Kapitel 58.2
»Das sieht ihm ähnlich, ja«, stimmte sie ihr seufzend zu und rang ein wenig mit ihren Fingern. »Er ist mein Sohn und ich liebe ihn, ganz egal wer oder was er ist. Auch wenn er manchmal denkt, dass ich ihn zu obsessiv bedränge, so will ich nur das Beste für ihn«, begann die Frau langsam. »Ich habe Kadens Vater nie geliebt und das weiß er auch. Er hält aus diesem Grund nicht viel von Ehen. Doch nur, weil ich keine Liebe im vorigen Highlord gefunden habe, heißt das nicht, dass diese nicht existiert. Auch wenn er nichts davon wissen will. Ich will, dass er glücklich ist und sollte er dieses Glück wirklich in Euch gefunden haben, dann möchte ich mich auch davon vergewissern, dass diese echt ist.«
»Ich weiß nicht, ob es Liebe ist«, erklärte Lilitha ein wenig geknickt. »Ich habe noch nie etwas Ähnliches gespürt, um es mit Gewissheit sagen zu können, aber ich weiß, dass er mir wichtig ist und ich ihn sehr vermisse«, murmelte sie leise und senkte etwas den Blick, um ein Blatt zu beobachten, das sanft zu Boden glitt. »Ob er mehr für mich empfindet, oder ob es nur seine Neugier ist, kann wohl nur er Euch beantworten.«
Ein leises Lachen, welches die Mutter des Highlords versuchte zu unterdrücken, drang an Lilithas Ohren. »Ich denke, er weiß noch nicht mal selbst, was genau er empfindet«, gestand sie fast schon entschuldigend und überschlug ihre Beine. »Doch ich weiß es. So hat er sich noch nie verhalten. Nicht mal seiner ersten Favoritin gegenüber.«
Lilitha horchte auf und warf ihr einen verstohlenen Blick zu. »Ich dachte anfangs, dass es daran läge, dass ich noch ein Kind war. Vampirische Beschützerinstinkte sind sehr stark«, murmelte sie, lehnte sich ein Stück auf der Bank zurück und entspannte sich ein wenig. Es war gar nicht so schlecht, mit dieser Dame zu sprechen. Zumindest wesentlich angenehmer, als die Gesellschaft der anderen Haremsdamen.
»Anfangs vielleicht. Doch darum geht es schon lange nicht mehr. Immerhin ist es dir leicht anzusehen, dass du deine Reife bereits erreicht hast«, erklärte sie und schielte dabei flüchtig zu ihren Rundungen, die sich in den letzten Monaten entwickelt hatten.
Lilitha wurde ein wenig rot um die Nase, da es ihr noch immer unangenehm war, so darauf angesprochen zu werden. »Ich weiß nicht, um was es ihm geht«, murmelte sie und wünschte sich nur noch mehr, dass er jetzt hier wäre. Sie wollte ihn spüren, hören und riechen. Sie vermisste ihn so schrecklich! Sie schluckte schwer, als sie an ihre letzte Nacht zurückdenken musste, in der sie sich ihm aus einem emotionalen Impuls heraus hingegeben hatte. Als er ihr erzählt hatte, er müsse gehen, hatte sie nicht geahnt, dass die Trennung so schmerzhaft sein würde.
»Um was geht es dir denn?«, fragte sie nun sanft, doch Lilitha war nicht dumm. Sie konnte die prüfende Note deutlich heraushören, als wurde sie einem Verhör unterzogen, ohne es zu merken.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß. Um was ging es ihr? Sie wollte geliebt werden. Wollte jemanden, in dessen Gegenwart sie sich wohlfühlte. »Aber im Grunde geht es ja nicht darum, was ich möchte, sondern was er möchte. Solange er mich will, werde ich an seiner Seite sein, aber wenn er das Interesse an mir verliert, werde ich ihn bitten mich gehen zu lassen. Ich möchte nicht so enden wie Chiana und am Ende noch jemandem wehtun, weil ich den Schmerz nicht ertrage.« Ein wenig betrübt senkte Lilitha die Lider bei diesem Gedanken. Sollte er wirklich irgendwann das Interesse an ihr verlieren, und früher oder später würde es so sein, würde sie es nicht ertragen können, ihn mit einer anderen zu sehen. So wie Chiana ihn nun mit Lilitha sehen musste. Sie wollte lieber nicht wissen, wie sich das anfühlen würde. Auch wenn sie einen kleinen Vorgeschmack bekommen hatte, als er Chiana vor ihren Augen verführt hatte.
»Liebst du ihn: Ja oder nein?«, fragte sie nun und blickte Lilitha geradewegs an. Ihre eisgrauen Augen waren fest auf sie gerichtet und hielten sie förmlich gefangen, bis sie ihre Antwort bekommen würde.
Lilitha hingegen wusste nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten hätte sie sich erhoben, und wäre gegangen, doch das hier war Kadens Mutter und keine Frau aus dem Harem, der sie so vielleicht entgehen konnte. Also würde sie antworten müssen, doch wahrscheinlich würde ihr die Antwort nicht gefallen.
»Ich denke schon«, flüsterte Lilitha schließlich und hatte sichtlich Mühe diese Worte hervorzubringen. Sie sorgten nur dafür, dass sie sich etwas eingestand, dass sie versuchte seit Tagen zu leugnen. Sie hatte sich in Kaden verliebt und das machte ihr Angst. Sie hatte gutgetan damit, seine Befehle als Ausrede gegenüber ihrem Gewissen zu benutzen. Dass er sie ständig bei sich haben wollte, oder sie küsste, wenn ihm danach war. Er hatte es ihr so leicht gemacht, ihm zu verfallen. Doch nun lag es an ihr, sich dem klar zu werden.
Stumm erhob sich die Dame neben ihr und strich ihr elegantes, wenn auch schlichtes Kleid zurecht, ohne Lilitha anzusehen. »Ich möchte heute Abend mit dir speisen. Wäre das in Ordnung?«, fragte sie plötzlich, was Lilitha sichtlich überrascht blinzeln ließ.
»Ja, natürlich, Mylady«, antwortete sie und grübelte, warum die Dame überhaupt fragte. Sie hätte es doch befehlen können. Aber so hatte das Ganze etwas Vertrauteres. Nur wusste Lilitha nicht, ob es gut war, wenn sie so viel Zeit mit dieser Frau verbrachte. Obwohl ..., sie war Kadens Mutter, vielleicht war es doch gut sie kennenzulernen.
Ob sie Chiana auch zu sich zum Essen gebeten hatte? Nein! Wieso fragte sie sich das überhaupt? Immerhin war Chiana die Favoritin gewesen. Lilitha war lediglich ... sie wusste nicht, was sie war.
Die ältere Dame nickte ihr mit einem angedeuteten Lächeln zu und verabschiedete sich von ihr, indem sie Lilitha leicht an der Schulter berührte. »Bleibt lieber nicht zu lange draußen. Es ist zwar schon Frühling, aber die Nächte sind doch noch sehr kalt. Vermutlich erwarten wir sogar noch einmal Schnee«, erklärte sie überraschend sanft und drehte sich um, um zurück zum Palast zu gehen.
Lilitha blicke ihr lange hinterher, ehe auch sie sich erhob. Die Dame hatte recht, es wurde wirklich kalt. Die Rothaarige fröstelte zwar noch nicht, dennoch konnte sie es an den Blumen erkennen. Das war nicht gut, denn Vampire waren nicht unbedingt sehr kälteresistent. Hoffentlich zog Kaden daraus keinen Nachteil.
Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen, als ihre Gedanken wieder einmal unbewusst zu Kaden gewandert waren. Ob er wohl auch so oft an sie dachte, wie sie an ihn? Irgendwie hoffte sie es. Doch vermutlich hatte er andere Sachen, mit denen er sich beschäftigen musste.
In Gedanken verloren, schlenderte Lilitha zurück in Richtung Hof, um vielleicht noch ein wenig Zeit in den Räumen des Highlords verbringen zu können. Ungern wollte sie sich in ihrem Zimmer für das Abendmahl herrichten, denn dann würde sie auf dem Weg dorthin den Haremsfrauen kaum ausweichen können.
Doch sie würde sich herrichten, denn sie wollte Kadens Mutter nicht aus Versehen beleidigen. Und solange sie nicht genau wusste, was diese beleidigend fand und was nicht, würde sie sich an die Etikette halten müssen. Da sie dies sonst nie tat, würde es den anderen Haremsfrauen sicher auffallen.
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