Kapitel 5.2
Chiana gab ein leises Seufzen von sich. »Es war eher Mitleid. Das kleine Ding ist vollkommen verwahrlost. Allerdings scheint sie auch nicht als Kammerzofe zu taugen«, erklärte sie, als würde Lilitha nicht gerade direkt hinter ihr laufen, und wandte den Blick zu ihrem Begleiter. Dieser lachte leise auf, ehe er den Kopf schüttelte, ihren Blick jedoch nicht erwiderte.
»Vielleicht bist du auch einfach zu anspruchsvoll?«, warf er nun, mit einem herablassenden Unterton, ein.
Chiana zuckte die Schultern. »Das ist möglich. Aber sie ist eine junge Vampirin. Sie sollte sehr schnell lernen«, erklärte die Schwarzhaarige und spielte mit einer seidig glänzenden Strähne.
»Eine Vampirin, ja?«, fragte der Highlord neugierig, als hätte er es am gestrigen Abend nicht schon bemerkt. »Was macht eine Vampirin denn als Sklavin hier?«, fragte er, da es selten war, dass Vampire in seinem Harem auftauchten. Wenn dann kamen sie freiwillig, oder waren Gefangene aus fremden, oder verfeindeten Clans. Lilitha schwieg und sah weiterhin zu Boden.
»Der Highlord hat dich angesprochen«, erklärte Chiana zerknirscht.
Lilitha hob ruckartig den Kopf, senkte ihn aber sofort wieder. Dennoch hatte sie einen kurzen Blick auf die schönen, braunen Augen des Highlords werfen können. Sie hatte ihn sich ganz anders vorgestellt. Eher dick, verwöhnt und träge. Dabei war er ein sehr attraktiver, junger Mann. Kein Wunder, dass die meisten Frauen um seine Aufmerksamkeit buhlten.
»Meine Eltern fielen im Krieg, Mylord«, erklärte Lilitha mit leiser Stimme, hielt dabei aber den Kopf gesenkt. Nun wandte sich der Highlord zu ihr um, um sie abermals zu mustern.
»Waren sie Soldaten?«, fragte er interessiert, während Chiana ein wenig nervös zu Lilitha schaute. Sie hoffte nur, dass diese nichts Unangebrachtes sagen würde. So etwas konnte viel ausmachen. Der Ton, der Wortlaut, die genauen Wörter. Alles spielte eine Rolle. Und das Kind hatte noch keine Ahnung von diesem Tanz. Das Problem war nur, dass alles auf Chiana zurückfallen würde.
»Das weiß ich nicht, Mylord«, erklärte Lilitha niedergeschlagen. »Ich war zu jung, um zu verstehen, was sie taten«, fügte sie leise hinzu und dachte an ihre Kindheit zurück. Ihre Eltern hatten um diese Sache immer ein großes Geheimnis gemacht. »Aber mein Vater sagte, ihre Aufgabe bestände darin, Informationen zu sammeln. Bitte verzeiht meine Unwissenheit, Mylord«, stammelte Lilitha reichlich unbeholfen und wenn sie gekonnt hätte, wäre sie weggelaufen. Die Aufmerksamkeit, die der Mann ihr zuteilwerden ließ, fühlte sich in Verbindung mit ihrer Vergangenheit mehr als erdrückend an. Vermutlich wollte er wissen, ob sie aus einem verfeindeten Clan kam, oder ob ihre Eltern in seinen Armeen Zugange waren. Er selbst schien allerdings eher belustigt über ihre Ahnungslosigkeit.
»Wie heißt du?«, fragte er nach einer Weile, in der er wohl einige Blicke mit dem Mann und Chiana ausgetauscht hatte. Nicht, dass Lilitha irgendwas davon mitbekommen hätte. Alles, was sie sah, war der mit Steinen gepflasterte Weg unter ihr.
»Lilitha, Mylord«, erklärte die Rothaarige leise. Ihr gefiel diese Aufmerksamkeit überhaupt nicht. Sie wollte am liebsten weg und sich verstecken. Oder im Boden versinken. Es war besser, wenn starke Männer sie nicht bemerkten. Das hatte sie auf der Straße gelernt. Man sollte die Aufmerksamkeit von anderen nicht auf sich ziehen, wenn man überleben wollte.
»Lilitha«, wiederholte er langsam und hielt einen Moment inne, ehe er weiterging und sowohl sein Begleiter, als auch Chiana ihm eilig folgten. Lilitha war froh, dass sie weitergingen. Somit konnte er sie nicht weiter mustern.
»Hast du schon mal als Zofe gearbeitet, Lilitha?«, fragte er nun im Gehen, ohne den Blick wieder auf sie zu lenken. Stattdessen lief er weiter geradeaus und ließ sein Augenmerk über den gepflegten Garten des Harems wandern.
»Nein, Mylord«, erwiderte Lilitha zögerlich. Sie erwähnte nicht, dass sie selbst eine Zofe besessen hatte, als sie kleiner war. Auch ein Kindermädchen und einen Hauslehrer hatten sie gehabt. Ihre Familie musste reich gewesen sein. Bis ihre Eltern starben und ihr Haus eben jenem Krieg zum Opfer fiel.
»Hätte sie mehr Erfahrung, wäre sie nicht so schlecht in ihrem Gebiet. Sie ist schon mehr als nur unbeholfen, wenn ich das so sagen darf«, erklärte Chiana und faltete die Hände vor ihrem Bauch. Langsam kam der Mann wieder zum Stehen und wandte sich zu seiner Favoritin, um ihr Kinn leicht zu heben, damit sie ihn ansah.
»Ich kenne jemanden, auf den das früher auch zugetroffen hat«, flüsterte er und küsste sie sanft auf den Mundwinkel. Chianas weiblichen Lippen umspielte ein zurückhaltendes Lächeln und die Nähe des Highlords ließ sie die Augen schließen. Dieser löste sich jedoch wieder von ihr und wandte sich zu Lilitha, die nervös mit ihren Händen spielte, jedoch noch immer den Kopf gesenkt hielt.
»Knie dich hin«, befahl er mit einem selbstverständlichen Befehlston.
Lilitha schluckte und ließ sich so fallen, wie es Chiana ihr beigebracht hatte und wie sie es gestern Abend stundenlang immer wieder geübt hatte. Die Übung hatte sich nur bedingt ausgezahlt, denn Lilitha war nun einmal nicht sonderlich motorisch veranlagt. Dennoch konnte man einen kleinen Fortschritt erkennen, als sie ihre Stirn auf den Boden legte. Ihr Herz schlug heftig, weil sie Angst hatte, was nun passieren würde. Hatte sie den Highlord irgendwie verärgert?
Sie sah nicht, was vor sich ging und auch Geräusche gab es keine. Vermutlich tauschten die Beiden gerade verschwörerische Blicke aus, oder unterhielten sich stumm über sie, mit Handzeichen. Lilitha zuckte ruckartig zusammen, als sie plötzlich zwei Hände an den Schultern fassten und sie aufsetzten. Vor ihr erschien Chiana, die sie wohl aufgerichtet hatte, damit sie nun kniend auf dem Boden saß. Panik überkam sie. Sie konnte nicht anders als sich vorzustellen, wie man ihr mit einem glatten Schnitt den Kopf abtrennte.
»Ich bin sicher, dass du ihr alles Nötige lehren kannst, was eine Kammerzofe braucht«, erklärte die Stimme des Highlords. Erst jetzt fiel Lilitha auf, dass er gar nicht mehr vor, sondern anscheinend hinter ihr stand, wo sie ihn nicht sehen konnte. Lilithas Herz klopfte schneller, denn sie hasste es, ihn in ihrem Rücken zu haben. Dennoch widerstand sie dem Drang, sich umzudrehen und nachzuschauen, was er dort tat. Das würde nur zu unnötigen Strafen führen.
Ihr tat von den Knieübungen noch immer alles weh, doch sie versuchte trotzdem stillzusitzen. Lilitha unterdrückte mühevoll das Zittern ihres Körpers, zuckte dann jedoch zusammen, als sie etwas an ihrer Kehle spürte. Ein leises Klicken folgte und die Rothaarige spürte das Gewicht an ihrem Hals. Es war nicht viel, aber es machte ihr deutlich, dass sie wohl im Moment ein Halsband trug. Automatisch griff sie danach und ihre Finger berührten Leder, das eng an ihrer Haut lag.
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Kommt der Highlord für euch erhaben rüber oder habt ihr mehr das Gefühl, dass euch etwas fehlt?
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