Kapitel 37
Draco kannte das Cafe, in das Hermine ab und an ging, wenn sie sich nicht direkt von der Arbeit über das Flohnetzwerk nach Hause begab, und er setzte darauf, dass sie auch jetzt an dieser Routine festhielt. Oft genug hatte sie von diesem kleinen Platz in Greenwich geschwärmt, unter einer Kastanie direkt am Ufer der Themse, wo es am späten Nachmittag ruhig wurde und sie perfekt entspannen konnte. Es handelte sich zudem um eines der wenigen Cafes, die dieses Muggelgetränk anboten, das Hermine so liebte.
Die Abgeschiedenheit und gleichzeitige Öffentlichkeit würde der perfekte Ort sein, um mit Hermine zu sprechen. Ihr zu enthüllen, was gerade vor sich ging und ihr damit etwas in die Hand zu geben, was sie möglicherweise nutzen könnte. Um im Ansatz zu ersticken, was in Zukunft zu einer Bedrohung werden könnte. Draco hatte nicht vor, ihr die ganze Wahrheit zu sagen – aber das, was sie bereits wusste, sollte ausreichen, um seinen Aussagen genügend Glaubwürdigkeit zu verleihen und sie die Warnungen ernst nehmen zu lassen. Und vielleicht – eine kleine Hoffnung, die sich hartnäckig hielt – würde dies ihre Meinung über ihn ändern...
Zwei Nachmittage hatte er vergeblich nach Hermine Ausschau gehalten. Beim dritten Mal hatte er Glück. Er entdeckte sie in einem der Korbsessel sitzend, ein Bein über das andere geschlagen, natürlich ein Buch in ihrem Schoß. Ihr Haar hatte sie zu einem seitlichen Zopf frisiert, der ihr Profil betonte. Der Anblick weckte in Draco das Verlangen, wie früher mit den Fingern sanft ihr Gesicht entlang zu fahren. Doch er verbot sich resolut die Erinnerung daran, um sich auf das vorrangige Ziel konzentrieren zu können. Schmerzen tat es dennoch.
Hermines Blick war intensiv auf die Seiten unter ihren Fingern gerichtet, mit einer steilen Falte über ihrer Nasenwurzel. Die alles andere als Entspannung vermittelnde Situation ließ Draco zögern. Doch er hatte keine Wahl. Er wusste nicht, wann er ihr wieder begegnen würde, und die Zeit spielte gegen sie. Er nahm daher einen tiefen Atemzug und ging dann langsam auf seine frühere Freundin zu. Der Schatten verriet ihn, noch bevor er an ihrem Tisch stand. Hermine blickte abrupt auf und in Sekunden gefror ihr Gesichtsausdruck zu Eis. Mit einem Knall schlug sie ihr Buch zu und stand mit einem Ruck auf.
„Du wagst es, dich hier blicken zu lassen?!"
Der Zauberstab erschien so schnell in ihrer Hand, dass Draco zusammenzuckte. Bevor er noch reagieren konnte, hörte er Hermine ein Expelliarmus zischen und zu seinem Verdruss flog sein Zauberstab in hohem Bogen in ihre Richtung, wo er gegen eine Stuhllehne knallte und zu Boden fiel.
Ärger stieg in Draco auf. Ihre impulsive Tat hatte jeden Ansatz eines ruhigen Gespräches, auf das er gehofft hatte, zunichtegemacht.
„Was soll der Blödsinn?!", fuhr er sie an und machte Anstalten, sich seinen Zauberstab zurückzuholen.
Hermine war jedoch schneller, griff nach dem auf dem Boden liegenden Holz und schob den Stab unter das auf dem Tisch liegende Buch.
„Vorsicht ist alles", erklärte sie knapp und starrte ihn mit funkelnden Augen an. „Ich will gar nicht wissen, wie oft du schon in meine Gedanken eingedrungen bist!"
„In deine... bist du wahnsinnig, Hermine?! Das habe ich nie getan!", schoss Draco zurück und spürte die Hitze in seine Wangen steigen. Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten, den Blick dabei auf Hermines Zauberstab gerichtet, der noch immer bedrohlich in seine Richtung wies. Er hätte sie schütteln mögen. Warum reagierte sie derart aggressiv auf sein Auftauchen?
„Sicher", ätzte Hermine mit solch hasserfüllter Stimme, dass Draco innerlich zusammenzuckte. Ihr Misstrauen fühlte sich an, als würde ihm ein Dolch ins Herz gestoßen. Noch vor wenigen Wochen hatte er nichts als liebevolle Worte aus ihrem Mund vernommen. Wie konnten diese Gefühle nur so schnell in ihr verschwunden sein? Gleich darauf breitete sich eine Woge von Ärger in ihm aus und vertrieb die schmerzhaften Empfindungen, bis nichts davon mehr zu spüren war. Ungehalten knurrte er daher:
„Gib mir meinen Zauberstab zurück, Hermine!" Er verabscheute es, sich so nackt und wehrlos zu fühlen und trat aufgebracht auf sie zu.
„Keinen Schritt weiter, Draco, ich warne dich!"
Hermines Gesichtsausdruck verriet, dass es sich um keine leere Drohung handelte. Dennoch konnte Draco seine Wut nicht mehr zügeln. Wie konnte sie ihn nur grundlos so behandeln! Er war fast an ihrem Tisch angelangt, als ihn ein unhörbarer Fluch traf und er das Gefühl hatte, einen Schlag an Arme und Beine bekommen zu haben, der von da aus durch seinen Körper raste und ein kurzes, brennendes Gefühl hinterließ.
Abrupt blieb er stehen. Hermine war nicht umsonst die klügste Hexe, die er kannte. Er ahnte, dass ihr in der Wahl ihrer Angriffsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt waren. Seine Brust hob und senkte sich in dem Bemühen, sich unter Kontrolle zu bekommen. Bei Merlin, es lief kein bisschen so, wie er es geplant hatte. Hermine starrte ihn unterdessen mit einem Gesichtsausdruck an, den er noch nie an ihr gesehen hatte. Ihre Augen waren zusammengekniffen und kleine Falten zogen kreuz und quer über ihre Nasenwurzel. Die Lippen waren einen Moment lang so stark aufeinandergepresst, dass sie kaum noch zu erkennen waren. Die nachfolgenden Worte enthüllten dann das ganze Ausmaß ihrer Zorns:
„Ich bin noch nie in meinem Leben so hintergangen worden und ich hasse dich dafür, Draco Malfoy! Ich verfluche den Tag, an dem ich mich auf dich eingelassen habe! Wie konntest du bloß Ginny verraten und sie den Dementoren und wer weiß was noch in Aszkaban aussetzen! Obwohl sie dich mit offenen Armen aufgenommen hat. Genauso wie Harry. Wehe, du tust auch nur eine Sache, die sein Leben noch weiter in Gefahr bringt, als es ohnehin schon ist!"
Die Brutalität ihrer Worte schlug über Draco zusammen und ohne sich zurückzuhalten fauchte er: „Du hast ja keine Ahnung!"
Er spürte die Wut der Ungerechtigkeit durch seine Adern rinnen und ohne nachzudenken trat er einen weiteren Schritt auf Hermine zu. „Hör zu, ich muss..."
Hermine machte mit dem Zauberstab eine wirbelnde Bewegung in seine Richtung und dann spürte Draco plötzlich weder Arme noch Beine, obwohl er sie noch sehen konnte. Jeglicher Weisungen beraubt waren seine Arme merkwürdig grotesk nach vorne gestreckt. Er wollte etwas sagen, doch konnte er seinen Mund ebenso wenig fühlen wie den Rest seines Körpers. Und dann breitete sich eine absolute Leere in seinen Gedanken aus und es war, als wäre er konturenlos wie eine Nebelschwade.
„Ich pfeife auf deine Lügen", schäumte Hermine und trat so dicht an ihn heran, dass er das gefährliche Glitzern ihrer Augen sehen konnte. „Am liebsten würde ich dich für den Kauf eines illegalen Buches anzeigen! Mindestens."
Draco sah ihren Zauberstab sich bedrohlich in seine Brust bohren, spürte jedoch nicht das Geringste. Einzig seine Augen und Ohren schienen noch zu funktionieren. Ohne dass sein Kopf daher irgendwelche Gedanken formulierte oder er irgendwelche Regungen empfand, vernahm er Hermines unversöhnliche Worte:
„Verschwinde aus meinem Leben und lass dich nie wieder bei mir blicken!"
Und dann war jeglicher Laut plötzlich verschwunden, als hätte sich ihm etwas auf die Ohren gelegt. Parallel dazu breitete sich absolute Schwärze vor Dracos Augen aus. Es war, als wäre er gleichzeitig mit Taub- und Blindheit geschlagen. Dafür waren seine Gefühle nun zurückgekehrt und unversehens überfiel ihn pure Panik über seinen Zustand. Außerstande zu schreien und unfähig dagegen anzukämpfen, stieg sie in ihm an, unaufhörlich, bis sie jeden Bereich seines Bewusstseins durchdrang und es nichts anderes mehr für ihn gab als diese vollständige Hilflosigkeit...
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Draco keuchte gequält, bis ihm wieder bewusst wurde, wo er sich befand. Er spürte den kühlen Stein im Rücken und öffnete erleichtert seine Augen. Die Erinnerung daran, wie er vorgestern mit dröhnendem Schädel zu sich gekommen war, hing jedoch noch in ihm nach. Jeden Muskel seines Körpers hatte er so schmerzhaft gespürt, als wäre er in ein Zaubererduell verstrickt gewesen und selbst das Öffnen der Augen hatte sich als absolut mühsam erwiesen. Die stummen Schreie seines Körpers ignorierend hatte er sich dann schließlich in eine sitzende Position gehievt.
Es hatte etwas Demütigendes gehabt, sich auf dem Boden neben Tisch- und Stuhlbeinen zu befinden, aber zumindest hatte er in seiner unmittelbaren Nähe keine weiteren Gäste entdecken können. Hermine war verschwunden, doch sein Zauberstab hatte neben ihm auf dem Boden gelegen und sich nach einem geflüsterten Accio Zauberstab in seine Hand begeben. Schwer atmend hatte er versucht sich zu beruhigen. Es war nur eine Illusion gewesen. Eine überaus perfekt inszenierte Illusion eines totalen Sinnesverlustes.
Obwohl dieser Vorfall nun zwei Tage her war, erfüllte Draco erneut bodenlose Wut auf Hermine und die Schmach einer Begegnung, bei der er unübersehbar den Kürzeren gezogen hatte. Der sarkastische Gedanke durchfuhr ihn, dass es nicht ratsam war, Hermine zur Gegnerin zu haben. Allerdings war es dafür ja nun ohnehin längst zu spät. Denn sie hatte schließlich längst begonnen, ihn als Feind zu betrachten. Mehr als all ihre Worte hatte schließlich ihr Verhalten deutlich gemacht, dass es für sie beide keine gemeinsame Zukunft mehr geben würde.
Angesichts dessen, wie Hermine ihn behandelt hatte, hätte dieser Gedanke Draco egal sein müssen. Doch zu seinem großen Verdruss ließ sich das Gefühl von Schmerz über das katastrophale Ende einer bis zum Schluss erfüllten Beziehung noch immer nicht leugnen. Der Druck, der in Draco anstieg, ihm fast die Luft zum Atmen nahm, ließ ihn wie mechanisch die Hand heben und dann mit voller Wucht die Weinflasche gegen die Wand schleudern.
Das Klirren des zersplitternden Glases fuhr ihm schrill in die Ohren und der intensive Duft nach Kirsche, Vanille und einer leichten Note von Pfeffer breitete sich im Keller aus. Mit einer merkwürdigen Befriedigung beobachtete Draco, wie sich die rote Flüssigkeit auf der steinernen Wand verteilte, in jede Ritze lief und schließlich der Schwerkraft folgend zu Boden tropfte, wo sich, einem Blutfleck gleich, langsam eine Lache bildete. Der übriggebliebene Rest einer Liebe, die das Schicksal mit einer Axt entzweigeschlagen hatte.
Es war ein Abschluss. Draco konstatierte dies mit einer nun ruhiggewordenen Finalität. Schweigend betrachtete er den kaputten Flaschenhals in seiner Hand und sah dann auf seine Uhr. Es wurde Zeit. Und er wusste, was er zu tun hatte.
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Ich glaube, Hermine kann ganz schön nachtragend sein, wenn sie will ( man denke an Rita Skeeter ). Draco hat dies nun zu spüren bekommen.
Habt ihr eine Idee, was er jetzt vorhaben könnte?
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