Kapitel 18.1
Der Gedanke an Kadens möglichen Tod wollte Lilitha auch einige Tage später nicht loslassen. Dabei hätte sie im Moment komplett andere Probleme und Sorgen haben sollen.
Heute würde sie wieder ein Zimmer im Harem beziehen. Es war hergerichtet worden und lag ein wenig abseits der anderen, so dass sie nicht zu sehr gestört wurde, wenn sie das nicht wollte. Dennoch würde sie wieder einen gewissen Teil ihres Tages im Harem verbringen müssen.
Auch wenn ihr Zimmer im Gegensatz zu den der anderen Frauen am nächsten zu Kadens Gemächern lag, so lag das wohl auch nur an den Zimmern, welche für die Ehefrauen des Highlord gedacht waren. Nur wurden diese bisher nicht genutzt.
Grummelnd wälzte sich Lilitha im Bett und tastete die Matratze, um sich herum, suchend ab. Kein großer, dunkelblonder Vampir, an den sie sich kuscheln konnte ... ihre erste Nacht ohne Kaden und schon hatte sie das Gefühl zu ersticken.
Müde richtete sie sich auf und blickte sich genauer um, in der Hoffnung nur zu träumen. Doch nein. Es war definitiv nicht das Zimmer des Highlords, in dem sie sich befand.
Augenblicklich zuckte Lilitha zusammen, als es an ihrer Tür klopfte und kurz darauf ein Dienstmädchen eintrat. »Mistress Lilitha?«, fragte dieses zögernd und kniete zu Boden. »Ich wurde geschickt, um Euch für den Tag fertig zu machen.«
Lilitha seufzte. Ja, das hatte sie befürchtet. Müde wälzte sie sich aus dem Bett. »Du musst nicht knien, wenn wir allein sind«, murmelte sie und streckte sich ein wenig. »Ich weiß, in der Öffentlichkeit wird es sich nicht vermeiden lassen, aber nicht in meinen Räumen, bitte«, fügte sie hinzu, weil sie das Gefühl nicht mochte, das die Dienerin ihr vermittelte.
Mit einem kurzen Nicken erhob sich das Dienstmädchen und faltete die Arme hinter dem Rücken. »Sehr wohl, Mistress«, erwiderte diese und hielt den Blick weiterhin gesenkt. Unweigerlich musste Lilitha an ihre Zeit bei Chiana zurückdenken. Ob sie dieser öfter begegnen würde? Immerhin verbreiteten sich Neuigkeiten schnell im Harem und bestimmt wusste bereits jeder, dass Lilitha zurück war.
Das Dienstmädchen kam auf Lilitha zu, bevor sie dieser beim Entkleiden half, damit sie das angrenzende Badezimmer aufsuchen konnten. Es war nicht so groß wie der Hamam, reichte aber völlig, um sich darin zu waschen und Lilitha hatte keine Lust auf Gesellschaft von anderen Frauen. Sie war noch nicht einmal wirklich über das Dienstmädchen erfreut. Aber sie hatte wohl keine andere Wahl. So gesehen war sie jetzt wohl die Highlady, zumindest so lange, wie sie Kadens einzige Frau blieb. Und da seine Mutter tot war ... schnell schüttelte Lilitha diesen Gedanken ab. Schlechte Stimmung wollte sie nun wirklich nicht.
Die Frau schrubbte Lilitha durch und wusch ihre Haare. Kämmte die roten Locken, massierte Öle in ihre Haut, schminkte sie in schlichten Tönen, wie der Highlord es mochte und legte ihr eines ihrer neuen Unterkleider und Gewänder auf das Bett.
Lilitha ließ es über sich ergehen. Sie hatte sowieso keine andere Wahl. Sie musterte das Kleid und seufzte schließlich. Es schien doch ein recht arbeitsreicher, anstrengender Tag zu werden.
Wenn sie an die ganzen Frauen dachte, wurde ihr übel.
»Fühlt Mylady sich nicht wohl?«, fragte die zierliche Elfe, wie Lilitha an ihren Ohren und ihrem Geruch ausmachen konnte. Sie schien ein erfahrenes Dienstmädchen zu sein, wie sie mit geschickten Bewegungen zwei kleine Strähnen rechts und links von Lilitha begann zu flechten und diese an ihrem Hinterkopf zusammensteckte.
»Wie ist die Atmosphäre im Harem?«, wollte sie leise wissen und hoffte nicht allzu drastisch. Allerdings konnte sie sich vorstellen, dass die Verkündung ihrer Heirat mit dem Highlord nicht sonderlich gut angekommen war.
Bei ihrer Frage hielt die Frau kurz inne, ehe sie ihre Arbeit fortsetzte. »Es ist recht angespannt und die Verlobung ist natürlich, gleich nach Eurer Rückkehr, das oberste Gesprächsthema. Viele glauben, Ihr seid schwanger«, erklärte sie zögernd, unsicher, ob Lilitha nicht wütend werden würde aufgrund ihrer Antwort.
Diese seufzte. »Wunderbar«, murmelte sie alles andere als begeistert. Das würde Kaden freuen, wo sie doch erst das Gespräch über Kinder gehabt hatten. »Ich nehme an, meine Anwesenheit würde einige böse Blicke mit sich bringen, oder?«
Das Dienstmädchen holte einige kleine Flakons, in denen sich Parfüm befand und hielt diese vor Lilitha, damit sie sich eins aussuchen konnte. »Eifersucht ist ein garstiges Monster, Mylady. Es wird immer böse Blicke geben, solange Ihr mit dem Highlord zu tun habt.«
Lilitha wählte eines der Fläschchen mit einem dezenten Duft nach Rosen. »Ich weiß. Aber wie schlimm ist es? Gibt es überhaupt jemanden, der meine Gegenwart nicht als störend empfindet?«
»Hm«, machte die Frau leise und stellte die anderen Düfte langsam wieder zurück. »Das ist schwer zu sagen. Es gab viel gehässiges Gerede, während Eurer Abwesenheit. Jedoch glaube ich, dass viele versuchen werden, sich mit Euch gut zu stellen. Aber es gibt auch einige wenige, welche wirklich erfreut sind über die Verlobung.«
Lilitha horchte auf. Es gab tatsächlich jemanden, der erfreut über die Verlobung war? Nun, das konnte sie sich kaum vorstellen. Aber es beruhigte sie etwas. Auch wenn sie nicht sonderlich viel Lust hatte, sich mit Leuten gut zu stellen, die sie nur als eine Art Sprungbrett sahen. Vermutlich sahen viele eine große Chance darin, durch sie ihren Platz einnehmen zu können. Ebenso wie sie es augenscheinlich mit Chiana geschafft hatte. Nur, dass Lilitha das hier nie geplant hatte.
Was sollte sie eigentlich den ganzen Tag machen? Ob es sinnvoll war, nach jemandem zu suchen, der ihr bei der Hochzeitsplanung helfen konnte? Eventuell eine der Gelehrten? Möglicherweise konnten diese sie über die Gebräuche aufklären.
»Wünscht Mylady meine Begleitung für den Tag?«, fragte sie mit einer Verbeugung und legte wieder ihre Arme auf den Rücken, sobald sie fertig war. »Mylord sagte, ich sei für Eure Wünsche und Bedürfnisse verantwortlich, solange Ihr im Harem wohnt.«
Lilitha musterte das Dienstmädchen. Wenn Kaden sie zu ihrer persönlichen Dienstmagd machte, musste er ihr vertrauen. »Ich hätte gern deine Gesellschaft. Wie heißt du?«
Die Frau mit dem türkisen Haarschimmer lächelte und machte einen Knicks. »Mein Name ist Fey, Mylady Lilitha«, stellte sie sich vor und richtete sich wieder auf. »Ich bin schon seit zwanzig Jahren im Harem des Highlords tätig«, erklärte sie unaufgefordert, aber auf eine Art, die Lilitha ein gutes Gefühl gab. Es war angenehm, sich mit ihr zu unterhalten.
»Eine lange Zeit«, stellte Lilitha fest. Kein Wunder, dass Kaden ihr vertraute.
»Ja, das ist es«, stimmte sie zu und öffnete Lilitha die Tür, damit diese hinaustreten konnte. »Was möchtet Ihr heute machen?«, fragte Fey und lief respektvoll zwei Schritte hinter Lilitha.
»Das weiß ich nicht. Kannst du mir jemanden nennen, der Ahnung hat, wie eine Hochzeit geplant wird?«, fragte Lilitha mit ruhiger Stimme, aber dennoch angespannt. Sie wusste nicht, ob es gut war, sich Hilfe zu holen, doch allein würde sie womöglich Fehler machen, die sich vermeiden ließen.
»Hm«, machte Fey nachdenklich und musterte die wenigen anderen Damen, die auf den Fluren unterwegs waren. »Ich denke schon, dass es einige gibt«, murmelte sie zögernd, doch Lilitha konnte sie dank ihres feinen Gehörs trotzdem gut verstehen.
»Kannst du mich zu ihnen bringen?«, fragte Lilitha leise und musterte die Frauen misstrauisch.
»Wie Ihr wünscht, Mylady«, willigte das Dienstmädchen ein und nickte kurz angebunden. »Es gibt einige unter den roten Halsbändern, welche einst verheiratet waren, auch wenn sie es nicht zugeben und noch jemanden unter den Grünen«, erzählte sie, damit Lilitha sich eine aussuchen konnte. Immerhin wusste sie nicht so recht, ob sie mit den Roten etwas zu tun haben wollte und die Grünen wären wohl eigentlich auch nicht die beste Wahl. »Die Blauen könntet Ihr in traditionellen Sachen befragen, doch es war nie wirklich ein essentielles Thema von ihnen, mit dem sie sich meines Wissens beschäftigt haben.«
»Ich würde die Blauen bevorzugen«, murmelte Lilitha leise und versuchte die Blicke nicht so an sich heranzulassen. Sie fühlte sich nicht wohl. Vielleicht sollte sie Laura fragen.
»Ich bezweifle, dass sie viel über vampirische Bräuche wissen«, bemerkte Fey und öffnete Lilitha die Tür, damit sie in den Garten treten konnte, auf dem Weg zur Bibliothek.
»Dachte ich bereits«, seufzte die Rothaarige nachdenklich.
»Es gibt allerdings eine Frau, die sich damit beschäftigt hat, soviel ich weiß«, warf sie ein, doch schien nicht sonderlich überzeugt. »Ich weiß nicht, ob ihr das schon wusstet.«
»Ich bin dankbar für jede Hilfe«, murmelte Lilitha und verzog etwas das Gesicht, als sie die Frauenstimmen aus der Bibliothek hörte.
»So einfach ist das leider nicht«, meinte die Elfe und kicherte ein wenig nervös.
Lilitha blickte zu ihr und blieb stehen, sodass sie neben ihr war. »Könntest du mir das erklären?«
Fey schnappte tief nach Luft und räusperte sich letztlich, um wieder an Fassung zu gewinnen. »Die Dame, die sich damit auskennt, hatte ihre Kenntnisse erworben, weil sie selbst den Highlord heiraten wollte. Nicht, dass er ihr einen Antrag gemacht hätte«, erklärte Fey.
»Oh«, murmelte Lilitha nachdenklich. »Nun, ich denke, dann wird sie wohl die letzte Wahl bleiben. Weißt du vielleicht, ob Laura sich damit auskennt? Oder mit dem Adel? Oder gibt es unter den Dienstmädchen jemand Hilfreiches?« Da sie nichts gegen die Diener hatte, würde sie auch ihre Hilfe schätzen.
»Nun, soviel ich weiß, war eine Ehelichung schon immer das Letzte, woran Laura gedacht hat«, kicherte das Dienstmädchen leise und sah sich neugierig in der Bibliothek um. »Ich weiß es nicht genau, doch ich werde mich gern für Euch umhören, wenn das Euer Wunsch sein sollte.«
»Das wäre hilfreich, vielen Dank«, murmelte Lilitha leise und sah sich ebenfalls um. Dunkler Stein dominierte die Wände und wurde ausschließlich mit magischen Lichtquellen beleuchtet. Hier gab es keinerlei Fenster, als würde man so vermeiden wollen, dass sich die Seiten der zahlreichen Bücher verfärben konnten. »Welche der Frauen will mich nicht tot sehen?«
Fey seufzte und sah zwischen den Regalen hindurch zu dem großen runden Aufenthaltsort, wo sich die meisten Gelehrten versammelten.
»Wenn Ihr wünscht, könnt Ihr Euch in die Ecke dort setzen und ich bringe sie Euch«, erklärte Fey und lächelte ihr aufmunternd entgegen.
»Vielen Dank«, wiederholte Lilitha lächelnd und lief in die Ecke, damit sie sich niederlassen konnte. Hier war es ein wenig ruhiger, wenn man von dem Gelächter absah, das ab und an zu ihr durchdrang.
Die Gelehrten schienen die einzigen im Harem zu sein, die eine Art Gemeinschaft gebildet hatten. Die Roten waren dagegen eher im ständigen Konkurrenzkampf.
Es dauerte nicht lange, da kam Fey auch schon wieder zurück. Eine hübsche, zierliche Frau hinter ihr, mit goldenem Haar und glänzenden Strähnen. Denn genau das war es auch, golden. Weder blond noch braun, sondern ein sattes Gold, das auf ihrer karamellfarbenen Haut herausstach.
»Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen, Mylady«, erklärte sie strahlend wie ein Sonnenschein und küsste Lilithas Handrücken.
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