Kapitel 28.1
Der Abend brach herein und Lilitha fürchtete sich davor, allein in ihrem Zimmer zu sein. Wenn sie am Tag unterwegs war, konnte sie es verdrängen und sich auf andere Dinge konzentrieren, doch sobald sie ihr Zimmer betrat und allein war, kamen die Erinnerungen zurück.
Erinnerungen, die sie auch dazu brachten, aus dem Bett aufzustehen und unruhig umherzulaufen. Ihre goldenen Augen suchten alles ab und ihre Ohren waren gespitzt. Ein Geräusch störte sie schon die ganze Zeit und machte sie nervös. Aber sie wusste nicht, wo es herkam. In ihrem Zimmer war alles ruhig und dennoch wollte sie nicht zurück in ihr Bett. Nicht dorthin, wo man sie am ehesten vermuten würde.
Ein Kratzen? Ein Klopfen? Sie wusste es nicht recht, doch ihr Körper zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie dieses unbekannte Geräusch vernahm. Was, wenn es wieder dieser Attentäter war und das zu Ende bringen wollte, was er begonnen hatte? Lilitha schluckte bei diesem Gedanken ängstlich. Nein, so leicht würde sie es ihm sicher nicht machen. Schlafend im Bett wäre sie ein viel zu leichtes Opfer. Ungeschützt und zerbrechlich würde sie sich auf dem Präsentierteller darbieten. Das würde sie ganz sicher nicht riskieren.
Aber ihr Zimmer war auch nicht unbedingt dazu ausgelegt, dass sie sich verstecken konnte. Allerdings bot es eine Ecke, in der sie zumindest alles genau sehen konnte. Die Fenster und die Tür hatte sie somit im Blick. Außerdem hatte sie im Rücken eine Wand, was hieß, von hinten konnte auch niemand kommen.
Langsam und leise verzog sie sich in die Sitzecke, die mit haufenweise Kissen ausgelegt war. Dort nahm sie eines von diesen fest in den Arm und stellte bereits eine Verbindung zu ihren Pflanzen her. Diese würden sie wecken, falls sie einschlafen sollte. Doch so wie ihr Herz hämmerte, war das kaum möglich. Und sie wollte nicht schon wieder diesen Trank nehmen, der sie ruhig schlafen ließ.
Die Zeit schien kaum zu vergehen und das kratzende Klopfen schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer wieder ertönte es leise in langen Abständen, aber dennoch in einem stetigen Rhythmus.
Sie atmete scharf ein, als sie durch die Signale ihrer Pflanzen erwachte. Erst nach einigen Sekunden realisierte sie, dass sie eingeschlafen war. Kurz nahm sie sich die Zeit, um sich zu erden und blickte sich vorsichtig, doch resigniert im Raum um. Tatsächlich konnte sie einen Schatten erkennen, welcher auf ihr Bett zuschritt und ihren Puls in die Höhe schießen ließ.
Ihre Panik war so stark, dass sie gar nicht auf die Idee kam, vielleicht einmal den Geruch zu prüfen, oder anderes. Stattdessen sorgte sie dafür, dass ihre Pflanzen sich über den Boden schlängelten. Jederzeit bereit dafür, den Schatten anzugreifen, wenn sie den Befehl dazu gab. Aber noch bewegte sie sich nicht und hielt abwartend und mit heftig klopfendem Herzen die Luft an.
Mit Argusaugen behielt sie den sich bewegenden Schatten fest im Visier, doch die Tränen, welche sich in ihren goldenen Augen sammelten, verschleierten zunehmend ihren Blick. Ihr Körper zitterte vor Anspannung und Angst, dass sie nicht nur einmal das Atmen vergaß.
Der Schatten kam vor ihrem Bett zum Stehen und neigte sein Haupt über dieses, bis er beinahe vollständig aus Lilithas Blick verschwunden war.
Die Rothaarige durchfuhr ein Zittern und sie konnte nicht anders, als an das Essen mit Kadens Mutter zurückzudenken. Das Gift hatte sie überhaupt nicht bemerkt und es hatte sie so sehr gelähmt, dass sie überhaupt nichts hatte tun können. Diese Gefahr war gebannt, denn sie aß nur noch Dinge, die vorgekostet wurden, doch sie wusste, dass jemand hinter ihr her war. Warum also keinen direkten Anschlag auf sie planen?
Ihre Finger gruben sich in das Kissen und für einen kurzen Moment, in dem ihre Panik so stark war, dass sie kaum denken konnte, verlor sie sogar die Kontrolle über ihre Pflanzen. Diese schienen das als Zeichen zu nehmen und schlängelten sich näher auf den Schatten zu und um dessen Füße.
Lilitha wusste kaum wie ihr geschah, als sie plötzlich einen erstickten Laut vernahm und einen darauffolgenden dumpfen Aufprall. Sie zuckte heftig zusammen und riss die Augen auf, als sich die ersten Tränen aus diesen lösten.
Einige gedämpfte Laute drangen an ihre Ohren, welche wohl Ausrufe und Widerstand symbolisieren sollten, doch es war kaum lauter als ein Murmeln. Erschrocken drückte sich Lilitha vor Angst noch weiter in ihr Versteck, während sie darüber nachdachte, was sie als Nächstes tun sollte.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und sorgte dafür, dass ihre Pflanzen den Schatten fesselten, ehe sie zu der Kerze griff, die sie neben sich positioniert hatte und diese anzündete.
Die kleine Flamme erhellte nicht viel und so erhob sie sich zitternd, um zu schauen, wen oder was ihre Pflanzen erwischt hatten. In letzter Zeit hatte sie so ihre Probleme, in der Nacht zu sehen. Allerdings traute sie sich nicht, darüber zu sprechen. Es würde Kaden nur beunruhigen. Obwohl sie panische Angst hatte, konnte sie nicht schreien. Ihr Körper bebte heftig, aber gleichzeitig war es so, als würde er gar nicht mehr richtig funktionieren.
Ihre Schritte waren vorsichtig, aber alles andere als koordiniert, doch sie schienen sie wie von allein zu besagtem Ort zu tragen, ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können. Langsam schien das seichte Kerzenlicht auf ihre Ranken und offenbarte Kadens Körper, übersät, fest umschlungen und geknebelt von kräftigen Pflanzensträngen.
Lilitha blieb einfach nur stehen und blickte zu ihm nach unten. Zu geschockt, um wirklich zu reagieren. Stattdessen musste sie sich Mühe geben, ihr Herz wieder zu beruhigen und ihren Pflanzen den Befehl zu geben, sich zurückzuziehen. Erst reagierten diese nicht, doch schließlich lösten sie sich von Kaden und kamen der Aufforderung nach.
Noch immer zitternd hockte sich Lilitha hin. »E-Es tut mir leid«, brachte sie heiser hervor.
Kadens Gesicht war bereits rot angelaufen, als sich die Ranken von seinem Mund und seiner Nase lösten und er erleichtert nach Luft schnappen konnte.
»Warum liegst du nicht in deinem Bett?«, fragte er atemlos und rieb sich den Hals, um die Ranken von diesem zu entfernen. Dabei nahm er Lilithas feuchte Augen und Wangen wahr, die im leichten Licht der Kerze schimmerten.
»Ich hatte zu viel Angst«, gestand sie leise. »Dort sucht man mich doch als erstes«, fügte sie hinzu und ihre Stimme glitt fast schon in ein leises Wimmern. Sie hatte Kaden nicht erzählt, dass sie die Nächte ohne ihn nur durch einen Trank überstanden hatte. Doch auf Dauer war dieser nicht gut für ihre Gesundheit.
Kaden hustete leicht, als er schluckte, doch ließ seinen Blick weicher werden, als er Lilithas Zustand registrierte. Sie wirkte so aufgelöst und durcheinander, dass er augenblicklich die Hand hob, um sanft über ihre Wange zu streichen, welche von Tränen benetzt war.
Lilitha schloss die Augen und beruhigte sich durch seine Berührung. Sein Duft schmiegte sich um sie und ganz langsam konnte sie wieder entspannen. Es war nur Kaden gewesen, der sich zu ihr geschlichen hatte. Nichts Gefährliches. Eigentlich hätte sie es wissen müssen. Hätte sie wohl auch, wenn sie nicht zu große Angst gehabt hätte, um seinen Geruch zu bemerken. »Es tut mir leid«, flüsterte sie erneut.
Der Vampir seufzte und setzte sich ein wenig träge auf, um sich an das Bett zu lehnen. Vorsichtig, als wäre Lilitha aus Glas, ließ er seine Hand in ihren Nacken gleiten und zog sie zu sich auf den Schoß, um sie im Arm zu halten.
Wie eine Katze, die schon lange keine Schmuseeinheiten mehr erhalten hatte, schmiegte sie sich an ihn. Doch Kaden konnte ihr Herz noch immer über alle Maßen laut schlagen hören.
»Beruhig dich erst mal wieder«, flüsterte er leise und strich langsam, in gleichmäßigen Zügen, über Lilithas Haar. Er wollte nur zu ihr kommen, um nach ihr zu sehen, weil sie das Thema in der Stadt angesprochen hatte, dass sie nicht allein schlafen konnte. Doch das hatte er wohl kaum erwartet.
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