Kapitel 41.5
Lilitha schüttelte ein wenig den Kopf. »Ich denke, das würde Eurem Ruf nicht schaden. Ein Herrscher, der durch die Stadt läuft, zeigt auch, dass er seinem Volk vertraut. Gleichzeitig zeigt er auch, dass er genug Kraft hat, um sich ohne ein Heer zu verteidigen«, erklärte die Rothaarige. »Ihr mögt stark sein, doch Euer Volk denkt, Ihr würdet Euch hinter Euren Mauern verstecken.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn, als hätte er es noch nie aus dieser Perspektive betrachtet. »Lockt das nicht erst Attentäter an? Wenn sich das rumspricht, mischen sich immer mehr feindliche Leute unter das Volk. Noch dazu, würden sie mich nicht einfach so durch die Stadt laufen lassen. Jeder zweite würde mich ansprechen, so wie sie es auch tun, wenn ich offiziell in der Stadt bin.«
»Es lockt Attentäter nur an, wenn sie denken, Ihr wärt eine leichte Beute. Und was das Volk betrifft: Je normaler es für sie ist, Euch dort zu sehen, desto weniger werden sie Euch ansprechen. Stellt Euch vor, Ihr würdet jeden Tag durch die Stadt gehen. Anfangs würden alle kommen und etwas von Euch wollen, doch irgendwann würde es zu einem normalen Ereignis werden, wie alles andere auch«, prophezeite Lilitha und schien mit ihren Gedanken weit in der Zukunft.
Kaden drehte sein Gesicht Lilitha zu, um sie anzusehen und musste, bei dem Anblick, den sie bot, lächeln. In Gedanken versunken, in einer Zukunft, die sie für ihn erschuf. »Ich finde leider nicht so viel Zeit, um in die Stadt zu gehen«, gestand er und zog ein wenig an Lilithas Hand, damit sie dichter neben ihm lief.
»Ihr habt wirklich sehr viel zu tun«, stimmte sie ihm, noch immer in Gedanken versunken, zu. Da sie einen Tag mit ihm erlebt hatte, hatte sie eine Vorstellung davon bekommen, was er alles tun musste. Und es war einer der Tage gewesen, der nach seinen eigenen Aussagen, eher ruhig verlaufen war.
»Für dich würde ich mir die Zeit nehmen«, warf er jedoch ein und kam langsam zum Stehen, um Lilitha ebenfalls zum Anhalten zu bringen. »Wenn du denn Zeit mit mir verbringen möchtest«, fügte er widerwillig hinzu und zog sie ein Stück weiter zu sich, bis sie vor ihm zum Stehen kommen musste. Nun blickte er ihr auffordernd in die Augen und schien auf eine Antwort zu warten.
Lilitha hingegen versuchte ihren Blick abzuwenden, doch Kaden griff nach ihrem Kinn und drehte so ihr Gesicht wieder zu sich. »Ja und nein«, gestand sie leise. »Ich verbringe gern Zeit mit Euch, doch ich glaube, Ihr erhofft Euch davon zu viel.«
Er trat einen Schritt näher auf sie zu und hielt ihren Blick mit seinen braunen Augen gefangen, als wäre sie in Ketten gelegt.
»Und was erhoffe ich mir?«, fragte er und schien sich unwissend zu stellen. Jedoch nicht sonderlich gut.
»Ich weiß nicht warum, aber ich scheine Euch irgendwie zu faszinieren und Ihr versucht, mit mir zu spielen, um mich in Euer Bett zu holen«, erklärte Lilitha mit belegter Stimme und konnte ihren Blick einfach nicht abwenden.
Kurz zuckten seine Augenbrauen, als er den Kopf minimal neigte und sie musterte. »Du denkst, ich nutze dich aus«, fasste er nach einer Weile zusammen und blickte sie fragend an.
Obwohl es nach einer Feststellung klang und es eigentlich keine Frage sein sollte, da es offensichtlich war, tat er dennoch so, als wäre diese Erkenntnis vollkommen neu für ihn.
»Ihr spielt mit mir«, sagte sie zustimmend. »Ihr nutzt mich für Eure Unterhaltung, wenn Euch danach ist«, murmelte sie weiter. »Ich habe dabei keinerlei Entscheidung. Ich bin eine Eurer Haremsdamen. Wir stehen Euch zur Verfügung, sobald Ihr uns wünscht. Unabhängig davon, ob wir es gerade wollen, oder nicht.«
Als Lilitha plötzlich bemerkte, wie der Kiefer des Highlords mahlte, bekam sie ein ungutes Gefühl. Hatte sie etwas Falsches gesagt? »In Ordnung«, knirschte er. Ruckartig ließ er von ihrem Kinn ab und löste auch seine Hand von ihrer. »Wenn das so ist, darfst du dich jetzt gern zurückziehen«, kam es ihm überraschend kühl über die Lippen, während er sich von ihr abwandte.
Lilitha schluckte und war schon drauf und dran sich herumzudrehen und wirklich zu gehen, als sie innehielt und noch einmal nachdachte. Dann meinte sie ganz leise: »Das wäre nicht richtig, denn ich war diejenige, die Euch gefragt hat, ob Ihr mit mir spazieren geht.« Sie riskierte gerade sehr viel, doch sie hatte sich entschieden es einfach zu versuchen. »Wenn Ihr Eure Zeit nicht mit mir verbringen wollt, dann ist das in Ordnung und ich setze meinen Weg allein fort. Aber ich werde mich nicht von Euch wegschicken lassen.«
Sie konnte sehen, wie er sich mit einem enttäuschten Kopfschütteln von ihr abwandte. »Ich zwinge niemanden, mich zu mögen«, zischte er. Auf eine merkwürdige Art und Weise war sie froh, dass er ihr den Rücken zugewandt hatte, aus Angst diese Wut auf sich zu leiten, wenn sie nicht schon auf sie gerichtet war.
Was sie wohl war. Immerhin hatte sie diese ausgelöst. »Nein, das habe ich auch nie behauptet«, erklärte Lilitha sanft und ging in die Hocke, um einen, der mit Raureif überzogenen Farnwedel sanft vom Weg zu schieben, damit niemand darauf trat. »Aber wenn Ihr Lust auf Gesellschaft habt, könnt Ihr einfach eine Eurer Frauen zu Euch rufen lassen. Doch wenn eine der Frauen Euch gern sehen möchte, ist sie gezwungen darauf zu warten, dass Ihr sie zu Euch ruft. Das ist nicht gerade fair«, sagte sie und bezog sich absichtlich auf den gesamten Harem, auch wenn sie eher aus ihrer Sicht sprach.
Angestrengt rieb er sich die Nasenwurzel und zwang sich, die Augen geschlossen zu halten. »Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen. Ich hab es schon verstanden«, knirschte er und schien deutlich Mühe zu haben, sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen zusammenzureißen.
Lilitha verstand nicht so recht, wieso er jetzt auf einmal so gereizt reagierte. Noch dazu sagte er zwar, er habe es verstanden, doch er schien etwas anderes auszustrahlen.
»Ich habe nicht versucht mich zu rechtfertigen«, erklärte Lilitha und setzte langsam und gemächlich ihren Spaziergang fort. »Ich habe lediglich die Dinge erklärt, wie sie liegen. Oder wollt Ihr mir erzählen, dass ich nur nach Euch fragen müsste und ich hätte die Möglichkeit zu Euch zu kommen, wenn mir danach wäre?«, sagte sie und da sie schon ein kleines Stück gelaufen war, drang ihre Stimme recht leise an Kadens Ohr. Dennoch verstand er sie deutlich.
»Wenn du mich gefragt hättest«, murmelte er nur und holte tief Luft, ehe er binnen Sekunden zu Lilitha aufschloss und nach ihrem Handgelenk griff, damit sie anhielt und ihn ansah. »Wieso bist du so zu mir?«, fragte er fast schon verzweifelt und hatte Mühe den Blick auf sie gerichtet zu halten.
Lilitha blinzelte überrascht. Noch nie hatte sie den Highlord so gesehen. Er schien doch immer so selbstbewusst und unnahbar. Doch jetzt glich er eher einem verlorenen Bettler, der die Welt nicht mehr verstand.
»Ich mag Euch wirklich, aber ich werde niemals sein, wie die anderen Frauen«, sagte sie und blickte ihn an, auch wenn es ihr schwerfiel. »Ihr seid es gewohnt, dass man Eure Befehle befolgt und die Frauen Euch zu Füßen liegen. Dass sie tun, was Ihr wollt, um eine höhere Stellung zu erlangen. All das bemerkt man sofort, wenn Ihr mit anderen sprecht. Ich respektiere Euch als Highlord und ich schätze Eure Gesellschaft, wenn Ihr einmal nicht der Herrscher seid. Aber ich werde nicht mit mir spielen lassen, nur weil es Euch gerade Vergnügen bereitet. Ihr seid der Highlord und damit werden wir nie auf Augenhöhe sein. Nicht einmal, wenn wir die Titel weglassen und uns nur als Mann und Frau betrachten«, erklärte sie. »Ich bin hier eine Gefangene und während Ihr von mir alles fordern könnt, was Ihr wollt, bin ich nicht einmal in der Lage, Euch einen Tee in Euer Arbeitszimmer zu bringen, wenn Ihr es nicht gerade angeordnet habt.« Was sie versucht hatte, als sie noch ein Dienstmädchen war. Der Tee hatte ihn nur beruhigen sollen, weil er so aufgebracht gewesen war, als er von einer Konferenz zurückgekehrt war. Damals hatte er Chiana ein wenig Angst gemacht und die Schwarzhaarige hatte sich Sorgen um ihn gemacht. Doch die Wachen hatten Lilitha nicht einmal in den Gang gelassen, in dem sein Arbeitszimmer lag. Und wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass sie da gewesen war.
Er hielt inne und sah ihr geradewegs in die Augen. Verzweiflung. Ratlosigkeit. Ein wenig Wut. So viele Emotionen spiegelten sich in diesem Augenblick in dem unendlichen Braun seiner Augen. »Ich will doch überhaupt nicht, dass du bist wie die anderen, aber ...«, setzte er unbeholfen, jedoch noch immer gereizt, an.
Er rang nach den richtigen Worten, doch einfallen wollte ihm einfach nichts. Alles in seinem Kopf schien falsch und er schien auch nur zu hören, dass Lilitha sich gezwungen fühlte, sich mit ihm abzugeben, auch wenn das nicht der Wahrheit entsprach. Nach einigen Sekunden stieß er angestrengt die Luft aus und schloss frustriert die Augen.
Manchmal war es vermutlich besser, einfach nichts zu sagen.
»Wenn es Euch wichtig ist, schlaft eine Nacht darüber. Vielleicht versteht Ihr dann, was ich meine«, murmelte sie und betrachtete die Blätter eines Busches, der unter der Reifschicht schlummerte. Dabei schälte sie sich vorsichtig, aber bestimmt aus seinem festen Griff. »Wenn nicht, dann ignoriert das Geschwätz eines Straßenmädchens«, flüsterte sie, als würde sie mit dem Busch reden, über dessen Blätter sie sanft strich.
Irgendwo in der Nacht war der Laut einer Eule zu hören, der jedoch durch die Dunkelheit klang, als würde er von überall herkommen.
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