Kapitel 15
Soundtrack : "Malfoys Mission"
Zwei Stunden später saß Draco in dem neu eröffneten Pub Zum Kesselflicker in der gleichnamigen Straße, nicht weit von der Winkelgasse entfernt. Sein Vater hatte ihm bei ihrem letzten Treffen ein Ultimatum bis Sonntag gestellt und verlangt, dass Draco bis dahin in Erfahrung brachte, wohin die amerikanische Hexe, die Lucius' Ansicht nach nichts von ihrer Herkunft wissen konnte, verschwunden war.
"Erspare mir die Antwort, Potter wisse nichts über ihren Verbleib", hatte ihn sein Vater mit einem unheilvollen Ausdruck auf dem Gesicht gewarnt. "Er wird mit Sicherheit etwas wissen, was uns auf ihre Spuren bringen wird. Wende Legilimentik an, wenn du nicht weiterkommen solltest", hatte Lucius mit einem spöttischen Grinsen hinzugefügt. "Schließlich solltest du dein Können nicht brachliegen lassen..."
Diese Bemerkung hatte Draco mit einem Zähneknirschen zu dem Versuch veranlasst, die Gedanken seines Vaters zu lesen, obwohl er sich eigentlich geschworen hatte, diese Fähigkeit in Britannien nie anzuwenden. Zu seinem Bedauern war Lucius jedoch nicht so dumm gewesen, seinem Sohn schutzlos seine Gedanken preiszugeben. Draco war daher auf die undurchdringliche Gedankenleere desjenigen gestoßen, der Okklumentik anzuwenden wusste.
Obwohl Draco das Ultimatum wenig Sorgen bereitete – schließlich wusste er bereits, was Amber zugestoßen war – hielt er es für sinnvoll, bereits frühzeitig das Geheimnis um den Tod seiner Cousine zu lüften. Denn sein Vater würde sich definitiv nicht damit zufrieden geben, lediglich von ihrem Ableben zu hören.
Draco hatte den grünen Blitz gesehen, als er sich mit Ron und Hermine auf der Straße vor Harrys Haus ein Wortgefecht geliefert hatte, und er wusste daher, dass nur Ginny oder Harry den Todesfluch ausgesprochen haben konnten. Allerdings hatte sich Hermine immer geweigert, über dieses Ereignis zu sprechen, obwohl sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wusste, wer von ihren beiden Freunden Amber getötet hatte.
Hatte Harry Rache genommen für das, was Amber ihm angetan hatte? Dann wäre er wohl tatsächlich einmal von dem Entwaffnungszauber abgewichen, der irgendwie zu seinem Markenzeichen geworden war. Oder hatte sich Ginny in ihrer Rettungsmission mit Amber duelliert und sich schließlich ihrer Ausbildung als würdig erwiesen? Wobei das eigentlich kaum vorstellbar war – das wenige, was Draco in der einen Stunde über Amber erfahren hatte, hatte ihm mehr als deutlich deren Macht und Fähigkeiten vor Augen geführt. Ihr Tod rührte Draco wenig, denn er hatte sie kaum gekannt. Und sie hatte zu viele der Charakterzüge ihrer Eltern in sich gehabt, die ihn damals wie heute abstießen.
Vermutlich würden ein paar Auroren die Wahrheit kennen, dachte Draco. Nachdenklich verschränkte er die Arme vor der Brust und starrte auf das Glas Wein vor sich auf dem Tisch, dessen Inhalt in der warmen Abendsonne golden schimmerte. Da alles, was mit Amber zusammenhing, anschließend vertuscht worden war, ging Draco davon aus, dass Harry jemanden aus der obersten Riege der Auroren eingeweiht hatte. Vermutlich der inzwischen verstorbene Leiter der Aurorenzentrale, Kingsley Shacklebolt. Ein bis zwei weitere Auroren dürften sicherlich ebenfalls involviert gewesen sein.
Draco hatte sich nun so frühzeitig im Kesselflicker eingefunden, dass es ihm gelungen war, einen Tisch zu wählen, der seinen Wünschen entsprach. Zwar beabsichtigte Draco, mittels Unterhaltung an die gewünschten Informationen zu kommen, doch falls das fehlschlug, wollte er für alle Eventualitäten gewappnet sein.
Er hatte sich daher für einen Randplatz entschieden, dicht neben den Büschen, die aufgestellt worden waren, um dem Pub eine Atmosphäre von Abgeschiedenheit zu vermitteln, die neben der belebten Gasse sonst schwer zu erreichen gewesen wäre. Längst wurde die Gegend des süßen Müßigganges von der arbeitenden Bevölkerung aufgesucht, um sich am Abend mit ein paar Drinks zu entspannen. Dazu gesellten sich Hexen und Zauberer, die mit einer Lässigkeit vorbeischlenderten, die sie als Touristen auswies.
Einen Tisch im Inneren des Pubs hatte Draco verworfen, denn es war ein so warmer Abend, dass der Aufenthalt in den engen und stickigen Räumlichkeiten einer Qual gleichgekommen wäre. Schließlich war nichts wichtiger als ein unbefangenes Gegenüber, dachte Draco ironisch, während er selbst die aufkommende Nervosität in seinen Schultern spürte. Er war gespannt darauf, was er heute erfahren würde – so oder so. Was mochte Shacklebolt den Auroren damals versprochen haben, damit sie nichts ausplauderten?
Zu seiner eigenen Verwunderung hatte er weit weniger Skrupel als erwartet bei dem Gedanken daran, notfalls auf seine Legilimentikfähigkeiten zurückzugreifen. Die versuchte Anwendung bei seinem Vater hatte eine Tür geöffnet, die er im Notfall weiter aufzustoßen bereit war. Denn um sein erfolgreiches Unternehmen zu schützen, musste er das Risiko eines Gesetzesverstoßes erneut eingehen.
Dennoch war sich Draco überaus bewusst, mit wem er sich gleich treffen würde. Stimmte es, was man sagte – dass Auroren dunkle Magier in ihrer Nähe spüren konnten? Machte ihn die Anwendung von Legilimentik zu einem solchen? Seine Finger fuhren mehrfach über eine Furche in dem hölzernen Tisch und dezent lockerte er ein paar Mal seine Schultern, ohne dass es ihm Linderung brachte. Resigniert griff er in seine Hosentasche und zog ein kleines Fläschchen heraus: Relaxando. In geringer Dosierung sollte es ausreichen, die Anspannung in seinen Schultern zu lösen.
Es war Draco klar, dass ein Zuviel davon kontraproduktiv sein konnte. Er musste all seine Sinne aufs Äußerste mobilisieren, wenn es ihm gelingen sollte, einen Auroren zu täuschen. Er nahm einen Schluck von dem Trank und spürte rasch dessen Wirkung, als sich seine Schultern langsam zu lockern begannen.
In gewisser Hinsicht fand Draco es bedauerlich, dass Voldemort seinerzeit den Weg der Grausamkeit gegangen war und sich damit selbst die Feinde geschaffen hatte, die ihn später zu Recht bekämpft hatten. Britannien war ohne ihn unbestritten besser dran. Er musste jedoch zugeben, dass einige von Voldemorts Ideen durchaus eine Überlegung wertgewesen wären. Jetzt jedoch waren sie alle durch die Verbindung zu Voldemort in Verruf geraten.
Draco nahm einen tiefen Atemzug und sah den letzten Strahlen der Sonne hinterher, die die Scheiben des Pubs rotgolden aufleuchten ließen, bevor sich das Licht dann wenige Minuten später hinter den Häusern verbarg. Rasch näherkommende Stimmen klangen an sein Ohr, doch als er sich zügig umwandte, sah er nur zwei unbekannte Zauberer, die sich an einen Nachbartisch setzten. Seine Gedanken konzentrierten sich daher wieder auf das, was vor ihm lag.
Da es unmöglich war herauszufinden, welche Auroren mit Ambers Tod befasst gewesen waren, blieben nur die beiden Personen übrig, die sich ohnehin im Fokus seiner Gedanken befanden. Zum Glück machten sowohl Ginny als auch Harry weiterhin nicht den Eindruck, als hätte Hermine ihnen den wahren Grund für die Trennung verraten. Diese unerwartete Loyalität seiner Ex-Freundin nötigte Draco Respekt ab. Er hätte nicht auf ihre Zurückhaltung gebaut. Nun, er würde diesen vermuteten Vorteil jedenfalls gut zu nutzen wissen.
Draco hatte nicht lange gebraucht zu entscheiden, mit wem ein Treffen am Erfolgversprechendsten sein würde. Er hatte Harry per Eulenpost nach einem Treffen gefragt, dem dieser zugestimmt hatte. Ein Gespräch mit dem besonnenen Zauberer erschien Draco die bessere Wahl zu sein als mit Hermines impulsiver Freundin zu reden, die selten ein Blatt vor den Mund nahm.
Der Verlauf ihres Treffens war nichtdestotrotz ungewiss, denn das genaue Vorgehen würde von Harrys Reaktionen abhängen. Draco war klar, dass er alle Geschicklichkeit würde anwenden müssen, die er besaß, um zu vermeiden, dass Hermines langjähriger Freund misstrauisch wurde...
Einen ganz kurzen Moment lang hatte Draco auch mit dem Gedanken gespielt, sich Harry und Ginny anzuvertrauen und ihnen von der Erpressung durch seinen Vater zu berichten. Als Auroren hätten sie womöglich etwas finden können, um Lucius' Pläne zu durchkreuzen. Doch wäre er dann nicht umhingekommen ihnen mitzuteilen, womit sein Vater ihn erpresste. Und das ausgerechnet Harry gegenüber! Zwar hatten sie während seiner Beziehung zu Hermine ein entspannteres Verhältnis zueinander entwickelt, aber Freunde waren sie nie geworden. Harrys Reaktion auf seine illegale Tätigkeit konnte sich Draco daher nur zu gut vorstellen. Dieses Geständnis lag daher außerhalb jeder Diskussion.
„Hallo Draco."
Harrys Stimme klang so unbeschwert, als hätte es die vergangenen Wochen nicht gegeben und sie sich erst kürzlich zum Tee getroffen. In Folge seines Kalifornien-Urlaubes war er ungemein braun geworden und strahlte eine lässige Souveränität aus, als er sich einen Stuhl heranzog und sich hineinfallen ließ.
„Glückwunsch zum neuen Job, Harry!", begann Draco das Gespräch mit dem Anschein einer gelassenen Stimmung.
„Du hast davon gehört? Danke."
Mit der Sicherheit, längt selbst einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht zu haben, spottete Draco leichthin:
„Du bist doch immer eine Notiz im Daily Prophet wert, Harry."
Sein Gegenüber seufzte, machte mit der Hand eine Bewegung, als verscheuche er ein lästiges Insekt und lenkte das Gespräch dann entschlossen auf Draco selbst.
„Ich habe übrigens gelesen, dass du hast mit dem dänischen Gesundheitsministerium einen Vertrag abgeschlossen hast?"
Draco nickte gelassen, wenngleich er davon angetan war, dass Harry über die Wirtschaftsnachrichten Bescheid wusste. Gut gelaunt erläuterte er:
„Die Gespräche liefen bereits im Frühjahr, aber ja, jetzt ist der Vertrag endlich unter Dach und Fach."
Mit einem stillen Lächeln dachte Draco daran, wie viel Verhandlungskraft ihn die herkömmliche Methode gekostet hatte. Denn auch in Dänemark war die Anwendung des Legilimentikzaubers verboten. Doch letzten Endes hatte er es nichtdestotrotz geschafft, einen Großteil seiner Preisvorstellungen durchzusetzen. Er war daher überaus zufrieden mit dem Resultat.
Während Harry auf das bestellte Butterbier wartete, tauschten sich die beiden Zauberer über Dracos Arbeit aus. Schließlich wurde Harrys Miene ernst.
„Ich nehme nicht an, dass du dich mit mir treffen wolltest, um Berufliches zu besprechen?", begann er in neutralem Tonfall und lehnte sich mit einem abwartenden Blick in seinem Stuhl zurück. Dracos Blick glitt auf das halb geleerte Weinglas vor sich und verharrte dort zögernd, während er Harrys Augen auf sich spürte. Mit einem sichtbaren Ruck richtete er sich dann auf und nahm einen Schluck von seinem Wein.
„Es ist wegen Hermine", begann Draco mit rauer Stimme und wich dabei Harrys forschendem Blick aus.
Er hörte Harry leise ein „Das dachte ich mir schon" murmeln.
Draco räusperte sich und nahm einen tiefen Luftzug, bevor er Harry unangenehm berührt ansah:
„Was hat sie dir erzählt?"
Ohne eine Miene zu verziehen gab Harry in sachlichem Ton knapp von sich:
„Dass eure Ansichten zu sehr auseinanderdriften, als dass ihr eure Beziehung fortsetzen könnt."
Merlin sei Dank! Draco verbarg seine Erleichterung hinter einer betont zur Schau gestellten Verlegenheit, und bog mit seinem nächsten Satz die Wahrheit ein wenig zurecht:
„Wir hatten uns nochmal getroffen. Um einen Umgang mit unseren... Differenzen zu finden."
Draco schluckte und verstummte einen Moment lang. Seine Finger verflochten sich ineinander und glitten dann wieder auseinander. Geduldig wartete Harry darauf, dass Draco fortfuhr. Der blonde Zauberer richtete den Blick auf die Gasse, die sich in der zunehmenden Dämmerung inzwischen merklich geleert hatte und gestand dann:
„Ich glaube schon, dass..."
Er räusperte sich, denn auch wenn er mit dieser Unterhaltung eine Absicht verfolgte, fielen ihm die offenen Worte alles anderes als leicht. „Dass Hermine eigentlich noch etwas an unserer Beziehung liegt. Und mir sowieso."
Letzteres brachte Draco nur mit Mühe und ungemein hastig über die Lippen. Er spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. Nie im Leben hätte er Harry die Einzelheiten seiner letzten Unterhaltung mit Hermine normalerweise anvertraut. Doch die Alternative war schlimmer...
„Sie ist trotzdem bei ihrer Entscheidung geblieben. Mit einer Begründung, die ich irgendwie nicht verstehe. Denn am Ende hat sie gesagt..."
Hier begab sich Draco in das Reich der Fantasie und krampfhaft dachte er nach, mit welchen Worten er Harry am besten etwas entlocken konnte. Unter dem spürbaren Blick seines Gegenübers ergänzte Draco nach kurzem Schweigen:
„Ich möchte nicht noch einmal so eine Situation wie damals in Harrys Haus erleben, als Amber..."
Draco hob langsam den Kopf und starrte Harry mit einer Mischung aus Eindringlichkeit und Hoffnung an.
„Was hat sie damit gemeint, Harry?"
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Hallo ihr Lieben,
der Umgang zwischen Draco und Harry hat sich nach all den Jahren definitiv verändert. Beide sind erwachsener geworden. Glaubt ihr, dass Draco daher die Chance hat zu erfahren, was er wissen möchte?
Findet ihr es nachvollziehbar, dass es ihm nicht reicht, die Frage seines Vaters beantworten zu können, sondern dass er nun mehr Details des damaligen Kampfes mit Amber wissen will?
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