Kapitel 50.2
»Oh«, machte Kaden, der nun offensichtlich verstand, was sie meinte, doch da war die Verkäuferin auch schon bei ihnen.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte diese vorsichtig und musterte misstrauisch Lilithas markante, goldene Augen. Die Rothaarige blickte hilfesuchend zu Kaden, weil sie nicht wusste, was sie sagen, oder tun sollte. Sie wollte sich nicht aus Versehen verplappern.
»Wir sehen uns nur ein wenig um«, entgegnete er höflich, als wäre nichts weiter dabei. Jedoch winkte er die Frau ein wenig näher zu sich, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Meine Verlobte hat allerdings einige hässliche Narben, für die sie sich schämt. Habt Ihr womöglich ein separates Abteil, wo sie einige Mängel anprobieren darf?«, fragte er leise, doch Lilitha konnte jedes Wort durch ihr feines Gehör wahrnehmen.
Was für eine dreiste Lüge, doch es schien zu helfen, denn nun blickte die Verkäuferin Lilitha mit einem mitleidigen Blick an. »Natürlich. Während Eure Verlobte sich etwas aussucht, zeige ich Euch, wo sie sich umziehen kann«, erklärte die Verkäuferin und führte Kaden zu einer Art Abstellraum.
Während beide verschwanden, hatte Lilitha Mühe, wieder richtig zu atmen. Verlobte? Warum Verlobte? Warum hatte er das gesagt? War das, auf eine verquere Weise, die nur er verstand, ironisch gemeint? Oder womöglich wieder eines seiner Spielchen? Dieser Mann machte sie wirklich wahnsinnig. Aber so war er nun einmal. Wenn er spielen wollte, sollte er doch spielen!
Ohne wirklich auf die Mäntel zu achten, durchstöberte Lilitha die Felle und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich hatte sie einige Exemplare, die ihr gefielen. Zwei dicke für den Winter und zwei weitere für wärmere Tage und einen, dessen Fell sehr gut für Regen geeignet war. Das Fell war sehr billig und wurde eher als Arbeitskleidung verkauft, doch da es größtenteils wasserabweisend war, war es sehr praktisch und diese Verarbeitung war auch noch sehr schön.
Lilitha atmete tief durch und folgte Kaden, der in einem kleinen Durchgang auf sie wartete und sie keinen Moment aus den Augen gelassen hatte. Er schien sie vollkommen normal zu beobachten, wie es für ihn nun mal üblich war. Nicht so als hätte er sie vor einigen Sekunden als seine vermeintliche Verlobte bezeichnet. Er spielte doch mit ihr ..., oder? War das womöglich ein verdeckter Hinweis darauf, dass er sie zu seiner Frau machen wollte? Vermutlich nicht. Sie bildete sich wirklich viel zu viel auf kleine Gesten ein. Gesten, die noch dazu gelogen waren.
Außerdem konnte er sie gar nicht zu seiner Frau machen, oder? Sie gehörte zu seinem Harem und somit war das nicht möglich, auch wenn sie ein Vampir war. Aber Lilitha musste sich eingestehen, die Vorstellung, er könnte mehr für sie empfinden, ließ ihren Körper vor Freude kribbeln.
Am Ende des Raumes blieb er an einer kleinen Tür stehen und öffnete die Abstellkammer, die sie offenbarte. Mit einem Kopfnicken deutete er ihr einzutreten, um dann kurz darauf zu folgen und die Tür hinter sich zu schließen.
Erleichtert seufzte Lilitha. So war es nicht ganz so schlimm und niemand würde sie sehen. Allerdings konnte Kaden sie so gut beobachten. Aber zum Glück musste sie sich nicht vollständig entkleiden, wobei er sie schon oft nackt gesehen hatte. Erst vor wenigen Momenten, bevor sie das Schloss verlassen hatten, hatte ihm Lilitha einen Einblick gewährt.
Zögerlich begann sie ihren derzeitigen Umhang und Mantel abzulegen und die anderen neuen erstmal zu befühlen. Sie waren schön kuschelig und am liebsten hätte sie erst eine Weile damit geschmust, aber stattdessen probierte sie den ersten vorsichtig an. Er war ein Stück zu groß, aber nicht unangenehm.
»Gefällt er dir?«, fragte Kaden, als er den Mantel prüfend begutachtete.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Lilitha unschlüssig. Sie hatte nicht sonderlich viele Ansprüche. Er war warm, das reichte ihr. Allerdings wollte sie auch wissen, was Kaden davon hielt. Immerhin musste er sie darin betrachten. »Sehe ich gut darin aus?«
Kaden lächelte und senkte die Lider, als er ihr mit dem Finger deutete, sich zu drehen. Lilitha hob eine Augenbraue, tat aber wie ihr gedeutet wurde und drehte sich langsam, damit Kaden sie betrachten konnte. Noch im Drehen legte er den Kopf ein wenig schief und meinte: »Ich finde ja, du siehst ohne was besser aus, aber der Mantel steht dir auch.«
Lilitha hielt inne und verdrehte die Augen, sodass er es sehen konnte. »Natürlich. Etwas anderes hätte ich von dir auch nicht erwartet.«
Kaden lachte leise über diese Aussage und der dazugehörigen Geste. »Das ist ein Fakt, dafür kann ich nichts«, verteidigte er sich halbherzig, doch er lächelte weiterhin. »Es wundert mich sowieso, wie du auf der Straße bleiben konntest.«
»Wieso sollte ich nicht auf der Straße bleiben können?«, fragte sie, weil sie nicht wusste, worauf er hinaus wollte.
Bevor sie überhaupt den Satz fertig ausgesprochen hatte, stieß er sich von der Wand ab, um zu ihr rüber zu schlendern. Vor ihr angekommen fuhr er mit dem Arm unter ihren Mantel, um diesen um ihre Taille zu schlingen und sie an sich zu ziehen. »Selbst als Adliger oder sonst jemand, sollte man ein solch hübsches Mädchen bei sich aufnehmen«, flüsterte er leise und musterte sie intensiv.
»Ach so, das meinst du«, sagte sie und ließ es so klingen, als wäre es unbedeutend. Doch das war es nicht. Sie hatte ihre Gründe gehabt, warum sie auf der Straße geblieben war. Auch wenn sicherlich einige dazu bereit gewesen wären, ein junges Vampirkind aufzunehmen. Lilitha hatte nicht gewollt. Noch in Gedanken bei ihrer Vergangenheit spürte sie, wie Kaden ihren Kopf an seiner Brust betete und begann ihr übers Haar zu streicheln.
»Aber ich bin froh, dass du auf der Straße geblieben bist«, murmelte er und neigte den Kopf, um sein Kinn auf ihrem Scheitel abzulegen. »Sonst hätten wir uns wohl nie kennengelernt.«
Lilitha genoss diese Zärtlichkeit und ließ zu, dass ihr diese Worte das Herz wärmten, auch wenn sie wusste, dass sie wahrscheinlich nur dazu da waren, damit sie ihn an sich heranließ. Dennoch hatte sie sich entschieden, Lauras Rat zu befolgen und es zu genießen, solange es währte. Doch sie würde sich nicht der Illusion hingeben, dass er vielleicht mehr für sie empfand, als für andere. Diese Vorstellung war einfach zu weit hergeholt. Es würde nie Wirklichkeit werden und alles, worauf sie hoffen konnte, war, dass sie anderweitig ihre Liebe finden würde.
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