Kapitel 11.1
Der Sarg war bereits auf einem Haufen von Brennholz getürmt und wer wollte, konnte später hervortreten, den offenen Sarg begutachten und der Verstorbenen ein Geschenk mit auf ihre Reise geben.
Es war kein normales Feuer, was die Sirene später ins Jenseits tragen würde, sondern ein magisches, welches speziell für Beisetzungen in ihrer Kultur genutzt wurde. Doch das würde noch dauern.
Erstmal gab es da noch die Predigt, einige Worte der zurückgebliebenen Familie, die Geschenke und letztlich das Feuer. Doch da Kaden hier der einzige aus der Familie war und noch dazu der Highlord, fragte sich Lilitha, ob er überhaupt einige Worte vorbereitet hatte, welche er vortragen konnte. Noch dazu sah er bereits jetzt alles andere als gut aus und sie war sich nicht sicher, ob er dazu überhaupt in der Lage sein würde. So gern hätte sie ihm noch mehr geholfen, doch sie wusste nicht wie.
Lilitha streichelte mit ihren Fingern über seine Hand und rieb ihren Daumen an der Haut, um ihn ein wenig zu beruhigen. Ob er diesen Abend durchstehen würde? Lilitha war sich nicht sicher. Sie hatte ihn noch nie so gesehen. Und das konnte sie nur, weil sie so nah bei ihm stand und seinen Körper spürte. Er zitterte. Kein gutes Zeichen. So viel zu: Sie könne im Zimmer bleiben ... als würde sie ihn, in einer solchen Situation, allein lassen! Sie hatte noch nie gespürt wie er zitterte, außer bei anderen Sachen ... jedoch hatte das auch andere Gründe gehabt.
Dank ihres feinen Gehörs bemerkte sie, wie Kaden so still wie möglich versuchte zu schlucken, um seine stockende Atmung zu beruhigen, was nach ihren kleinen Berührungen zunehmend besser gelang. Der Tag würde sehr anstrengend werden. Sowohl für Kaden, als auch für Lilitha. Doch sie würden es durchstehen. Zusammen.
Die Zeremonie war geradezu schmerzhaft und einige Male dachte Lilitha schon, Kaden würde einfach gehen, ohne etwas zu sagen. Sie musste sogar gestehen, dass sie an manchen Stellen auch lieber gegangen wäre. Diese Geschichten, die sie auch noch zu gut kannte, in Kombination mit der Predigt zu hören, war wirklich unsagbar schwer. Es erinnerte sie so sehr an ihre Vergangenheit und ihre Eltern, dass sie wirklich Mühe hatte, nicht zu weinen. Sie wollte Kaden beistehen, der es jetzt im Moment schwerer hatte als sie, doch sie hatte eher das Gefühl, dass Kaden ihr beistand. Etwas, das Lilitha am liebsten umdrehen würde und dennoch fiel es ihr unglaublich schwer.
Nicht nur einmal hatte sie sich mit beiden Händen an Kaden festgehalten, wobei sie nicht einmal auf die Blicke der anderen geachtet hatte. Es war so unglaublich lähmend, schon wieder eine Person zu verlieren, die sie ins Herz geschlossen hatte. Aber es war für sie fast unmöglich, ihr Herz vor anderen Leuten zu verschließen, auch wenn sie es sich vorgenommen hatte.
Schließlich begann die letzte Zeremonie und jeder, der wollte, trat an den Sarg heran und zollte der Verstorbenen seinen Respekt.
Die kleine Holztreppe knarzte nicht nur einmal, während die Freiwilligen hinauf auf den Scheiterhaufen stiegen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen.
Zitternd holte Lilitha Luft und blickte zu Kaden, der neben ihr stand, doch sie sah, dass er den Blick gesenkt hielt und scheinbar nicht vorhatte, es den anderen gleichzutun.
Also atmete sie tief durch und löste sich von ihm. Sie wollte noch einmal zu ihr nach oben. In der Hand hielt sie eine Blume, die sie ihr mit ins Grab geben würde. In ihrer Familie wurde die Legende weitergegeben, dass diese Blumen den Toten den Weg ins Paradies wiesen.
Mit zittrigem Atem legte sie der bleichen Gestalt, welche kein Leben mehr barg, die dunkelblaue Blüte auf die gefalteten Hände und versuchte nicht in Tränen auszubrechen.
Sie schniefte leise, als sie eine ihr inzwischen so vertraute Hand auf ihrer Schulter spürte, von der sich Kadens Wärme begann auszubreiten.
Lilitha blickte mit Tränen in den Augen zu Kaden, der nun neben sie trat. Sie hatte ihn dazu gebracht, nur durch ihre Initiative, noch einmal einen letzten Blick auf seine Mutter zu werfen.
Allerdings bildete sich ein Knoten in seinem Magen, als er ihre leere Hülle erblickte. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, nicht an diesen Sarg zu treten, denn er wollte seine Mutter in der Art und Weise in Erinnerung behalten, wie er sie kannte oder überhaupt nicht daran denken, was nun war.
Doch nun war sein dunkler Blick förmlich starr auf die Leiche geheftet und seine Gliedmaßen schienen ihm nicht mehr zu gehorchen. Als Lilitha wieder zurückging, wollte Kaden ihr folgen, konnte es aber nicht. Er war wie festgefroren und brachte es nicht über sich, seinen Blick von dem Leichnam zu reißen.
Lilitha entschied sich stehenzubleiben und langsam über seinen Arm zu streicheln. Es musste schwer für ihn sein, vor allem, weil ihm alle zusahen. Sie konnte damals die Leichen ihrer Eltern sehen, aber ebenfalls nicht lange, sonst hätte man sie bemerkt. Aber ihr war es gestattet gewesen, ungesehen zu trauern. Kaden konnte das nicht.
Sie überlegte, ob sie einfach versuchen sollte, ihn wegzuzerren. Auch wenn sie das vermutlich nicht schaffen würde, so wusste sie doch, dass Kaden das wollen würde.
»Kaden«, flüsterte die Rothaarige fast lautlos, doch mit der Gewissheit, dass nur Kaden es hören konnte. Seine Hand schloss sich fester um ihre. Er schaffte es mit Mühe und Not den Kopf zu heben und den Blick von seiner Mutter zu lösen.
Ganz langsam und mit steifen Gliedern drehte er sich um und trat von dem Podest. In dem Moment könnte man meinen, Lilitha würde ihn führen, was sie irgendwie auch tat. Ohne ihre führende Hand würde er wohl noch Stunden lang da oben stehenbleiben, ohne einen Muskel zu rühren und womöglich sogar noch zusammenzubrechen. Aber das durfte er nicht. Nicht vor all den Anwesenden.
Er musste als Nächstes das Feuer entzünden, doch er war sich nicht sicher, ob er das schaffen würde. Kaden war sich nicht einmal sicher, ob er es hier rausschaffen würde. Seine Muskeln zitterten vor Anspannung und am liebsten würde er sich in seinen Gemächern einschließen, in denen nur Lilitha war, mit der er würde einschlafen können. Doch das würde ihm wohl noch bis nach diesem Abend verwehrt bleiben.
»Du schaffst das, ich glaub an dich«, flüsterte sie ihm zu und streichelte sanft seine Hand, die sie noch immer umklammert hielt. Er ließ sie auch nicht los, als er zur Fackel griff, die mit magischen Flammen entzündet war. Dabei sah es ganz normal aus, doch die Anwesenden wussten es besser.
Er schluckte und holte zittrig Luft, als er nach vorne an den Scheiterhaufen trat. Langsam senkte er den Arm und als würde das Holz nur aus Zunder bestehen, entflammten sich die Scheite binnen Sekunden und begannen, in sämtlichen Regenbogenfarben zu leuchten. Ein wunderschöner Anblick, der ein Zeichen des Einklangs sein sollte. Doch Kaden konnte bloß mit ausdruckslosem Blick in die Flammen starren, die sich in seinen Augen spiegelten.
Lilitha stand weiterhin an seiner Seite. Wie sein Fels in der Brandung. Er war froh, dass sie da war, denn das machte den Moment ein wenig erträglicher für ihn. Denn gerade jetzt fühlte er sich, als würde jemand mit eiskalten Händen nach ihm greifen und sein Herz fest in seinem Griff halten.
Besorgt schielte Lilitha immer wieder zu ihm rüber, doch sein Blick wirkte so wie immer. Für Außenstehende zumindest. Doch sie kannte ihn inzwischen besser. Kadens braune Augen erzählten von unsagbarem Schmerz und sie glaubte daran, dass er, wenn er allein wäre, vermutlich nicht so stolz dastehen würde.
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