Kapitel 14.1
Kaden atmete tief durch und reichte ihr einen Arm, damit sie sich unterhaken konnte. So waren sie auch gestern schon durch die Flure gelaufen, doch heute fühlte es sich noch einmal anders an. Noch bedeutender.
Dennoch konnte Lilitha nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder abschweiften. Nicht nur zum Gewächshaus, auch zu ihrer Zukunft. Sie hatte sich nie Gedanken über diese gemacht. Hatte lange Zeit einfach nur versucht, zu überleben und jetzt musste sie sich überlegen, wie sie in diesem Schlangennest, in dem sie keine Freunde hatte, ein Zuhause finden konnte. Alles, was sie hatte, war Kadens Liebe und sein Versprechen, er würde sie immer beschützen. Doch würde das reichen? Würde er immer da sein, wenn sie ihn brauchte? Würde er sie auf ewig lieben? Oder würde die Liebe verfliegen, so wie bei den anderen Frauen auch?
Das alles waren Dinge, die ihr die ganze Zeit durch den Kopf gingen und so bemerkte sie nicht, wie sie sich dem Podest näherten, auf dem Kaden nun schon so oft gestanden und zu seinem Harem gesprochen hatte.
War es nicht eben noch hell gewesen? Nein, es war bereits dunkel, als sie zu einem Fenster schielte und auch der komplette Harem war versammelt und blickte sie und ihren Highlord abwartend an.
Sie war noch nicht bereit! Sie konnte das nicht. Und was sollte sie überhaupt sagen? Sollte sie überhaupt etwas sagen? Im Augenblick schien einfach alles falsch zu sein! Kaden hatte ihr doch nicht gesagt, was man von ihr erwartete. Also stand sie dort, wo er sie abgestellt hatte und blickte nervös auf die Frauen des Harems. Einige, wie Chiana, schienen sich an ihrer Nervosität zu erfreuen. Scheinbar nahmen sie dies als gutes Zeichen. Wenn sie wüssten, was auf sie zukam, würden sie nicht so zufrieden aussehen. Trotzdem fühlte sich Lilitha sichtlich unwohl, während sie zu Kaden schielte und darauf wartete, dass er etwas tat.
Sie hörte sein lautes Räuspern und zuckte kurz zusammen. Sie musste sich mehrmals dazu ermahnen, eine halbwegs stolze Haltung zu wahren, um nicht allzu zerbrechlich zu wirken.
»Vielen Dank, dass ihr euch alle, nach einem solch kurzfristigen Auftakt, hier versammelt habt. Der gestrige Tag, war sehr emotional für uns alle, aber nichtsdestotrotz sind wir es alle meiner Mutter schuldig, dennoch weiterzumachen und der Zukunft mit offenen Armen entgegenzutreten.« Kadens Stimme war fest und es war keine Spur von Trauer mehr darin zu finden. Wie lange er wohl gebraucht hatte, um das so gut zu können?
Er wirkte so elegant und dominant, dass sich Lilitha kaum vorstellen konnte, dass ihm jemand widersprechen konnte. »Deswegen habe ich an diesem Tag eine freudige Bekanntmachung für den Harem.« Vereinzeltes Getuschel ging durch die Menge und auch fragende Blicke, die sich zugeworfen wurden, fielen Lilitha besonders ins Auge. Wie sie wohl reagieren würden? Sie wusste ja selbst nicht einmal, wie sie reagieren würde, obwohl sie die Neuigkeit schon wusste.
Nervös hielt sie ihre linke Hand mit ihrer rechten umklammert, aus Angst jemand könnte schon vorher den Ring bemerken. Aber Kaden zeigte den seinen nur zu deutlich und dieser musste bereits jemandem aufgefallen sein. Oder wurde er absichtlich ignoriert? Lilitha schielte zu Kaden und wartete auf seine Worte. Selbst Sergej, der neben ihm auf dem Podest ein wenig weiter unten stand, schien verunsichert, jedoch immer darauf bedacht, seine Haltung zu wahren. Auch die Eunuchen schienen aufgeschreckter, jedoch eher, da sie auf die Frauen achten mussten.
Im nächsten Augenblick wandte sich Kaden zu Lilitha um, streckte die Hand nach ihr aus, als Deutung diese zu nehmen und zu ihm nach vorne zu treten.
Überrascht hob sie den Blick und begegnete seinen tiefbraunen Augen, welche so sanft wirkten, wie es die von Kaden immer taten. Eine milde Geste, um sie ruhig zu stimmen.
Lilitha atmete tief durch und griff nach seiner Hand, bevor sie zu ihm trat. Den Ring konnte sie nun nicht mehr verstecken und das musste sie auch nicht. Die Rothaarige stellte sich so stolz wie möglich an Kadens Seite, als dieser zu sprechen begann. Als er sich wieder zu seinem Publikum umwandte, wechselte seine Mimik binnen Sekunden wieder zu der des Highlords, als er fest ihre Hand umfasste, an welcher ihr Ring saß.
»Ich werde dem großen Wunsch meiner Mutter nachkommen und sie in Ehren halten, indem ich sie in Frieden ruhen lasse. Ich habe mich dazu entschlossen, Lilitha zu ehelichen«, verkündete er, ließ Raum für die wohl theatralischen Reaktionen und hob dabei Lilithas Hand in die Höhe, um den Ring zu präsentieren.
Die Menge erstarrte und es waren nur wenige, die lächelten oder wie Laura sogar jubelten. Die meisten Frauen wirkten nicht nur überrascht, sondern schockiert. Als hätte er soeben verkündet, die Mauern niederzureißen und sich dem Feind auszuliefern.
Langsam senkte er wieder seine Hand mit Lilithas zusammen und fing auch sogleich den Blick seines Beraters ein, welcher ihn ebenso wie der Harem alles andere als begeistert anblickte.
Lilitha hatte es geahnt. Sie war nicht willkommen. Bei fast niemandem. Dennoch ließ sie sich nichts anmerken. Oder versuchte es zumindest.
Sie stand weiter an Kadens Seite und versuchte sich an ihre Erziehung zu erinnern. Ruhig atmen. Bauch rein. Brust raus.
Galant hob sie das Kinn ein wenig an und schlug die Lider nieder, damit die goldenen Augen von ihren dichten Wimpern verdeckt wurden. Somit wirkte sie zum Teil überheblich und war zum anderen auch noch nicht gezwungen den wütenden Haufen anzusehen.
»Die Zeremonie wird in zwei Wochen stattfinden, noch bevor ich zur Reise durch die Reiche abreisen werde.« Lilitha versteifte sich. Was hatte er da gesagt? Reise durch die Reiche? Hieß das, sie wäre hier allein?
Ihr Puls beschleunigte sich und sie hatte große Mühe ihn so zu kontrollieren, dass andere Rassen mit gutem Gehör diesen nicht vernehmen konnten. Sie erinnerte sich zurück, dass er schon lange von dieser Reise erzählt hatte. Er hatte davon erzählt, als wäre es Urlaub für ihn ... und auch, dass er sie mitnehmen würde. Doch hatte er das ernst gemeint? Irgendwie konnte sie sich das nach dem Attentat nicht mehr vorstellen. Aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass er sie erneut allein hierließ.
Und was ihr ebenfalls Kopfzerbrechen bereitete, waren die zwei Wochen Zeit. Das war zu wenig, oder? Sie wusste nicht genau, was alles erwartet wurde, doch um eine Hochzeit des Highlord vorzubereiten war das sicher nicht genug.
Noch während sie in ihre Gedanken vertieft war, geleitete Kaden sie von dem Podest und überließ die Leute sich selbst. Selbst seinen Berater, der ihn besorgt abfangen wollte, ignorierte er und bewegte sich mit Lilitha zusammen durch die Flure des Harems.
»Bist du müde?«, fragte er nach einer Weile aus dem Nichts und betrat den Trakt, welcher zurück zu seinen Räumen führte.
Lilitha schüttelte den Kopf. Müde war sie ganz und gar nicht. Sie war eher aufgekratzt. »Ich würde gern ins Gewächshaus«, murmelte sie vorsichtig. Ihr gingen die Blicke der anderen nicht mehr aus dem Kopf und sie wollte sie studieren. Es war gut, wenn sie Freunde und Feinde voneinander unterscheiden konnte. Doch Kaden hatte sie so schnell weggezerrt, dass sie kaum Zeit gehabt hatte, alle Anwesenden zu registrieren.
»Ins Gewächshaus«, wiederholte Kaden nachdenklich, als hätte er vergessen, dass er ihr jenes geschenkt hatte. »Jetzt?«
Seine Reaktion verursachte Unwohlsein in ihr. »Ja, ich wollte mich dort etwas entspannen.« Und sehen, wie viel Schaden angerichtet worden war.
Eine Weile hielt Kaden ihrem Blick stand, während er langsam zum Stehen kam und sie musterte. Kurz darauf wandte er den Blick seufzend von ihr und blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»In Ordnung«, willigte er ein wenig unwillig ein.
»Warum? Hast du etwas dagegen?«, fragte sie vorsichtig. Ihr war sein Widerwille aufgefallen, aber sie verstand ihn nicht.
Langsam setzte er sich in Bewegung, um den Außenbereich anzusteuern, welcher zu den großen Gärten führte, die langsam wieder begannen zu blühen. »Es ist nicht so, dass ich was dagegen habe, sondern ... als ich angekommen bin, habe ich dich gesucht. Unter anderem auch im Gewächshaus.«
»Ich verstehe«, murmelte sie und wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Wahrscheinlich war es wirklich eine Ruine oder Ähnliches und Kaden wollte sie nur davon abhalten einen Schock zu bekommen.
»Es steht noch, keine Sorge«, fügte er beschwichtigend hinzu, als er Lilithas niedergeschlagenen Gesichtsausdruck sah. »Es ist nur ... ich hatte noch keine Gelegenheit mich darum zu kümmern, nachdem ich wiederkam.«
Lilitha schluckte. »Das musst du nicht, das werde ich selbst machen«, erklärte sie, als sie auch schon ins Freie traten.
Entspannt senkte sie die Schultern und atmete tief ein. Natur umgab sie und prompt fühlte sie sich wohler. Ein Gefühl, das sie so sehr vermisst hatte wie Kaden, in seiner Abwesenheit.
»Ich wollte es aber.«
»Ich weiß«, murmelte Lilitha ruhig.
Als sie das Gewächshaus aus der Ferne sah, wurde ihr ein wenig schwer ums Herz. Die Natur fand immer einen Weg. Die meisten Pflanzen waren im Winter eingegangen, doch unter den ersten waren schon wieder neue Triebe zu sehen.
»Es hat sich keiner darum gekümmert«, erklärte Kaden mit gesenktem Blick und musterte Lilitha aus dem Augenwinkel. Es musste furchtbar sein, sich so etwas aufzubauen und dann zu sehen, wie es einging und vernachlässigt wurde. Jetzt war alles verwelkt und die Sitzecke sah irgendwie kaputt aus. Mutwillig zerstört. Es war also wirklich jemand hier gewesen. Kaden ballte wütend die Hände zu Fäusten. Er würde herausfinden, wer es gewesen war.
Sie ließ ein wenig die Schultern hängen. »Wenn ich weitermache, werden sie bis morgen überleben?«, fragte sie, weil sie Angst hatte, dass in der Nacht jemand das Gewächshaus aufsuchte und die Pflanzen zerstörte. Abrupt senkte Kaden den Blick und sah Lilitha nachdenklich an.
»Ich werde Wachen postieren«, erklärte er nickend und öffnete seine Jacke, um diese auszuziehen und zur Seite zu werfen. Ohne einen weiteren Kommentar und als wäre es selbstverständlich, krempelte er die Ärmel hoch und begann, einige zertrümmerte Holzbretter zusammenzuräumen.
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
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