Kapitel 20
Lilitha lief durch die Gänge des Harems und begab sich hinaus in Richtung ihres Gewächshauses.
Auf dem Weg schloss sich Fey ihr an, die aus der Küche einen Teller mit Essen geholt hatte. Ihr Blick schweifte nur kurz über die Rothaarige und das reichte schon, um den leicht nachdenklichen, aber auch etwas erwartungsvollen Blick zu bemerken. »Mylady, ist alles in Ordnung?«, fragte sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck. Immerhin war es ihre Aufgabe, dass sich ihre Lady hier wohlfühlte und glücklich war. So hatte der Highlord es ihr zumindest angewiesen. Und sie würde ihre Aufgabe auch so gut erfüllen, wie sie konnte. Immerhin hatte sie diese Position nicht umsonst erhalten.
»Es ist nichts. Ich bin nur Sergej begegnet«, erklärte sie und schenkte Fey ein leichtes Lächeln. »Aber ich werde heute Abend mit Mylord in die Stadt gehen. Er sagte, er würde mir helfen, damit ich die Vorbereitungen nicht allein machen muss«, fügte sie hinzu und drehte seine Worte ein wenig, damit es nicht falsch klang. Immerhin schien er sowas in der Art gemeint zu haben. Ob er sich mit den vampirischen Bräuchen bei Hochzeiten überhaupt auskannte? Und wenn ja ... wieso? Ob er schon mal geplant hatte, Chiana oder seine vorherige Favoritin zu heiraten? Lilitha schluckte, während sich bei diesem Gedanken ein Kloß in ihrem Hals bildete.
»Das freut mich für Euch, Mylady. Ich bin mir sicher, dass Mylord viel umstellen musste, um sich die Zeit für Euch zu nehmen«, erklärte die Elfe lächelnd.
Daran hatte Lilitha gar nicht gedacht. Er war den ganzen Tag beschäftigt gewesen und wahrscheinlich hatte er noch viel mehr zu tun. Immerhin hatte er seine Arbeit ziemlich vernachlässigt. Das machte ihr ein wenig Sorgen. Sie wollte nicht, dass er wegen ihr alles umstellte. Auch wenn allein schon der erste Tag im Harem, abseits von seiner Nähe, ihr zu schaffen machte. Er hatte gesagt, dass er sie ebenfalls vermisste, doch vielleicht fühlte er sich auch einfach nur ihr gegenüber verpflichtet? Das wäre wirklich alles andere als das, was sie sich aus dieser künftigen Ehe erhoffte.
Sie öffnete das Gewächshaus und trat zusammen mit ihrem Dienstmädchen ein. »Fey, sag mir. Glaubst du, er fühlt sich mir gegenüber verpflichtet, mich dabei zu unterstützen? Ich weiß, er hat eigentlich andere Aufgaben.«
Die Elfe wirkte über diese Frage sichtlich überrascht und blinzelte verblüfft. »Nein ... also ich weiß nicht, Mylady. Aber das wollte ich damit nicht sagen«, versuchte sie sich zu erklären und lächelte aufmunternd. »Aber ich sehe ja, wie sehr Ihr an Mylord hängt, darum dachte ich, Ihr würdet Euch sehr freuen.«
»Ja, ich hänge an ihm, aber ich möchte ihm nicht zur Last fallen. Ich habe das Gefühl, dass er wegen mir sein gesamtes Leben umstellt und ich weiß nicht, ob das gut ist«, erklärte Lilitha noch immer in Gedanken und schlenderte durch das Gewächshaus, während sie ihre Blumen betrachtete.
Aufmerksam folgte Fey ihr mit dem Blick und schien über ihre Worte nachzudenken. »Das glaube ich nicht. Immerhin liebt er Euch doch.«
»Ja, das hoffe ich. Aber trotzdem möchte ich nicht, dass es zu Problemen kommt. Ich habe das Gefühl, so viel nicht zu verstehen. Ich kenne mich mit den Adelsregeln aus, aber es ist schon so lange her, dass ich nicht weiß, ob diese auch auf diesen Harem ausgelegt werden können.« Plötzlich bekam sie Angst vor dem, was sie noch erwarten würde.
Fey runzelte die Stirn und wusste gar nicht so recht, was sie zuerst fragen sollte. »Habt Ihr Angst, Ihr könntet ihn vor dem Adel bloßstellen?«, fragte sie verwirrt und nahm auf einem der Holzstühle Platz.
Lilitha lächelte schief. »Tut mir leid, meine Gedankengänge sind manchmal etwas verwirrend. Ja, ich habe Angst vor so etwas. Ich heirate immerhin nicht einfach nur einen Mann, sondern den Highlord. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was das für Auswirkungen haben wird. Es gibt so viel zu beachten und bedenken und niemand scheint mir dabei helfen zu können«, seufzte sie und ließ sich auf dem Sofa nieder.
»Es ist eine große Verantwortung«, stimmte Fey ihr nachdenklich zu. Auch wenn sie persönlich keine Ahnung vom Adel hatte, oder davon, was es hieß, eine angehende Highlady zu werden, so konnte sie sich doch vorstellen, dass es alles andere als entspannend war.
»Ja, das ist es, aber ich habe vorher nie darüber nachgedacht«, meinte Lilitha und erhob sich, ehe sie ein wenig unschlüssig auf und ab lief, als würde sie sich so beruhigen wollen. »Meine Eltern haben mir viel beigebracht, aber ich weiß nicht, ob ich das hier kann«, murmelte sie und fühlte sich auf einmal so hilflos. Sie wollte zurück in Kadens Arme.
Die Elfe holte hörbar Luft. Was sollte sie denn tun, wenn sie so aufgebracht wirkte? Immerhin war sie eine Vampirin, die sie erst seit einem Tag kannte. »Mylady, ich bin mir sicher, dass sich dafür eine Lösung finden lässt«, versuchte sie diese zu beruhigen. Zwecklos. Sie glaubte ja selbst nicht, was sie sagte. Wie sollte sie so Lilitha beruhigen? Generell wusste sie nicht, wie sie mit der Rothaarigen umgehen sollte, wenn sie so war wie jetzt.
Lilitha blieb stehen und seufzte. »Ich fühle mich ohne ihn etwas allein«, gestand sie betrübt. Ihre Stimme klang geradezu deprimiert und schien alles andere als beruhigt.
»Ist das nicht ein Grund mehr, sich auf den Ausflug zu freuen?«, fragte die Elfe nun und versuchte all das aus einem positiveren Blickwinkel zu sehen.
Ein zittriges Lächeln. »Ja, das stimmt wohl«, meinte Lilitha und versuchte sich nicht mehr auf die Dinge zu konzentrieren, die sie nicht kannte und die auf sie zukamen, sondern auf den Ausflug heute Abend. Dann konnte sie Kaden all die Fragen stellen, die sie bedrückten.
Das Dienstmädchen lächelte sie warm an und deutete auf einen Stuhl neben sich. »Soll ich Euch einen Tee zubereiten, Mylady?«, fragte sie, um Lilitha ein wenig abzulenken.
»Ja, bitte«, meinte diese und fühlte sich erschöpft. Wahrscheinlich, weil sie sich schon die meiste Zeit über Gedanken gemacht hatte.
Mit einem Nicken erhob sich Fey und benutzte einen Zauber, um die kleine Feuerstelle in der Ecke zum Glühen zu bringen, bis diese letztlich aufflammte. »Wann kommt Mylord zu Euch?«
»Das hat er nicht gesagt. Er meinte nur heute Abend«, erklärte Lilitha und blickte nachdenklich in die Ferne. Am liebsten wollte sie schon jetzt, doch wahrscheinlich steckte Kaden gerade in einem Stapel Arbeit.
Fey ergriff einige Kräuter und ließ diese in eine Kanne mit Wasser rieseln, um sie über das Feuer zu stellen. Gerade als sie dazu ansetzen wollte etwas zu erwidern, blieb ihr Blick an der Eingangstür hängen, welche ein gutes Stück hinter Lilitha war und von einigen Gewächsen verdeckt wurde.
Lilitha jedoch erhob sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie musste nicht sehen, wer gerade gekommen war. Trotz der Blumen konnte sie ihn riechen. Wahrscheinlich war er eher fertig geworden und wollte schon jetzt mit ihr gehen, oder brauchte eine Pause. Sie lief um die Blumen herum und auf Kaden zu. Der blonde Vampir lächelte, wenn auch eher nachdenklich und nicht gerade überzeugend.
»Fey, gibst du uns kurz eine Minute?«, bat er, als er ein Stück weiter eingetreten war und blickte die Elfe erwartungsvoll an. Diese schien zwar ein wenig überrascht, doch sie erhob sich nickend, um das Gewächshaus zu verlassen. Befehl war Befehl.
Lilitha schenkte Kaden ein Lächeln, bemerkte dann aber, dass er irgendwie nachdenklich wirkte. Ihre Mimik verrutschte, als sie ihre Hände auf seine Brust legte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie, während die Sorge bereits in ihr Wurzeln schlug.
Kaden musterte sie, doch er hatte überraschend viel Mühe damit, ihrem Blick standzuhalten. Wie sollte er ihr das nur beibringen? »Ja, alles in Ordnung. Ich wollte mich nur mit dir unterhalten«, erklärte er und schob Lilitha sanft ein Stück von sich, um weiter in den Garten einzutreten.
Diese Geste kam überraschend und Lilitha trat zurück, um Kaden zu folgen. Sie hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Als wäre irgendwas nicht in Ordnung. »Über was willst du denn reden?«, fragte sie leise, weil sie das Gefühl hatte, dass es nichts Intimes werden würde.
Kaden seufzte und drehte sich zu ihr um, um sich gegen den Holztisch zu lehnen, an dem Fey vorher noch gesessen hatte. »Es geht um den Ausflug heute. Ich kann leider nicht mit dir gehen.«
Diese Aussage kam sehr überraschend und Lilitha hatte Mühe, dass ihre Miene nicht so sehr die Enttäuschung zeigte, die sie empfand. Stattdessen versuchte sie diese mit einem Lächeln zu überspielen. »Du hast heute sehr viel zu tun, oder?«, fragte sie und versuchte ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Sie hatte sich doch so sehr darauf gefreut. Es schien wie bittere Ironie zu klingen, dass er ihr jetzt absagte, nachdem sie sich die ganze Zeit darauf gefreut hatte. Immerhin hatte sie ihn den ganzen Tag vermisst und ihn nur kurz im Arbeitszimmer sprechen können. Sollte jetzt jeder Tag so aussehen? Sie verbrachte die Zeit im Harem und er ging seiner Arbeit nach? Würde sie ihn überhaupt noch sehen, wenn sie verheiratet waren?
»Tut mir leid«, war alles, was er von sich gab.
Lilitha senkte den Blick, ließ aber nicht zu, dass ihr die Tränen kamen. Nicht jetzt. Sie wollte nicht, dass er sah, wie sehr es sie schmerzte. »Das ist in Ordnung«, erwiderte sie, versuchte ihre Stimme fest klingen zu lassen und schenkte ihm ein zittriges Lächeln. »Ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten. Dann ein anderes Mal.« Sie hoffte wirklich, dass es ein anderes Mal geben würde.
Kaden musterte sie skeptisch, bevor er nach Lilithas Hand griff, um sie ein Stück weiter zu sich zu ziehen. Immerhin waren sie im Moment allein und es fühlte sich einfach falsch an, sich so von ihr fernzuhalten.
»Soll ich dir die Schneiderin hierherbestellen?«, fragte er und strich mit dem Daumen über ihre Rückhand.
Lilitha schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn es in Ordnung ist, würde ich trotzdem gern mit Fey in die Stadt«, bat sie und versuchte sich an einem Lächeln. Dabei genoss sie Kadens Nähe, auch wenn sie das Gefühl hatte, da wäre eine riesige Wand zwischen ihnen.
Sichtlich verblüfft hob Kaden die Brauen. Um ehrlich zu sein hätte er nie erwartet, Lilitha würde ohne ihn gehen und noch dazu mit Fey, die sie erst seit einem Tag kannte.
»Bist du dir sicher, dass das so eine gute Idee ist?«, fragte er skeptisch. Dennoch schien es ihm falsch, ihr auch noch einen Wunsch abzuschlagen, nachdem er sie nur wegen Sergej versetzte.
»Ich weiß es nicht«, gestand sie ein wenig nervös und überfordert. »Aber ich möchte die Zeit in der Stadt nutzen, um nachzudenken. Hier habe ich immer das Gefühl, mich nicht konzentrieren zu können«, erklärte sie leise. Seitdem sie wieder im Harem war, fühlte es sich hier, selbst in ihrem Gewächshaus, irgendwie bedrückend an.
Kaden seufzte und zog Lilitha in seine Arme, um sie zu halten. »Wenn es dir im Harem zu viel wird, sagst du mir Bescheid, in Ordnung?«, flüsterte er und drückte kurz ihren Arm als eine Art Zeichen, dass sie heute gehen durfte.
Lilitha schmiegte sich an seine Brust und atmete seinen Duft ein, ehe sie merklich ruhiger wurde. »Ja, ich werde es dir sagen. Ich muss mich nur wieder einleben«, erklärte sie und hoffte, dass das stimmte. Sie wollte nicht, dass sie ewig dieses Gefühl hatte. Und auch wenn sie sich auf diesen Ausflug gefreut hatte, so war ihr dennoch schmerzlich bewusst, wer Kaden überhaupt war. Er war der Highlord und sie würde sich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass er nicht immer Zeit für sie haben würde. Auch wenn ihr das zuwider war. Wer konnte ihr garantieren, dass er sie bei der ganzen Arbeit und den anderen Frauen, die tagtäglich vor seiner Nase rumliefen, nicht vergaß?
Lilitha konnte nicht verhindern, dass sie eifersüchtig wurde. Kein sonderlich schönes Gefühl, aber etwas, womit sie ebenfalls lernen musste zu leben. Sie würde es schaffen. Hoffte sie.
Kaden löste sich von ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er sie noch einmal musterte. Sie wirkte verletzt, das konnte er ihr ansehen, auch wenn sie es gut versteckte.
Aufmunternd strich er ihr über die Wange und holte Luft, um etwas zu sagen, doch irgendwie wollten ihm nicht die richtigen Worte einfallen. Wieso schien es so, als würde, nach nur einem Tag Trennung, etwas zwischen ihnen stehen?
Es war schwieriger als er erwartet hatte und nicht das erste Mal fragte er sich, ob seine Stellung als Highlord daran schuld war.
Langsam senkte er die Hand und tat sich schwer dabei den Blick von ihr zu reißen.
»Ich werde dir einige Wachen mitschicken zur Sicherheit«, bemerkte er nachdenklich und hatte schon Angst Lilitha damit verletzen zu können. Sie wirkte viel zerbrechlicher als sonst.
»Ja, das ist eine gute Idee«, murmelte sie, denn sie wollte nicht, dass Kaden sich unnötig Sorgen machte. Sie selbst hatte auch keine Lust, sich auch noch über ihre Sicherheit den Kopf zerbrechen zu müssen. »Muss ich sonst auf etwas achten?«
Überrascht hob der Blonde eine Braue und schien nachzudenken. »Na ja ...«, setzte er an und musste ein wenig schmunzeln. »Da du jetzt als meine Verlobte bekannt bist, wirst du dich auch vor dem Volk so geben müssen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Lilitha verzog ein wenig den Mund. »Mich geben wie eine Adlige, meinst du«, stellte sie nüchtern fest.
Es fiel Kaden schwer ihre Abneigung zu überhören und er hatte auch nichts anderes erwartet. Immerhin kannte sie auch gar nicht die Normen des Adels.
»Du sollst nichts machen, was du nicht willst, aber denk einfach dran, dass du noch immer in Gefahr bist, solange der Attentäter frei rumläuft. Ich will nicht, dass jemand denkt, du wärst ein leichtes Ziel.«
»Ich bin kein leichtes Ziel«, murmelte sie. »Aber ich werde mich nicht als Zielscheibe anbieten«, versprach sie. »Aber irgendwann muss mir jemand beibringen, wie das geht. Meine Adelskenntnisse sind bestenfalls eingestaubt.«
Kaden nickte zustimmend, wenn auch skeptisch. »Ich werde mich darum kümmern. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
Lilitha erwiderte die Geste ebenso professionell. »Gut. Dann fühle ich mich vielleicht nicht mehr wie ein Trampeltier.«
Bei dieser Bemerkung musste Kaden grinsen, was seine aufsteigende Übelkeit, aufgrund von Lilithas eigenständigem Ausflug, nicht wirklich beruhigte. »Stell einfach keinen Blödsinn an«, meinte er schlussendlich und hauchte Lilitha noch einen Kuss auf die Wange, ehe er sich auf den Rückweg machte.
Betrübt sah sie ihm dabei zu. Obwohl sie sich darauf gefreut hatte, mit Kaden in die Stadt zu gehen, würde sie sich doch den Ausflug nicht entgehen lassen. Auch, wenn sie dabei ein eher mulmiges Gefühl im Bauch hatte.
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