Kapitel 3.2
Da Kadens Mutter jetzt weg war, hatte sie niemanden mehr, der sie beschützte. Auch wenn sie es Chiana nicht zutraute, Kadens Mutter umgebracht zu haben, war sie doch verdächtig. Immerhin hatte man versucht, Lilitha die Schuld zu geben. Chiana kam durchaus als Verdächtige infrage.
Sie konnte spüren, wie Kaden sich neben ihr verspannte und sich sein Puls vor Wut beschleunigte. »Sie hat was?«, fragte er gepresst und schob Lilitha ein Stück von sich, um sie ernst zu mustern. »Was genau hat sie getan?«, fragte er nun in derselben gebieterischen Stimme, mit der sie ihn kennengelernt hatte.
»Ich glaube, sie hetzt die anderen gegen mich auf und sie wollte, dass ich mich von dir fernhalte«, erklärte Lilitha zaghaft.
Mit einem genervten Seufzen, das schon leicht aggressiv klang, schüttelte Kaden mit geschlossenen Augen den Kopf. »Das kann doch nicht wahr sein«, nuschelte er verärgert und richtete sich auf, um aufzustehen. »Ich werde mich darum kümmern.«
Lilitha griff erschrocken nach ihm. »Nicht weggehen«, rief sie panisch. Ein wenig erschrocken blickte er zu ihr hinab und kniff kurz darauf mahnend die Augen zu, als hätte er vollkommen vergessen, dass er Lilitha keinesfalls in diesem Zustand allein lassen würde und durfte.
»Keine Angst, ich werde hierbleiben«, besänftigte er sie und ging wieder in die Hocke, um ihr flüchtig über die Wange zu streicheln. »Am besten, ich wasche dich jetzt und bringe dich ins Bett. In Ordnung?«, fragte er sanft, doch wartete nicht auf eine Antwort, sondern hob sie erneut vorsichtig auf seine Arme hoch.
Lilitha schmiegte sich sofort an Kadens warme Brust und beruhigte sich wieder etwas. Sie hatte selbst nicht erwartet, so panisch zu sein.
Wann war sie so abhängig von ihm geworden? Sie war sich nicht mal wirklich sicher, ob das so gut war. Denn sollte er wirklich bald das Interesse an ihr verlieren, würde sie ein einziges Nervenbündel sein. Nein! So sollte sie gar nicht erst denken! Trotz allem war er ihr sicherer Hafen in dieser stürmischen See, die andere Harem nannten.
Langsam setzte er sie wieder ins Wasserbecken, das in den Boden eingelassen war und suchte einige Kräuteröle.
»Welches?«, fragte er und musterte sichtlich ratlos die Fläschchen. Das brachte Lilitha zum Schmunzeln und sie zeigte ihm einige, die gut bei Verletzungen waren und ihre Haut reinigen würden.
Kaden setzte kurz ein schiefes Grinsen auf, bei Lilithas Gesichtsausdruck und kippte einige Tropfen in das warme Badewasser.
»Haben dich auch noch andere so bedroht?«, fragte er nach einer Weile murmelnd und setzte sich an den Beckenrand, um die Finger durch das Wasser gleiten zu lassen.
Lilitha überlegte. »Nicht so offen und aggressiv«, sagte sie schließlich leise. »Aber als ich am Boden lag, gab es viele gehässige Kommentare«, flüsterte sie und genoss die Wärme und Kadens Hände, die damit begonnen hatten, sie sanft einzuseifen.
Als dieser merkte, wie sie entspannt die Augen schloss und einfach nur zu genießen schien, musste er schmunzeln. Sanft neigte er sein Haupt und küsste flüchtig ihren Hals von seinem Platz aus. Ihre Gegenwart sorgte dafür, dass er verdrängen konnte, was vor ihm lag. »Gibt es da denn eine bestimmte Gruppe? Sind alle Roten so zu dir?«, fügte er besorgt hinzu und musterte schluckend ihren Rücken. Er sah wirklich alles andere als gut aus. Aber die Wunden würden bald verschwinden.
»Es sind nicht alle Roten«, gestand Lilitha leise. »Und es sind nicht nur die Roten, auch die Grünen«, fuhr sie widerwillig fort. »Als sie herausfanden, dass ich viel Zeit mit deiner Mutter verbringe, wurden es immer mehr.«
Ein wenig erschrocken hielt Kaden inne und blickte auf Lilithas roten Hinterkopf. »Du hast Zeit mit meiner Mutter verbracht?«, fragte er verwirrt, als wäre ihm das nie in den Sinn gekommen. Auch wenn der Gedanke an seine Mutter, der ihm nun wieder durch den Kopf schoss, mehr als nur schmerzte.
Lilitha sah verwirrt zu ihm auf. »Ja. Wir haben am Abend zusammen gegessen und sie hat versucht, mir das Malen beizubringen«, erklärte sie und war noch immer verwundert. Sie hatte angenommen, Kaden wusste es.
Abwesend blinzelte er und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, weshalb seine Mutter plötzlich mit Lilitha Zeit verbringen wollen würde. »Ja, sie malt wirklich gern«, murmelte er nachdenklich und begann wieder langsam über Lilithas Schultern zu streicheln. Dass er dabei die Gegenwartsform verwendete, war ein schlichter Reflex. Er hatte noch immer nicht verdaut, dass sie nun nicht mehr unter ihnen weilte.
»Wir haben dich beide sehr vermisst«, sagte Lilitha plötzlich und senkte den Blick etwas. »Ich denke, das hat uns zusammengebracht. Sie war wirklich eine faszinierende Frau.«
Bei diesen Worten senkte der Blonde wieder die Lider und versuchte sich an einem schwachen Lächeln. Sanft griff er mit der Hand nach ihrem Kinn, um dieses hochzuschieben und sie zu küssen. Er wollte nicht an seine Mutter denken und Lilitha war die perfekte Ablenkung für ihn.
»Ja, das ... war sie«, fügte er leise hinzu und strich Lilitha noch einmal über die Wange, ehe er sich erhob, um aufzustehen.
Lilitha genoss den Kuss und als Kaden sich erhob, entschied sie, es ihm gleichzutun. Sie war lange genug im Wasser gewesen und nun sauber. Außerdem hatten die Kräuter ihren Schmerz so weit betäubt, dass sie sich wohler fühlte. Das Aufstehen fiel ihr auch nicht mehr so schwer.
Dabei schob sich ihr nackter Körper aus dem Wasser und präsentierte sich ihm. Noch immer war es ihr ein wenig unangenehm, doch sie versuchte sich nicht mehr zu verstecken.
Er schmunzelte ein wenig, bei Lilithas Versuch, möglichst gelassen zu wirken. »Ist dir das immer noch unangenehm?«, fragte er abwesend und begann sich mit einem Handtuch abzutrocknen, wobei er Lilitha den Weg zu den Tüchern versperrte. Obwohl viel vorgefallen war, wollte er doch dieses kleine bisschen Normalität, das sie ihm gab, wenn sie mit ihm spielte.
»Nicht mehr so sehr wie am Anfang«, sagte sie leise und versuchte sich an einem Lächeln. »Aber deine Blicke werden mich immer nervös machen«, gestand sie und schaffte es kaum, Kaden in die Augen zu sehen.
»Meine Blicke machen dich nervös?«, fragte er und musterte sie eindringlich. Trotzdem schien er sie nicht gänzlich wahrzunehmen. Als würde sein Blick einfach durch sie hindurchgehen.
Lilitha nickte. Ihr war dieser Blick auf eine ganz andere Art unangenehm, denn er löste Sorge in ihr aus. Es war nicht der typische Blick, den er ihr sonst gab. Hier war kein Zeichen davon, dass er sie ausziehen wollte, wenn sie nicht schon nackt und ungeschützt vor ihm stehen würde.
Sie atmete zittrig die Luft ein. Auf einen Schlag schien sich alles verändert zu haben, auch wenn das Kribbeln noch immer da war. Sie wollte ihm irgendwie helfen und wusste doch nicht wie.
»Und wenn ich dich berühre?«, hauchte er leise, wobei er zwar versuchte zu spielen und es doch nicht konnte. Alles hier wirkte erzwungen, weshalb sich Lilitha nicht einmal sicher war, ob sie ihm mit einer direkten Einladung helfen würde oder es noch schlimmer machte.
Kaden kam abwesend auf sie zu und legte ihr mit einer flüchtigen Handbewegung ein Handtuch um, damit sie nicht fror. »Es ist besser, wenn du dir etwas anziehst«, meinte er nur und drehte sich dann von ihr weg, um wieder ins Zimmer zu gehen.
Lilitha blickte ihm nach. Das war etwas, was sie kaum mit Kaden in Verbindung bringen konnte. Eigentlich hätte sie erwartet, dass er doch wieder zurückkam, und sie küssen oder streicheln würde, doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen erklang ein: »Kommst du jetzt oder nicht?«, aus dem Wohnzimmer.
Aus ihren Gedanken gerissen, lief sie zu Kaden, der sich gerade wieder anzog. Sie wusste einfach nicht, wie sie ihm helfen sollte. Er wirkte so zerstreut.
Gerade als er sich das Hemd über den Kopf zog, warf er ihr einen Blick über die Schulter zu und sah sie fragend an. »Erst sagst du, meine Blicke machen dich nervös und dann bleibst du hier nackt in meinem Zimmer stehen. Muss ich das verstehen?«, fragte er und knöpfte seine Hose zu.
»Ich verstehe es auch nicht«, erwiderte sie unsicher. Sie hatte wirklich gehofft, dass ihre offene Einladung ihn etwas ablenken würde, doch das schien nicht der Fall zu sein. Also würde sie es nicht weiter versuchen. Das Problem war nur, dass sie sich nicht einmal anziehen konnte. Man hatte all ihre Sachen anscheinend weggebracht, nachdem sie in den Kerker gesperrt worden war. Es war fast so, als hätte man versucht, ihre Existenz auszulöschen. Eine Tatsache, die ihr wieder einmal bewusst machte, wie ersetzbar sie doch war.
Mit einem aufgesetzten Lächeln wandte sich Kaden zu ihr um und hielt ihr auffordernd eines seiner Hemden entgegen, um ihr zu deuten, die Arme hindurch zu stecken. Es war noch immer mitten in der Nacht und Lilitha sollte vermutlich schlafen, um sich zu erholen. Dennoch verschwendete sie keinen Gedanken daran. Stattdessen folgte sie Kadens Aufforderung und zog sich sein Oberteil über. Sofort fühlte sie sich besser. Beschützt und geborgen, nur weil sein Duft sie einhüllte.
Eine Weile blieb Kaden vor ihr stehen und musterte ihre Augen eingehend. »Du solltest dich hinlegen. Ich muss sowieso noch einigen Papierkram erledigen, aber keine Sorge, ich werde das hier machen«, erklärte er nach einer Weile und deutete auf den kleinen Schreibtisch, der an einem Fenster stand.
Lilitha gab sich mit einem Nicken geschlagen. Sie war wirklich völlig fertig und hatte lange nicht mehr richtig geschlafen. Im Moment konnte sie für ihn sowieso nichts tun, außer an seiner Seite zu bleiben. Sie sollte es nutzen, dass sie jetzt in Sicherheit war, um wieder zu Kräften zu kommen.
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