Kapitel 19.1
Mit langsamen, gezielten Schritten umkreiste der Highlord den belegten Stuhl in dem leeren Raum. Denn genau das war er im Moment. Der Highlord. Lilitha würde ihn wohl so betiteln, wie sie es immer tat, wenn er sich anders verhielt, als wenn er mit ihr zusammen war. Eine Angewohnheit, die ihm selbst nicht einmal mehr auffiel.
Still faltete er die Hände an seinem Rücken, um neben dem Stuhl stehenzubleiben und sich gegen den davorstehenden Tisch zu lehnen. »Weißt du schon, wieso du hier bist?«, fragte er mit kühler, tiefer Stimme, die keinerlei Mitgefühl zeigte.
Die junge Haremsdame wirkte eingeschüchtert und schüttelte den Kopf, während sie den Blick zu Boden gerichtet hatte. Kaden ignorierte ihre Geste und blickte sie noch einige weitere qualvolle Minuten an.
Er hatte aufgehört zu zählen, die wievielte Befragung das war, doch bisher war nichts Wichtiges ans Licht gekommen. »Wo genau warst du am Tag des Attentats?«, fragte er und erhob sich wieder, um in dem Raum seine Kreise zu ziehen, ehe er vor dem Fenster stehenblieb und hinausblickte.
Die junge Frau spielte nervös mit ihren Fingern. »Ich war mit einigen meiner Freundinnen in der Bibliothek«, antwortete sie mit zittriger Stimme. »Ich hatte mein Buch beendet und wollte mir ein neues holen, als ich im Garten Eure werte Frau Mutter und die junge Lady sah.«
»Welche junge Lady?«, fragte Kaden direkt eindringlich.
»Eure Verlobte, Mylord«, erklärte die Frau ohne zu zögern, aber immer noch deutlich ängstlich. »Sie lief mit Eurer werten Mutter durch den Garten. Das taten sie im Winter öfter, obwohl es doch so kalt war. Viele der Frauen waren sehr eifersüchtig darauf, dass sie Zeit mit Eurer Mutter verbrachte, obwohl sie nicht einmal mit den anderen sprechen wollte.«
»Diese Frauen, die deiner Meinung nach eifersüchtig waren. Wie sind ihre Namen?«, fragte er ruhig, machte sich in Gedanken jedoch Notizen. Dabei beobachtete er besonders ihre Reaktionen und die Formulierung ihrer Aussagen.
Weiterhin rieb sie ihre Hände. »Das sind eine Menge«, sagte sie und begann dann einige Namen aufzuzählen. Dabei beschrieb sie ebenfalls die gehässigen Worte, die sie nutzten und wie sehr sie selbst den Ärger über diese Tatsache einschätzte. Viele waren eifersüchtig. Besonders die Roten, aber auch die Grünen und Blauen, da sie ebenfalls einen Zugang zur Mutter des Highlords wünschten.
Kaden nickte stumm, prägte sich jedes der Worte genau ein und trat immer weiter an sie heran. »Und was ist mit dir? Warst du eifersüchtig?«, fragte er nun direkt und stemmte die Hände im Stehen auf den Tisch.
Die junge Frau zuckte etwas zusammen. »Eifersüchtig nicht, aber vielleicht ein wenig misstrauisch«, murmelte sie. »Es ist vorher noch nie vorgekommen, dass sich Eure Mutter so lange mit einer Frau aus dem Harem unterhalten hat. Man sah sie sonst so gut wie nie. Es war alles sehr ... merkwürdig und eigenartig.«
Langsam richtete sich der Highlord wieder auf und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Eine Weile musterte er sie stumm, doch eindringlich, bevor er ihr zunickte. »In Ordnung, du darfst dich jetzt wieder zurückziehen.«
Erleichtert seufzte die Frau und erhob sich, ehe sie einen Knicks machte. »Wie Mylord wünscht«, verabschiedete sie sich und verließ den Raum, der ihr eine Gänsehaut bescherte.
Kaden fuhr sich durch die Haare. Vor der Begegnung mit der nächsten Frau hatte er ein wenig Angst. Er wusste nicht, wie sehr ihn das Kommende verärgern würde und er würde nur ungern handgreiflich werden.
Müde rieb er sich über das Gesicht und wusste nicht recht, wie er es angehen sollte. Er würde einfach genug Distanz halten müssen.
Mit einem Handzeichen deutete er der Wache im Türrahmen die nächste Frau reinzubringen. Nur wenig später trat Chiana ein. So leichtfüßig und schön wie immer. Ihre schwarzen Haare und weiche Haut hatte sie gut gepflegt und ihre üppigen Rundungen wurden durch das Kleid, das sie trug, eindeutig betont. Ihre Lippen zierte ein leichtes Lächeln, scheinbar erfreut den Highlord zu sehen.
Dieser atmete tief durch, um seine Fassung zu wahren. Er konnte nicht sagen, dass diese Freude auf Gegenseitigkeit beruhte.
Sie trat auf ihn zu, um die letzte Distanz zu überwinden, die sie trennte und machte einen leichten Knicks. »Mylord«, grüßte sie mit einem beinahe schelmischen Lächeln.
»Setzen«, war das Einzige, was er hervorbrachte und nickte auf den Stuhl, auf dem zuvor die andere Haremsfrau gesessen hatte.
Kurz wirkte Chiana ein wenig überrascht und verwirrt, aber ihr Lächeln erschien sofort wieder. Scheinbar ahnte sie nichts Böses, oder wollte an nichts Böses denken. »Wie Mylord wünscht«, sagte sie freundlich und ließ sich nieder, während sie den Blonden neugierig musterte.
»Ich bin nicht hier, um Spielchen zu spielen, Chiana. Nur damit keine Missverständnisse entstehen. Wo warst du am Tag des Attentats?«, fragte er und stellte sich hinter die junge Frau an die Wand, wo er sich anlehnte.
Chiana wirkte über diese Frage sehr überrascht. »Im Hamam«, erklärte sie irritiert und deutlich überfahren. Scheinbar hatte sie etwas anderes erwartet. Unmittelbar verdrehte sie ihren Rücken, bis sie Kaden sehen konnte. Ihn in ihrem Nacken zu wissen, gefiel ihr überhaupt nicht. Nicht, wenn er so eine kalte Stimme hatte.
»Den ganzen Tag lang?«, hinterfragte er skeptisch und blieb dort, wo er war, ohne einen Muskel über ihre Geste zu regen.
»Fast den ganzen Tag. Aber als man Eure Mutter fand, bin ich Sergej sofort zur Hand gegangen und habe mich darum gekümmert, dass man sie an einen Ort bringt, wo sie untersucht werden kann«, erklärte Chiana und klang ein wenig traurig. Im Gegensatz zu den anderen Haremsfrauen hatte sie seine Mutter zumindest gekannt.
Der Blonde versteifte sich, doch er ließ sich nichts anmerken. Es war noch immer schwer, den Tod seiner Mutter zu akzeptieren. Und, es aus Chianas Mund zu hören, war überraschend schmerzhaft. »Wie hast du davon erfahren?«, setzte er fort und stieß sich von der Wand ab, um wieder durch den Raum zu streifen. Es war schwer für ihn länger als einige Sekunden stillzustehen.
»Das Dienstmädchen hat sie gefunden und sofort Alarm geschlagen«, erklärte sie. »Sie war so fertig, dass sie durch den ganzen Harem geschrien hat«, fügte Chiana leise hinzu.
Die Zähne des Mannes knirschten vor Wut. Er durfte keine Emotionen zulassen. Erst recht nicht vor Chiana. Sie wartete nur darauf, ihn schwach zu sehen, um dann für ihn da sein zu können. Das war so ihre Art, wie er in den letzten Jahren bemerkt hatte.
»Was ist dann passiert?«, murmelte er und blickte zu seinen Füßen, als er vor dem Fenster zum Stehen kam.
»Sergej hat die Wachen alarmiert und wir sind alle zum Speisesaal Eurer Mutter. Dort fanden wir sie. Während sich Laura sofort auf ihre Freundin stürzte, habe ich nach Eurer Mutter gesehen. Leider kam meine Hilfe zu spät«, sagte sie und ihr Tonfall wurde traurig und bedauernd.
Kaden sog scharf die Luft ein, als sich seine Augen schlossen und Fäuste ballten. »Weiter«, befahl er als Highlord und wurde wieder gefasster. Es war der falsche Moment, die Fassung zu verlieren. Chiana schien mehr zu wissen, als sie zugab.
»Wir dachten, sie wären tot, als jemand herausfand, dass Lilitha noch lebte. Sergej fand Reste des Giftes an ihren Fingern und ging davon aus, dass sie etwas damit zu tun hatte und aus Versehen selbst das Gift genommen hat. Dann brachte er sie weg.« Chianas Stimme wurde überraschend kalt. Beinahe schon emotionslos, als würde sie einen Bericht aus ihren Erinnerungen vortragen.
Mit schnellen Schritten bewegte er sich zu dem Tisch neben Chiana und schlug mit der Faust auf das dunkle Holz. »Hör auf, mich anzulügen«, zischte er durch zusammengebissene Zähne und nahm sie fest ins Visier.
Chiana wirkte überrascht. »Ich kann nur weitergeben, was Sergej uns gesagt hat. Laut ihm hatte sie das Gift an ihren Fingern«, beharrte Chiana und klang nun fester.
Er hielt ihrem Blick stand und ließ kein bisschen locker. »Du verheimlichst etwas.«
Eine einfache Feststellung, doch Chiana blickte ihn weiterhin ratlos an. »Ich wüsste nicht, was Ihr meint, Mylord. Ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß.« Sie würde ihm nicht erzählen, dass sie eine gewisse Schadenfreude empfunden hatte. Und auch nicht, dass Laura versucht hatte, ihr ehemaliges Dienstmädchen zu verteidigen.
Kadens Augen verengten sich. »Du hast überhaupt kein Schamgefühl, was?«, fragte er leise, in einem feindseligen Ton, der so schneidend war, dass es Chiana kalt den Rücken herunterlief.
»I... Ich weiß nicht, was Ihr meint, Mylord«, erwiderte sie und zog den Kopf ein. Sie fühlte sich unwohl bei diesen Blicken.
Er lehnte sich weiter zu ihr, um ihr so wenig Spielraum wie möglich zu lassen. »Hattest du etwas mit dem Attentat zu tun?«, fragte er nun ohne Umschweife und behielt sie fest im Blick.
Schockiert riss Chiana die Augen auf und hob abrupt den Blick. »Ich würde Eurer Mutter niemals so etwas antun«, hauchte sie entsetzt. Wie kam er nur darauf, dass sie etwas damit zu tun hatte? »Was würde mir das bringen?«, fragte sie, um zu zeigen, dass sie daraus keinen Nutzen ziehen könnte.
»Aus Rache an Lilitha? Man hat ja offensichtlich versucht, ihr etwas anzuhängen«, blieb Kaden stur bei seiner Meinung.
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