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Kapitel 31.2

So unauffällig wie möglich ließ sie ihren Blick über die große Tafel schweifen und entdeckte nur einen freien Platz ... das meinte er nicht ernst ...

War es zu spät, wieder umzudrehen? Konnte sie nicht doch wieder zurück in ihr Zimmer?

Während sie darüber nachdachte, bewegten sich ihre Beine schon von selbst auf den freien Platz neben dem Highlord zu.

Sie wollte nicht, doch es wäre sehr unhöflich, wenn sie jetzt einfach wieder ging. Ihre Eltern hatten ihr die grundlegenden Gesetze im Umgang mit dem Adel so intensiv beigebracht, dass es gegen all ihre Instinkte sprach, gegen sie zu verstoßen. Also ließ sie sich ganz vorsichtig und zögerlich neben dem blonden Mann nieder und versuchte die Blicke um sich herum auszublenden.

Selten hatte sie sich dermaßen unwohl gefühlt unter all den Blicken, die ihr alles andere als willkommen waren.

Ohne weiter auf irgendetwas einzugehen, griff sie nach einem trockenen Stück Brot und knabberte darauf herum. Womöglich würde das wenigstens ihren Magen beruhigen.

»Ich fühle mich fast schon geschmeichelt, dass Ihr mich mit Eurer Anwesenheit beehrt«, flüsterte der Highlord ihr mit einem ironischen Unterton zu. Vermutlich wusste er ganz genau, dass Lilitha nicht kommen wollte. Doch diese neue Anrede war verwirrend, sonst hatte er sie immer nur geduzt ... machte er sich etwa über sie lustig?

Auch wenn sie ihn nicht ansah, so wusste sie doch genau, dass er ihr neues Halsband betrachtete.

Sie bekämpfte den Drang, danach zu greifen und zu versuchen, es abzunehmen. Es würde sowieso nicht klappen. Nur der Highlord war in der Lage, das Schloss daran zu öffnen. Dennoch hätte es Lilitha gern abgemacht und zum Fenster hinausgeworfen.

Ihr Magen rebellierte und das, obwohl sie nur an dem Brot knabberte. Wie sollte es ihr gelingen, nicht vor Nervosität auf den Tisch zu brechen? Zumindest schaffte sie es, den Highlord zu ignorieren, so wie sie es sich vorgenommen hatte.

Mehr Genugtuung wollte sie ihm nicht gönnen. Es wurde langsam Zeit, dass er merkte, dass sie so etwas nicht mit sich machen ließ. Mochte sein, dass seine anderen Betthäschen so mit sich umspringen ließen, aber nicht sie. Wie er schon einmal gesagt hatte, musste sie lernen sich zu verteidigen.

Der Blonde lachte leise, als er sich von ihrem Profil abwandte und begann, sich mit einer der Gelehrten zu unterhalten.

Zum Glück. Wenigstens strapazierte er somit nicht weiter ihre, ohnehin schon angespannten, Nerven.

Unaufhaltsam zuckte sie heftig zusammen, als sie plötzlich spürte, wie eine Hand zu ihrer linken, unter den langen Schlitz ihres Kleides glitt und über die nackte Haut ihres Oberschenkels streichelte.

Sie spürte die Wärme und die leichte Rauheit seiner Fingerkuppen, die von dem ganzen Schwerttraining gezeichnet waren und musste schlucken.

War das sein Ernst?

Lilitha ließ eine ihrer Hände unauffällig sinken, ehe sie ebenfalls unter ihr Kleid glitt, um die Hand zu packen und sie von ihrem Bein zu schieben. So nicht!

»Lilitha!«, rief eine ihr bekannte Stimme auf, die sie ebenfalls zusammenzucken ließ. Verdammt! Konnte sie nicht einmal für ein Essen ihre Ruhe haben? Sie sah bereits Lauras blonden Schopf, der neben ihr stehen blieb, als sie argwöhnisch begann, die Frau neben Lilitha beiseite zu schieben, damit sie ihren Platz einnehmen konnte. Außer ihr wäre wohl niemand so dreist. »Wo bist du denn gewesen? Er hat dir extra den besten Platz im ganzen Saal aufgehoben«, flüsterte sie ihr zwinkernd zu, was Lilitha jedoch ebenfalls versuchte zu ignorieren. Ob Laura wohl wusste, dass er sie, trotz ihrem Flüstern, hören konnte?

Erneut spürte sie seine Hand, die nun an der oberen Hälfte über ihre Innenschenkel glitt. Stockend schnappte Lilitha nach Luft, als sie sich schnell räusperte. Zum Glück saß Laura um eine Ecke neben ihr und dürfte somit nichts davon mitbekommen ... hoffte Lilitha zumindest.

Erneut griff Lilitha schnell nach der Hand und schubste sie von ihrem Bein, während sie ihren Blick scheinbar interessiert über das Essen gleiten ließ. Das Problem war nur, dass ihr davon schlecht wurde.

Heute war wirklich nicht ihr Tag. Vor allem nicht, als sie Chiana entdeckte, die auf der gegenüberliegenden Seite vom Highlord saß. Etwas weiter rechts von ihm, aber noch nah genug, dass sie Lilitha einen bösen Blick zuwerfen konnte.

Nun senkte Lilitha wieder ein wenig beschämt den Blick. Sie wollte gar nicht wissen, was die Hexe von ihr dachte, doch sie würde mit ihr reden müssen. Chiana war das, was einer vertrauten Person innerhalb dieser Wände am nächsten kam.

»Was ist denn los mit dir?«, fragte Laura ein wenig verwundert und schüttelte Lilithas Schulter, um sie dazu zu zwingen, sie anzusehen.

Gerade als Lilitha widerwillig ihren Blick auf die Frau richtete, verirrte sich wieder eine Hand auf ihre Haut, die da nicht hingehörte! Dieses Mal schob sie die Hand nicht sanft von ihrem Bein, sondern verpasste ihr einen Klaps, ehe sie diese hinunter schlug. Ihr Blick war dabei fast ausdruckslos auf Laura gerichtet. »Mir geht es nicht gut«, sagte sie leise, auch wenn sie wusste, dass der Highlord es definitiv hören würde. Allerdings hörte sie dennoch das unterdrückte Lachen zu ihrer linken, welches nur von dem blonden Mann ausgehen konnte. Natürlich sah er das mal wieder als eines seiner Spielchen.

»So?«, fragte die Dunkelhäutige und runzelte die Stirn. »Wenn du möchtest, können wir später in den Hamam gehen ... es sei denn, du hast schon etwas vor?«, fragte sie mit einem schelmischen Grinsen und schielte kurz zum Highlord, ehe sie wieder fragend zu Lilitha blickte.

»Der Hamam wird mir nicht hilfreich sein«, erklärte Lilitha mit ruhiger Stimme. »Ich werde mir einen Kräutertee machen und mich hinlegen«, sagte sie, als wäre es das Einfachste der Welt. Wie kam diese Frau nur auf die Idee, der Hamam würde ihr helfen? Mit all den anderen Frauen in einen Raum gesperrt zu sein, war nun wirklich nicht das, was sie brauchte, um sich zu beruhigen. Und sie wollte auch nicht, dass der Highlord ihr am Abend Gesellschaft leistete! Ganz im Gegenteil, das war das Letzte, was sie wollte.

Sie bemerkte, wie sich der besagte Mann nun nach hinten lehnte, mit einem Kelch Blut, aus dem er trank.

Dabei spürte sie erneut seine Fingerspitzen, die fast schon zärtlich bittend über die nackte Stelle ihrer Hüften strichen.

»Schade ... ich kann später nach dir sehen. Wäre doch furchtbar, wenn du deine ersten Tage als Rote im Bett verbringen würdest ... na ja, in deinem Bett«, kicherte sie und zuckte aufreizend die Brauen, ehe sie sich wie selbstverständlich eine Schüssel Suppe nahm. Diese Frau war so vulgär, dass Lilitha es bereute, sie überhaupt kennengelernt zu haben.

»Das wird nicht nötig sein. Ich verbringe meine Zeit gern in meinem Bett. Allein«, sagte sie und betonte das letzte Wort, ehe sie sich ebenfalls eine Schale Suppe nahm. Vielleicht akzeptierte ihr rebellierender Magen wenigstens das.

Langsam nahm sie einen Löffel und versuchte nicht allzu sehr zu zittern, damit etwas von der Brühe auch ihren Mund erreichte.

Erneut strichen seine Finger über die kleine nackte Stelle an ihrer Hüfte, wo diese langsam immer wieder kleine Kreise zogen.

»Wenn dir das schon Spaß macht, wart's ab, wie es wird, wenn du eine zweite Person dazu holst«, flüsterte Laura wieder und tunkte ein Stück Brot in die Flüssigkeit, um dieses zu essen und zum Highlord zu schielen, der angeblich unschuldig neben Lilitha saß.

Lilitha hielt in ihrer Bewegung inne. Meinte sie das ernst? »Du musst nicht von dir auf andere schließen«, meinte die Rothaarige langsam und leise. »Nur weil du es dir allein besorgst, heißt das nicht, dass ich das ebenfalls tue. Ich habe lediglich gern meine Ruhe«, erklärte Lilitha ein wenig gereizt und griff erneut nach der Hand, um sie mit ihrer festzuhalten und auf den Sitz zu drücken. Zumindest würde sie so einen Löffel essen können, ohne die Hand ständig von ihrem Bein zu nehmen.

Der Highlord schmunzelte belustigt über Lilithas harschen Angriff auf Lauras Beschäftigungen und senkte den Blick ein wenig.

Unberührt aß Lilitha weiter, als wäre nichts und hoffte, dass sie endlich ihren Standpunkt verstanden hatte.

Laura musterte sie zunächst mit offenem Mund, bis sie ebenfalls weiter aß, ohne etwas zu erwidern. Endlich war sie still. Mehr als das konnte sie wohl nicht verlangen.

Sie zwang sich den Schluck ihrer Suppe herunterzuwürgen, als sie spürte, wie die Hand des Highlords unter ihrer begann sich zu bewegen und über ihre Handinnenfläche streichelte.

Hatte ihr nicht jeder hier erzählt, dass er alles andere als triebgesteuert war? Nun, sie sah das ein klein wenig anders. So wie er ständig versuchte, sie zu berühren und sie mit seinen Blicken auszuziehen, war es eigentlich sehr eindeutig. Aber solange er nur ihre Hand streichelte, war es ertragbar, also versuchte sie es möglichst zu ignorieren. Was sich schwer gestaltete, als sie nun auch noch seinen braunen Blick auf ihrer Seite spürte.

Dieser Mann war definitiv zu sehr von sich selbst überzeugt, wenn er jetzt dachte, nur weil sie seine Hand nicht wegstieß, würde sie das in Ordnung finden. Genauso wie er scheinbar dachte, sie fände es in Ordnung, das rote Halsband zu tragen. Aber das war es nicht. Nichts von dem hier war es.

Vielleicht sollte sie sich doch zurück auf die Straße flüchten. Einen Weg hatte ihr der Highlord ja persönlich gezeigt und dort würde es sicherlich auch eine Möglichkeit geben, dieses Halsband loszuwerden.

Vielleicht sollte sie diesen Abend dazu nutzen. Wo alle von der Feier erschöpft waren.

Eine andere Wahl würde sie wohl kaum haben. Mit dem Highlord zu reden, hatte scheinbar nichts gebracht. Er hatte genügend Haremsfrauen. Eine weniger würde ihm wohl kaum schaden.

Erleichtert atmete sie aus, als sie bemerkte, dass er den Blick abwandte.

Wie lange würde dieses Abendmahl überhaupt noch gehen? Sie war gerade erst gekommen und es fühlte sich bereits an wie eine halbe Ewigkeit.

Das Mahl zog sich in die Länge und Lilitha hatte das Gefühl, dass die Zeit überhaupt nicht verging.

Sie hatte Hunger, doch sobald sie aß, war ihr Magen der Meinung, er müsste wehtun. Dabei konnte sie doch etwas zu essen gut gebrauchen, also zwang sie sich zu essen und darauf zu achten, dass sie für heute Nacht genügend Kraft hatte.

Immer wieder bemerkte sie, wie der Highlord sie musterte, was ihr ein wenig Panik bereitete. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee, sie heute Abend schon zu sich zu holen.

Doch selbst das würde sie nicht aufhalten. Sie hatte einen Entschluss gefasst und an den würde sie sich auch halten.

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