Kapitel 38
Es vergingen Tage, in denen Lilitha fast wahnsinnig wurde. Wie der Highlord befohlen hatte, durfte sie das Zimmer nicht verlassen. Zwei Wachen vor ihrer Tür sorgten dafür, dass sie nicht raus konnte.
Und auch, dass niemand zu ihr hineinkam.
Laura hatte es mehrmals versucht, und auch Chiana hatte es probiert. Lilitha hatte sie gehört.
Lediglich eine Dienerin durfte ihr Essen in den kleinen Vorraum stellen. Doch dies geschah meist in der Nacht, wenn sie schlief. Zumindest glaubte sie das. Wie sonst sollte das Essen plötzlich auftauchen?
Und dann waren da diese Träume, die sie immer regelmäßiger hatte. Harmlose Träume, die aber doch eine gewisse Botschaft hatten.
Sie träumte ab und an vom Highlord. Wie er einfach nur neben ihr lag und sie streichelte oder auch küsste. Dieselben Berührungen, wie auch schon bei ihm im Zimmer oder im Feld.
Sie hatte ihn seit Tagen nicht gesehen und dennoch verfolgten sie diese Erinnerungen und ließen sie nicht in Ruhe.
So viel dazu, nicht abhängig zu werden. Sie war sich fast sicher, dass sie sich unterbewusst schon an ihn gebunden hatte, und würde nicht diese verdammte Hierarchie zwischen ihnen stehen, gefolgt von einem ganzen Harem eifersüchtiger Frauen, hätte sie sich dieser Vorstellung nur allzu gern hingegeben ... sich ihm hingegeben. Doch leider war das nur Wunschdenken.
Lilitha vergrub den Kopf wieder in der Decke und hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken, als sie hörte, wie eine Tür aufging und jemand den Raum betrat.
Ein wenig verwirrt, weil es der erste Besuch seit Tagen war, hob sie verschlafen den Kopf und blickte auf die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Es waren nicht die Schritte des Highlords. Dazu waren sie zu vorsichtig.
Als sie dann jedoch das schwarze Haar und die weiblichen Rundungen erkannte, setzte sie sich schnell, fast schon aus Reflex, auf und blickte Chiana entgegen.
Das rote Halsband stach bei ihrer hellen Haut und den dunklen Haaren geradezu heraus. Auch wenn es ungewohnt war, sie so zu sehen, so war sich Lilitha doch nicht sicher, ob sich überhaupt etwas verändert hatte.
»Habe ich Euch gestört?«, fragte sie und blieb abwartend im Türrahmen stehen.
Diese Höflichkeit irritierte Lilitha ungemein und sie hatte Mühe, nicht aufzuspringen und sich hinzuknien, wie sie es vor einigen Wochen noch getan hätte. »Nein«, erwiderte Lilitha kopfschüttelnd. »Es ist nur schwierig, herauszufinden, wie spät es eigentlich ist, wenn man kaum etwas hat, um sich zu orientieren«, sagte sie und deutete auf die Sitzecke in ihrem Wohnzimmer. »Setzt Euch doch.«
Chiana nickte kurz angebunden und folgte Lilithas Deutung auf das Sofa, um sich niederzulassen.
»Das ist wohl wahr«, stimmte sie ihr leise zu und lehnte sich zurück in die Polster. »Ich habe mir Sorgen um Euch gemacht. Die letzten Wochen sind diese Wachen keinen Zentimeter von Eurer Tür gewichen«, erklärte sie und faltete die Hände in ihrem Schoß.
Lilitha verzog ein wenig den Mund. »Ich habe wohl den Highlord ein wenig zu sehr verärgert«, murmelte sie und fragte sich, ob sie aus dem Bett aufstehen sollte oder nicht. Und ob es ein gutes Zeichen war, dass Chiana ihr Zimmer betreten durfte.
»Verärgert?«, wiederholte sie irritiert, doch Lilitha konnte deutlich den erleichterten Unterton hören, den sie immer hatte, wenn sie dachte, da würde mehr zwischen Lilitha und dem Highlord sein.
Jedoch wusste Lilitha nicht so recht, ob das diesmal nicht doch näher an der Wahrheit dran war, als das, was Chiana nun glaubte. »Was habt Ihr getan?«
»Ich habe versucht, den Palast zu verlassen«, erklärte Lilitha ohne Umschweife. Warum auch lügen? Obwohl sie glaubte, dass der Highlord versucht hatte, diese Tatsache geheim zu halten. Sie hoffte auch, dass Chiana es nicht weitererzählen würde. Womöglich machte das noch zusätzlichen Ärger.
»Verstehe«, murmelte sie langsam und schien eine Weile darüber nachzudenken, während ihr Blick von Lilitha zu deren rotem Halsband glitt. »Die Wachen sind inzwischen weg. Deswegen bin ich einfach reingekommen«, erklärte die Hexe, da sie davon ausging, dass Lilitha gar nichts davon wusste.
»Oh«, machte diese nachdenklich. »Oh!«, strahlte sie schließlich, als die Worte von Chiana richtig bei ihr ankamen, ehe sie aus dem Bett sprang. »Ich kann wieder raus?«, fragte sie begeistert und Chiana nickte ein wenig verständnislos.
»Entschuldigung, würdet Ihr vielleicht kurz warten, dann ziehe ich mich an. Ich würde gern ein Stück im Garten gehen«, erklärte sie und freute sich sehr darauf, wieder hinausgehen zu können.
»Es ist sehr kalt draußen«, bemerkte Chiana, doch es war eher ein halbherziger Versuch, sie davon abzubringen. Diese strahlende Freude, die sie versprühte, bei dem Gedanken wieder nach draußen zu dürfen, war einfach ansteckend. Da war es auch egal, dass im Moment die kältesten Tage des Jahres waren.
Nur wenig später kam Lilitha, eingehüllt in ein warmes Kleid, wieder heraus und trat aufgeregt vor Chiana, um hinauszugehen.
Die Hexe konnte einfach nicht anders, als Lilitha ein Lächeln zu schenken und das Zimmer mit ihr zu verlassen. »Du hast den Highlord in den letzten Tagen nicht gesehen?«, fragte Chiana auf dem Weg durch den Harem, um nach draußen zu gelangen.
Lilitha schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe niemanden gesehen. Irgendjemand hat mir Essen gebracht, wenn ich geschlafen habe«, erklärte sie und atmete die kalte Luft tief ein.
Ihr Atem wurde zu weißen Wölkchen und der leichte Reif auf den Pflanzen zeigte, dass der Winter komplett Einzug hielt. Doch das störte Lilitha nicht. Sie wusste, dass die kalten Tage ebenso schnell gingen wie sie gekommen waren. »Es tut so gut, wieder mit jemandem sprechen zu können«, sagte sie und genoss die Natur.
»Es ist mir auch neu, dass der Highlord mit Isolation straft. Doch solltest du wirklich versucht haben, wegzulaufen ... ist das wohl doch nachvollziehbar«, erklärte Chiana, als wäre eine solche Maßnahme vollkommen normal.
Lilitha schloss kurz nachdenklich die Augen, während sie ihr Gesicht gen Himmel gerichtet hatte. Die Sonne hatte heute nicht ganz so viel Kraft und trotzdem wärmte sie ein wenig ihr Gesicht. »Ich frage mich, warum er mich jetzt wieder rauslässt«, murmelte sie nachdenklich und dachte daran, dass sie die letzten Tage sogar geweint hatte, weil sie es in ihrem Zimmer nicht mehr ausgehalten hatte.
»Keine Strafe währt ewig. Nicht mal die Todesstrafe«, erwiderte Chiana und senkte den Blick leicht, als der Wind stärker wurde. Fröstelnd zog sie sich den Mantel enger um ihren Leib, doch er war leider nicht allzu dick. »Die anderen Roten sind im Hamam. Sie würden dich gern kennenlernen«, warf sie nun ein und blickte Lilitha mitfühlend an.
Diese ließ die Schultern hängen und man konnte ihr ansehen, dass sie diese Aussage verstimmte. »Ich möchte sie nicht kennenlernen. Ich möchte damit nichts zu tun haben«, sagte sie und hob die Hand, um demonstrativ an ihrem Halsband zu ziehen. »Kann er sich nicht jemand anderen suchen, mit dem er spielen kann?«, fragte sie mit weinerlicher Stimme. Wahrscheinlich war sie immer noch weinerlich, weil sie so lange eingesperrt war.
Chiana hielt in ihrem Schritt inne und musterte die Geste von Lilitha mit unstimmigen Augen. »Niemand ist davon begeistert. Weißt du, wie lange andere Dienstmädchen gebraucht haben, um aufzusteigen? Und du bist von einem Dienstmädchen direkt zur Mätresse aufgestiegen. Das ist etwas anderes, als von vornherein dabei zu sein«, erklärte Chiana leise und ließ sich auf einer weißen Marmorbank nieder, um die Aussicht über den Innenhof des Palasts zu genießen.
Lilitha ließ sich wenig begeistert neben Chiana sinken. »Ich hatte nie Interesse daran, in diesen Rang aufzusteigen. Aber er hat mir fast schon gedroht, dass ich den Palast verlassen müsste, wenn ich mich nicht um einen Aufstieg bemühe«, erklärte sie leise und senkte den Blick, um die, mit Reif bestäubten, Pflanzen an der Bank zu betrachten.
»Vermutlich, weil es keine Favoritin mehr gibt, der du hättest dienen können«, hauchte Chiana leise, während ihr Blick sichtlich traurig in die Ferne ging. »Willst du wieder eine Kammerzofe sein?«, fragte Chiana plötzlich und richtete ihren glasigen Blick zurück auf Lilitha.
»Es wäre mir lieber«, murmelte Lilitha. »Meine Eltern haben mich so aufgezogen, dass es mir in Fleisch und Blut übergegangen ist, dem Highlord zu dienen, aber nicht so. In unserer Familie herrschten andere Regeln und Ansichten, was das Verschenken des eigenen Körpers anging. Er ist alles, was ich noch besitze und ich möchte ihn nicht an jemanden geben, der ihn benutzt und dann wegwirft«, flüsterte Lilitha traurig und richtete ihren Blick in die weite Ferne. Erinnerungen an ihre Familie kamen hoch, doch sie drängte sie zurück. Das würde ihr nur noch mehr zu schaffen machen. Sie durfte keine Schwächen zeigen. Nicht in dem Bereich.
Chiana lächelte leicht, wenn auch unsicher. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf Lilithas, bis diese ein wenig überrascht den Blick zu ihr hob.
»Ich möchte, dass du etwas für mich tust«, erklärte sie langsam und hielt Lilithas goldenen Blick mit ihren violetten Augen förmlich fest. »Du hast mir damals eine stimulierende Massage angeboten und sagtest, sie würde auch als Aphrodisiakum wirken«, fuhr sie fort und schien in Lilitha ihre letzte Hoffnung zu sehen. »Ich möchte, dass du es herstellst und dem Highlord verabreichst. Wenn ich ihn wieder für mich gewinnen könnte und den Platz der Favoritin zurückbekäme, würde ich dafür sorgen, dass du zurück zu den Kammerzofen kommst.«
Die Hoffnung in Chianas Augen ging auf Lilitha über. Wenn sie das schaffte, würde sie ihm nicht mehr so nahe sein und konnte sich endlich wieder von ihm distanzieren. Auch wenn ihre Träume ihr gezeigt hatten, wie sehr sie seine Berührungen doch vermisste. Dennoch wollte sie nicht von ihm abhängig werden.
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