verständnis hatte. Sie verzichtete jedoch auf einen entsprechenden Kommentar und lobte stattdessen mit sanft klingender Stimme:
„Ein überaus schönes Anwesen, Draco. Es setzt deinen Erfolg und Reichtum gekonnt in Szene. Wir sind sehr stolz auf dich, nicht wahr, Lucius?"
Sie und ihr Mann tauschten einen kurzen Blick miteinander, woraufhin Lucius mit einem einnehmenden Lächeln bestätigte:
„Absolut. Es ist überaus eindrucksvoll, was dir in nur wenigen Jahren gelungen ist, Draco. Wie ich dir, glaube ich, schon bei meinem ersten Besuch hier kundtat." Mit einem Blick auf den Aperitif in seiner Hand fügte er mit leichtem Spott hinzu:
„Wobei ich mich heute deutlich willkommener fühle..." Betont nahm er einen langen Schluck, während Draco spürte, wie verlegene Röte in seine Wangen kroch.
„Du hattest mich da überrascht, Vater", lieferte er eine Erklärung, die selbst in seinen eigenen Ohren ein wenig dürftig klang. Mit einer einladenden Gebärde deutete er auf die Sitzmöbel am Fenster. „Setzt euch, bitte."
„Hmhm", machte Lucius leise und beobachtet seinen Sohn unverwandt, während er sich neben Narcissa auf dem edlen Ledersofa niederließ, die Hand wie immer auf seinem Spazierstock ruhend. „Möglicherweise... war dir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, was dir jetzt bewusst ist. Dass der Bestand deines Unternehmens davon abhängt, inwieweit du zur Zusammenarbeit bereit bist. Woran ich, ehrlich gesagt, gerade ein bisschen zweifle..."
Draco war keinesfalls überrascht über das Misstrauen seines Vaters, das er seinen eigenen, unüberlegten Worte zuzuschreiben hatte. Aus nichts weniger als dem Grund, Lucius vom Gegenteil zu überzeugen, hatte er heute seine Eltern zum Essen eingeladen. Er bemühte sich daher um einen entspannten, heiteren Gesichtsausdruck, während er gegenüber seinen Eltern Platz nahm, und erwiderte mit äußerlicher Lässigkeit:
„Ich gebe zu, dass ich anfangs ein wenig zu reserviert gegenüber deiner Idee war, Vater. Wie du weißt, haben mir frühere Erfahrungen die Beschäftigung mit der Politik ein wenig, sagen wir mal, verleidet. Ich bin dir jetzt jedoch überaus dankbar, dass du mich mit Albert bekannt gemacht hast."
Er nahm einen Schluck von seinem Aperitif und setzte ein enthusiastisches Lächeln auf.
„Seine Worte waren überaus motivierend. Genauso wie seine Persönlichkeit. Er ist genau der Richtige, um den alten Werten wieder Geltung zu verschaffen."
Erneut nahm Draco einen Schluck und registrierte zufrieden die perfekte Mischung aus Süße und erfrischender Bitterkeit. Lucius hingegen lehnte sich im Sofa zurück, legte einen Arm breitschulterig über die Rückenlehne und lachte leise. Es war deutlich, dass Dracos Worte ihn nicht zu überzeugen vermocht hatten.
Unvermittelt wallte Ärger in Draco auf. Wie immer ließ sein Vater keine Gelegenheit aus, ihn seine Überlegenheit spüren zu lassen. Dabei war er, Draco, es gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Lucius begnadigt worden war. Dank des Zauberspruches, den er entwickelt und dann dem Ministerium zur Anwendung überlassen hatte. Zusammen mit einer nicht geringen Summe an Galleonen.
Mit der Erkenntnis, dass eine entsprechende Erinnerung an dieser Stelle nicht zielführend war, verzichtete Draco allerdings zähneknirschend auf einen Kommentar.
„Worüber sprachen wir gerade?", begann Lucius aufgeräumt und schlug die Beine übereinander. „Ach ja, über deinen Erfolg, Draco. Ich muss sagen, dass du dich trotz des schändlichen Einflusses dieses Schlammblutes damit als wahrer Malfoy erwiesen hast."
Ohne dass das Lächeln aus Lucius' Gesicht wich, bekam der Blick seiner Augen nun jedoch etwas Lauerndes. Draco widerstand der Anwandlung, seinen Kopf zu senken. Stattdessen begegnete er dem Misstrauen seines Vaters mit demonstrativer Offenheit und ließ ein leichtes, entschuldigendes Lächeln um seine Mundwinkel spielen.
„Es war eine Geschmacksverirrung, mehr nicht", gab er mit fester Stimme zu. „Vielleicht der Reiz des Verbotenen..."
Seine Mutter hob ihre fein zirkulierten Augenbrauen. „Ich hätte dich für zu erwachsen für solch eine kindische Trotzreaktion gehalten...", übte sie milde Kritik. „Ehrlich gesagt, hatte ich angenommen, vielleicht sogar gehofft, dass dich dieses Schlammblut mit einem Liebeszauber verhext hat."
Draco widerstand der Versuchung, den einfachen Weg zu wählen. „Ich habe einen Fehler begangen, mich mit dieser widerwärtigen Hexe Granger einzulassen", erklärte er kategorisch und ließ die nachfolgenden Worte mit einer Schnelligkeit über seine Lippen rollen, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich zum Vorschein kommen zu können. „Aber ich habe daraus gelernt. Vielleicht war es notwendig, am eigenen Leibe zu spüren, wie missgünstig das Verhalten von Schlammblütern ist."
Er seufzte schwer und schüttelte den Kopf.
„Gewisse... Erfahrungen jedenfalls haben mich jetzt eines Besseren gelehrt." Er warf seiner Mutter einen entschuldigenden Blick zu und ergänzte dann, an seinen Vater gewandt, knapp: „Du wirst verstehen, dass ich mit Rücksicht auf Mutter hier nun nicht weiter ins Detail gehen werde."
Dracos Gesicht verzog sich dabei zu einer angewiderten Grimasse, die Lucius ein wohlwollendes Schmunzeln entlockte.
„Nun, es freut mich natürlich, dass du nun auf den richtigen Weg zurückgefunden hast", gab sein Vater gedehnt von sich und strich mit seiner Hand über den Schlangenkopf seines Spazierstockes. „Lang genug hat es ja gedauert. Verrate uns nur noch eines, Draco..."
Abrupt beugte sich Lucius ihm entgegen und starrte Draco so intensiv an, als könne er direkt in dessen Herz hineinblicken. Der Ton des Seniors war mit einem Mal eisig:
„Wie konntest du nur auf die anmaßende Idee kommen, Albert zu bitten, für den Schutz dieses heimtückischen Schlammblutes zu sorgen? Abstoßende Subjekte wie sie gehören schnellstens eliminiert. Oder nicht....?"
Die in Lucius' letzten beiden Worten liegende Drohung war unüberhörbar. Ohne einen Moment zu zögern, erwiderte Draco voller Vehemenz:
„Du hast Recht! Es hat es leider viel zu lange gedauert, dies zu erkennen und dann die Konsequenzen zu ziehen."
Er atmete tief ein und ergänzte dann ein wenig ruhiger:
„Doch dadurch habe ich zumindest genug Zeit mit dieser infamen Hexe verbracht, um zu erkennen, dass sie genau wie die schändlichen Muggel nur danach trachtet, unsere reinblütige Gesellschaft mit dem Gerede von Toleranz und Demokratie zu vergiften."
Mit leichtem Erstaunen registrierte Draco die Mühelosigkeit, mit der die lange nicht mehr verwendeten Worte über seine Lippen glitten. Indessen griff Narcissa impulsiv nach seiner freien Hand und drückte sie. „So kenne ich meinen Sohn", konstatierte sie mit einer Bewegtheit, die ihrem Gesicht ein glückliches Strahlen verlieh und ihm jedwede Zurückhaltung nahm.
„Beeindruckende Worte, Draco", ließ sich auch Lucius anerkennend vernehmen und sank zurück in die Polster, ohne dabei jedoch seinen prüfenden Blick zu verlieren.
„Wärst du denn auch bereit, ihnen Taten folgen zu lassen?"
Eine Sekunde lang schloss Draco die Augen. Was genau meinte sein Vater damit? Dann schob er jedoch seine Schulterblätter nach hinten und versicherte mit Nachdruck:
„Selbstverständlich!"
Selbstbewusst hielt er dem Blick seines Vaters stand und erläuterte dann kühl:
„Und was meine Bitte angeht: natürlich hat es einen Grund, dass ich Albert um Schutz für Granger gebeten habe. Ich kenne sie. Ich weiß, dass sie dazu neigt, alles was ihr durch den Kopf geht, über ihre Artikel in die Welt hinauszuposaunen. Sie kann gar nicht anders."
Er ließ ein verächtliches Schnauben hören und fuhr mit eiskalter Stimme fort:
„Dadurch erhalten wir unschätzbar wertvolle Informationen über unsere Gegner. Es ist daher wichtig, dass wir uns diese Möglichkeit erhalten. Es wird völlig ausreichen, die anderen maßgeblichen Zeitungen so zu beeinflussen, dass niemand mehr ihren verleumderischen Einflüsterungen Glauben schenken wird."
Die Reaktion von Lucius kam nun unvermittelt. Er stellte seinen Aperitif ab und klatschte mit Nachdruck drei Mal in die Hände.
„Hervorragend, Draco. Du wirst wie erwartet ein echter Gewinn für uns sein. Wie es von einem Malfoy auch nicht anders zu erwarten ist."
Erneut griff der ältere Malfoy nach seinem Glas und streckte es auffordernd in die Höhe, bis Draco und Narcissa sich ihm anschlossen. „Mögen die alten Werte unverzüglich zu neuem Glanz erstrahlen!"
Ein heller, nachhallender Klang erfüllte den Salon, als die drei Gläser sich berührten. Ein selbstgefälliges und arrogantes Lächeln spiegelte sich auf Lucius' Zügen, als er seinem Trinkspruch noch um einen Satz ergänzte:
„Auf die Abschaffung von Gesetzen, die der magischen Gesellschaft nur Fesseln auferlegen!"
Sein siegesgewisser Blick galt als erstes seiner Frau und glitt dann wieder zu seinem Sohn hinüber. Ohne ein einziges Mal zu zucken blickte Draco in die funkelnden Augen seines Gegenübers, die den seinen so glichen, und ergänzte dann einen Augenblick später nachdrücklich:
„Und auf einen erfolgreichen Kampf gegen alle, die sich uns entgegenstellen!"
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Hallo zusammen,
mich würde mal interessieren: habt ihr mit dieser Entwicklung gerechnet?
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