Kapitel 61
Lilitha saß in der kleinen Gartennische zwischen den hohen Hecken und beobachtete das Vögelchen, das sich im Wasser des Brunnens badete. Dieser plätscherte leise vor sich hin.
Sie genoss die Stille, die nur von den Geräuschen der Natur unterbrochen wurde. Keine nervigen Stimmen, niemand, der sie dumme Sachen fragte und vor allem keine bösen Blicke.
Auch wenn Lilitha versucht hatte, sich mehr in den Harem zu begeben, um Lauras Rat Folge zu leisten, so war es doch nie wirklich angenehm gewesen. Stets verfolgt von verachtenden Blicken, Getuschel und Ablehnung. Auch wenn sie nie wirklich offensiv auf sie zugingen, so mussten sie das auch nicht tun. Ihre Körpersprache und auch die Stimmung sprachen Bände.
Der Garten schlummerte bereits und der Tau auf dem Gras verwandelte sich langsam zu Frost.
Sie war so in ihre Umgebung und ihre Gedanken vertieft, die um Kaden kreisten, dass sie gar nicht die leisen Schritte hörte, welche sich ihr näherten.
Lilitha beobachtete gerade, wie der Vogel ein wenig auf dem Brunnenrand hin und her hüpfte, als sich ein Schatten über sie legte und der Vogel sich laut zwitschernd, ja regelrecht warnend, erhob.
Lilitha schluckte und sah auf. Ihre goldenen Augen landeten auf Chiana, die drohend vor ihr stand. Ihr erster Gedanke war es, zu fliehen. Doch das war wohl kaum eine Option. Zum einen, weil sie in der Sackgasse saß und zum anderen, weil sie sich behaupten musste. Sie konnte sich nicht immer verstecken. Und noch dazu hatte sie das gute Recht, hier ungestört zu verweilen.
Chiana verschränkte die Arme und blickte Lilitha mit ihren violetten Augen fest an. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass er dich liebt, oder?«, fragte sie ohne jegliche Begrüßung, wobei sie das Wort liebt förmlich ausspuckte.
»Vielleicht solltest du ihn danach fragen, wenn du es aus meinem Mund nicht glaubst. Es ist doch sowieso egal, was ich sage. Du hörst nur das, was du hören willst«, erklärte Lilitha, die nicht unbedingt in der Stimmung war, sich jetzt mit Chiana anzulegen. Aber sie hatte wohl keine Wahl. Dennoch war die Schwarzhaarige größer und furchteinflößender als sie selbst.
»Und du solltest dagegen nicht alles glauben, was du so hörst. Du glaubst doch nicht wirklich, dass er dir sowas sagt, weil es stimmt. Er will doch nur in dein Bett, sonst nichts. Oder bist du wirklich so naiv, wie du tust?«
Lilitha musste fast schmunzeln. Natürlich hatte sie in den letzten Tagen die Dinge Revue passieren lassen und hatte festgestellt, dass Kaden viel getan hatte, was nicht nur darauf schließen ließ, dass er sie in seinem Bett wollte. Wenn er das gewollt hätte, hätte er es befehlen können, das wusste er. Stattdessen hatte er um sie geworben. Seine Mutter war ähnlicher Ansicht. Mit der alten Dame hatte sie sich fast jeden Abend getroffen und sie ins Herz geschlossen. Sie wollte das Beste für ihren Sohn und das machte sie sympathisch. Genau wie die Reaktionen auf ihre kleinen Geschichten.
Dennoch musste Lilitha zugeben, dass sie diese Unterhaltung hier nicht gern führte. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber eines ist sicher: Im Moment will er mich und nicht dich. Leb damit«, sagte sie und versuchte es möglichst emotionslos zu halten. Auch wenn sie wusste, dass es nichts half. Es war egal, ob sie sich wehrte, oder nicht.
Chiana riss schockiert die Augen auf und löste ihre verschränkten Arme, um einen bedrohlichen Schritt auf die Rothaarige zuzutreten. »Ich habe dich aus der Gosse geholt. Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden!«, zischte sie aggressiv und ballte die Fäuste. »Sei dir seiner Aufmerksamkeit bloß nicht so sicher. Nur, weil er in letzter Zeit Gefallen daran findet, eine Vampirin zu ficken. Schon bald wird er auch deiner überdrüssig werden«, keifte sie gepresst und Lilitha konnte deutlich hören, wie sich ihr Herzschlag rasend beschleunigte.
Lilitha zuckte die Schultern, als wäre es ihr egal. Das war es jedoch nicht. »Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und falls ich Euch daran erinnern darf, Mylady«, sagte sie und spuckte das Wort nur so aus. »Ich habe nie darum gebeten, ein Teil dieses Harems zu sein. Ihr habt mich nicht aus der Gosse geholt, sondern mich meiner Freiheit beraubt.«
Der Blick der Frau verdunkelte sich sichtlich, als sie einen weiteren Schritt auf Lilitha zutrat und nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt stand. »Du undankbares Gör wärst ohne mich schon längst in einem Bordell gelandet. Die Mutter des Highlords hätte dich ohne mich wieder zurück zu den Sklavenhändlern geschickt, wo du inzwischen vermutlich bereits weit über die Grenze wärst. Und übrigens wäre der Highlord selbst nie auf dich aufmerksam geworden, wärst du nicht stets an meiner Seite gewesen!«, presste sie mit einem angestrengten Flüstern hervor, als bräuchte sie alle Kraft, die ihr blieb, um nicht auf die Vampirin loszugehen.
Lilitha versuchte die Worte nicht an sich heranzulassen, doch sie wusste, dass sie diese überdenken würde. »Ja, das stimmt. Im Grunde bist du an dem Ganzen hier Schuld«, erklärte sie und erhob sich, als würde es ihr nichts ausmachen. Doch das stimmte nicht. Es war in Ordnung, wie es gelaufen war, doch die Vorstellung, sie hätte den Highlord nicht kennengelernt, gefiel ihr nicht.
»Einfach unglaublich, dass du keinerlei Scham zeigst. Erst tust du wie die Unschuld vom Lande, als wärst du vollkommen unbeholfen und weltfremd. Und gleichzeitig treibst du dich mit Laura rum und hängst dem Highlord tagelang am Schwanz, als wäre er ein Werwolf«, zischte sie kopfschüttelnd und blickte Lilitha geradezu verachtend an.
Lilitha hatte schon längst aufgegeben, Chiana von sich zu überzeugen. Diese wollte nur sehen, was sie sehen wollte und sie wollte im Moment Lilitha dafür die Schuld geben, dass der Highlord sie nicht mehr beachtete. Also würde das hier zu nichts führen.
Die Rothaarige drängte sich an Chiana vorbei und musste die aufkommende Panik förmlich unterdrücken. Sie wusste, dass dieses Gespräch ein Nachspiel haben würde, doch sie würde keine Angst zeigen! Bei Kaden in den Räumen, im Gewächshaus und auch hier draußen war sie sicher. Wenn es hart auf hart kam, konnte sie sich wehren.
Erhobenen Hauptes ging sie ihrer Wege und versuchte die bohrenden Blicke, die Chiana ihr hinterherwarf, zu ignorieren.
»Er wird dir das Herz brechen, du wirst schon sehen!«, rief Chiana ihr nach, doch Lilitha ignorierte es so gut es ging ... zumindest äußerlich.
Aber sie wusste, dass sie recht hatte. Früher, oder später würde es so weit sein und Kaden würde sich eine andere suchen. Dann würde sich Lilitha verkriechen und vor Schmerzen sterben. Aber jetzt würde sie etwas sehr Dummes tun und Lauras Rat befolgen. Sie würde es genießen, solange sie konnte! Nur musste dazu Kaden zurückkehren.
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