Kapitel 20
„Vortrefflich", stellte Lucius mit Befriedigung in der Stimme fest. „Das deckt sich mit der Aussage des Auroren, der den Vorfall aufgenommen hat."
Draco zuckte sichtbar zusammen. „Du wusstest es bereits?", fragt er fassungslos und gegen jede Vernunft darauf hoffend, sich verhört zu habend.
„Nun...", begann Lucius und ließ bedächtig seinen Gehstock umherkreisen, „...du hattest dich zweieinhalb Jahre lang mit einem widerlichen Schmutzblut eingelassen..."
Obwohl ihn die Einstellung seines Vaters inzwischen anwiderte, verzog Draco keine Miene. Ein wenig von oben herab fuhr Lucius fort:
„Natürlich mussten wir uns erst einmal deiner Vertrauenswürdigkeit versichern. Nicht dass du dich womöglich entschlossen hättet, die Wahrheit ein wenig... abzuändern."
Tatsächlich hatte Draco kurz darüber nachgedacht. Doch er hatte diesen Gedanken schnell verworfen, da ihm die Gefahr zu groß schien, dass sein Vater dahinterkommen würde. Lucius' Lächeln wurde unversehens breiter. „Aber ich bin überaus erfreut festzustellen, dass ich meinen Sohn richtig eingeschätzt habe."
Draco spürte, wie ihm die Wärme in die Wangen kroch und sich langsam eine unglaubliche Wut in ihm bildete. Es war eine verdammte Prüfung gewesen! Er hatte daher Harry und Ginny völlig unnötig hintergangen. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte seinem Zorn freien Lauf gelassen. Lucius' selbstzufriedener Gesichtsausdruck hielt ihn jedoch davon ab. Er würde seinem Vater keinesfalls zeigen, wie unterlegen er sich gerade fühlte.
Draco verlagerte sein Gewicht nach hinten und verschränkte die Hände ineinander, um ihr Zittern zu verbergen. Es war nicht genug, darauf zu warten, dass sein Vater einen Fehler machen würde! Auch sich den Auroren anzuvertrauen war weiterhin keine Option. Er würde jetzt das Werkzeug nutzen, was ihm zur Verfügung stand – sich nach außen hin als reuevollen Sohn präsentieren und alles an Informationen zu sammeln, was ihm dabei in die Hände fiel, um dann im richtigen Moment zurückzuschlagen.
„Bitter, dass du deinem eigenen Sohn nicht traust", konstatierte Draco mit aller Lässigkeit, die er aufzubringen vermochte. Dabei war seine Kehle so trocken, dass er wünschte, Dorin würde erneut erscheinen und sein Glas neu füllen.
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", erwiderte Lucius wegwerfend. „Damit können wir uns jetzt voll und ganz der Zukunft zuwenden. Ich habe mir erlaubt, jemanden einzuladen, den du sicherlich interessant finden wirst."
Lucius zog eine an einer feinen Kette befestigte Uhr aus seiner Westentasche. „In etwa fünfzehn Minuten dürfte er hier sein. Lediglich eine Vorsichtsmaßnahme wäre dann noch zu erledigen. Deinen Zauberstab."
Auffordernd streckte er seine Hand aus. Draco beäugte seinen Vater, der mit der anderen Hand seinen eigenen Stab in eine hölzerne Schale legte, misstrauisch, tat es ihm schließlich jedoch gleich. Seine Neugier war geweckt. Weder Okklumentik noch Legilimentik waren nunmehr möglich. Was hatte sein Vater vor?
„Dorin!"
Lucius Stimme knallte gebieterisch durch den Raum und mit einem Plopp erschien der Hauself direkt an ihrer Seite. Sein Blick verharrte demütig auf dem älteren Zauberer, ohne dass er einen Blick nach links oder rechts riskierte.
„Nimm die Schale und stelle sie auf die Anrichte im Gästekorridor", verlangte Lucius streng. „Und bring uns ein weiteres Glas Groenderlej!"
Beflissen tat der Elf, was ihm aufgetragen wurde. Draco betrachtete derweil die Sonnenstrahlen, die inzwischen in den Saal hineingewandert waren und Teile des Parketts aufleuchten ließen. War das früher schon so gewesen und er hatte es nur nie bemerkt? Oder hatte man inzwischen die Hecken verkleinert?
Gemeinsam mit Dorin hatte Narcissa inzwischen wieder den Salon betreten und sich elegant auf der Lehne des Sofas, auf dem Lucius saß, niedergelassen. Beide Malfoys nutzten die nächsten Minuten, sich bei ihrem Sohn nach den Einzelheiten seiner Arbeit zu erkundigen, Lucius mit einem Ausdruck gleichmütiger Aufmerksamkeit, Narcissa hingegen mit echtem Interesse.
Neugierig ließ Draco dabei den Blick über seine Eltern wandern. Narcissas dunkle Haare waren wie früher zur Hälfte durchwirkt von einem hellen Blond und lagen kunstvoll gewellt auf ihren Schultern. Die diamantenen Ohrringe fingen das Licht und brachen es in ein Kaleidoskop aus bunten Strahlen. Ihre Haut war faltenlos wie die einer wesentlich jüngeren Frau und nichts schien mehr zurückgeblieben von der bitteren Zeit, die sie ohne Lucius auf Malfoy Manor verbracht hatte.
Auch sein Vater trug keine sichtbaren Spuren seines Aufenthaltes in Azkaban. Lediglich sein Haar war inzwischen eindeutig Weiß statt dem früheren Weißblond und in sein Gesicht hatten sich ein paar Furchen gegraben, die auf sein Alter verwiesen. Seine raumgreifende Haltung jedoch war erneut die eines Mannes, der sich seiner Macht bewusst war und sie gekonnt in Szene zu setzen wusste.
Die Unterhaltung mit seinen Eltern hatte nichts von der Herzlichkeit und Wärme, die Draco in den kurzen Augenblicken wahrgenommen hatte, wenn Hermine und Mrs. Weasley in seiner Anwesenheit aufeinandergetroffen waren. Doch Draco verspürte darüber allenfalls Gleichgültigkeit. Die Schilderung seines Alltags blieb dabei bewusst an der Oberfläche, um seinen Eltern einen tieferen Einblick in sein Leben zu verwehren. Wäre es nicht seiner Mutter zuliebe – und dank des geheimnisvollen Gastes, wie Draco ehrlich genug war zu erkennen – so hätte er sich bereits verabschiedet und sich auf den Weg nach Godrics Hollow gemacht, um Ginny zu warnen.
Ein plötzliches Plopp ließ Draco zusammenzucken, wohingegen seine Eltern keine Miene verzogen. Dorin stand vor ihnen und verkündete mit beinahe kieksender Stimme:
„Ihr Besuch ist da, Mr. Malfoy."
Neugierig beäugte Draco den Elf, der mit gefalteten Händen und großen Augen zu Lucius emporblickte. Wer mochte der angekündigte Gast sein?
„Geht ihr schon einmal auf die Veranda, Cissa. Wir haben noch kurz etwas zu besprechen."
Mit einem Gesicht, das fern davon war, seine Zufriedenheit zu verbergen, erhob sich Lucius. Dracos Augen blickten ihm nachdenklich ein Weilchen hinterher. Dann folgte er seiner Mutter hinaus auf die sonnenbeschienene Terrasse und ließ sich ihr gegenüber an dem Tisch nieder, auf dem bereits eingedeckt worden war.
Es dauerte nicht lange, bis sich Lucius wieder zu ihnen gesellte, an seiner Seite einen etwa gleichaltrigen Zauberer von kompakterer Statur, dessen hervorstechendstes Merkmal sein blonder Schnurbart war, und der eine ungemeine Jovialität an den Tag legte. Überrascht öffneten sich Dracos Lippen ein wenig und er stand fast abrupt vom Tisch auf, während seine Mutter den eingeladenen Magier, den sie bereits zu kennen schien, herzlich begrüßte.
„Albert, darf ich Ihnen meinen Sohn Draco vorstellen?", äußerte Lucius sichtbar gut gelaunt.
Sein Besucher wandte sich Draco zu. „Freut mich sehr, Sie endlich einmal kennenzulernen, Draco – ich darf doch Draco sagen?"
Die grünen Augen über dem Schnurbart, der das sympathische Charisma mehr betonte als verbarg, funkelten in offensichtlicher Freundlichkeit, als er Draco entspannt die Hand entgegenstreckte.
„Selbstverständlich, Herr Minister", murmelte Draco und erwiderte den festen Händedruck. Er konnte die leichte Ehrfurcht, die er darüber empfand, auf den Zaubereiminister zu treffen, kaum verhehlen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis Pennington ihm in seiner offenen Art die Befangenheit nahm.
„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Draco. Nicht nur durch Ihren Vater. Sie haben sich trotz Ihres jungen Alters bereits einen weithin bekannten Namen in der Tränkeschmiede gemacht. Nicht zu vergessen den Gedächtniswiederherstellungszauber, den Sie entwickelt und uns zur Verfügung gestellt haben."
Er betrachtete Draco anerkennend und warf dann Lucius, der neben Narcissa stehengeblieben war, einen wohlwollenden Blick zu.
„Es ist unzweifelhaft unsere reinblütige Ahnenlinie, die da zum Vorschein kommt", fühlte sich Lucius bemüßigt, mit leichter Arroganz hinzuzufügen:
„Gute Gene und solides Vermögen sind eine unschlagbare Kombination", stimmte der Minister lächelnd zu und wandte sich dann wieder Draco zu.
„Ich habe immer etwas übrig für Unternehmertum und Risikobereitschaft. Seien Sie versichert, dass ich die Möglichkeit habe, Ihnen bei Schwierigkeiten den Weg zu ebnen."
„Das weiß ich zu schätzen, Sir, vielen Dank", beeilte sich Draco zu sagen und ahnte, worauf der Minister anspielte.
„Gleichermaßen haben Sie eine Fähigkeit, von der wir in unserem Streben, die Gesellschaft wieder auf den richtigen Weg zu geleiten, nur profitieren können."
Meinte er seine Fähigkeit zur Legilimentik? Waren aus diesem Grund die Zauberstäbe beiseitegelegt worden?
„...dazu gern bei Tisch ein wenig mehr", ließ sich der Minister weiter vernehmen und betrachtete Draco gefällig, bevor er sich schließlich auf einem Stuhl zur Rechten der Hausherrin niederließ. Sobald sich auch die Mitglieder der Malfoy-Familie gesetzt hatten, trugen zwei Hauselfen die Mahlzeit auf und die nächsten Minuten vergingen in dem lockeren Geplauder, das entsteht, wenn man sich während einer Mahlzeit miteinander austauschte. Draco war beeindruckt von der Wortgewandtheit und der Ausstrahlung des Zaubereiministers, die über die Fotos in den Zeitungen verständlicherweise nie groß zu Tage getreten waren. Zudem hatte Pennington jahrelang im Schatten von Richards gestanden.
Der Minister begann sich beim Dessert schließlich politisch zu äußern und wenngleich Draco dessen Ansichten überwiegend zustimmen konnte, ließ ihn sein Misstrauen wortkarg bleiben. Nichts was Pennington sagte, gab Draco Anlass, an dessen anerkennungswerten Absichten zu zweifeln. Doch die Tatsache, dass Pennington sich mit seinem Vater zusammengetan hatte, schürte die Wachsamkeit in ihm.
Pennington ließ Lucius' bisweilen rassistische Bemerkungen ins Leere laufen, war jedoch voll des Lobes über dessen Möglichkeiten der Einflussnahme an relevanten Positionen. Wie, fragte sich Draco im Stillen, hatte es sein Vater in den letzten Jahren nur geschafft, sich trotz seiner Verbannung nach Azkaban wieder ein Netz an wichtigen Kontakten aufzubauen? Vermutlich mit Erpressung und Geld...
„Wichtig für die Veränderungen, die wir anstreben, ist es, unsere Gegner auszuschalten oder zu diskreditieren", sagte der Minister plötzlich und schob das geleerte Dessertschälchen von sich. Einer der Hauselfen war sofort zur Stelle und entfernte es geräuschlos. „Sowie die vielfältigen Möglichkeiten, sich vor Gericht von seinen Taten reinzuwaschen zu können, zu beschneiden."
„Sie sollten das letzte Wort bei einer Urteilsverkündung haben", sekundierte Lucius und ergänzte schmeichlerisch:
„Sie wissen schließlich am besten, was das Richtige für unsere Gesellschaft ist."
Angewidert wandte Draco den Blick ab und sah zu seiner Mutter hinüber. Deren Augen ruhten jedoch voller Faszination auf den beiden diskutierenden Herren.
„Ein entsprechender Erlass ist bereits in Arbeit, Lucius, und wird bald veröffentlicht", offenbarte Pennington und sah dann zu Draco hinüber.
„Draco, was meinen Sie dazu?"
Der Blick der grünen Augen bohrte sich in seine, ohne dass Draco den Willen fand, sich ihnen zu entziehen. Er dachte an sein gesetzeswidriges Handeln und den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben würden, einen mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteten Minister hinter sich zu wissen.
„Klingt überaus sinnvoll", gab er Pennington mit samtener Stimme Recht und setzte ein Lächeln auf.
„Freut mich zu hören." Der Minister wirkte zufrieden. „Wir sollten dann bald einmal über die Möglichkeiten einer zukünftigen Kooperation sprechen. Meine Pläne in Bezug auf die Tochter Lord Voldemorts lassen sich nun leider nicht mehr umsetzen. Doch auch ihr Talent, Draco, ist unbestritten."
Er blickte kurz auf die Uhr an seiner Handgelenk, bei der das Zifferblatt zu leuchten begonnen hatte, und erklärte:
„Leider muss ich mich gleich zu einem weiteren Termin verabschieden. Doch ich würde es ungemein zu schätzen wissen, wenn wir den Weg in die Zukunft gemeinsam zurücklegen könnten."
Pennington Ton klang erwartungsvoll und erstaunlich ehrlich. Er ließ Draco einen Moment lang in Zweifel ziehen, ob der Minister in die Erpressung durch seinen Vater eingeweiht worden war oder sie gar orchestriert hatte. Gab es für ihn womöglich noch Verhandlungsspielraum?
Draco entschloss sich, es auszutesten.
„Daran wäre ich durchaus nicht uninteressiert und betrachte es als eine Ehre...", begann er langsam und spürte die Blicke seiner Eltern auf sich. „Eines wäre mir jedoch dabei wichtig..."
Er hörte seinen Vater empört Luft schnappen, doch Dracos Blick blieb unverwandt auf Pennington haften. Dieser betrachtete den jungen Malfoy aufmerksam, ohne im Mindesten Ablehnung über dessen überraschende Worte auszustrahlen. Der Schweiß brach Draco aus, als er sich bewusst wurde, dass er sich mit seiner Bitte auf gehöriges Glatteis begeben konnte, und ohne es zu merken, griff er nach einem Teelöffel, um ihn zwischen seinen Fingern umherzuzwirbeln. Ob Pennington die Möglichkeit hätte, seinen Wunsch zu erfüllen? Hatte Hermine Recht mit der mutmaßlichen Verbindung?
„Ich möchte, dass Rawlings seine Drohungen gegenüber Granger unterlässt."
„Was für eine Dreistigkeit, Draco!", zischte Lucius, der für einen Augenblick seine Contenance verloren hatte und seinem Sohn einen tödlichen Blick zuwarf. Doch mit einer Handbewegung gebot ihm Pennington zu schweigen. Nachdenklich betrachtete der Minister den jungen Magier vor sich.
„Ich nehmen an, dass Sie einen überzeugenden Grund für dieses Ansinnen haben."
Dracos Nicken erfolgte automatisch, während er fieberhaft nach Argumenten suchte, die seine Bitte nachvollziehbar erscheinen ließen. Doch Pennington hatte sich bereits erhoben und verzichtete im Augenblick auf weitere Nachfragen. Er bedachte Draco mit einem wohlwollenden Lächeln und erwiderte:
„Ich denke, das ließe sich umsetzen."
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Hallo, ihr Lieben, wird klar, warum Draco diesen Schritt gegangen ist?
Ist es Mut oder Leichtsinn?
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